Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Startrunde:
Erste Ebene:
Zweite Ebene:
Dritte Ebene:
Vierte Ebene:
Fünfte Ebene:
Sechste Ebene:
Siebente Ebene:
Achte Ebene:
Neunte Ebene:
Zehnte Ebene:
Elfte Ebene:
Zwölfte Ebene:
Dreizehnte Ebene:
Schlussrunde:
Glossar
Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Nr. 2482
Der ewige Kerker
Es gibt kein Entrinnen – die SOL in der Kernzone Hangay
Leo Lukas
Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt
Die Lage für Perry Rhodan und die Menschheit ist verzweifelt: Eine gigantische Raumflotte, die Terminale Kolonne TRAITOR, hat die Milchstraße besetzt. Sie wirkt im Auftrag der Chaotarchen, und ihr Ziel ist kompromisslose Ausbeutung.
Die Milchstraße mit all ihren Sonnen und Planeten soll als Ressource genutzt werden, um die Existenz einer Negasphäre abzusichern. Dieses kosmische Gebilde entsteht in der nahen Galaxis Hangay – ein Ort, an dem gewöhnliche Lebewesen nicht existieren können und herkömmliche Naturgesetze enden.
Mit verzweifelten Aktionen gelingt es den Menschen auf Terra und den Planeten des Sonnensystems, dem Zugriff der Terminalen Kolonne standzuhalten. Sie verschanzen sich hinter dem TERRANOVA-Schirm und versuchen, die Terminale Kolonne zu stören. Hinzu kommen erste Erfolge im Angriff: die Zerstörung von CRULT etwa oder das Vordringen nach Hangay.
Dieses Unterfangen erweist sich allerdings als schwierig. Während bislang nur ESCHER und der Weltweise von Azdun ins Herz der entstehenden Negasphäre vordringen konnten, muss der Rest des Hangay-Geschwaders außerhalb warten. Und mancher fürchtet, der Stützpunkt Winola werde für die Terraner und ihre Verbündeten DER EWIGE KERKER …
Hajmo Siderip – Der Xenopsychologe versucht Feuer mit Brennstoff zu löschen.
Atlan da Gonozal und Ronald Tekener – Die Aktivatorträger vertrauen auf ESCHERS parapsychisch-positronischen Spürsinn.
Jawna Togoya – Die Posbi-Offizierin erweist sich als psychologisch versiert.
Inkadye, Volfdeprix, Goku Kong-Eslan, Murtaugh oder Skutnik – Die Bewohner der Stadt Koltogor betreiben Psycho-Spiele.
Ein erstes Zeichen beginnender Erkenntnis ist der Wunsch zu sterben.
Dieses Leben scheint unerträglich, ein anderes unerreichbar. Man schämt sich nicht mehr, sterben zu wollen; man bittet, aus der alten Zelle, die man hasst, in eine neue gebracht zu werden, die man erst hassen lernen wird.
Ein Rest von Glauben wirkt dabei mit, während des Transportes werde zufällig der Herr durch den Gang kommen, den Gefangenen ansehen und sagen: Diesen sollt ihr nicht wieder einsperren. Er kommt zu mir.
Franz Kafka
Startrunde:
Zahnräder
Das Zimmer besaß weder Fenster noch Tür.
Jedoch war es komfortabel eingerichtet, geradezu luxuriös, und sehr geräumig. Trotz zahlreicher hoher Schränke, mehrerer Truhen, Tische, Stühle sowie Diwane, auf denen sich schlammfarbene, seidig weiche Kissen türmten, wirkte es keineswegs überladen.
In einer Nische befand sich das Bett. Die Person, die darin geschlafen hatte, strich geistesabwesend mit der rechten Hand das Laken glatt. Ihre Linke hielt sie vors Gesicht. Leise knisternd, gähnte sie.
Mit einem Klicken klappte der Deckel des Nachtkästchens auf und schwenkte beiseite. Die blassgelbe, fein säuberlich zusammengefaltete Gewandung, die zum Vorschein kam, erschien ihr vage vertraut.
Ohne zu zögern, hob sie das Kleidungsstück heraus und streifte es über. Sie war noch viel zu schlaftrunken, um ihre Situation zu hinterfragen.
Ein mahlendes Geräusch ertönte, ein Zischen, dann verheißungsvolles Blubbern. Schlagartig verspürte sie großen Durst.
