Ulrich Glauber
Österreich für die Hosentasche
Was Reiseführer verschweigen
FISCHER E-Books
Ulrich Glauber, geboren 1951 in Offenbach, ist Journalist und ehemaliger Österreich-Korrespondent. Mehr als zehn Jahre war er im VIII. Wiener Gemeindebezirk (Josefstadt) ansässig und hat von dort aus für mehrere deutsche Tageszeitungen berichtet, u.a. die Frankfurter Rundschau und das Handelsblatt.
Erschienen bei FISCHER Taschenbuch
Frankfurt am Main, April 2014
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2014
Covergestaltung: bilekjaeger, Stuttgart
Coverabbildung: JiSIGN - Fotolia.com
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Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN 978-3-10-402963-4
Sind Sie vielleicht auch einer der mehr als elf Millionen Deutschen oder fast zwei Millionen Schweizer, die letztes Jahr Ferien in Österreich gemacht haben? Wenn Ihr Interesse geweckt ist, dann dürfte Ihnen dieses Büchlein noch jede Menge Aha-Erlebnisse bescheren. Sollte Österreich für Sie völliges Neuland sein, dann erst recht!
Das Bändchen richtet sich auch an jene, die es aus beruflichen Gründen oder zum Studium für längere Zeit zu unseren Nachbarn verschlägt. Deutsche bilden die größte Einwanderergruppe in Österreich. Gab es vor zehn Jahren gerade mal 75000 deutsche Immigranten, so sind es jetzt knapp 158000. Nicht mitgerechnet die mehr als 27000 deutschen Studierenden an österreichischen Hochschulen.
Wen wundert’s … Schließlich haben unsere oft belächelten Nachbarn ja auch so manches zu bieten: extravagante Geographie, reizvolle Landschaft, leibliche Genüsse erster Güte, geschichtsträchtige Stätten und Städte – allen voran den kulturstrotzenden »Wasserkopf« Wien.
Ich hoffe, Ihnen macht das Stöbern und Entdecken ebenso viel Spaß wie mir das Sammeln und Schreiben von »Österreich für die Hosentasche«. Mein Dank gilt vor allem meiner Frau Eva, die meine Einsilbigkeit ertragen und mir überdies mit Rat, Recherche und Korrektur beigestanden hat. Meiner Schwester Susanne Glauber danke ich für ihre konstruktive Kritik und akribischen Korrekturen.
Eine vergnügliche Lektüre wünscht
Ulrich Glauber
Weitgereisten Österreichern passiert das in Übersee häufig: Auf die Selbstauskunft »I am from Austria« reagiert das Gegenüber mit einem wissenden Lächeln und schwärmt vom menschenleeren Outback und von pazifischen Stränden. Alles klar: Hier hat mal wieder jemand »Austria« mit »Australia« verwechselt. Fern der Heimat werden die Ösis so oft für Aussis gehalten, dass sie ihr Schicksal, in einem unbedeutenden Kleinstaat zu leben, mittlerweile nur noch mit einem resignativen Schmunzeln quittieren. Ist schließlich immer noch besser, als im Ausland für einen Deutschen gehalten zu werden.
Aber ein kleiner Stachel piekt da doch. Immerhin war Wien – das ist beim Anblick der Hofburg kaum zu übersehen – einst Hauptstadt einer Großmacht. Anderthalb Jahrhunderte Nationalismus haben der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie allerdings überhaupt nicht gutgetan. »Strandgut nach einem großen Schiffbruch« hat der Sozialdemokrat Karl Renner (1870–1950) genannt, was nach dem verheerenden Ersten Weltkrieg und dem Zerplatzen des Vielvölkerstaates von Österreich übrig blieb (siehe Seite 295). Dass der in Mähren geborene Politiker von 1918 bis 1920 als Staatskanzler die Entstehung der Ersten Republik maßgeblich mit beeinflusste und von 1945 bis 1950 Präsident der Zweiten Republik wurde, sagt einiges über die allmähliche Emanzipation unserer Nachbarn von ihren Gründungskomplexen aus.
