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Karte „Thüringen“ mit freundlicher Genehmigung des Verlages © Verlag grünes herz,® Dr. Lutz Gebhardt & Söhne GmbH & Co. KG,

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Die mehrfach veränderten Neuregelungen der deutschen Rechtschreibung (1998  2005) wurden in diesem Werk nicht angewendet. Dem Stoff, der Darstellungsweise und dem Geist der geschilderten vergangenen Zeiten entsprechend, folgen Autor und Verlag dem von Konrad Duden ab 1880 im Bibliographischen Institut zu Leipzig herausgegebenen „Vollständiges Orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache“ sowie nachfolgenden Bearbeitungen.

Autor: Klaus Fischer

Illustrationen: Peter Muzeniek, Horst Hausotte

Satz und Layout: Christine Fischer und Mathias Gawlich

© amicus-Verlag 2013

Alle Rechte vorbehalten.

Zweite erweiterte und umfassend überarbeitete Auflage der Erstausgabe von 1990.

www.amicus-verlag.de

Satz: www.DTPMedia.de

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2014

ISBN 978 - 3-944039 - 35-0

ISBN 978 - 3-944039 - 37-4 ebook/​epub

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Impressum

Sagenhaftes Thüringen entdecken

Die drei Gleichen

Der zweibeweibte Graf

Das wilde Heer und der Getreue Eckart

Sagenkaiser Rotbart

Barbarossa im Kyffhäuser

Rotbarts anhaltender Verbleib

Kikeriki am Ziegenrücker Teufelswehr

Fromme Zwerge und Feen unter Saalfeld

Der Riesin Spielzeug im Schwarzatal

Der geile Ritter und Fürstenblut für Ochsenblut!

Ritter und Baumeister als Leckärsche

Wasunger Galgenhumor

Der Rodaer Bierkrieg

Die Pest in Gera

Altenburger Zeitenrutsch

Grenzenloses vom Osterland bis Franken

Vom Greizer Hupfmännel und anderen Teufeleien

Ungeheuerliches in Apoldas Sümpfen

Die totgekitzelte Elephantin

Wundervolles Jena

Vom pflaumenmusliebenden Lindwurm Mühlhausens

Mördergrube inmitten der Rhön

Meiningens unterirdisches Geheimnis

Schwanengesang zum Fürstenmahl mit Galgenleiche in Besondershausen

Der Freischütz vom Hainichwald

Wichtel im Werratale

Die Nixe aus der Totenlache

Der gefoppte Rennsteigriese

Der weiße Hirsch Einhorn bei Sonneberg

Jauchebad unterm Erfurter Wappenrad

Tatort Saaletal, Fall: Ludwig der Springer

Ruhlas Schmied und der Eiserne Landgraf

Der Sängerstreit auf der Wartburg

Die Heilige Elisabeth

Tannhäuser im Liebesnest der Frau Venus

Ein sagenhafter Thüringer namens Johann Faust

Vorwort im Nachhinein

Quellenverzeichnis

Spurensuche

Sagenhaftes Thüringen
entdecken

itten im großen Erdteil Europa liegt das kleine Land Thüringen. Auf rund sechzehntausend Quadratkilometern Fläche leben heute kaum zweieinfünftel Millionen Einwohner. Doch eigentlich sind es viel, viel mehr Wesen, die den Freistaat über- und unterirdisch bevölkern. Es tummeln sich nämlich unzählbare sagenhafte Gestalten hier und dort – an fast jedem Ort!

Vor reichlich anderthalbtausend Jahren entstand das Königreich der Thüringer. Um 400 taucht für den germanischen Stamm der Name „Düringer“ erstmals in der Geschichte auf. Ende des 5. Jahrhunderts erreichte Thüringen seine größte Ausdehnung; es soll sich von der Altmark bis an den oberen Main und hinunter nach Regensburg erstreckt haben – sagenhaft! Das gefiel den Nachbarn Franken und Sachsen gar nicht, sie verbündeten sich und vernichteten das Reich der Thüringer. Doch dieses Völkchen verschwand beileibe nicht aus der deutschen Geschichte und prägt politisch, wirtschaftlich wie kulturell die Nation immer noch und weiterhin mit, landschaftlich sowieso.

In jenen Zeiten wuchsen auf den Bergen Burgen, sie thronen auch heute noch als kulturgeschichtliche Denkmäler vielfach überm Land: Beweise bestaunenswerter Baukunst und Zeugen von Kriegslist, Angst und Schrecken, aber auch des Friedenswillens der Vorfahren. Unübersehbar prangen alte Bauten über der Landschaft des kleinen Thüringenlandes – oft als stolze Ruinen. Und das grüne Herz Deutschlands pocht drumherum.

