Verlag C.H.Beck
Wer sich gleichermaßen knapp, kompetent und umfassend über die Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters informieren möchte, dem sei dieser Band empfohlen. Er bietet eine gut gegliederte, facettenreiche und spannende Überblicksdarstellung von der gesellschaftlichen Organisation, der wirtschaftlichen Produktion und der für die Ökonomie bedeutenden Infrastruktur der Spätantike bis zu den demographischen und finanzwirtschaftlichen Entwicklungen des Spätmittelalters. Landwirtschaft, Bergbau, Salzgewinnung, Jagd, Fischerei und Viehwirtschaft werden ebenso behandelt wie beispielsweise Eigentums- und Herrschaftsverhältnisse oder ökonomische Wandlungsprozesse infolge von militärischen Ereignissen, dem Ausbruch von Seuchen oder dem Entstehen der Hanse und der Erschließung neuer Handelswege.
Hans-Jörg Gilomen lehrte von 1988 bis 2010 als ordentlicher Professor für Allgemeine und Schweizer Geschichte des Mittelalters sowie für mittelalterliche Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Zürich. Seine Forschungsschwerpunkte, zu denen er eine Reihe von Publikationen vorgelegt hat, umfassen Agrargeschichte, Kredit und Wucher, ökonomische Ideen, Stadtgeschichte, Sozialgeschichte des christlich-jüdischen Verhältnisses, Migrationsgeschichte, Volkskultur, Geschichte des Basler Konzils, Ordensgeschichte (insbesondere des Cluniazenserordens).
I. Von der Spätantike zum Mittelalter (5. bis 7. Jahrhundert): Brüche und Kontinuitäten
Eine neue christlich geprägte Ökonomie?
Rückgang der Bevölkerung
Ansiedlung der «Barbaren»
Ende des «Steuerstaats»
Landwirtschaft
Ackerbau
Weinbau
Oliven und Spezialitätenkulturen
Viehzucht, Jagd, Fischerei
Bergbau und Eisenhandwerk
Siedlungsverlagerung, Städte und Handwerk
Handel und Verkehrswege
Wirtschaft der Barbaren
II. Vom 7. zum 9. Jahrhundert: ein erster Aufschwung
Haupttypen der Organisation des Großgrundbesitzes
Geringe Erträge und drohende Mangelkrisen
Gartenbau
Weinbau
Jagd, Fischerei und Viehwirtschaft
Zur Schichtung der Bauern
Anzeichen eines landwirtschaftlichen Aufschwungs
Technik
Handwerk
Bergbau, Metallhandwerk und Geld
Handel
III. Das Hochmittelalter: Rückschlag und neues Wachstum vom 10. bis zum 13. Jahrhundert
Die Krise des 10. Jahrhunderts
Wikinger, Normannen, Sarazenen, Hunnen
Burgen und Bannherrschaften
Die Wachstumsphase
Bevölkerung
Rodung und Migration
Produktivität der Landwirtschaft
Dreizelgenwirtschaft
Weinbau
Technische Neuerungen
Verbreitung von Mühlen
Steigerung der Eisenproduktion
Salzgewinnung und Salzhandel
Entstehung und Gründung neuer Städte
Handwerk und Zünfte
Zunahme des Geldumlaufs
Kredit
Aufschwung des Handels («kommerzielle Revolution»)
Die Anfänge der Hanse
Die Messen der Champagne
Neuerungen im Fernhandel
Neuerungen der Hochseeschifffahrt
Die Reaktion der Kirche
IV. Das Spätmittelalter: Erlahmen, Krisen und erneuter Aufbruch
Etappen des Niedergangs
Bevölkerung, Löhne und Preise
Alternativen der Landwirtschaft
Fernhandel
Banken
Kredit
Bergbau und Metall
Textilproduktion
Verlag und Innovationen im Textilgewerbe
Zünfte
Ausblick
Anhang
Leseempfehlungen
Register
In der Geschichtsschreibung sind mehrere Hauptursachen für den Niedergang des römischen Reiches angeführt worden, darunter auch wirtschaftliche. Am häufigsten wird die Sklaverei genannt. Sie sei verantwortlich gewesen für die Zerstörung des Arbeitsethos, für technische Stagnation und für zu große Produktion bei geringer Nachfrage, umgekehrt aber auch für zu geringe Produktion aufgrund mangelnden Interesses der Sklaven am Ertrag. Die ungünstige Produktivität, nach anderen aber einfach der Arbeitskräftemangel wegen dem stockenden Nachschub an Sklaven hätten zum schollengebundenen Kolonat geführt. Auch der Geldwirtschaft ist eine entscheidende Rolle zugeschrieben worden. Für die einen war die