Viel Zeit hat die Weltgeschichte zur Bildung einer neuen Identität den Österreichern in den ersten Jahrzehnten nicht gelassen. Dem Bürgerkrieg von 1934 folgte der austrofaschistische Ständestaat. Schon vier Jahre später wurde mit dem Einmarsch deutscher Truppen der »Anschluss« an Nazi-Deutschland vollzogen. Ausgerechnet der zeitweise in einem Wiener Männerwohnheim beheimatete Oberösterreicher Adolf Hitler (1889–1945) nahm dem Land die Autonomie – ein Gewaltakt, der von vielen Österreichern bejubelt, von anderen mit Tod und KZ-Haft bezahlt wurde.
Basisdaten Österreich | |
Bevölkerung | 8,42 Millionen Menschen |
Fläche | 83879 km² |
Bevölkerung pro Quadratkilometer | 101 Bewohner |
Bevölkerungsreichste Region | Bundesland Wien (1,7 Millionen Einwohner) |
Lebenserwartung Neugeborene 2011 | Frauen: 83,3 Jahre Männer: 78,3 Jahre |
Geburtenziffer | 1,4 |
Bevölkerung über 65 Jahre | 18,1 Prozent |
Ausländeranteil | 11,9 Prozent |
BIP pro Kopf 2011 nach Kaufkraftstandards (EU 27=100) | 131 (Zum Vergleich: Deutschland = 122; Schweiz = 160) |
Netto-Einkommen 2012 | 26378 € (Zum Vergleich: Deutschland = 26791 €; Schweiz = 38310 €) |
Arbeitslosenrate September 2013 | 4,9 % |
Alleinerziehende | 12,2 Prozent |
Nach dem Zweiten Weltkrieg dann erlebte Österreich ein rasantes Wirtschaftswunder, das dem deutschen in nichts nachstand. Erst dieser Erfolg verhalf Herrn und Frau Österreicher allmählich zu nationalem Selbstbewusstsein. Wichtiges Fundament des Wohlstands zwischen Neusiedler See im Osten und Bodensee im Westen: die spezifische Strategie der Konfliktvermeidung durch rot-schwarzen Politikproporz und die berühmt-berüchtigte Sozialpartnerschaft. Im österreichischen Parlament wird seit Jahrzehnten so gut wie nichts beschlossen, was nicht zuvor von Unternehmerorganisationen, Arbeitnehmervertretern und Landwirtschaftsfunktionären hinter verschlossenen Türen ausgekungelt wurde. (Siehe Seite 184).
Dass da Transparenz und demokratische Teilhabe auf der Strecke bleiben, versteht sich. Herr und Frau Österreicher haben ohnehin eine Mentalität kultiviert, die ihnen auch schon während der Donaumonarchie das Leben mit der Macht erleichtert hat: die Fähigkeit zum augenzwinkernden Kompromiss, der Ungerades gern mal gerade sein lässt. Eine »Entweder-und-oder-Republik« nennt der Publizist Robert Menasse (*1954) sein Land.
Im Alltag schlägt sich die eingewurzelte Doppelmoral unter anderem in der Neigung nieder, Regeln zu erfinden, um sie nicht einzuhalten. So gibt es in den österreichischen Städten zwar unzählige Kästchen mit Plastikbeuteln, um die Hinterlassenschaften der zahlreichen Hunde wegräumen zu können. (Siehe Seite 192) Das Gebot, die »Hundstrümmerl« (Hundehaufen) zu beseitigen, wird dennoch nicht eingehalten. Trotz größter Bemühungen der Magistratsabteilung M48 – kurz: die 48er – wirken die Wiener Außenbezirke zuweilen wie ein einziges großes Hundeklo.
