Hanser E-Book
FÜR ISABEL
Ein Mandala
Aus dem Italienischen
von Karin Fleischanderl
Mit einem Nachwort
von Michael Krüger
Carl Hanser Verlag
Die italienische Originalausgabe erschien 2013
unter dem Titel Per Isabel. Un mandala
bei Feltrinelli in Mailand.
ISBN 978-3-446-24586-0
© Antonio Tabucchi 2013
Alle Rechte der deutschen Ausgabe
© Carl Hanser Verlag München 2014
Satz im Verlag
Schutzumschlaggestaltung und Fotografie: Peter-Andreas Hassiepen, München
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Rechfertigung in Form
eines Vorworts
1. ERSTER KREIS
Mónica. Lissabon.
Beschwörung
2. ZWEITER KREIS
Bi. Lissabon.
Orientierung
3. DRITTER KREIS
Tecs. Lissabon.
Vertiefung
4. VIERTER KREIS
Onkel Tom. Reboleira.
Wiedereingliederung
5. FÜNFTER KREIS
Tiago. Lissabon. Bild
6. SECHSTER KREIS
Magda. Priester. Macao.
Kommunikation
7. SIEBTER KREIS
Der Wandelnde Geist.
Macao. Zeitlichkeit
8. ACHTER KREIS
Lise. Xavier. Schweizer Alpen.
Ausdehnung
9. NEUNTER KREIS
Isabel. Bahnhof an der Riviera.
Verwirklichung. Rückkehr
Notiz zu
Für Isabel. Ein Mandala
Addio, Antonio!
Nachwort von Michael Krüger
Im Raum des Mandalas widme ich dieses Buch einer weiblichen Figur, die im »Kreis der Beschwörung« in Erscheinung tritt. Im Raum des irdischen Lebens widme ich es meiner Freundin Tecs, die eigentlich anders heißt, nur ich nenne sie so. Und neben ihr meinem alten Freund Sergio.
Wer weiß, vielleicht haben
die Toten einen anderen Brauch.
SOPHOKLES, Antigone
Private Obsessionen, Bedauern, das von der Zeit zwar ausgehöhlt, aber nicht verändert wird – so wie das Wasser eines Flusses Kieselsteine abschleift –, und unlogische, der Wirklichkeit nicht gerecht werdende Phantasien liegen diesem Buch zugrunde. Ich kann jedoch nicht abstreiten, dass mich auch die Tatsache inspiriert hat, dass ich einen rot gekleideten Mönch gesehen habe, der in einer Sommernacht mit feinstem buntem Sand ein Bewusstseins-Mandala für mich auf nackten Stein streute. Und dass ich in derselben Nacht Gelegenheit hatte, einen kurzen Text von Hölderlin zu lesen, den ich seit einem Monat im Koffer mit mir herumtrug, ohne dass ich Gelegenheit gehabt hätte, ihn zu lesen. In dieser Nacht, kurz vor Vollmond, unterstrich ich darin folgende Worte: »Das tragischmäßige Zeitmatte, dessen Object dem Herzen doch nicht eigentlich interessant ist, folgt dem reißenden Zeitgeist am unmäßigsten, und dieser erscheint dann wild, nicht, dass er die Menschen schonte, wie ein Geist am Tage, sondern er ist schonungslos, als Geist der ewig lebenden ungeschriebenen Wildniß und der Todtenwelt.«
Es mag seltsam erscheinen, dass ein Schriftsteller, der schon älter als fünfzig ist und schon viele Bücher veröffentlicht hat, noch immer das Bedürfnis verspürt, das Abenteuer seines Schreibens zu rechtfertigen. Sogar mir erscheint es seltsam. Offenbar habe ich das Dilemma noch nicht gelöst und mich noch nicht entschieden, ob es sich einfach um ein Schuldgefühl gegenüber der Welt handelt oder um nicht erfolgte Trauerarbeit. Natürlich gibt es auch noch andere Hypothesen. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass ich in jener Sommernacht auf den Flügeln der Phantasie nach Neapel flog, denn an diesem fernen Himmel stand ein Vollmond. Und es war ein roter Mond.
A. T.
ERSTER KREIS
Mónica. Lissabon.