zunehmende Naturalwirtschaft bei ungenügender Entwicklung der Geldwirtschaft, der bloße «Scheinkapitalismus», bei dem die Gewinne konsumtiv in Luxus und Kunst verpulvert wurden, ein Hauptfaktor des Niedergangs, für andere war es gerade umgekehrt der zu stark entwickelte Kapitalismus, der zu rücksichtsloser Ausbeutung der Produzenten geführt habe. Auch eine geldmengentheoretische Überlegung fehlt nicht: Wegen Luxusimporten und Zahlungen an die Barbaren sei das Edelmetall aus dem Reich abgeflossen, die verminderte Geldmenge habe geringe Produktpreise zur Folge gehabt, weshalb sich die Produktion kaum mehr gelohnt habe. Für viele Autoren spielt die Besteuerung eine wichtige Rolle. Darauf führen sie zurück, dass die freien Bauern in das schollengebundene Kolonat herabsanken. Für andere ist durch Besteuerung im Interesse von Heer und Bürokratie die Privatwirtschaft ruiniert worden. Wiederum andere sehen gerade in der Armut des Staates bei gleichzeitigem Reichtum der Grundherren das Hauptübel.
Die Kirchenväter des 3.–5. Jahrhunderts haben christliche Grundsätze zu wirtschaftlicher Gerechtigkeit erarbeitet. Ihre Einschätzung des Reichtums war ambivalent. Nach Augustin ist er von Gott geschaffen zur Verherrlichung des Schöpfers, zur Prüfung der Guten und Strafe der Bösen. Umgekehrt meinte Tertullian, Gott habe immer die Armen gerechtfertigt und die Reichen verdammt. Nach Hieronymus stammen alle Reichtümer aus Ungerechtigkeit, denn wenn einer etwas gewinne, müsse ein anderer es verloren haben. Dem Reichen seien seine Güter jedoch nicht schädlich, wenn er davon die Armen unterstütze. Hermas meint sogar, wenn die Not zu schwer auf dem Armen laste, könne er nicht gute Früchte für das ewige Leben bringen. Das Motiv, dass der Arme geradezu zum Laster gezwungen sei und nur der Reiche tugendhaft sein könne, findet sich später immer wieder bei christlichen Autoren. Die Armut wurde als gottgewollt dargestellt: Die Armen seien da, damit die Reichen, die nur schwer das Seelenheil erlangen, sich durch Almosen den Himmel verdienen könnten. Die in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts verfasste Lebensbeschreibung des heiligen Eligius formuliert dann bündig: «Gott hätte alle Menschen reich erschaffen können, aber er wollte, dass es auf dieser Welt Arme gibt, damit die Reichen Gelegenheit erhalten, sich von ihren Sünden freizukaufen.»
Ein kurzer Text des 6. Jahrhunderts bringt die Stellungnahme der Kirchenväter zum Handel und zum Kredit auf den Punkt. Es heißt hier, indem der Herr die Verkäufer und Käufer aus dem Tempel vertrieb, habe er angezeigt, dass der Kaufmann Gott nie gefallen könne; deshalb solle kein Christ Kaufmann sein oder dann aus der Kirche Gottes hinausgeworfen werden. Gleich wie einer, der zwischen zwei Feinden gehe und beiden gefallen wolle, dem einen vom andern und umgekehrt schlecht reden müsse, so könne derjenige, der kaufe und verkaufe, nicht ohne Lüge und Meineid sein. Hier wird die ökonomische Idee vertreten, dass eine Ware nur einen Wert und damit nur einen gerechten Preis (pretium iustum) haben könne, ob man sie kaufe oder verkaufe. Jede Abweichung nach unten beim Ankauf oder nach oben beim Verkauf ist unrecht, verschafft einen schändlichen Gewinn (turpe lucrum), ist Preiswucher. Der Gewinn des Kaufmanns entsteht aus der Differenz des Ankaufspreises zum Verkaufspreis, ist also immer schändlicher Gewinn. Anders verhalte es sich, wenn jemand Material zur Herstellung eines Produkts kaufe. Dieser Handel zwischen Produzenten zur Weiterveredelung von Produkten und der direkte Absatz an Konsumenten ist erlaubt. Diese negative Sicht gründet auf einem aus der heidnischen Antike vermittelten Misstrauen gegen den Handel und gegen jeden Gewinn, der nicht in der Produktions-, sondern in der Distributionssphäre erzielt wird.