Auch versteht es ein österreichischer Polizist – hierzulande Kiberer genannt – nicht wirklich als seine Aufgabe, einen Autofahrer wegen Mobiltelefonierens während der Fahrt zu belangen. Das ist natürlich auch in Österreich bei Strafe verboten. Etwas anders sieht es aus, wenn ein Fußgänger es wagt, bei Rot die Straße zu überqueren. Der arme Sünder wird schon mal vom Uniformierten grob am Arm gepackt und zurückgehalten, vor allem wenn es sich bei dem Übeltäter offensichtlich um einen »Tschusch«, also Arbeitsimmigranten, handelt … (siehe Seite 59)
Intellektuelle und Künstler belegen ihre Landsleute zuweilen mit einer Häme, die an Verzweiflung grenzt: »Wie schön wäre Wien ohne Wiener«, komponierte der aus dem New Yorker Exil zurückgekehrte jüdische Kabarettist Georg Kreisler (1922–2011) Mitte der 1960er Jahre. Und der Wiener Philosoph Rudolf Burger (*1938) ätzte in den 1990er Jahren mit Blick auf den Jugoslawien-Konflikt: »Österreich ist ein kleines, fettes Land mit kleinen, fetten Leuten, die gern andere in den Krieg schicken.« Als übergewichtige Trachtenträger und lüsterne Kleriker, so sieht der niederösterreichische Karikaturist Manfred Deix (*1949) seine Landsleute (siehe auch Seite 288).
Die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung aber ficht solch satirische Kritik nicht an. Viele sehen darin höchstens eine unschöne Form der Nestbeschmutzung. Vor fünfzig Jahren wäre das anders gewesen; damals, so die Demoskopen, war der gemeine Österreicher noch sehr verunsichert, wenn er zu seiner nationalen Identität befragt wurde. Inzwischen jedoch sind vier Fünftel der Österreicher stolz auf ihre Insel der Seligen (siehe auch Seite 184), wie sie ihr Land nicht ohne Selbstironie ab und zu bezeichnen.
Von »Strandgut« jedenfalls ist heute nicht mehr die Rede. Da werden schon mal die Feuerzeuge gezückt und die Augen feucht, wenn der mediale Tausendsassa Rainhard Fendrich seinen Song I am from Austria anstimmt …
Do kann i moch’n wos i wül
Do bin i Herr do kea i hin
Do schmützt des Eis von meiner Sö
Wia von am Gletscher im April
A wenn ma’s schon vergessn ham’
I bin dei Apfel du mei Stamm.
So wia dei Wasser talwärts rinnt
unwiderstehlich und so hell
Fast wia die Tränen von am Kind
wird a mei Bluat auf amoi schö
Sog i am Mensch der Welt voi Stolz
und wann ihr woits a ganz allan
I am from Austria
I am from Austria
(…)
Mit den heimlichen und echten Nationalhymnen ist das in Österreich eh so eine Sache: Haben doch die Deutschen glatt jene Melodie, die Joseph Haydn (1732–1809) auf den Text »Gott erhalte Franz den Kaiser« komponiert hatte, einfach geklaut und mit dem Text des Dichters August Heinrich Hoffmann von Fallersleben zu ihrer Nationalhymne erkoren. Aber so recht wollten die Österreicher »ihre« Haydn-Hymne auch gar nicht mehr haben nach der NS-Zeit. Als Ersatz dient seit 1946 jene Melodie, die – natürlich – zunächst dem Salzburger Genie Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791) zugeschrieben wurde (siehe auch Seite 244). Inzwischen hat sich aber herausgestellt, dass die Musik zur heutigen »Bundeshymne der Republik Österreich« offenbar von Johann Baptist Holzer (1753–1818), einem Freimaurer-Bruder Mozarts, komponiert wurde.