Solange es Thüringen gibt, erzählt man sich Sagen aus diesem Land, über seine armen und reichen, guten und bösen Leute, über Liebe, Haß, Frieden, Krieg, Raffgier, Neid, Uneigennutz, Hilfsbereitschaft, über Geld und Gold, Kluge und Dumme, Gute und Böse, Hübsche und Häßliche, Nette und Garstige, kühne Ritter, Helden und Feiglinge, über Zwerge, Riesen, Feen, Hexen, Wilde Jäger, Ungeheuer. Man trifft fleißige Bauern, arme Familien, dumme Fürsten, schöne Mädchen und freche Buben – alldas waren einst die sagenhaften Thüringer.

Sie prägen bis heute die allseits bekannten mitteldeutschen Sagen.

Einige davon, wie auch unbekannte Geschichten, findet man in diesem Buch versammelt, nun hier neu und frei mit Augenzwinkern erzählt – anders, als bisher geläufig.

Wer will, kann sich aufmachen, die Sagenhaften und die Spuren ihrer Erlebnisse in der jeweiligen Landschaft zu suchen und zu entdecken. Verraten werden viele Orte des einstigen Geschehens. Manches um uns herum scheint noch gegenwärtig zu sein.

Leute von heute, tauchet hinab in die versunkene Zeit, nicht nur der sagenhaften Thüringer mitten in Mitteldeutschland 

Die drei Gleichen

m überaus reichen Füllhorn des Thüringer Sagenschatzes finden sich auch die Geschichten über die drei Burgen zwischen Arnstadt und Gotha, die stets gemeinsam genannt werden. Wer hier durch Thüringen reist, erfreut sich immer wieder am schönen Blick auf die aus der Landschaft ragenden Bauwerke, zwei nur noch als Ruinen. Die jüngste ist die eigentliche Burg Gleichen. Seit dem 11. Jahrhundert schaut sie über die Flur Wandersleben ins Land, sie diente einst sogar als Schloß für den sagenhaften Grafen Ludwig. Bekannt ist die Mär vom Riesenbett dieses Herrn, „worinn er mit zwo Gemahlinnen geschlaffen“! Die Sage vom Zweibeweibten folgt sogleich in diesem Buche.

Gegenüber Gleichen liegt die rund einhundert Jahre früher erwähnte Wachsenburg. Ursprünglich hatten sich dort oben Nonnen niedergelassen, die diese Bergeskuppe schätzten und voller Freude darauf siedelten, waren sie doch so dem Herrgotte ein Stück näher, konnten indes ihren sonstigen Gelüsten unter der Sonne ungestört frönen. Doch in Gestalt des gar nicht so heiligen Abts von Hersfeld erfolgte eines Tages die Vertreibung aus diesem Paradies. Um 950 war das, da ließ dieser Oberhirte hier eine Burg wachsen, um den umfangreichen kirchlichen Besitz im Arnstädter Gebiet zu schützen und bis nach Erfurt hinein zu mehren. Lange Zeit war die Wachsenburg mit bewaffneten Mönchen besetzt, doch im 15. Jahrhundert mußten die inzwischen verarmten Gottesknechte das Anwesen verpfänden.

In den Wirren des Thüringer Bruderkrieges von 1446 bis 1451 machte sich hochdroben ein Ritter namens Apel von Vitzthum breit: ein Ränkeschmied, Raufbold und Räuber übelster Sorte, der auf seinen Schreckenstitel „Brandmeister von Thüringen“ auch noch stolz war. Auf der Handelsstraße von Erfurt zum Rheinland, quasi vor seiner Haustür, plünderte der Unhold Kaufleute und Reisende aus, mordete Bauern, die ihm nicht willfährig waren, brandschatzte deren Felder und Gehöfte in den Siedlungen rundum.