Der Text geht dann vom Preiswucher zum Zinswucher über. Mehr als alle Kaufleute sei der Wucherer verdammt. Er verkaufe nämlich die von Gott geschenkte Zeit zwischen dem Beginn und dem Ende der Darlehensfrist, indem er nicht nur die geliehene Summe, sondern darüber hinaus für die verlaufene Zeit einen Zins fordere. Wer hingegen Pacht- oder Mietzinse erhalte, sei kein Wucherer. Der Pächter eines Ackers könne daraus Früchte erwirtschaften, der Mieter erlange den Gebrauch der Wohnung. Wer einen Acker oder ein Haus vermietet, gebe deren Gebrauch und empfange dafür Geld – so scheine gleichsam Gewinn gegen Gewinn getauscht zu werden. Aus dem aufbewahrten Geld jedoch, das zu keinem Gebrauch vorgesehen sei außer zum Kaufen, erlange man keinen Gewinn. Zudem altere (verschleiße) der Acker oder das Haus durch den Gebrauch, das verliehene Gut aber vermindere sich nicht und altere nicht.
Diese für das ganze Mittelalter zentralen ökonomischen Grundpositionen sind die christliche Radikalisierung der aus der heidnischen Antike, letztlich von Aristoteles übernommenen These von der Unfruchtbarkeit des Geldes, das einzig dazu diene, den Austausch von Gütern zu vermitteln. Dazu kam die biblische Verurteilung jeder Darlehensverzinsung als Wucher gegen Bedürftige. Diese Einschätzung ging einzig vom Konsumdarlehen zur Überbrückung von Notlagen aus; sie ignorierte das Investitionsdarlehen und hatte keine Vorstellung von Kapitalproduktivität.
Mit der Bevölkerungsgröße ist die Nachfrage nach Nahrungsmitteln und weiteren Bedarfsgütern verbunden, aber auch die Verfügbarkeit von Arbeitskräften zu deren Produktion. Im spätrömischen Reich ist es seit dem 2. Jahrhundert zu einer erheblichen Abnahme der Bevölkerung gekommen. Der Rückgang wurde schon zeitgenössisch negativ bewertet und politisch bekämpft, etwa durch Gesetze, die Kinderlosigkeit mit rechtlichen Nachteilen bestraften, oder durch die Privilegierung von Eltern mit einer Mindestzahl von Kindern. Neben zu geringen Kinderzahlen führte auch eine ungewöhnlich hohe Mortalität zu einem Rückgang der Bevölkerung. Seit dem 2. Jahrhundert sind mehrere verheerende Epidemien belegt. Aus Mesopotamien schleppte die Armee des Severus im Jahr 165/66 die «Antoninische Seuche», wahrscheinlich die Pocken, ins Reich ein. Die Seuche erreichte im selben Jahr Rom, dann Gallien und das Rheinland; sie blieb bis ins Jahr 180, vielleicht sogar 189 in immer neuen Ausbrüchen wirksam. Nach neueren Schätzungen wurde in den betroffenen Gebieten bis zu einem Zehntel der Bevölkerung dahingerafft. In den Jahren 251–268 folgte die «Seuche des Cyprian», Masern oder Pocken. Auch Malaria und Tuberkulose forderten viele Opfer. Die zuvor nur sporadisch auftauchende Lepra wurde im 4.–6. Jahrhundert endemisch. Am schlimmsten war die «Justinianische Beulenpest», die zuerst 541 im oberen Nilgebiet Ägyptens belegt ist und sich in wiederholten Seuchenzügen bis ins 8. Jahrhundert im ganzen Reich verbreitete. Die Mortalität war sehr hoch. Der erste, folgenreichste Pestzug kann in dicht besiedelten Gebieten rund ums Mittelmeer durchaus bis zu 40 % der Bevölkerung vernichtet haben, in bloß locker besiedelten Gebieten bis zu 10 %. Die ökonomischen Folgen waren gravierend, über Arbeitskräftemangel und verödete Güter wurde in der gesamten Spätantike geklagt. Im 6. Jahrhundert war die Bevölkerungszahl an einem Tiefpunkt angelangt.