Ein Text war schwieriger zu finden: Nachdem ein Preisausschreiben nichts Passendes »ausgespuckt« hatte, wurde das Gedicht »Land der Berge, Land am Strome« von Paula von Preradović (1887–1951) in einer mit der Schriftstellerin abgestimmten Fassung auserwählt. So wurde »Heimat bist du großer Söhne« zum Jahresbeginn 2012 durch »Heimat großer Töchter und Söhne« ersetzt. Und so lautet sie nun, der Bundeshymne erste Strophe:
Land der Berge, Land am Strome,
Land der Äcker, Land der Dome,
Land der Hämmer, zukunftsreich!
Heimat großer Töchter und Söhne,
Volk, begnadet für das Schöne,
Vielgerühmtes Österreich.
Vielgerühmtes Österreich.
Wer auf dem Parkett der österreichischen Etikette keinen Bauchklatscher hinlegen will, sollte sich mit einem unbedingt auskennen: mit Titeln.
Adelsprädikate sind in Österreich zwar verboten. Doch das macht nichts. Jedes österreichische Kind weiß, aus welchen zutiefst blaublütigen Familien Frau Eszterházy mit dem Schloss in Eisenstadt (Kismarton), Herr Waldstein (bei Schiller: Wallenstein) und das Ehepaar Lobkowicz stammen. Oder auch Herr Hans-Adam Liechtenstein (*1945), der nicht nur eine Burg im gleichnamigen Fürstentum, sondern auch ein beeindruckendes Palais im 9. Wiener Gemeindebezirk sein Eigen nennt.
Im Gegensatz zu den Adelsbezeichnungen hat der Titel Hofrat (HR) allerdings das Ende der Monarchie überlebt. Er wird – bei Bedarf auch in weiblicher Form – langgedienten Bundes- und Landesbediensteten der höheren Laufbahn vom Bundespräsidenten verliehen. Menschen mit Verdiensten um die Wirtschaft werden Kommerzialrätin/-rat (KmzlR, KommR, KomR oder nur KR). Angehörige landwirtschaftlicher Berufe können als ÖkR (Ökonomierätin/-rat) geehrt werden. Menschen aus Medizinberufen dürfen auf die Ehrenbezeichnung Medizinalrätin/-rat oder gar Obermedizinalrätin/-rat (MedR/OMedR, selten MR/OMR) hoffen. Musikerinnen und Musikern wiederum steht bei besonderen Verdiensten um das Vaterland der Titel Kammersängerin respektive Kammersänger zu. Auch ein Prof. Udo Jürgens (*1934) oder Prof. Karl Moik (*1938) kann bei der Ehrungsorgie herauskommen.
Bis zur Gleichschaltung universitärer Studiengänge kamen zu den Ehrentiteln noch diverse Magister-Abschlüsse, die sich bis heute in der Anrede Herr Magister / Frau Magistra und auf Visitenkarten als Mag. wiederfinden. In technischen Berufen herrschen Frau Ingenieur / Herr Ingenieur (Ing.) vor. Und die Frau Doktor (gern auch für die Doktorengattin gewählt) nebst Herrn Doktor ist ja eh weltbekannt. Das Lehrpersonal an Gymnasien führt übrigens die Berufsbezeichnung Professorin/Professor, während es für die Lehrenden an Universitäten zur exakten Unterscheidung die Bezeichnung Universitätsprofessorin/-professor (Univ.Prof.) gibt.