Köstliches Aroma breitete sich aus. Barfüßig, mit unsicheren Schritten, ging sie quer durch den Raum zur Anrichte, auf der eine kleine, chromblitzende Maschine stand. Schwarze, dunkelgrün schimmernde Flüssigkeit tropfte aus einem Hahn in ein bauchiges Gefäß.
Sie wartete, bis der irdene Becher randvoll war. Dann wollte sie ihn ergreifen, aber ihre Finger gehorchten ihr nicht. Vielmehr vermittelten sie das äußerst unangenehme Gefühl, sie könnten jeden Moment abfallen.
Die Erwachte zitterte. Mühsam rang sie um Kontrolle, viele knisternde Atemzüge lang. Allmählich wich ihre Benommenheit.
Klarsicht und Scharfsinn brachten Argwohn mit sich. Sie tastete nach einem hakenförmigen, kupferfarbenen Rührstab, fasste ihn beim zweiten Versuch und tauchte ihn in die dampfende Brühe.
Grünliche, stechend riechende Rauchschwaden stiegen auf. Das Getränk brodelte. Augenblicklich wurde der Stab glühend heiß.
Reflexhaft zog sie ihn aus dem Gefäß und ließ ihn auf die Steinplatte fallen. Er war nur noch halb so lang wie zuvor. Seine untere Hälfte fehlte gänzlich. Die wenigen Tropfen, die den Rest benetzten, fraßen Kuhlen in den Marmor der Arbeitsplatte wie münzgroße, schmorende, schwärende Wunden.
Säure.
Hätte sie, wie es ursprünglich ihre Absicht gewesen war, davon getrunken … Der Schock währte nicht lang. Aus hitzigem Zorn wurde Wärme und ansatzweises Verstehen.
Sie lächelte matt. Das Startsignal war gegeben. Eine neue Runde des ewigen Spiels hatte begonnen.
*
Den Durst ebenso missachtend wie den Hunger, der sich mittlerweile hinzugesellt hatte, sah sie sich in der Versorgungsnische um.
Die meisten Vitrinen waren versperrt, die zugehörigen Schlüssel auf den ersten Blick nirgends zu entdecken. In der einzigen Lade, die sich herausziehen ließ, lag eine speckig glänzende Schatulle, an deren Oberseite verschiedenfarbige Edelsteine ein gleichseitiges Sechseck bildeten.
Probehalber tippte sie auf den blutroten, dann auf den meerblauen Kristall. Wie erwartet, gaben die Steine um einige Millimeter nach, leuchteten kurz auf und schnellten sogleich in die Ausgangsposition zurück.
Sie seufzte. Sich länger damit zu befassen war sinnlos, solange sie keine Anhaltspunkte hatte, wie oft und in welcher Reihenfolge sie die sechs Kristalle drücken musste, um den Verschluss zu entriegeln.
Kodes, Zahlen- und Farbenrätsel: Ja, so etwas liebte ihr Herr.
Sie drehte das Behältnis um. Auf der Unterseite waren schnörkelige Buchstaben eingraviert, die sie lesen konnte:
Wer nicht fähig ist zu morden, hat kein Leben verdient. Nichts klingt süßer als die Litaneien Todgeweihter – aber bedenke, dass du deren Klagen kein zweites Mal vernimmst!
Mit dem Knie schob sie die Lade wieder zu. Nachdem sie die Schatulle neben dem Heißgetränkespender abgestellt und sich vergewissert hatte, dass sie keine sonstigen, derzeit in diesem Teil des Zimmers zugänglichen Fundstücke, schriftliche oder symbolische Hinweise übersehen hatte, begab sie sich in den angrenzenden Hygienebereich.
Hier war es kalt. Von der Decke der Duschkabine, die durch eine Milchglasscheibe abgeschirmt wurde, hing ein Stalaktit aus Eis. Der Tropfstein mochte nicht viel kleiner sein als sie selbst, und oben war er deutlich dicker als sie um die Hüfte. Er gab viel Kälte ab.
Obwohl sie bald fror in ihrer dünnen Kleidung, durchsuchte sie die Hygienezelle akribisch. Zwischen dem Bidet und der Wand fand sie ein leicht angerostetes, handtellergroßes Zahnrad, hinter einer losen Kachel ein zweites.
Während sie darüber nachdachte, was sie mit den klobigen, anachronistischen Maschinenteilen anfangen sollte, betrachtete sie sich im Spiegel. Vorher hätte sie nicht sagen können, wie sie eigentlich aussah. Dennoch überraschte es sie nicht, dass ihr Gesicht aus achteckigen, strohfarbenen Hautplättchen bestand, die wegen der Kälte rasch pulsierten.