Doch eines Tages besinnen sich die gedemütigten Opfer ihrer vereinten Kräfte und von Erfurt, Mühlhausen und sogar Nordhausen ziehen sie heran und belagern das verhaßte Raubnest vier Wochen lang, man schreibt 1451. Die Geschosse und Kugeln pfeifen um die Veste Wachsenburg, schlagen ein, prallen ab und Apel von Vitzthum bekommt langsam einen trockenen Hals und kalte Füße. Doch die dicken Mauern der trutzigen Burg widerstehen. Da ziehen 40 Kumpel aus dem Mansfelder Kupferbergbau herbei und treiben einen 200 Meter langen Stollen tief im Berg voran und nach oben, so daß schließlich die Schildmauer teilweise einstürzt. Während Burghauptmann Kersten von Hayn und seine Raubritterkumpane die Waffen strecken und sich ergeben, entkommt Bösling Apel durch einen Geheimgang unerkannt hinab ins Tal. Nun auf der Flucht, betreibt er weiter sein räuberisches, mörderisches Werk, als wäre er zum Schlechtsein und Menschenhaß geboren. Der Raubritter versucht, sich an den Reisenden zu bereichern, die auf der hier vorbeiführenden Handelsstraße von Paris über Erfurts Krämerbrücke nach Leipzig und weiter nach Königsberg, gar Nowgorod, unterwegs sind.

Doch Apels Macht schwindet. Er hegt Rachepläne und krönt seinen schlimmen Lebenslauf mit einer erneuten Missegroßtat: am 19. Juni 1472 zündet er mit ein paar aus einem Kloster entlaufenen besoffenen Mönchen die Stadt Erfurt an mehreren Stellen an und ergötzt sich an dem Brandsturm, der 6000 Häuser zerstört und zehntausende Menschen obdachlos macht – die Hälfte aller Einwohner.

Vitzthum flieht; von da an bleibt er verschwunden, niemand weiß, wo und wie er endete.

Heute brennt es auf den Burghöfen und im Tal auch manchmal – unterm Bratwurstrost!

Gelassen schaut die Dritte im Bunde, die Mühlburg, durch ihre Ruinenfenster auf das Treiben, sie steht als älteste mindestens seit dem 8. Jahrhundert hier, wurde zerstört und aufgebaut, wechselte wie ihre Schwestern oft die Besitzer und Herrschaften. Die Steine der Ruine könnten über die Machtgelüste rauflustiger Familienstämme und Kriegsherren wie auch von friedlichen Zeiten viel erzählen. So war die Mühlburg bei Mühlberg die Heimat der letzten Thüringer Königstochter Prinzessin Radegundis, die als Heilige Radegunde in die Geschichte einging.

Thüringer Gastlichkeit ist ringsum in die alten Gemäuer und zwischen neue Wände der Sehenswürdigkeiten inmitten der Wachsenburggemeinden vermehrt eingezogen. Und senkt sich der Abend, machen die alten Geschichten die Runde von Mund zu Mund und Ohr zu Ohr. Da wird geplaudert, weggelassen, dazugesponnen, stille Post gespielt, neu fabuliert. Auch diese vorliegende kleine Sammlung ist nicht frei von alldem 

Warum aber werden die ungleichen Burgen nun „Die drei Gleichen“ genannt?

Sinken wir noch einmal hinab in die Geschichte und tauchen im Jahre 1231 wieder auf. Was ist los im Thüringer Becken? Schlechtes Wetter! Ein dräuender Himmel hängt über der Landschaft, Blitze zucken, Donner grollen. Da löst sich eine seltene Naturerscheinung aus dem Wolkenhaufen und kullert durch die Gegend – ein unheilvoller Kugelblitz rollt durchs Land und durchstreift nacheinander diese drei Burgen! Eben noch stolz und kühn, fangen sie an zu glüh’n, brennen lichterloh! In dieser Maiennacht lodern drei Riesenflammen gen Himmel und zeugen vom dreifachen Schicksalsschlag.

Die Asche von einst ist längst verflogen, der Ruß vom Regen abgewaschen. Manche Urgemäuer stehen noch.

Heute schweift der Blick über die Mauern hinweg ins Thüringer Land, wo einige tausend solcher Burgen und Schlösser wie die Gleichen alle Wirren der Zeiten überstanden haben. Es gibt viel zu erwandern, kennenzulernen und zu erkunden – für fremde wie einheimische Entdecker.

Möge noch lange auch dieser schöne Teil unserer Heimat friedlich erhalten bleiben, damit ewig der Sagenschatz weitererzählt wird. Ludwig Bechstein, der emsige Sammler, Dichter und Bücherfreund, der sich alles mit den Augen und mit den Füßen erwandert hat, schrieb einst angesichts der Landschaft rund um die drei Gleichen:

Hier liegt vom Buche Thüringens eine der herrlichſten Stellen vor uns aufgeschlagen! 