Die Barbaren sind als Verbündete ins römische Reich eingewandert oder haben, dort angekommen, förmliche Föderatenverträge abgeschlossen. Die wirtschaftliche Herausforderung der Ansiedlungen war enorm: Die oft als bewaffnete Gruppen marodierend von Beute lebenden Krieger mussten mit Staatsland oder als «Gäste» der römischen Grundbesitzer mit Einkünften aus deren Land ausgestattet und dadurch befriedet werden. Gewalt und Drohung haben die Grundbesitzer gewiss in der ersten Zeit mürbe gemacht, wie es beispielhaft für den Süden Frankreichs Paulinus Pellaeus schildert, dessen Besitzungen zu Beginn des 5. Jahrhunderts mehrmals von Westgoten geplündert wurden. Sicher beschönigend ist ein Brief des Ostgotenkönigs Theoderich aus dem Jahr 509, wonach in Italien die Zuteilung eines Drittels von Ländereien an die «Gäste» zu Freundschaft zwischen den Völkern geführt habe; um den Preis eines Teils ihres Landes seien den Römern Verteidiger gewonnen worden. Die Teilungen wurden vielfach förmlich ausgehandelt. Breiter Widerstand wurde nicht geleistet, auch weil vor allem Staatsland ausgegeben und Großgrundbesitz geteilt wurde. Barbarische Könige haben – beraten von römischen Fachleuten – vielfach erst später die faktisch geschaffenen Verhältnisse rechtlich formalisiert. Im Laufe der Zeit sind die Gästerechte der Ansiedler zu uneingeschränktem Eigentum umgeformt worden. Dieser Prozess zog sich in Gallien, Burgund, Italien und Spanien über mehrere Generationen hin. Anders verlief die Ansiedlung der Vandalen im 429 eroberten Nordafrika: Hier wurden die Ländereien der Senatorenaristokratie und der katholischen Kirche enteignet. Trotz Erstreckung der Verjährungsfrist haben nach der Rückeroberung unter Kaiser Justinian die Nachkommen der Enteigneten keine umfangreichen Restitutionen durchgesetzt. Auch die Langobarden, die nach der Niederlage der Ostgoten Italien eroberten, haben gezielt senatorische Ländereien enteignet.
Die Ansiedlung der Barbaren führte von der Kriegerökonomie der Beute und Plünderung hin zur Einordnung in die bestehende Agrarwirtschaft. Wenn die Burgunder nicht bloß mit zwei Dritteln von geteilten Ländereien, sondern auch mit einem Drittel der darauf beschäftigten Sklaven ausgestattet wurden, kann dies wohl nur bedeuten, dass auch die Leitung der Produktion auf ihrem Teil der Ländereien auf sie übergegangen ist. Auch ein Gesetz König Gundobads aus der Zeit um 500, wonach von Rodungen durch Burgunder auf Gemeinschaftsland die Hälfte den römischen Landbesitzern zu übergeben sei, erweist die aktive agrarwirtschaftliche Tätigkeit der «Gäste».
Während sich der römische Staat vor allem aus der annona oder iugatio/capitatio genannten Steuer von Bodenertrag und Arbeitskraft in der Agrarwirtschaft finanziert hatte, ging die Verbindung von Landbesitz und Steuerleistung durch die Herausbildung des uneingeschränkten Eigentums verloren. Das dadurch und durch verbreitete Steuervermeidung zunächst der Amtsträger (Curiales), dann der Landbesitzer herbeigeführte Ende des die gesamte Ökonomie dominierenden römischen Steuerstaats bedeutete einen scharfen Bruch, der in Gallien im Verlauf des 5., in Italien im 6. Jahrhundert anzusetzen ist. Eine neuere Schätzung hat die gesamte Steuerlast im 4. Jahrhundert auf nur rund 20 % des Bruttosozialprodukts beziffert, was weit unter modernen Staatsquoten liegt. Indessen war die Belastung der verschiedenen Wirtschaftssektoren sehr ungleich. In Gallien klagt der Schriftsteller Salvian im 5. Jahrhundert über die Steuerbelastung der Bauern: «In einer Zeit, in der der römische Staat entweder schon tot ist oder doch sicher in den letzten Zügen liegt, und dort, wo er noch zu leben scheint, von den Fesseln der Steuern wie von Räuberhänden erdrosselt dahinstirbt, in einer solchen Zeit finden sich viele Reiche, deren Steuern die Armen zahlen müssen, das heißt, es finden sich viele Reiche, deren Steuern die Armen töten.»