Die korrekte Anrede der Räte ist derart kompliziert, dass man sich dafür Rat holen sollte – und sei es nur bei Wikipedia (Stichwort Berufstitel): »Die Verwendung des Familiennamens zum Titel (›Guten Morgen, Herr Hofrat Mayer!‹) ist in der persönlichen Anrede in Österreich sehr unüblich und kann leicht als Affront aufgefasst werden, es sei denn, dass mehrere gleich ›betitelte‹ Personen anwesend sind und es daher zur Unterscheidung notwendig ist. Die Begrüßung eines Hofrates hat sich vielmehr auf ein schlichtes ›Guten Morgen, Herr Hofrat!‹ zu beschränken.«
Auch die korrekte Anschrift auf einem Brief an einen österreichischen Adressaten birgt Fallen. Auch hier hilft Wikipedia weiter, in diesem Fall mit einem Beispiel: »Dem Direktor eines Klostergymnasiums (in Österreich meist als ›Stiftsgymnasium‹ bezeichnet), Pater Benedikt X., Dr. phil., wird der Berufstitel ›Hofrat‹ verliehen. Korrekte Titulatur in einer Briefanschrift wäre: ›Hwd. Herrn Direktor Hofrat P. Dr. X.‹. In der Anrede wäre ›(Hochwürdiger) Herr Hofrat!‹ durchaus gebräuchlich.«
Das Reputation Institute an der University of Chicago ermittelt jedes Jahr, welches Image die einzelnen Nationen im Rest der Welt haben. Die Country RepTrak-Studie bewertet insgesamt fünfzig Länder im Hinblick auf vier Reputationselemente: Vertrauen, Bewunderung, Respekt, Affinität. Diese setzen sich wiederum aus 16 Attributen zusammen, zum Beispiel Lebensqualität, Geschäftsumfeld und landschaftliche Schönheit.
Ergebnis des Image-Rankings 2013:
Kanada
Schweden
Schweiz
Australien
Norwegen
Dänemark
Neuseeland
Finnland
Niederlande
Österreich
Deutschland
Doch alles hat seine zwei Seiten – auch eine gute Reputation: So gab es da zum Beispiel diesen italienischen Bankräuber, der seine Überfälle bevorzugt in Österreich verübte. »Ich mag die Küche hier sehr und habe Arbeit mit Hobby verbinden können«, gestand Pino vor knapp fünfzehn Jahren und offenbarte seine Vorliebe für österreichische Schmankerl. Österreich sei zudem ein »irrsinnig sympathisches Land«.
Und darauf sind die Österreicher selbst stolz (oder auch nicht so stolz):
… dass es in ihrem Land keine Atomkraftwerke gibt: 88 Prozent
… auf die österreichische Küche: 68 Prozent
… auf die hohe Lebensqualität: 66 Prozent
… auf Tradition und Brauchtum: 55 Prozent
… auf die kulturellen Leistungen des Landes (Festspiele/Konzerte): 53 Prozent
… auf Sehenswürdigkeiten und Spezialitäten: 51 Prozent
… auf ihre Hilfsbereitschaft bei Katastrophen: 51 Prozent
… auf die Umweltqualität: 51 Prozent
… auf ihre Neutralität: 46 Prozent
… auf ihre sportlichen Leistungen, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die hohe Sicherheit: 41
… auf ihre Ausländerfreundlichkeit: 6 Prozent
… auf die Rolle Österreichs in der EU: 5 Prozent
… auf das Ansehen der Politiker im Ausland: 4 Prozent
Wie wohl fühlen sich die Österreicher? | |
Land | Rang |
Australien | 1 |
Schweden | 2 |
Kanada | 3 |
Norwegen | 4 |
Schweiz | 5 |
USA | 6 |
Dänemark | 7 |
Niederlande | 8 |
Island | 9 |
Großbritanien | 10 |
Neuseeland | 11 |
Finnland | 12 |
Österreich | 13 |
Deutschland | 17 |
Bei der Untersuchung wurden elf lebensbestimmende Faktoren herangezogen, unter anderem Arbeitsplätze, Sicherheit, Wohnsituation, Einkommen, Umwelt, Bildung, Gesundheit, Lebenszufriedenheit.
Wien rangierte in einer im Dezember 2012 veröffentlichten Untersuchung der Unternehmensberatung Mercer im Jahr 2012 unter 221 Städten als Metropole mit der höchsten Lebensqualität auf Platz 1 – wie auch schon in den Jahren zuvor. Bei den Lebenshaltungskosten liegt die österreichische Hauptstadt laut derselben Quelle unter 214 untersuchten Metropolen nur auf Platz 48.
