Madison Clark

Shadows Lost

Vampir-Kurzgeschichte

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

Titel

Shadows Lost

Impressum neobooks

Shadows Lost

Alle Personen und Namen innerhalb dieses Romans sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.



An Neumond sollst du zittern, Dämonenbrut

 

Genussvoll schloss Cathrine die Augen. Sie gab sich der wachsenden Leidenschaft mit all ihren Sinnen hin und sank immer tiefer in Ekstase. Sanfte Lippen liebkosten ihre rosigen Wangen, ihren Mund und wanderten, eine heiße Spur hinterlassend, an ihrem Hals langsam zu ihren nackten Brüsten hinunter. Keuchend bäumte sie sich auf und lauschte auf den immer schneller werdenden Rhythmus ihres Herzens. Starke Hände massierten ihren Körper, erforschten jeden Zentimeter nackter Haut und entlockten ihr Laute des Glücks. Ihr Bettgespiele trug sie mit seinen innigen Berührungen auf einem flammenden Schweif des Liebesspiels immer höher und höher hinauf auf den Vulkan der ungezügelten Lust.

Während seine Hände in ihrem Schritt innehielten, glaubte Cathrine, sich nicht mehr länger beherrschen zu können. Sie wollte ihn spüren, sie wollte ihn verschlingen, ihn lieben, wie sie niemals zuvor einen Mann geliebt hatte. Dabei kannte sie nicht einmal seinen Namen. Aber wer brauchte schon einen Namen, wenn der unbekannte, heißblütige Liebhaber ihr die kalte Nacht versüßte?

Aber plötzlich veränderten sich seine Berührungen. Er streichelte sie nicht mehr liebevoll, sondern packte sie schroff an den Schultern und blies ihr seinen heißem Atem, der nach Rotwein roch, ins Gesicht. Verwirrt riss Cathrine die Augen auf und starrte mitten in die groteske Maske eines wahrgewordenen Albtraums.

Seine warmen und attraktiven Gesichtszüge waren etwas Dunklem und Bösem gewichen. Die blasse Haut glänzte im Kerzenlicht auf einmal im dunklen Grau, beinahe schon Schwarz. Zwei schwarze Augen beobachteten sie erregt. Sie besaßen keine Pupillen mehr und verströmten ein seltsames, blutrotes Leuchten. In ihnen blitzte der Tod auf. Im gleichen Augenblick hatte sie das Gefühl, als lege sich die unsichtbare Schlinge des Todesengels um ihren Hals.

Hektisch schnappte Cathrine nach Luft. Ihr Herz hämmerte wild in der Brust, und aus Angst war sie wie gelähmt. Die Leidenschaft und der unwiderstehliche Charme, mit der sie mit ihrem Bettgespielen eben im Paradies der Lust frönte, waren verschwunden. Sie zitterte am ganzen Leib und starrte ihn entsetzt an. Bläuliche Lippen formten sich zu einem boshaften Lächeln, und zwei scharfe Eckzähne wurden entblößt. Das Antlitz des wunderschönen Mannes mit dem unwiderstehlichen Reiz hatte sich in das Bild eines Dämons verwandelt.

Cathrine wollte um Hilfe rufen, aber die Stimmbänder versagten kläglich ihren Dienst. Es war, als hätte sie keine Stimme mehr, nur ein leises Wimmern stieß sie aus.

„Meine schöne rote Rose“, flüsterte er ihr heiser ins Ohr. „Du bist meines Blutes würdig. Lebe mit mir ein Leben im Schatten, und niemals wieder werden dich Krankheiten oder Nöte heimsuchen. Die Jahre werden an dir vorüberziehen, aber du wirst immer diese wunderschöne rote Rose sein.“

Bestürzt und ängstlich sah sie ihn an.

Was hatten diese Worte zu bedeuten? Sie ahnte plötzlich, mit wem sie ihr Schlafgemach teilte, obwohl ihr Verstand es nicht wahrhaben wollte. Es schien lächerlich, eigentlich unmöglich. Aber sie träumte nicht. Ihr Liebhaber war eines dieser Monster, die einem Menschen nachts das Blut aussaugten, genauso, wie es die alten Legenden erzählten. Ein dummes Ammenmärchen war zum Leben erwacht, und sie konnte es nicht mehr leugnen.