Dem Steuerdruck suchten freie Bauern ins Patrozinium eines reichen Herrn zu entkommen, indem sie diesem ihre Eigengüter übergaben und sie als Pächter weiter bebauten. Sie zogen es vor, Pacht statt Steuern zu zahlen. Anknüpfend an die römische Steuerfreiheit des Militärs, aber auch, weil sie der Meinung waren, die Steuerleistung sei eine unwürdige Unterwerfung, setzten die barbarischen Ansiedler Steuerfreiheit ihrer Ländereien durch. Um 500 erhoben Franken und Burgunder in Gallien, Ostgoten in Italien, Westgoten in Südgallien und Spanien, Vandalen in Nordafrika weiterhin Steuern, aber in wesentlich geringerem Ausmaß als zuvor die Römer. Im merowingischen Gallien fiel die Steuerbelastung wohl auf etwa 10 % der Bodenerträge.
Der spätrömische Staat hatte die Steuererträge vor allem der Armee zukommen lassen. Die barbarischen Krieger wurden dagegen nicht durch Steuern, sondern durch Einkünfte aus ihren Ländereien unterhalten. Auch die sehr reduzierte Verwaltung benötigte keine Steuermittel mehr. Den Bedarf des Königs deckten Einkünfte der übernommenen römischen Staatsländereien. Die Besteuerung hatte damit ihre legitimierenden Grundlagen verloren. Die Langobarden haben nach 568 als erstes barbarisches Reich in Italien auf die Besteuerung verzichtet. Auch das Karolingerreich beruhte nicht mehr auf Besteuerung, sondern auf Einkünften aus Grundbesitz.
Der bestimmende Sektor der spätantiken Ökonomie war die Landwirtschaft. Die Quellenlage ist allerdings nicht günstig, Akten, die einen Einblick in die Praxis gewähren, sind nur für Ägypten erhalten. Eine große Zahl von Gesetzen zeichnet Normen auf, deren Umsetzung nur schwer zu beurteilen ist. Betrieben wurde die Landwirtschaft in den Formen kleiner familiärer Bauernbetriebe und großer Latifundienwirtschaft. Es ist mit einer großen Vielfalt in den verschiedenen Regionen des Reiches aus klimatischen, topographischen, brauchtümlichen, sozialen und politischen Ursachen zu rechnen. Im Vordergrund stand die Deckung des Eigenbedarfs. Eine Marktverflechtung ergab sich vor allem auf lokaler Ebene zur Beschaffung der nicht selbst produzierten Waren und Geräte.
In allen Provinzen des Reiches nahm der Großgrundbesitz in der Spätantike zu; überall wurden Güter der Großgrundbesitzer Pächtern und Kolonen zur Bearbeitung übertragen. Der Großgrundbesitz des Kaisers, der Kirche, der Senatoren und Kurialen, auch städtischer Berufsleute wie Ärzten, Professoren, Reedern und Bäckern dominierte die Überschussproduktion. Er wurde durch Verwalter mit Sklaven und freien Lohnarbeitern oder durch Kolonen und Pächter bewirtschaftet. Nach Quellen aus Kleinasien waren dort im Großgrundbesitz etwa 10–20 % Sklaven und etwa 80–90 % Kolonen tätig. Die Verwalter waren besoldet und lieferten die gesamten Nettoerträge ab. Die Pächter zahlten eine Pacht in Geld und Naturalien und leisteten Frondienste.
