Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, Juli 2014
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ISBN Printausgabe 978-3-499-61739-3 (1. Auflage 2014)
ISBN E-Book 978-3-644-51671-7
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Freunde, jetzt haben wir den Salat (ich mag Salat, aber das tut hier nichts zur Sache). Mit «wir» meine ich die Männer, also die modernen Männer in den Dreißigern. Ich behaupte, wir sind verwirrt. Komplett verwirrt. Aufgewachsen in den Neunzigern, diesem Nicht-Jahrzehnt, als die Metrosexuellen noch zarte Hoffnungen hatten, haben wir verlernt, was es heißt, ein Mann zu sein. Da braucht man sich nur umzuschauen: Zwischen Windelnwechseln und Work-out, zwischen Pastinakensüppchen und Pick-up-Seminaren herrscht Orientierungslosigkeit de luxe. XY ungelöst.
Keiner kann uns vorwerfen, wir hätten es nicht versucht. Wer, wenn nicht wir, war bereit für ein modernes, wunderbar wandelbares Rollenbild? Wer, wenn nicht wir, war bereit für Kinder, Kochen, Kloputzen? Ein Hoch auf die Gleichberechtigung! Machismo war gestern (war er das wirklich?). Mittlerweile, viele Enttäuschungen später, sehe ich das etwas anders – und frage mich: Wozu der ganze Mist von wegen neuer sensibler Männlichkeit, wenn es doch noch immer die Arschlöcher der alten Schule sind, die bei Frauen punkten? Man braucht sich nur umzuschauen, es zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten. Herrschaftszeiten, ich fühle mich falsch eingeparkt! Festgefahren in der Sackgasse der Emanzipation. Aber jetzt ist Schluss mit luschig!
Nur wie, bitte schön, soll er denn nun sein, der moderne Mann? Ein moderner Macho mit Stil? Gleichzeitig einfühlsam und kultiviert? Aber unbedingt souverän? Ben Kingsley hat es auf den Punkt gebracht: «Ich denke, dass die Rolle des Mannes neu definiert werden muss», sagte der Schauspieler in einem Interview mit der Zeitschrift GQ. «Zurzeit herrscht dort etwas Chaos. Männer wissen nicht mehr, wie sie sich zu verhalten haben.»
Genau, es herrscht Chaos. Deshalb dieses Buch. Ich möchte Teil einer Männerbewegung sein. Einer Männerbewegung, die modern und souverän zugleich ist. Emanzipiert und männlich, im besten Sinne des Wortes. Ich möchte begreifen, was Frauen wollen (so sie es selbst wissen). Und herausfinden, ob ich so sein kann und will. Seht es als Experiment: Ich möchte Männerbilder durchkonjugieren, berühmte Persönlichkeiten zu Wort kommen lassen, Prototypen von Traummännern analysieren – für mehr Orientierung im Gender-Dschungel. Frauen sollen dabei ebenso ihre Freude haben wie Männer oder Pärchen, denn das hier geht uns alle an, und ich favorisiere das Miteinander im viel zu verbissen geführten Geschlechterkampf. Kolumnen und Listen ergänzen die Textesammlung. Ich liebe Listen, das werdet ihr schnell merken, weil sie meine Gedanken strukturieren. Und bitte, betrachtet sie als inspirierende Unterhaltung, nicht als Handlungsanweisung. Ich bin ein Schelm, kein Guru.