Der dünne, gazeähnliche Hautfilter ihrer Atemöffnung knisterte bei jeder Bewegung. Die beiden Augen, dunkelrot-bräunliche, starre Murmeln, standen so weit seitlich hervor, dass sie einen Blickwinkel von 180 Grad erlaubten.
War sie schön oder hässlich? Sie vermochte es nicht zu beurteilen. Empfanden andere Angehörige ihres Volkes den kleinen lippenlosen Mund inmitten des breiten Kinns als ästhetisch oder abstoßend missraten?
Keine Ahnung. Sie wusste nicht einmal, welchem Volk sie entstammte; geschweige denn, wie ihr eigener Name lautete.
Auf Fingerdruck glitt der Spiegel auseinander und gab ein Regal frei. Es war lose bestückt mit Tuben und Tiegeln. Gemäß den Aufschriften handelte es sich um Produkte zur Reinigung und Körperpflege.
Gerne hätte sie die eine oder andere Creme benutzt, da sie sich schmuddelig fühlte und ihre Hautoberfläche an mehreren Stellen juckte. Aber nach dem Erlebnis mit der Säure, die sie beinahe getrunken hätte, scheute sie davor zurück.
Ein grellbuntes Puderdöschen erweckte ihre Aufmerksamkeit. Das Etikett verhieß in reißerischen Lettern: Noon-Q-light – bringt sogar Stumme zum Sprechen!
Sie stutzte, war sich fast sicher, dass dies eine Assoziation auslösen sollte. Doch so sehr sie in sich hineinhorchte, ihr Gedächtnis blieb blank, gelöscht, schmerzhaft leer.
Zugleich ahnte sie, dass sie sich deshalb nicht sorgen musste. Das gehörte zum Spiel. Langsam, Schritt für Schritt, würde sie mehr erfahren, und dabei ihre Erinnerung, ihre Persönlichkeit, ihr Ich zurückgewinnen.
Baustelle
»Wetten wir, ich kann dir etwas zeigen, was du noch nie im Leben gesehen hast?«
Hajmo Siderip zog einen Flunsch. Der Kurznachrichten-Speicher seines Interkoms quoll über vor großspurigen Verheißungen und angeblichen Sensationsmeldungen.
Aus psychologischer Sicht ein leicht erklärbares Phänomen: Die Besatzungsmitglieder des Hangay-Geschwaders, das den Stützpunkt Win-Alpha eingerichtet hatte und seit bald einem Jahr betrieb, gierten nach Neuigkeiten, nach Abwechslung von der täglichen Routine. Wichtigtuer, Spaßvögel oder sonstige einsame Seelen machten sich das schamlos zunutze.
Allerdings lautete die mitgesandte Kennung Djato-B3. Und Hajmos barnitischer Freund war zwar für ein loses Mundwerk und einen recht derben Humor berüchtigt, jedoch gewöhnlich kein Dampfplauderer.
»Ich setze zwei Schokoladenpfannkuchen mit Sirup«, antwortete er schriftlich. Djato liebte Süßes. »Wo steckst du?«
»Im Orbit«, kam umgehend retour. »Kann dir ein Shuttle schicken. Hast du Zeit?«
Siderip bejahte und fügte die Koordinaten seines Aufenthaltsorts an. Er hatte Zeit, mehr als genug, und war leider keineswegs unabkömmlich.
Seit ESCHERS Aufbruch zur 8000 Lichtjahre entfernten Kernzone Hangay waren fünf Monate vergangen, in denen sich nicht viel getan hatte. Sicher, die wissenschaftlichen Sektionen übertrumpften einander nach Kräften mit Auswertungen, Hochrechnungen und Prognosen. Aber all diese Erkenntnisse brachten die terranische Expedition in Wahrheit keinen Schritt weiter.
Dao-Lin-H’ay, die unsterbliche Kartanin, die das Kommando führte, verbreitete unermüdlich Zuversicht und motivierte die Mannschaft, positiv zu denken. Immer wieder betonte sie, dass jeder Tag, den ihr Brückenkopf mitten im Feindesland unentdeckt blieb, als Erfolg zu werten war.
Das stimmte zweifelsohne. Trotzdem fühlte sich Hajmo unnütz.