Zu unterscheiden sind Zeitpächter und Dauerpächter. Die Zeitpacht lief normalerweise ein lustrum, d.h. fünf Jahre. Dann mussten die Bedingungen, auch die Höhe der Pacht, neu ausgehandelt werden. Die Erbpacht dürfte für den Pächter günstiger gewesen sein, weil er nicht von den Gütern vertrieben und weil seine Pachtbedingungen nicht geändert werden konnten. Vielfach scheinen Erbpächter sich auf ihrem Besitz so sicher gefühlt zu haben, dass sie ihn schließlich als ihr Eigentum betrachteten. Seit dem 4. Jahrhundert zeichnet sich eine längerfristige Tendenz von der Zeitpacht zur Erbpacht und von der Erbpacht zum Eigentum ab.
Im Verlauf des 4. und 5. Jahrhunderts nahm die Zahl der auf Eigengütern produzierenden freien Bauern ab. Dem Zugriff der Steuereintreiber, der militärischen Verpflichtung und anderen Bedrohungen suchten sich einzelne Bauern, Gruppen oder ganze Dörfer dadurch zu entziehen, dass sie sich dem Schutz – dem Patrozinium – eines mächtigen Grundbesitzers oder eines Offiziers unterstellten. Auf den Pachtgütern wurden die freien Bauern gesetzlich zu schollengebundenen Kolonen: Die Grundbesitzer wurden verpflichtet, die Steuern für die Pächter an den Staat zu entrichten. Die Steuereintreibung ging gesetzlich von den staatlichen Eintreibern auf die Grundbesitzer über. Dies hat die Schollenpflicht der Kolonen bewirkt. Selbst bei Erfüllung aller Verpflichtungen konnte der Pächter den Pachtherrn nicht mehr wechseln, er konnte nicht mit Wegzug drohen, um seine Pachtbedingungen zu verbessern. Die Herren beanspruchten auch Gerichtsbarkeit über die Kolonen. Die herrschaftliche Komponente im Verhältnis des Großgrundbesitzers zu den Kolonen verstärkte sich. Die Kolonen wurden den Grundbesitzern durch neue Gesetze, die der Sicherung der Steuereinnahmen dienten, immer stärker untergeordnet. Ihr Rechtsstand näherte sich demjenigen der Sklaven an.
Während sich die Situation der Kolonen eher verschlechterte, verbesserte sich zugleich der Stand der Sklaven. Die Bewirtschaftung von Großgütern mit kasernierten Sklaven, die scharf kontrolliert und ohne Möglichkeit zu Eigeninitiative und Familienleben zentral gehalten wurden, ging in der Spätantike zurück zugunsten einzeln angesiedelter Sklavenfamilien, die selbständig ein kleines Bauerngut auf dem Land des Großgrundbesitzers bearbeiteten. Das Familienleben sorgte für die Reproduktion der Sklaven. In der Forschung wurde erwogen, ob die Ansiedlung damit zusammenhänge, dass die Produktion mit kasernierten Sklaven sich nicht mehr lohnte, da deren Preis stieg, weil die Rekrutierung neuer Sklaven durch Kriegsgefangenschaft stark zurückging. Da viele geborene Sklaven nach dreißig Jahren und gekaufte Sklaven im Testament ihres Herrn freigelassen wurden, verringerte sich ihre Zahl laufend, obwohl durch die kriegerischen Auseinandersetzungen des 5.–8. Jahrhunderts dann wieder vermehrt besiegte Gegner versklavt wurden. Als weiterer Grund für den Rückgang der kasernierten Sklaverei wird in der Forschung die geringere Produktivität aufgrund mangelnden Interesses am Ertrag oder gar aufgrund von Arbeitsverweigerung, Sabotage und Flucht genannt. Eine Produktivitätssteigerung, um die gesunkene Rentabilität wieder anzuheben, sei nur dadurch zu erreichen gewesen, dass man die Arbeitskräfte an einer Steigerung der Produktion durch Anteil am Ertrag interessierte. Deshalb habe man ihnen kleine Betriebe zur selbständigen Bebauung übergeben. Damit entfielen die hohen Kosten für die Überwachung weitgehend. Der Grundbesitzer schöpfte einen Großteil des geschaffenen Mehrwerts über die Abgaben ab. Nach dieser These führte die ungenügende Rentabilität zum Ende der antiken Sklaverei. Die Abnahme kasernierter Sklaven könnte auch mit dem Rückgang von Überschussproduktion, insbesondere von Wein und Textilien für den Handel, zusammenhängen aufgrund des Zusammenbruchs der reichsweiten Handelsbeziehungen seit dem 5. Jahrhundert.