Servus
Julian Hartmann
Herrschaftszeiten, was ist nur mit den Männern los? Verwirrung, wohin man schaut. Auf sueddeutsche.de war vor einiger Zeit zu lesen: «Der Mann von heute bewegt sich permanent an der Schwelle zur Schizophrenie. Zumindest steckt er inmitten einer dauerhaften Identitätskrise.» Der Focus griff das Thema mit einem eigenen Männerheft auf und kam zu dem Ergebnis: «Die Geschlechterrollen haben sich verändert, Männer können heute alles sein. Die große Freiheit (…) schafft aber auch große Verunsicherung.» Bald zog der Spiegel nach, unter dem provokanten Titel «Männerdämmerung». Die Prämisse der noch immer XY-dominierten Redaktion aus Hamburg: «Gesucht wird der moderne Mann (…) Der Mann kommt nicht mit.» Willkommen im Club, Herrschaften! Aber auch die Frauen sorgen sich um den modernen Mann: Unter dem Titel «Lauschangriff» diskutierten in der GQ unlängst prominente Damen über die Rolle des Mannes in Zeiten der #aufschrei-Debatte. Ihr Fazit: «Es bräuchte eine vernünftige Männerbewegung.» Und die Krise hält an: Mit «Not am Mann» war Anfang 2014 die Titelgeschichte der Zeit überschrieben, weitere Medien stimmten in den Kanon ein.
Was genau ist das Problem? Soll doch jeder, wie er mag, raunt der Individualist. Und er hat recht. Doch eines übersieht er: Männer wollen Frauen gefallen, darum ging es schon immer (Heterosexualität vorausgesetzt, und darum soll es hier gehen, weil ich mich nur darin auskenne). Und Frauen haben sich verändert. Nach zuletzt schwungvollen Wellen der Emanzipation haben sie gestiegene Ansprüche an die Männer: Groß und stark und gutverdienend reicht schon lange nicht mehr – auch einfühlsam, kultiviert und engagiert im Haushalt soll er sein, der Traumpartner von heute. «Frauen sind die Emanzipationsgewinner, Männer bis auf weiteres die Verlierer», brachte es der Focus auf den Punkt. Sonja Kirchberger sagte in der GQ-Diskussionsrunde: «Männer sind sehr bequem. Ich glaube, sie haben einfach ein wenig verschlafen, was wir Frauen da erreicht haben. Und jetzt wachen sie auf und sind irritiert. Der Mann hinkt uns jetzt hinterher.» Auch der Spiegel wollte eine Kluft zwischen Männern und Frauen in Deutschland erkannt haben. Laut dem Soziologen Klaus Hurrelmann haben Frauen in den vergangenen Jahrzehnten ihre Geschlechterrollen erweitert. Die Frauen verhielten sich zielstrebig; die jungen Männer jedoch würden zu einem großen Teil in einem traditionellen Männerbild verharren. Folglich wurde sogar ein Buch mit dem provokanten Titel «The End Of Men» in die Diskussion geworfen.
Willkommen also in der Sackgasse der Emanzipation! Denn entweder der Mann bleibt stur und verharrt in seiner Steinzeitrolle, oder er mutiert zum überemanzipierten Waschlappen. Die Folge: Die Lusche, das Weichei oder der Alpha-Softie, wie Forscher jenen herangezüchteten Typus Mann nennen, eiert herum. Und weiß nicht mehr, was ihn als Mann ausmacht. Wie viel Männlichkeit er wagen darf und soll. Zwischen Windelnwechseln und Work-Life-Balance ist ihm die Souveränität abhandengekommen. Dummerweise ist es aber genau das, was Frauen an Männern sexy finden: Souveränität. Also stürzen sich die Damen in Affären mit sogenannten echten Kerlen (glaubt mir, ich weiß, wovon ich spreche).
Die Zeichen der Zeit stehen auf Rückbesinnung zur Männlichkeit. Aber wie soll das gehen? Schluss mit der Umerziehung und zurück zum Archaischen? Das wäre viel zu einfach – und ein Armutszeugnis für XY. Der mit Verstand ausgestattete Mensch sollte fähig sein, sich den Anforderungen anzupassen und sich – wie die Frauen – zu entwickeln. «Get up and evolve», wie Glenn O’Brien in seiner wunderbaren Stilfibel «How To Be A Man» fordert. Es ist Zeit für ein selbstbewusstes, modernes und gesellschaftlich relevantes Männerbild. Und es gibt Auswege aus dem Männerdilemma.