Beschwörung
Ich war noch nie im Tavares gewesen. Das Tavares ist das luxuriöseste Restaurant in ganz Lissabon, mit Spiegeln im Stil des 19. Jahrhunderts und Samtstühlen, internationaler Küche, aber auch typisch portugiesischen, allerdings sehr verfeinerten Speisen; wenn man zum Beispiel Venusmuscheln mit Schwein, ein typisches Gericht aus dem Alentejo bestellt, bekommt man eine Speise wie in einem feinen Pariser Restaurant, so hat man mir jedenfalls erzählt. Ich fuhr mit dem Autobus bis zur U-Bahn-Station Intendente. Dort wimmelte es von Huren und Zuhältern. Es war später Nachmittag, ich war zu früh dran. Ich betrat ein altes Café, in dem ich schon einmal gewesen war, ein Café mit Kegel-Billardtischen, und sah den Spielern zu. Ein alter Mann mit nur einem Bein stützte sich beim Spielen auf seine Krücke, er hatte helle Augen und weißes Kraushaar, er traf die Kegel wie selbstverständlich, erleichterte seine Mitspieler um ihr Geld, und dann setzte er sich auf einen Stuhl und tätschelte seinen Bauch, als wollte er damit seine Verdauung anregen.
Möchtest du spielen, mein Freund, fragte er mich. Nein, antwortete ich, gegen dich würde ich ganz bestimmt verlieren, aber wenn du möchtest, können wir ein Gläschen Portwein miteinander trinken, ich brauche einen Aperitif und lade dich gern auf einen ein. Er sah mich lächelnd an. Du hast einen merkwürdigen Akzent, bemerkte er noch, bist du Ausländer? In gewisser Weise, antwortete ich. Woher kommst du?, fragte er. Aus der Gegend von Sirius, sagte ich. Die Stadt kenne ich nicht, sagte er, in welchem Land liegt sie? Im Großen Hund, antwortete ich. Kein Wunder, sagte er, bei den vielen neuen Ländern, die in letzter Zeit entstanden sind. Er kratzte sich mit dem Queue den Rücken. Und wie heißt du?, fragte er. Ich heiße Waclaw, antwortete ich, aber das ist nur mein Taufname, meine Freunde nennen mich Tadeus. Der misstrauische Blick verschwand und er lächelte breit. Du bist also getauft, sagte er, ein Christ, dann lade ich dich auf ein Getränk ein, was möchtest du? Ich sagte, ich hätte gern einen weißen Portwein, und er rief den Kellner. Ich weiß jetzt, was dir fehlt, nahm der kleine Mann das Gespräch wieder auf, dir fehlt eine Frau, eine schöne achtzehnjährige Afrikanerin, ich kenne eine, die ist billig, fast noch Jungfrau, sie ist gestern von den Kapverden gekommen. Nein danke, sagte ich, ich muss bald gehen, ich werde versuchen, ein Taxi zu bekommen, ich habe heute Abend eine wichtige Verabredung, ich habe gerade keine Zeit für Mädchen. Er sah mich verdutzt an. Hmm, sagte er, aber was suchst du dann in dieser Gegend? Ich zündete mir schweigend eine Zigarette an. Andererseits suche ich schon eine Frau, sagte ich dann, ich versuche etwas über sie herauszufinden, ich bin hier nur zufällig gelandet, um Zeit zu gewinnen, denn ich habe eine Verabredung mit einer Dame, die mir etwas über sie erzählen kann, ich möchte wissen, was sie mir zu sagen hat, und ich werde jetzt besser gehen, an der Haltestelle steht ein Taxi, ich sollte mich beeilen.
Warte einen Augenblick, sagte er, warum suchst du diese Frau, fehlt sie dir? Vielleicht, antwortete ich, sagen wir, ich habe sie aus den Augen verloren und bin extra vom Großen Hund hergekommen, um sie zu suchen, falls dich das interessiert, genau deshalb habe ich diese Verabredung. Und wo findet diese Verabredung statt?, fragte er mich. Im elegantesten Restaurant von ganz Lissabon, antwortete ich, einem Lokal voller Spiegel und Kristalllüster, ich bin noch nie dort gewesen, wahrscheinlich ist es nicht gerade billig, aber ich werde nicht bezahlen, was soll’s, mein Freund, ich bin auf Heimurlaub und habe kaum Geld in der Tasche, ich tue gut daran, Einladungen anzunehmen. Ist das ein Faschistenlokal?, fragte der Alte. Das kann ich dir nicht sagen, antwortete ich, ehrlich gesagt, habe ich darüber noch nie nachgedacht.
