Ticky begegnet Tieren
Sterngeschichten
Band 2
von
Eva Markert
dreamteam ebooks
Inhaltsverzeichnis:
Na so was!
Zu spät
Der kleine Ucky
Eine Maus in Gefahr
Eine Maus am Himmel
Maus‘ Versteck
Sehnsucht nach zu Hause
Ein reißender Fluss
Begegnung mit einem Fischungeheuer
Blaus Rettung
In einem Sternen-Mauseloch
Eine Riesenüberraschung
Ein neuer Name für Maus
Am Nord- oder Südpol
Pingo und Pinga
Zitter-Maus und Klug-Stern
Staubwatte und Stacheln
Manki
Das dicke, grüne Seil
Regen im Regenwald
Plutolos Geheimnis
Suche nach Maus
In der Wolkenvilla
Die Sa-Wanne
Schwarzköpfchens Bitte
Streit mit Rosenkopfs
Ein aufregender Morgen
Diebe
Heimweh
Viele Tiere
Mäuschen zu Hause
Abschied
Wiedersehen mit dem Uhu
Ein Geschenk
Weitere Kinderbücher von Eva Markert
Das hätte Ticky nie gedacht! Er hatte sich solche Mühe gegeben, damit der Mond nicht merkte, dass er ab und zu heimlich zur Erde reiste. Dabei hatte er es die ganze Zeit gewusst!
Aber der Mond hatte nicht geschimpft, im Gegenteil! Er hatte ihm erlaubt zu reisen, wann er wollte. Und Ticky wollte oft, denn er fand es langweilig, die ganze Nacht nur am Himmel zu stehen und zu leuchten.
Der Mond hatte ihm sogar ein Geschenk gegeben. Das musste Ticky sofort seinen beiden alten Sternenfreunden zeigen!
Er hüpfte zu Plutolo und Saturno und hielt ihnen eine Schachtel mit Kerzen hin. „Bevor ich losfahre, soll ich immer eine anzünden“, erklärte er. „Damit der Mond weiß, dass ich auf Reisen bin. Und damit niemand auf der Erde merkt, dass ein Stern fehlt.“
Plutolo und Saturno lachten. „Das kennen wir“, sagten sie. „Als wir jung waren, haben wir es genauso gemacht.“
Auf dem Weg zurück zu seinem Hocker begegnete Ticky einer großen, schneeweißen Wolke mit ausgefranstem Rand. Das war Adala. Mit ihr flog er immer zur Erde.
„Sollen wir morgen eine Reise machen?“, schrie er ihr schon von Weitem zu.
„Von mir aus“, brummte Adala. „Ich hole dich ab, wenn die Sonne untergegangen ist.“
Damit segelte das mächtige Wolkenschiff davon.
Ticky betrachtete den Himmel. Die anderen Sterne sahen schon ziemlich blass und müde aus. Bald würde die Sonne aufstehen, und dann mussten alle in ihren Betten liegen. Doch er war viel zu aufgeregt, um zu schlafen.
„Ob ich Acky noch schnell besuche?“, überlegte er.
Acky war der Anführer einer Gruppe junger Sterne. Sie standen am Ende der Milchstraße und dann links.
Ticky schaute durch das Fernglas, das er immer bei sich trug. Damit konnte er Acky und die anderen ganz deutlich erkennen. So weit entfernt war es doch eigentlich gar nicht.
Kurz entschlossen brach Ticky auf. Den Weg zu Acky und zurück würde er locker schaffen, bevor die Sonne aufging.
Doch da hatte er sich gründlich verschätzt ...
Ticky sauste die Milchstraße entlang und schlug zwischendurch vor lauter Übermut Räder. Schließlich war er außer Puste und musste einen Augenblick verschnaufen.
Er kniff die Augen zusammen. Erschien dort schon ein heller Streifen am Himmelsrand? Nein, das war bestimmt noch nicht der Morgen. Sicher war es nur eine Wolke, die im Licht des Mondes hell leuchtete.
Er rannte weiter. Die Läden, die auf der Milchstraße Sternstaubzucker und süße Sternenmilch verkauften, schlossen bereits.
Plötzlich blieb er wie angewurzelt stehen. Wo war Acky geblieben? Er hob sein Fernglas an die Augen. Ach du Schreck! Er lag schon unter seiner Wolkendecke. Die anderen jungen Sterne kletterten gerade in ihre Betten.
Der Streifen am Himmel war breiter geworden und färbte sich rosa. Der Mond würde ganz schön wütend werden, wenn er dahinterkam, dass Ticky hier herumlief, anstatt in seinem Bett zu liegen.
Zurücklaufen konnte er nun nicht mehr. Sein Bett war zu weit weg. Ackys war näher.