Das hat auch der Playboy erkannt und bietet in einer Spezialausgabe Orientierungshilfe an. Darin werden «die wichtigsten Stil- und Spielregeln für Gentlemen» angepriesen (ein Zeichen dafür, dass wir es allesamt verlernt haben?). Das Ganze unter dem wegweisenden Motto «How To Be A Playboy» (mit George Clooney auf dem Cover, und kein Bunny weit und breit, das muss man sich mal vorstellen!). Im Vorwort schreibt der Chef-Playboy und Playboy-Chef: «Der konturlose, der wohltemperierte Typ Mann hat ausgedient.» Seine Einschätzung: «Der moderne Mann ist im besten Sinne altmodisch.»
Ich stimme zu, doch meine elf Thesen, die ich – locker über das Buch verstreut – vorstellen möchte, gehen über pure Nostalgie und Clooney-Verehrung hinaus. Denn ich finde, wir müssen uns viel mehr anstrengen, als nur den Gentleman von gestern zu geben. Wir müssen uns emannzipieren! Emannziwas? Ist das ein Tippfehler? Keineswegs! Unter Emannzipation verstehe ich die Befreiung aus den Fesseln von Schluffitum und Metrosexualität bei gleichzeitiger Erweiterung der Beziehungs-Skills. Denn ist die Vorstellung von einem Mann, der die Facetten seiner Maskulinität lebt, ohne sie über das Feminine zu stellen, nicht verlockend? Der etwas zu sagen hat und aktiv zuhören kann? Der souverän handelt und kompromissbereit ist? Der kräftig anpackt und Fingerspitzengefühl zeigt? Kurzum: der Mann sein darf und sich weiterentwickelt? Dieser Männerbewegung möchte ich angehören.
Der moderne Machismo hat mit dem traditionellen Machismo nichts zu tun. Er ist ein provokanter Kunstbegriff. Macho ist ein Lehnwort aus dem Spanischen und bedeutet zunächst einmal nichts anderes als männlich. Der Eber ist macho, der Hengst ist macho, Julian ist auch macho (ob er eine Lusche ist oder nicht). Im Deutschen schwingt unweigerlich viel Negatives mit, ist vom Macho die Rede. Machos gelten als offensiv, überheblich und frauenfeindlich. Vor allem das traditionelle, konservative Rollenbild dieser Ausprägung, ich bezeichne es gerne als Oldschool-Macho, ist meiner Meinung nach gestrig und engstirnig.
Der Machismo wiederum beschreibt einen regelrechten Männlichkeitswahn. Hierbei geht es um die Zur-Schau-Stellung der Männlichkeit in der Gesellschaft, um die Verteidigung der Ehre, um sexuelle Herausforderungen und anderes präpotentes Verhalten (verstärkt in Spanien und Iberoamerika). Klar im Fokus steht die Überbetonung männlicher Potenz und Genialität (das weibliche Gegenstück ist übrigens der Marianismo).
Warum ich meine Suche nach einem modernen Männerbild ausgerechnet in Zusammenhang mit dieser zweifelhaften Strömung bringe? Ganz einfach: Ich möchte mit dem Kunstbegriff schlichtweg provozieren – modern und Machismo schließen sich in meinen Augen komplett aus. Wer sich die Forderungen meiner Emannzipation näher ansieht, der spürt bei jeder These, dass ich mit Machismo und anderen Matschbirnen nichts am Hut habe. Im Gegenteil plädiere ich für Gleichberechtigung. Aber eben auch für die Rückkehr zur Männlichkeit zu 100 Prozent. Macho im besten und ursprünglichen Wortsinn. Macho statt Matschei. Ja, ich denke, das geht (hoffentlich werde ich darin bestätigt): absolut männlich, absolut emanzipiert. Emannzipiert eben.