Ich stand schnell auf, verabschiedete mich und ging. Das Taxi stand noch an seinem Platz. Ich stieg ein und sagte: Guten Abend, ins Tavares, bitte.
Wir haben uns im Internat »Escravas do Amor Divino« in Lissabon kennengelernt. Wir waren siebzehn Jahre alt. Isabel eilte ein besonderer Ruf voraus, sie ging nämlich ins Lycée. Das französische Lycée war damals ein Hort des Widerstands, die Professoren, die dort unterrichteten, hatten aufgrund ihrer antifaschistischen Überzeugungen Berufsverbot in staatlichen Gymnasien. Ins französische Lycée zu gehen bedeutete, die Welt zu kennen, Studienreisen nach Paris zu unternehmen, Kontakt mit Europa zu haben. Wir hingegen gingen ins staatliche Gymnasium, in eine Scheißschule, entschuldigen Sie den Ausdruck, dort lernten wir alles über Salazars Ständestaat und die Flüsse Portugals und vergewaltigten das Nationalepos, Die Lusiaden. Die Lusiaden ist ein schönes Epos über die Seefahrt, wir sprachen jedoch darüber, als handelte es sich um eine afrikanische Schlacht. Damals gab es nämlich noch Kolonien. Man sprach jedoch nicht von Kolonien, sondern von Übersee. Ein schöner Name, nicht wahr? Manche Leute hatten in Übersee eine Menge Geld gemacht, in den Familien der Mädchen auf meiner Schule gehörte das zum guten Ton, lauter glühende Salazaranhänger, Faschisten, im Gegensatz zu unseren, meinen und Isabels Eltern, vielleicht schlossen wir auch aus diesem Grund Freundschaft, weil unsere Familien dieselben politischen Überzeugungen hatten.
Sie stammte aus einer alten portugiesischen Familie, die mit dem Salazarismus nichts am Hut hatte, einer verarmten Familie, die Ländereien im Norden besaß, in Amarante, wo man merkwürdig geformte Brotlaibe herstellt. Aber wie ich schon sagte, besaß die Familie weder Geld noch Macht, die Ländereien im Norden, die man Pächtern und Verwaltern anvertraut hatte, warfen nichts ab. Isabel und Ich verbrachten hin und wieder die Sommerferien in ihrem Haus in Amarante. Eigentlich war es kein Haus, sondern ein mittelalterlicher Granitturm, voller Truhen und Erinnerungsstücke, mit Blick auf den Fluss, dort waren wir glücklich. Damals gab es schöne Sommer. Isabel trug einen Strohhut. Der komische Hut, den ihr irgendein Verwandter von einer Reise in die Toskana mitgebracht hatte, ließ ihr Gesicht noch anmutiger wirken. Außerdem malte sie. Sie war überzeugt davon, dass sie einmal Malerin werden würde, und malte Fenster. Fenster mit geschlossenen Läden, Fenster mit offenen Läden, Fenster mit Vorhängen, vergitterte Fenster, immer nur Fenster, wie sie im Douro- und Minhotal typisch sind, mit zwei wunderschönen Holzläden und manchmal mit Spitzenvorhängen. Nie malte sie menschliche Figuren, Personen ruinieren die geheimnisvolle Atmosphäre, sagte sie, schau, solange niemand da ist, ist das Fenster geheimnisvoll, wenn ich jedoch den Typ male, der aus dem Fenster schaut, gibt es kein Geheimnis mehr, es ist der Tierarzt von Amarante, er hat einen Spitzbart und trägt ein Haarnetz, um seine Frisur beim Schlafen nicht durcheinanderzubringen, stell dir vor, er macht Kniebeugen am Fenster, als ich gestern sein Fenster malte, ist er aufgetaucht und hat sich mit stolzgeschwellter Brust auf das Fensterbrett gestützt, er hat so getan, als würde er mich gar nicht sehen, obwohl er mich sehr gut gesehen hat, er blickte verzückt gen Himmel, so stolz war er, von mir gemalt zu werden, aber er kann mich gernhaben, ich male ihn nicht.