Ticky sprintete los. Keuchend kam er bei Acky an. Der schlief schon fast. Ticky rüttelte ihn an der Schulter. „Acky“, rief er, „du musst mir helfen!“
Sein Freund machte erst ein Auge auf. Dann öffnete er auch das zweite und fuhr hoch. „Um Himmels willen, Ticky! Was tust du hier um diese Zeit?“
Die anderen jungen Sterne setzten sich ebenfalls in ihren Betten auf.
„Der Mond ist schon auf dem Weg zu uns“, riefen sie aufgeregt. „Wenn er dich hier findet ...“
„Du musst mich verstecken“, jammerte Ticky.
Acky schlug seine Wolkendecke zurück. Wie der Wind verschwand Ticky darunter. Gerade noch rechtzeitig, denn genau in diesem Augenblick bog der Mond um die Ecke und steuerte geradewegs auf Ackys Bett zu.
Ticky wagte kaum zu atmen.
„Warum schlaft ihr noch nicht?“, fragte der Mond.
„Wir sind nicht müde.“
„Schlaft sofort ein!“, befahl der Mond und ging weiter.
„Du kannst hervorkommen“, flüsterte Acky, „er ist weg.“
„Was soll ich bloß machen?“ Ticky war ganz verzweifelt. „Wenn ich jetzt zurückgehe, laufe ich dem Mond bestimmt über den Weg.“
„Bleib am besten hier. Du kannst mit in meinem Bett schlafen. Ein zweites Mal wird der Mond nicht zu uns kommen.“
Etwas Besseres fiel Ticky auch nicht ein. Er streckte sich neben Acky aus und schloss die Augen.
Doch vor lauter Unruhe konnte er nicht einschlafen. Es wäre zu schrecklich, wenn der Mond merken würde, dass er nicht in seinem Bett lag.
Und Adala? Die wollte ihn doch am frühen Abend abholen! Sie wäre bestimmt auch böse wenn er nicht da war.
Was konnte er tun, damit nicht alles herauskam?
Als Ticky aufwachte, wusste er zuerst nicht, wo er war. Erst als er den schlafenden Acky neben sich sah, fiel ihm alles wieder ein.
Er musste so schnell wie möglich zurück. Ungeduldig wartete er, bis die Sonne ihre Strahlenfinger vom Himmel zurückzog und es langsam dunkel wurde. Die ersten Sterne standen auf, putzen sich blank und fingen an zu leuchten.
„Tschüss, Acky“, rief er seinem noch schlafenden Freund zu und sprang davon.
Auf einmal hörte er jammervolles Weinen. In einer Seitengasse der Milchstraße entdeckte er einen winzig kleinen Stern, der beide Armzacken vors Gesicht geschlagen hatte.
„Was ist los?“, fragte Ticky.
„Ich ...“, schluchzte er, „wollte mir auf der Milchstraße ein bisschen süße Sternenmilch holen, und jetzt habe ich mich verlaufen.“
„Aus welcher Richtung bist du gekommen?“
„Das weiß ich nicht mehr.“
„Wie sieht es denn an deinem Platz aus?“
„Da stehen zwei liebe alte Sterne.“
„Wie sind ihre Namen?“
„Die habe ich vergessen.“ Der kleine Stern weinte noch heftiger. „Ihre Namen sind so lang. Und ich kenne sie erst seit ein paar Tagen. Seit ich aus der Sternenkinderstube zu ihnen gekommen bin.“
„Und wie heißt du?“
„Ucky“, stieß der kleine Stern hervor.
„Tja, Ucky ...“ Ticky kratzte sich die Zipfelzacke. „Da gibt’s nur eins: Ich bringe dich zum Mond. Der weiß, wo du hingehörst.“
„Nein!“, schrie Ucky auf. „Nicht zum Mond! Er hat mir verboten, allein herumzulaufen. Er wird furchtbar böse werden.“
„Der Mond ist gar nicht so streng, wie er immer tut.“
„Ich glaube, er ist noch viel strenger, als er tut!“
Ticky hatte eine andere Idee. „Komm mit!“, sagte er und zog Ucky mit sich fort.
Nicht weit entfernt, am Rande der Milchstraße, gab es einen ziemlich hohen Geröllhaufen. Von dort aus konnte man weit gucken.