Die Patroziniumsbewegung und die Entwicklung des Kolonats zur Schollenpflicht kann als eine tiefgreifende Feudalisierung der spätrömischen Gesellschaft gewertet werden. An die Stelle der Beziehungen von Untertanen zur staatlichen Gewalt traten private Herrschaftsverhältnisse zwischen Großgrundbesitzern und ihrer Klientel. In dieser sozialen Umwälzung ist ein für die Gesamtentwicklung vielleicht wesentlicherer Faktor zu sehen als in der Abschwächung und im Rückgang der Sklaverei.
Im Ackerbau wurde das wichtigste Grundnahrungsmittel Weizen (triticum aestivum bzw. durum), das Hauptbrotgetreide, überall, wo es irgend ging, für den Eigenbedarf angebaut. Er stellt recht hohe Ansprüche an nährreiche, wasserhaltige Böden und ein mildes Klima, Bedingungen, wie sie rund ums Mittelmeer verbreitet anzutreffen sind. Vielleicht aufgrund der Steuererleichterungen für bewässertes Land durch Diokletian nahmen die Investitionen in Wasserschöpfräder zu Beginn des 4. Jahrhunderts stark zu. Große Exportkapazitäten für Weizen bestanden in Nordafrika, Ägypten, Sizilien und Kalabrien, in geringerem Ausmaß in Aquitanien und Britannien.
Neben dem Hauptgetreide Weizen begegnen Spelt oder Dinkel (triticum spelta), Emmer (far) und Einkorn (triticum unicoccum). Wenig verbreitet war der Anbau von Roggen (secale cereale). Da dieser größere Winterhärte besitzt, wurde er besonders in Gebirgslagen (Karpaten, Alpen, Vogesen) angebaut. In der Spätantike verdrängte Roggen als Wintergetreide und Saatweizen als Sommergetreide im östlichen Donauraum Dinkel und Hafer. Nördlich der Alpen ist Roggen zum Hauptbrotgetreide geworden. Selten war Gerste (hordeum). Unbeliebt waren Brot und Brei der im ganzen antiken Mittelmeerraum verbreiteten Rispenhirse (panicum miliaceum). Kolbenhirse (setaria italica) wurde im Schwarzmeergebiet, in Gallien und Norditalien angebaut. Da beide Hirsearten spät im Jahr gesät werden konnten, hatten sie eine gewisse Bedeutung als Aushilfssaat. Hafer (avena) wurde nur als Viehfutter verwendet. Bei germanischen Völkern war Hafer hingegen ein Hauptnahrungsmittel. Er ist klimatisch anspruchslos und bringt auch in kälteren Gegenden gute Erträge.
Gemessen wurde die Produktivität im Ackerbau durch das Saat-Ernte-Verhältnis. Angaben antiker Schriftsteller liegen vor unserer Zeit und sind unzuverlässig. Nach Varro (gest. 27 v. Chr.) kann das gleiche Saatgut je nach Bodenbeschaffenheit den zehnbis fünfzehnfachen Ertrag erbringen. Cicero (gest. 43 v. Chr.) nennt für ein erstklassiges Getreidegebiet Siziliens in einem Normaljahr einen achtfachen Ertrag beim Weizen. Columella (gest. um 70 n. Chr.) aber meint, der vierfache Ertrag werde in Italien nur selten erreicht. Wesentlich höher war die Produktivität wohl in Ägypten, doch sank sie im 6. Jahrhundert wegen des Verfalls der Bewässerungssysteme. Moderne Schätzungen rechnen mit einem durchschnittlichen Saat-Ernte-Verhältnis von 1:4. Verschiedentlich haben die Kaiser jenen, die verödete Güter wieder unter den Pflug nahmen, für einige Jahre Steuerfreiheit und andere Vergünstigungen versprochen. Das Problem verschärfte sich durch die immer wiederkehrenden Barbareneinfälle, die in den Grenzgebieten eine regelmäßige Feldbestellung oft unmöglich machten. Ein innenpolitischer Grund zur Verödung magerer Böden war die bei geringer Produktivität unerträgliche Steuerlast. Von starker Verödung ist in Gallien, Nordafrika, Ägypten und Syrien die Rede.