Außerdem gingen wir spazieren. Außerhalb von Amarante bildet der Fluss kleine Buchten mit stehendem Wasser und Froschtümpeln. Wir verbrachten ganze Vormittage damit, Frösche zu fangen, aber in Portugal weiß man nicht, wie man Frösche fängt, man isst sie nämlich nicht, und wir erfanden eine Methode, ähnlich der, wie kleine Kinder Eidechsen fangen. Wir nahmen eine Binse, machten daraus eine Schlinge, legten dem Frosch die Schlaufe um den Hals, und als er lossprang, zack, hatten wir ihn. Damals gab es noch keine Plastiktüten, wir besaßen eine kleine geflochtene Tasche, eine Art Einkaufstasche, die Frösche steckten den Kopf durch die Maschen und die Leute schauten uns nach, wie wir durch Amarante gingen, ich in Männerhosen und Isabel mit ihrem Florentinerhut und einer Tasche voller Frösche in der Hand. Die Leute hielten uns für verrückt, und das gefiel uns, denn in diesem Alter gefällt einem das.
Am Abend töteten wir die Frösche, aber das war meine Aufgabe, denn Isabel weigerte sich. Man muss den Fröschen mit einem sauberen Schnitt den Kopf abtrennen, ein paar Minuten lang strampeln sie noch kopflos, bis die Lebensenergie sie verlässt. Schau, sagte Isabel, wenn ich mich eines Tages umbringe, werde ich es wahrscheinlich genauso machen, ich werde noch ein wenig strampeln, denn ein Mensch kann sich nicht den Kopf abschneiden, aber er kann sich aufhängen, das funktioniert auf ähnliche Weise, man tritt noch ein paarmal ins Leere, und dann gute Nacht. Die Frösche bereiteten wir auf provenzalische Art zu, Isabel schmeckten sie so, denn sie war mit ihrer Schulklasse in Frankreich gewesen, in Arles, und hatte dort Frösche auf provenzalische Art, mit Knoblauch und Petersilie zubereitet, gegessen, und sie sagte, das sei die beste Speise auf der ganzen Welt. Aber bald hatten wir es satt, Frösche auf provenzalische Art zu essen. Immer diese unheimlichen Schenkel, die so weiß und zart, fast geschmackfrei waren, während der Rest der Familie Zickleinbraten und sopa seca aß. In diesem Alter hat man nämlich großen Appetit. Es ist leicht, die exotischen Speisen, die man früher einmal in der Provence gegessen hat, zu verklären, aber dann kommt der Hunger. Und so ließen wir die Frösche allmählich im Garten frei, und der Garten wimmelte bald nur so von Fröschen, sie waren überall, im Gras, in den Büschen, im Goldfischteich, zwischen den Bambusbüschen.
Zum Glück waren Isabels Eltern lustige Leute, jene Invasion machte ihnen keine Angst, sie waren immer fröhlich, hilfsbereit, verständnisvoll. Dann starben sie bei einem Autounfall, aber das ist eine andere Geschichte, wenn nicht vielmehr dieselbe Geschichte. Am Freitag fuhren wir immer nach Barcelos, wo es den schönsten Markt in der ganzen Region gab. Sie können sich wahrscheinlich gar nicht vorstellen, wie schön die Märkte auf dem Land damals waren. Oder vielleicht können Sie es sich doch vorstellen. Früh am Morgen nahmen wir einen Autobus und fuhren nach Braga, und dort stiegen wir in einen weiteren Bus nach Barcelos um. Ungefähr zu Mittag kamen wir an. Gerade rechtzeitig, um uns noch ein wenig die Töpferwaren anzusehen, in Barcelos werden nämlich bunte Hähne aus Ton hergestellt, das Symbol Portugals, und außerdem ein Haufen sonstiger Gegenstände aus Ton, Puppen, volkstümliche Figürchen, Krippen, Musikantendarstellungen, Katzen, Krüge und Teller, und danach gingen wir mittagessen.