Wegen der Abgeschiedenheit des Stützpunkts herrschte wenig bis gar kein Bedarf für einen auf Feldforschung spezialisierten Xenopsychologen. Die RICHARD BURTON operierte nur im Winola-System und in dessen nächstem Umkreis. Nach dem Ausbau der Parapositronik hatte das Flaggschiff des Hangay-Verbandes zwar weder Reichweite noch Kampfkraft eingebüßt – wohl aber die Orientierungsfähigkeit in der Proto-Negasphäre.
Alle anderen Einheiten hatten diese Orientierungsfähigkeit nie besessen und beschränkten sich deshalb ohnehin auf kurze Flugetappen. Zumal die physikalischen Bedingungen in Hangay immer schwieriger wurden.
Mit anderen Worten: De facto traten sie auf der Stelle.
Als einzig voll bewegliches Raumfahrzeug der LFT in Hangay stand die SOL zur Verfügung: Sie pirschte, mit Atlan und Ronald Tekener an Bord, auf unentwegter Beobachtungsmission rings um den Kernwall Hangay. Irgendwann diese Woche sollte das Hantelschiff für einen kurzen Zwischenstopp nach Winola III zurückkehren.
Selbst wenn die SOL aller Wahrscheinlichkeit nach keine neuen, bahnbrechenden Funde mitbrachte – ihre Ankunft wurde sehnlich erwartet. Hauptsache, irgendetwas passierte, was half, dem tristen Alltag zu entfliehen.
Selbstverständlich organisierte die Psychologische Abteilung regelmäßig Veranstaltungen, vom Kantinenquiz über sportliche Meisterschaften bis zum groß angelegten Karaoke-Wettbewerb. Doch haftete diesen gut gemeinten Aktivitäten unweigerlich der schale Nachgeschmack von Beschäftigungstherapie an.
Zerstreuung und Ablenkung hielten nie lange vor. Zu aussichtslos war letztlich ihre Lage, falls sie nicht in naher Zukunft einen entscheidenden Durchbruch erzielten.
Gewiss, die Angehörigen des Hangay-Geschwaders durften stolz auf sich sein. Sie hatten die tödliche Barriere rings um die Galaxis überwunden, hatten wie geplant einen Stützpunkt angelegt; und nun verstärkten sie diese Bastion, so gut es ging.
Im vollen Bewusstsein, dass sie, sosehr sie sich auch anstrengten, stündlich weiter ins Hintertreffen gerieten. Denn die Terminale Kolonne TRAITOR erzielte zur selben Zeit, völlig unbedrängt, nach Belieben ihre Fortschritte.
Die Genese der Negasphäre Hangay schritt voran; wie es schien, unaufhaltsam.
*
Der Flugpanzer, der als Shuttle fungierte, landete auf dem Grasdach des Südwürfels. Das Schott glitt auf, und Hajmo stieg ein.
Er freute sich sehr, als er sah, wer den Shift steuerte. »Jawna!«, rief er aus. »Ich grüße dich. Das nenne ich mal eine willkommene Überraschung.«
Major Jawna Togoya, Koko-Interpreterin der BURTON und darüber hinaus Verbindungsoffizierin zu den 85.000 Posbis, die den weiten Flug aus der Milchstraße nach Hangay mitgemacht hatten, erwiderte den Gruß. Zugleich startete sie mit Vollschub; obwohl sie dabei nicht nach vorne aus dem Cockpit sah, sondern Hajmo ihr ebenmäßiges Gesicht zuwendete und ihm ein strahlendes Lächeln schenkte.
Er hatte keinen Grund, sich deswegen Sorgen zu machen. Jawna war nicht auf ihre dunkelbraunen Augen angewiesen. Sie nahm die Umwelt auch durch die Außenkameras und sonstigen Sensoren des Flugpanzers wahr, den sie via Funkverbindung steuerte. Außerdem übertraf ihre Reaktionsschnelligkeit Hajmos bei weitem.
Win-Alpha fiel unter ihnen zurück. Binnen weniger Sekunden war der Stützpunkt kaum noch zu erkennen, obwohl er mehr als zwanzig Kilometer durchmaß. Die ums zentrale Landefeld gruppierten, insgesamt 178 Module der LFT-BOXEN ATHOS, PORTHOS und ARAMIS waren teils in bis zu eineinhalb Kilometern tiefen Schächten versenkt, teils durch Erdaufschüttungen getarnt worden.