Hilflos war Cathrine dem Vampir ausgeliefert. Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen, aber sterben wollte sie auch nicht. Aus dem essenziellen Wunsch heraus, leben zu wollen, nahm sie all ihren Mut zusammen. »Wer … wer bist du? Was hast du vor?«, fragte sie mit bleierner Stimme. »Wenn du mich … töten willst, dann tu es … jetzt. Ich … ich bin … bereit.«

Als Antwort lachte er amüsiert und ließ von Cathrine ab. »Niemand ist jemals für den Tod bereit. Er schleicht sich feige von hinten an seine Opfer heran und raubt ihnen die Seele.« Er lachte erneut. »Hätte ich dich töten wollen, meine rote Rose, hätte ich mir dein Blut schon längst genommen. Doch ich möchte dich lebend. Deine Schönheit ist viel zu kostbar, um sie verwelken zu lassen. Also frage ich dich ein letztes Mal: Möchtest du mit mir leben und den Staub des Menschseins vergessen?«

»W … w … was?«, stammelte sie und klammerte sich verzweifelt am Bettlaken fest. Noch immer lag sie nackt vor ihm, während er sie mit einem seltsam hungrigen, gierigen Blick beobachtete. Seine glühenden Augen machten ihr die folgenschwere Entscheidung nicht leichter. »Wer … wer bist du?«

Der Vampir grinste dämonisch. Seelenruhig stand er auf und zog sich die schwarze Lederhose, sein weißes Seidenhemd und die dunkelbraunen Lederstiefel an. Da der lustvolle Moment verflogen war, lauschte er aufmerksam Cathrines Gedanken, die sich vor panischer Angst überschlugen. Sie war bereit für den nächsten Schritt seines Planes.

Cathrine O’Connor war kein wahllos ausgesuchtes Opfer. Sie stellte für ihn eine große Herausforderung dar, und umso süßer schmeckte für ihn der Sieg. Er war schneller als seine Nemesis Josua gewesen. Ihm war es gelungen, in Cathrines Leben einzudringen, sie zu verführen, und gleich würde sie seine Trophäe sein.

»Nun, deine Entscheidung ist gefallen«, sagte er schließlich triumphierend und wandte sich der strohblonden Schönheit zu. Sie lag reglos auf dem Bett und stierte ihn konsterniert und ängstlich an. »Keine Angst«, beschwichtigte er sie. »Ich kann momentan deine Gedanken genauso gut hören, als würdest du sie laut aussprechen. Freue dich auf dein neues Leben im Schatten. Deine Wahl war die richtige.«

Kaum war das letzte Wort ausgesprochen, überbrückte er die kurze Distanz, die sie trennte. Wie eine jagende Raubkatze stürzte er sich auf sie und vergrub seine spitzen Eckzähne im zarten Fleisch ihres schmalen Halses.

Cathrine schrie. Sie schrie vor Angst, Schmerz und Verzweiflung. Und endlich konnte sie sich wieder bewegen. Mit Händen und Füßen wehrte sie sich, wollte den Vampir von sich fort stoßen. Doch er besaß eine unglaubliche Stärke und ignorierte ihren Überlebenskampf. Plötzlich wurde es Cathrine schwindlig, ihre Kräfte verließen sie, und nach und nach hörte sie auf, um sich zu schlagen und das Blutmonster zu bekämpfen. Ein trüber Schleier vernebelte ihren Blick, dann wurde alles schwarz um sie herum. Mit einem leisen Seufzer glitt sie in eine tiefe Ohnmacht.

 

 

Schweißgebadet öffnete Cathrine die rauchgrauen Augen. Der Moment des Schreckens war vergangen, aber die Erinnerungen an ihren Albtraum blieben. Sie stürmten auf sie ein und vereinten sich zu einem Strudel unzähliger Gedanken, die sie seit dem Tag ihrer Schattengeburt mit der Vergangenheit verband.

Vierhundert Jahre lagen zwischen der Nacht des Grauens und dem heutigen Morgen. Cathrine hatte eine unbewusste Entscheidung getroffen, die ihr Leben, wie sie es bis dahin gekannt hatte, für immer auslöschte. Sie verfluchte sich oft selbst dafür. Manchmal fragte sie sich, ob ihre Entscheidung nicht eine essenzielle Wahl gewesen war, hervorgerufen durch ihren unbeugsamen Lebenswillen.

Cathrine hatte damals in zwei Monaten heiraten wollen. Ihr Verlobter, der Sohn eines reichen Großgrundbesitzers aus der Nähe Londons, hatte sich auf den ersten Blick in sie verliebt. Und sie sich in ihn. Er war sogar bereit gewesen, auf ein beachtliches Erbe zu verzichten, nur um die Frau seiner Wahl an seiner Seite zu wissen. Für so viel Opferbereitschaft hatte sie ihn gleich umso mehr geliebt.

Bis zu jenem schicksalhaften Abend, als das bluttrinkende Ungeheuer vor der Türschwelle des kleinen Familiengehöfts aufgetaucht war und um ein Nachtquartier gebeten hatte. Es war kurz vor der Wintersommerwende gewesen, draußen hatten eisige Temperaturen geherrscht, und der Schnee lag meterdick auf den Wiesen und Feldern.