Wir gingen immer in Kneipen, die gestopft voll waren mit Kunden und Verkäufern vom Markt. Alten Männern und Frauen, die aus dem ganzen Minhotal kamen, um einen Hahn oder einen Gänserich oder eine Kuh zu kaufen; die buntesten Gestalten waren die Sensalen, sie trugen Tücher um den Hals und tranken Weißwein, sie waren großartig, sogar bei Tisch benahmen sie sich wie auf dem Marktplatz, schrien, fuchtelten, schwitzten. In Barcelos war es heiß, und im Gasthaus vermischte sich der Geruch des Essens mit dem Gestank der Tiere auf dem Marktplatz, für Isabel und mich war das neu und schön, wir verbrachten ja das ganze Jahr in der Stadt, in Lissabon. Wir waren aufgeregt, fasziniert von den Sensalen, wollten ebenfalls etwas erwerben, und eines Tages kauften wir ein Zicklein. Es war ein liebes, kleines, schwarzweißes Tier mit gescheckter Schnauze und zarten Beinen. Im Autobus transportierten wir es nach Hause, in einem Korb, und ein paar Tage lang fütterten wir es mit dem Fläschchen, denn es war noch nicht entwöhnt. Wir ließen es in den Garten, bauten ihm eine Laubhütte, und wenn wir am Vormittag zum Einkaufen nach Amarante gingen, führten wir es an der Leine mit. Sie können sich ja gar nicht vorstellen, wie man uns in der Stadt anstarrte, mich, der ich Männerhosen trug, und Isabel mit dem Florentinerhut, mittlerweile trugen wir keine Tasche mit Fröschen mehr, sondern wir führten ein Zicklein an der Leine, und obendrein wollte Isabel beim Bäcker auch noch ein wie ein männliches Geschlechtsorgan geformtes Brot kaufen, so wie es in Amarante üblich war, denn dieses Brot kauften die Dienstmädchen, um daraus Brotschnitten zu machen, doch wir kauften es extra, um uns damit sehen zu lassen, wir trugen ein Netz, das prallvoll mit diesen Broten war, ein Skandal, alle starrten uns an, selbst der so auf seine Gesundheit bedachte Tierarzt tauchte nicht mehr am Fenster auf. Mit einem Wort, ein großer Spaß.
Und dann gingen die Sommer zu Ende. Sie gingen zu Ende, weil wir mittlerweile die Universität besuchten. Oder besser gesagt, weil Isabels Eltern gestorben waren. Wie gesagt, bei einem Autounfall. Auf der Straße nach Póvoa de Varzim, nach dem Mittagessen, Isabels Vater hatte viel gegessen und getrunken. Die Schuldlage konnte nicht eindeutig festgestellt werden, denn es war ein Frontalzusammenstoß. Ich glaube jedoch, dass Isabels Vater über die Maßen getrunken hatte, er trank gern, ich kannte ihn. Sie starben nicht gleich. Sie lagen drei Tage im Koma, und dann starben sie gemeinsam, er und seine Frau. Komisch, nicht wahr? Zusammen drei Tag lang im Koma zu liegen und dann gleichzeitig zu sterben, weil nichts zu machen ist, das Herz hört auf zu schlagen, und die Ärzte stellen die Geräte ab. So geschah es.
Isabel und Ich verbrachten drei Tage und drei Nächte im Krankenhaus von Porto, auf der Intensivstation. Wir schliefen in einem Zimmer neben den Eltern, die Krankenschwester drückte ein Auge zu, hin und wieder schlichen wir uns ins Krankenzimmer. Papa, Papa, ich bin’s, sagte Isabel, Mama, hörst du mich? Erinnerst du dich, wie ich und meine Freundin Mónica in Amarante Frösche nach Hause brachten, wir wollen auch nächsten Sommer wieder Frösche nach Hause bringen, komm schon, Mama, wach auf, wach aus diesem Scheißkoma auf, ich möchte, dass du mich anlächelst, ich möchte, dass du mir wie früher rätst, was ich anziehen soll, dass du mit mir schimpfst, parce que je ne suis par parfaite, wie du mich gerne hättest, ich brauche das, Mama.