Vergleich der Lebensqualität:
Wien
Zürich
Auckland
München
Vancouver
Düsseldorf
Frankfurt am Main
Genf
Kopenhagen
Bern
Österreich wird – außer im deutschsprachigen Raum – so ziemlich überall auf der Welt mit einer Abwandlung des lateinischen Austria bezeichnet. Schuld daran ist die Herrscherdynastie der Habsburger (die übrigens von der Habsburg im heutigen Schweizer Kanton Aargau stammte): Sie nannte sich in Wien seit dem 15. Jahrhundert Casa Austria (Haus Österreich).
Interessanter ist, wie die Hauptstadt Österreichs in den Nachbarländern genannt wird:
Slowenisch Dunaj (abgeleitet von der Bezeichnung für Donau)
Ungarisch Bécs (Béetsch)
Kroatisch Beč (Béetsch)
Serbisch Беч (Béetsch)
(Kommt alles aus der osmanischen Amtssprache, in der modernen Türkei spricht man heute von »Viyana«.)
Slowakisch Viedeň (Wijedenj)
Tschechisch Vídeň (Wiedenj)
Oder darf es noch ein bisschen exotischer sein?
Russisch Ве’на (Wjena)
Japanisch ウィーンの (Wiin)
Chinesisch 维也纳 (Wéiyěnà)
Laut Statistik Austria stehen die Österreicher recht früh auf: An Werktagen um 6.30 Uhr ist laut Zeitverwendungsstatistik schon über die Hälfte der Menschen (ab zehn Jahren) wach – nach rund 8¼ Stunden Schlaf. Der Tag beginnt mit der persönlichen Körperpflege, für die insgesamt 47 Minuten aufgewendet werden. Etwa 21 Prozent der Österreicher lesen Zeitung, natürlich nicht nur, aber am liebsten morgens … Erwerbstätige gehen im Schnitt acht Stunden ihren beruflichen Aktivitäten nach, Männer etwas länger als Frauen. Und auch bei Schülerinnen und Schülern sowie Studierenden beanspruchen Schule und Studium während der Woche etwa acht Stunden täglich.
21 Minuten verbringen Frau und Herr Österreicher mit Einkaufen, meist am Vormittag oder in den Nachmittagsstunden. Für das Zubereiten von Mahlzeiten werden 32 Minuten benötigt und für das Essen selbst im Schnitt 1 Stunde und 16 Minuten. Eine knappe halbe Stunde wiederum dauert das tägliche Wohnungsreinemachen. Und mit knapp zwei Stunden wird ein großer Teil der täglichen Freizeit vor dem Fernseher verbracht – vorwiegend abends. Die meisten Österreicher – rund 46 Prozent – schauen um 20.45 Uhr fern. Doch schon um 22.30 Uhr ist die Mehrheit bereits zu Bett gegangen – und um Mitternacht sind nur noch höchstens zehn Prozent wach.
Wie gut, dass es das Wochenende gibt, bietet es doch mehr Zeit für Erholung und Entspannung. Auch in Österreich werden Samstag und Sonntag zum Ausschlafen genutzt: Die durchschnittliche Schlafdauer steigt dann auf fast neun Stunden. Und während werktags nur 57 Minuten in die Pflege von sozialen Kontakten investiert werden, sind es am Wochenende rund anderthalb Stunden. Freizeitaktivitäten gehen Herr und Frau Österreicher an Feiertagen 4 Stunden und 50 Minuten nach (werktags 3 Stunden und 19 Minuten).