Der zweibeweibte Graf

laubt man der Sage, war Graf Ludwig von Gleichen gar nicht zu Hause, als der Blitz in seine Burg einschlug. Im Jahre 1227 hatte nämlich der Ritter nichts besseres zu tun, als Weib und Kemenate zu verlassen und sich mit seinen Kampfgenossen in den Kreuzzug einzumischen. Doch die Eindringlinge bekamen allerhand auf ihre Helme, gerieten weitweg von der Heimat in Gefangenschaft, wurden gar als Sklaven außer Landes verkauft.

Der Graf hatte Glück, denn ein mächtiger Sultan nahm sich des strammen Fremdlings an. Für irgendetwas wäre er schon zu gebrauchen. Kaum im Reiche seines neuen Besitzers, hatte Ludwig wirklich viel zu tun – als Hofnarr, Vorkoster, Märchenerzähler oder nur so als blasser Fremdling mit der Laute. Auch sonst ward es ihm in der Ferne nicht langweilig, denn des Sultans Tochter verliebte sich heftig in den flotten Thüringer. Auch dieser war nicht abgeneigt, zumal das gute Mädchen sofort für den Plan entflammte, gemeinsam die heimliche Flucht gen Westen zu wagen. Allerdings mußte Ludwig der orientalischen Schönheit vorher die Ehe versprechen, was er flugs tat, obwohl er ja schon verheiratet war. So machte man sich alsbald auf die Pantoffeln und schlich von dannen.

Neun lange Jahre waren vergangen, als der Graf vom mißglückten Kreuzzug zu Hause wieder aufkreuzte, wo er wie ein Held empfangen wurde. Der gesamte Hofstaat war angetreten, das Volk herbeigezogen, um zu gaffen. Unterhalb der Burg, beim Gasthofe Freudenthal, fand das große Willkommensfest bei Bratwurst, Bier, Wein und Zwiebelkuchen mit Musik und Freudenfeuer statt.

Ludwigs treues Weib war indes arg verwundert über des Gatten Mitbringsel in Gestalt einer fremdartigen Schönheit. Doch bevor die Burgfrau überhaupt auch nur ein Eifersuchtsdrama, die Ausländerin einen Zickenkrieg, anzetteln konnten, erzählte ihr der dicke Ludwig ehrlich alles über seine Lebensretterin und deren Bedingung. Fügte auch gleich hinzu, daß er unterwegs mal kurz beim Papst gewesen ist, der, alle göttlichen Gebote vergessend und sehr gerührt, ausnahmsweise in eine Doppelehe eingewilligt hatte!

Fortan lebte also der wackere Graf von Gleichen gleich mit zwei Ehefrauen sehr glücklich und zufrieden unter einem Dache und schlief gemütlich, wie alle Sagenerzähler berichten, mit beiden Gattinnen im sonders gebauten breiten Ehebette in allerdings recht anstrengender Dreisamkeit hoch droben auf der Burg Gleichen 

Das Bett ist leider nicht mehr vorhanden, aber die echte Grabplatte kann man heute im Dom Sankt Marien zu Erfurt besichtigen.

Als dieser Stein, auf dem ein Mann und zwei Frauen abgebildet sind, im 19. Jahrhundert aufgehoben ward, um ihn im Dom aufzustellen, fand man überraschenderweise in Ludwigs Gruft sehr wohl ein männliches Skelett, doch dieses war nicht von zweien, sondern von fünf weiblichen Gerippen umgeben!

Hatte der wackere zweibeweibte Graf von Gleichen gar noch mehr Frauen und Freundinnen, die neben ihm abruhen durften? Sagenhaft!

Das wilde Heer
und der Getreue Eckart

ief drinnen im Hörselberge wohnen die Mannen des wilden Heeres. Zur Walpurgisnacht und auch, wenn sie Langeweile haben, verlassen die Unholde ihre Höhlen, um über das Land zu brausen. Oft ziehen sie am Erdboden entlang, durchqueren Wälder und Auen, sind auf Bergen und in Tälern zu sehen, scheuen keine Dörfer, suchen gar Städte heim 

Das wilde Heer ist eine gar grausig anzusehende Schar von bedauernswerten Geschöpfen. Viele geben sich als Gespenster, haben Gesichter von Verstorbenen, manche tragen ihre Köpfe in den Händen, andere haben Arme und Beine geschultert, Glieder scheinen vom Körper gelöst. Es kommen Geister dahergeschwebt, manche Gestalt scheint am unsichtbaren Galgen zu baumeln. Viele haben Messer in der Brust oder eine Axt im Schädel stecken. Wunden klaffen, ohne zu bluten. Andere sind auf Räder gebunden und rollen dahin. Manch Untote müssen gar ihre Folterbänke mit sich schleppen. Gebell, Wiehern, Grunzen, Fauchen, Brummen und Blöken begleiten den Zug, denn auch mißliche Tiere gehören zur erschröcklichen Truppe.