„Steig hinauf und sieh dich um“, sagte er zu Ucky. „Vielleicht kannst du deinen Platz finden.“
Ucky drehte sich langsam einmal um sich selbst. Als er Ticky wieder ins Gesicht schaute, brach er erneut in Tränen aus. „Es sieht überall gleich aus.“
„Versuche es mal hiermit.“ Ticky gab Ucky sein Fernglas. „Damit kannst du die Gesichter der Sterne erkennen.“
Der kleine Stern nahm das Fernglas, schaute hindurch und drehte sich wieder langsam um sich selbst. Auf einmal wurde er ganz aufgeregt: „Da sind sie!“, schrie er und zeigte auf zwei große, leuchtende Punkte.
„Neptuno und Jupitero“, sagte Ticky. „Ich bring dich zu ihnen.“
Ucky fing an zu weinen.
„Warum heulst du denn jetzt schon wieder?“
„Weil ich so froh bin!“
„Armer Ucky! Die Freude wird dir gleich vergehen.“ Ticky sah nämlich einen Lichtschein und wusste, dass der Mond gleich um die Ecke kommen würde. Sollten sie sich schnell hinter dem Geröllhaufen verstecken?
Zu spät. Der Mond hatte sie schon entdeckt.
„Nanu, ihr beiden, was macht ihr denn hier?“, fragte er.
„Ich bringe Ucky zurück an seinen Platz.“
Das war die volle Wahrheit.
„Und du Ucky, warum treibst du dich in dieser Gegend herum?“
„Er hatte Durst“, antwortete Ticky schnell. „Er wollte sich was zu trinken holen. Bitte, sei ihm nicht böse.“
Der Mond schaute Ucky streng an. „Nun gut“, sagte er, „diesmal will ich ein Auge zudrücken. Aber dass mir das nicht noch einmal vorkommt!“
„Bestimmt nicht, Mond.“ Man sah Ucky an, wie erleichtert er war.
„Und nun zu dir.“ Der Mond wandte sich Ticky zu. „Es ist lieb von dir, dass du Ucky hilfst. Ich frage mich allerdings, wieso du um diese Zeit schon unterwegs bist. Und gestern Morgen habe ich dich nicht in deinem Bett gesehen. Warst du auf Reisen, ohne eine Kerze aufzustellen?“
Ticky überlegte blitzschnell. Er brauchte nur zu nicken, und der Mond würde nicht erfahren, dass er die Nacht bei Acky verbracht hatte.
Aber er wollte ihn nicht anlügen. „Ich habe Acky besucht“, „antwortete er, „und ich kam nicht mehr rechtzeitig zurück.“
Der Mond sagte nichts. Komischerweise lächelte er sogar kurz. „Ich finde es gut, dass du keine Ausreden erfindest“, sagte er. „Deshalb will ich heute ausnahmsweise auch bei dir ein Auge zudrücken.“
„Siehst du?“, sagte Ticky später zu Ucky. „Ich habe es dir doch gesagt. Der Mond ist gar nicht so streng, wie man immer denkt.“
Adala zu beruhigen, war weitaus schwieriger.
„Ich warte schon seit Stunden auf dich“, schimpfte sie, als Ticky an seinem Platz erschien. „Am liebsten würde ich auf der Stelle ohne dich davonsegeln.“
Seit Stunden – das war sicherlich übertrieben. Aber Ticky hielt es für besser, den Mund zu halten. „Liebe Adala“, sagte er stattdessen, „ich verspreche dir: Es kommt nie wieder vor!“
„Na gut“, brummte die Wolke. „Steig ein. Wenn wir heute noch reisen wollen, müssen wir uns beeilen.“
Ticky zündete schnell eine Kerze an und sprang in das mächtige Wolkenschiff hinein. „Wohin fahren wir?“
„Das wirst du gleich sehen.“
Ticky schaute aus einem Bullauge hinaus. Adala segelte auf einen hohen Berg zu. Vor einer steilen Felswand mit einem Vorsprung hielt sie an.
„Auf einem Berg war ich doch schon“, sagte Ticky ein wenig enttäuscht.
„Na und?“ Die Wolke schnaubte. „Bildest du dir etwa ein, dass du einen Ort richtig kennst, wenn du nur einmal dort gewesen bist?“
Ticky dachte das nicht. Trotzdem war er nicht begeistert. So gut hatte es ihm damals im Gebirge nicht gefallen.
Adala wurde ungeduldig. „Nun aber raus mit dir!“
Vorsichtig kletterte Ticky aus der Bodenluke. Adala sank ins Tal hinunter. Ticky war allein.
Oder nicht? Er hörte Geräusche, ganz in der Nähe. Er musste an das Vogelungeheuer denken, das ihm bei seiner ersten Reise auf einem Berg begegnet war. Ein Uhu, wie Plutolo und Saturno ihm später erklärten.