»Was verschafft mir die Ehre«, fragte Hajmo Siderip, »von dir kutschiert zu werden?«
»Unser gemeinsamer Bekannter, der Cheflogistiker, hat mich darum gebeten.« Jawna sprach mit jener sanft-rauchigen Altstimme, die sie am häufigsten verwendete, weil sie von Terranern als unaufdringlich wohlklingend empfunden wurde.
Hajmo wusste, dass Major Togoya über eine reiche Auswahl an Idiomen verfügte: Ihre 6000 Basis-Stimmprogramme ließen sich mittels Veränderung der Synthesizer-Algorithmen millionenfach variieren. Ähnlich verhielt es sich mit den körpersprachlichen Mustern. Vom devoten Weibchen bis zur strengen Matrone enthielt Jawnas interne mimetische Bibliothek fast jede beliebige Abstufung.
Sie strich sich die pechschwarzen schulterlangen Haare aus der hohen, makellos glatten Stirn, dann stupste sie Siderip kumpelhaft-burschikos mit der Faust gegen die Schulter. »Schön, dass wir wieder mal etwas zusammen unternehmen!«
Schwang da ein leiser Vorwurf mit, er pflege seine Freundschaften zu wenig? Unbegründet wäre dieser nicht gewesen.
Seit geraumer Zeit hatte Hajmo sich nach Dienstschluss meist in seiner Unterkunft vergraben und selbstmitleidig dem Liebeskummer ergeben. Er wollte dem gutmütigen Spott der Kameraden und Kameradinnen entgehen, denen er insgeheim absolut recht gab: Warum musste er sich ausgerechnet in die unerreichbarste Frau von allen vergucken?
Jawna gegenüber war Hajmo noch befangener als im Zusammensein mit anderen weiblichen Humanoiden. Er fühlte sich ihr meilenweit unterlegen. Sie konnte schließlich nicht nur ihre eigenen Gefühlsäußerungen beliebig steuern, sondern auch die seinen aufzeichnen und vergleichend analysieren, indem sie auf die gespeicherten Daten sämtlicher Rechner des Stützpunktes zugriff.
»Ja, das finde ich auch super«, antwortete er lahm. Er lehnte sich zurück und blickte aus dem Fenster, hinab auf das ausgedehnte, rund hundert Kilometer lange, von hohen Bergen umgebene und einem mäandernden Fluss durchströmte Tal an der Westküste eines blaugrün flirrenden Ozeans.
Höher und höher stiegen sie, bis sich die Sicht abrupt verdüsterte und auf graues Wallen reduzierte. Der Shift war in die dichte Nebeldecke eingedrungen, die aufgrund einer klimatischen Besonderheit stets über dem Äquatorialkontinent Winor lag und eine normaloptische Beobachtung aus dem All verhinderte.
Manche Wissenschaftler behaupteten, dies hinge mit dem Kontaktwald zusammen. Hajmo mischte sich nicht in ihre Debatten ein; sein Fachgebiet hatte verschwindend geringe Berührungspunkte mit Meteorologie.
»Hat dir Djato angedeutet, was er uns zeigen will?«
»Nein. – Geht es dir gut, Kollege Siderip?«
»Bestens.« Er räusperte sich. »Wie kommst du darauf?«
»Du bist auffällig blass. Die Färbung deiner Kopfhaut beträgt kaum sechzig Prozent des Durchschnittswertes. Leidest du unter Stoffwechselstörungen, beispielsweise Übelkeit, bedingt dadurch, dass ich zu schnell oder zu ruckartig fliege?«
Er schüttelte verneinend den Kopf. »Mich hat ein leichter grippaler Infekt erwischt wie viele andere auch. Das Vibra-Psi schwächt die körpereigenen Abwehrkräfte.«
»Lästig, nicht wahr? Meine Bioplasmakomponente wird ebenfalls beeinträchtigt.«
Als wäre das vergleichbar … Jawnas Gehirn, eine im durchaus adrett geformten Brustkorb untergebrachte, ellipsoide Konstruktion, konnte notfalls immer noch auf rein positronischen Betrieb umschalten. Dann verlor sie zwar persönliche Charakterzüge und Emotionen, aber noch lange nicht die Handlungsfähigkeit.
Hajmo blinzelte, als ihn das weißgelbe Licht der F7-Sonne Winola blendete. »Wir tragen alle schwer an den Ranzen auf unseren Rücken«, sagte er verbindlich und schämte sich gleich danach für die banale Metapher.
*
Im Orbit war … nichts.