»Wir haben das Kunststück vollbracht, Hitler zu einem Deutschen und Beethoven zu einem Österreicher zu machen«, feixt man in Wien. Ein Ausspruch, der übrigens dem in einer jüdischen Wiener Familie geborenen US-Regisseur Billy Wilder (1906–2002) zugeschrieben wird. Die Deutschen machen sich umgekehrt wenig Gedanken, sie vereinnahmen einfach. Als das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) vor zehn Jahren quotenwirksam den »Größten Deutschen« suchte, stand auch ein gewisser Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791) aus Salzburg zur Wahl. Da war in Österreich aber was los – zumal das ZDF gleich auch noch den Begründer der Psychoanalyse, Sigmund Freud (geboren in Mähren, gelebt in Wien, gestorben im Londoner Exil), den Komponisten Joseph Haydn (1732–1809) aus Rohrau (früher Ungarn, heute Burgenland) und den Dichter Rainer Maria Rilke (1875–1926), geboren in Prag unter Habsburgerherrschaft, auf die Walhall-Liste gesetzt hatte.
Wilder-Zitat und TV-Anekdote beleuchten das bisweilen etwas komplizierte Verhältnis der beiden Nachbarländer. »Verfreundete Nachbarn« nannte die inwischen pensionierte österreichische Diplomatin Gabriele Holzner ihr Buch über die gegenseitigen Beziehungen. Die Formulierung des Kärntner Schriftstellers Thomas Puch, der damit ursprünglich die ambivalenten Beziehungen in der Wiener Gesellschaft beschrieben hatte, trifft es ganz gut. Seit der verlorenen Schlacht bei Königgrätz (heute Hradec Králové in Tschechien) im Jahr 1866 starrten die Österreicher wie das Kaninchen vor der Schlange auf das erstarkende Preußen, das nun seit knapp 150 Jahren Deutschland heißt. Sie mussten zusehen, wie ihr Land von einer Großmacht zum europäischen Kleinstaat mutierte. Dabei waren die Habsburger seit 1438 im Nebenjob ununterbrochen Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, was in Deutschland gerne übersehen wird. Erst 1806 musste Franz II. (1768–1835) den Titel abgeben, weil Napoleon gerade die europäische Feudalordnung ein wenig auf den Kopf stellte.
Die Unterschiede zwischen den beiden Nachbarn werden für gewöhnlich so beschrieben: deutsche Gradlinigkeit, Effektivität, Sturheit und Rechthaberei auf der einen und österreichische Genussliebe, Muße- und Musenfreudigkeit, Schlamperei und Wurstigkeit auf der anderen Seite. Anders gesagt: Betriebskantine versus Kaffeehaus. Allerdings ist es für den gemeinen Deutschen auch wirklich schwierig, dem gelernten Österreicher tief ins Herz zu schauen, denn der wird ihm nie offen die Meinung geigen und schon überhaupt nicht unverblümt seine Abneigung zeigen. Selbst im äußersten Zorn käme dem Austriaken höchstens ein »Du Piefke!« über die Lippen (siehe Seite 32). Doch zu derartigen Gefühlsausbrüchen gegenüber ihren Nachbarn lassen sich Herr Hofrat und Frau Doktor nur in den seltensten Grenzsituationen hinreißen – teils aus charakterlichen Gründen, teils aus kommerziellen Erwägungen. Insofern sind Aussprüche wie die des Fußballstars Hans Krankl »Wenn i an Deitschen seh’, werd’ i zum Rasenmäher« absolute Ausnahmen.
Die mentalen Unterschiede hat die seit zehn Jahren in Berlin lebende Wiener Publizistin Eva Menasse (*1970) wunderbar zusammengefasst: An ihrem Gastland lobt sie die Offenheit und Zuverlässigkeit der Menschen, stößt sich aber an deren Oberlehrerhaftigkeit und Superkorrektheit. »Wenn die Deutschen freundlich sind, meinen sie es so. (…) Wenn sie etwas für unmöglich erklären, wird man es von ihnen nicht bekommen. In Österreich ist all das gerade umgekehrt. (…)