„Hallo?“, fragte er mit zitternder Stimme. „Ist da zufällig ein Vogelungeheuer?“
„Wir sind hier, wir sind hier!“
„Wer ist wo?“
„Wir! Hier!“
Ticky wandte sich zur Seite und erschrak. Zwei orangerote Kreise leuchteten in der Dunkelheit. Gleichzeitig hörte er ein Krächzen.
Er knipste sein Licht an. In einer Felsnische hockte ein großer Vogel mit spitzen Federohren. Zwischen seinen Krallenfüßen wuselten niedliche, flauschige Knäuel. „Hu-hunger! Hu-hunger!“, schrien sie.
Neugierig trat Ticky einen Schritt näher.
Der große Vogel begann mit dem Schnabel zu klappern und stellte drohend seine Federn auf. „Bu-hu, wer bist du?“, fragte er.
„Ein Stern. Und du?“
„Eine Mu-hutter.“
„Darf ich deine Kinder mal anfassen?“ Ticky streckte die Hände aus, doch das hätte er besser nicht getan. Von allen Seiten wurde er gezwickt.
„Zu-hu hart!“, beschwerten sich die Uhukinder.
In diesem Augenblick spürte Ticky einen leichten Luftzug und hörte ein lautes „Uhuu!“ Unwillkürlich duckte er sich und zog seine Zipfelzacke ein.
Ein zweiter Vogel setzte sich in die Felsnische.
„Fu-hutter, Fu-hutter“, schrien die Jungen durcheinander.
Der Vogel öffnete seinen kräftigen Schnabel und ließ etwas herausfallen. Die kleinen Uhus rissen ihre Schnäbel auf und ihre Mutter begann, das Futter zu verteilen.
Auf einmal hörte Ticky ein klägliches Stimmchen: „Hilfe! Hilfe!“ Er leuchtete den Boden ab. Ein kleines Tier mit einem langen Schwanz presste sich gegen die Felswand.
Ticky sah, wie die Uhueltern ihre Köpfe wandten und sich vier kreisrunde Augen auf das Tierchen richteten.
„Uhuu! Da bist du!“, krächzte der Uhumann und wollte sich darauf stürzen.
Aber Ticky war schneller. Er packte es und steckte es unter eine Armzacke.
Mit bösen Augen starrte der Uhu ihn an. „Du-huu! Gib die Maus! Bu-huu!“
„Maus, Maus!“, kreischten die Vogeljungen. „Ju-huu!“
Ticky spürte, wie das kleine Tier unter seiner Armzacke zitterte.
Der Uhumann breitete die Flügel aus. „Ich hab sie gefangen. Sie gehört mir!“
„Und ich habe sie gerettet. Deshalb gehört sie jetzt mir!“
„Die Ju-hungen haben Hu-hunger“, schnarrte die Uhumutter. „Gib her, oder wir stoßen dich ru-hunter!“
Ticky ging an den Rand des Felsvorsprungs. Tief unter ihm im Tal lag die Wolke mit dem ausgefransten Rand.
Der Uhu kam drohend auf ihn zu. Er hob einen Krallenfuß.
Ticky trat noch ein Stück weiter vor.
Der Vogel auch. Er stand jetzt so dicht hinter ihm, dass er die Federn spüren konnte.
„Adala!“, schrie Ticky. „Ich komme!“
Er sprang. Das kleine Tier unter seiner Armzacke quiekte auf vor Schreck.
„Keine Angst“, rief Ticky, „Adala fängt uns auf.“
Weich landeten sie in der Wolkenwatte.
„Geschafft!“, sagte Ticky. „Hier bist du sicher.“
Ticky setzte das Tierchen vor sich hin. „Du kannst jetzt aufhören zu schlottern.“
„Ich ... versuche es ja“, stotterte die Maus, „aber ... aber ... es geht nicht.“
„Nimm das!“ Ticky gab ihr ein paar Krümel Sternstaubzucker. Und siehe da – es wirkte Wunder. Die Maus war so mit Essen beschäftigt, dass sie nicht mehr mit den Zähnen klappern konnte.
„Ich bin übrigens Ticky, ein Stern“, stellte Ticky sich vor.
„Und ich bin Maus, eine Maus“, stellte die Maus sich vor.
„Dass du eine Maus bist, habe ich inzwischen mitgekriegt. Aber wie heißt du?“
„Das habe ich doch gerade gesagt. Ich heiße Maus. Jede Maus heißt so. Weil wir Mäuse alle gleich aussehen.“
Das fand Ticky merkwürdig. „Wir Sterne haben verschiedene Namen.“
„Könnt ihr euch so viele Namen merken?“, fragte Maus ungläubig.
„Ja, die meisten. Ich finde es schöner, wenn jeder einen anderen Namen hat. Und wie möchtest du heißen? Such dir was aus.“