Vor dem Heer schreitet der einzig gewöhnliche Mensch, ein alter Mann: der Getreue Eckart. Er mahnt an und warnt das gaffende Volk, scheucht die Unängstlichen und Wagehalse weg: „Jede Berührung mit den Wilden stürzt euch ins Unglück!“

Eines Tages wälzte sich der grauenvolle Haufen gen Winterstein. Unterwegs lungerten zwei Knaben, die aus einer Gastwirtschaft für ihre Väter je einen Krug Bier geholt hatten. Eckart gab den Jungen einen Wink, und diese versteckten sich flugs hinter einem Gebüsch. Doch die wilden Mannen, so schrecklich sie sich auch äußerlich gebärdeten, trugen innerlich menschliches Gut, hatten scharfe Augen und feine Nasen – und immer großen Durst. So stürzten sie sich auf die Wänster, nahmen ihnen die Krüge weg und soffen den kühlen Trunk aus. Dann zogen sie grölend weiter.

Der Getreue Eckart lobte die Knaben, daß sie das Bier freiwillig hergegeben und so ihr Leben gerettet hatten. Zu Hause aber sollten sie niemandem etwas erzählen, dann wäre alles in Ordnung. Die Beiden beherzigten das. Und als sie vor ihren Vätern standen, waren die Krüge plötzlich wieder voll köstlichen Bieres. Die Männer und ihre Frauen tranken mit den Nachbarn und schluckten wie die Scheunendrescher, Kesselflicker oder die Gaukler vom Stadttheater, doch der frisch gehopfte, malzige Quell im Kruge versiegte wunderbarerweise nicht!

Bedrängt berichteten die Jungs schließlich von ihrer unheimlichen Begegnung mit den Heerscharen der wilden Art. Nun wollten alle Immerdurste soetwas erleben und einen Nieleer-Krug erhaschen, zumindest sich ihren Haustrunk ständig umsonst abfüllen. Doch prompt floß kein Tropfen mehr aus den Humpen der Knaben. Die wilden Fürchterlinge ließen sich hierzulande nimmer blicken. Leider blieb fortan auch der gute Getreue Eckart verschwunden.

Sagenkaiſer Rotbart

r gilt als der sagenumwobenste deutsche Kaiser: Friedrich der Erste war zeitlebens ein Grenzgänger, Vielreisender, Kampfbold und Kriegsknecht wie Friedensstifter, Wegnehmer wie Hergeber, Genußmensch, Kostverächter, Reiter, Wanderer, leider auch Nichtschwimmer. Seltenerweise schmückte ihn eine rote Haarpracht vom Scheitel über den großen Bart bis zum Schamflaum. Noch heute kennt man ihn als unsterblichen Langschläfer unterm Kyffhäuserberg.

Der 1122 geborene Sohn eines staufischen Herzogs und einer Welfin war schon als Jüngling zum Herzog von Schwaben bestallt worden, obwohl er die feine Mundart des wundersamen Völkchens weder verstand, noch sich in dessen Fremdsprache ausdrücken konnte. Alsbald mußte er seinem Onkel Konrad nachfolgen und fortan war Friedrich auch ein König. Dieses Amt machte ihm Spaß, und er erweiterte seine Berufskladde fortlaufend, entwickelte sich zum Allerobersten quer durch Europa.

Der Mächtige schacherte, buhlte und kämpfte um andere Länder, Marken, Tümer. Er band klug Reiche wie Arme in seinem Reiche an seinen Thron.

Italien fand Friedrich I. besonders bella-bella, reizend und anlockend, mehrmals war er dort mit seinen Heerscharen. In einer Mischung aus Feind- und Freundschaft bewunderten die Italiener den molto bene Germanen und uzten ihn ob seines schönen roten Bartes „Barba rossa“. Auch Papst Hadrian hofierte den nordalpischen Herrscher und beförderte ihn prontamente zum Kaiser Italiens. Friedliche wie kriegerische Eroberungen gehörten zum Alltag, nur Seuchen und Naturgewalten konnten den deutschen Oberkönig aufhalten.