Jürgen Ruszkowsi (Hrsg.)
Seemannsschicksale unter Segeln
Die Seefahrt unserer Urgroßväter
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Vorwort
Kapitän und Wasserschout Alfred Tetens
Alfred Tetens berichtet über den Beginn seiner Seefahrtzeit
Alfred Tetens, der Nautiker
Alfred Tetens’ erste Begegnung mit der Südsee
Alfred Tetens als Kapitän auf dem Klipper „PERSEVERANCIA“
Alfred Tetens im Dienst für den Hamburger Reeder Godeffroy
Die erste Seereise des späteren Elblotsen Hans Meyer aus Blankenese nach China
Erinnerungen des Kapitäns Arnold Otte
Walter Heinrich Giermann
Seemännische Umgangssprache und Fachausdrücke
Weitere Informationen
Impressum neobooks
des Herausgebers zur Neuauflage Band 4
in der maritimen gelben Zeitzeugen-Buchreihe „Seemannsschicksale“
Von 1970 bis 1997 leitete ich das größte Seemannsheim in Deutschland am Krayenkamp am Fuße der Hamburger Michaeliskirche.
Dabei lernte ich Tausende Seeleute aus aller Welt kennen.
Im Februar 1992 entschloss ich mich, meine Erlebnisse mit den Seeleuten und deren Berichte aus ihrem Leben in einem Buch zusammenzutragen. Es stieß auf großes Interesse. Mehrfach wurde in Leserreaktionen der Wunsch laut, es mögen noch mehr solcher Bände erscheinen.
Deshalb folgten dem ersten Band der „Seemannsschicksale“ weitere. Auch die von mir in dieser Reihe veröffentlichten amüsant und spannend erzählten Memoiren des Hamburger Kapitäns Emil Feith fanden viele interessierte Leser.
Als ich im Herbst 2000 von Kapitän Hanns Temme eingeladen wurde, auf seinem Großtoppsegelschoner „FRIDTJOF NANSEN“ eine 16tägige Schnupperreise mitzumachen, wurde mir bewusst, welche Leistungen unsere Vorväter auf ihren Schiffen unter Segeln erbracht haben müssen.
Zufällig kamen mir einige Texte in die Hände, welche die große Zeit der Handelsschifffahrt unter Segeln des 19. Jahrhunderts sehr plastisch beschreiben. Diesen tüchtigen Männern und ihren unvergesslichen Leistungen sei dieser Band gewidmet.
Hamburg, im März 2004 / 2014 Jürgen Ruszkowski
Alfred Tetens, am 1. Juli 1835 in Wilster als Sprössling Nummer Sieben eines in dänischen Diensten stehenden Justizrates und Senators geboren, fuhr als Schiffjunge, Matrose, Steuermann und Kapitän in britischen, dänischen, peruanischen, bremischen und hamburgischen Diensten jahrelang weltweit auf Segelschiffen zur See, „entdeckte“ und erschloss in den 1860er Jahren etliche pazifische Inselgruppen im Auftrage des „Königs der Südsee“, des Hamburger Handelshauses J. C. Godeffroy & Sohn für den Handel mit Deutschland und bekleidete später das Amt des Wasserschouts „eines hohen Senats“ der Freien und Hansestadt Hamburg. Er war 1891 auch Mitbegründer der noch heute für Seeleute aus aller Welt gemeinnützig arbeitenden Deutschen Seemannsmission in Hamburg R.V.
Der bei uns in Vergessenheit geratene Name des Kapitäns Alfred Tetens taucht heute noch in mehreren englischsprachigen Internetseiten und auch in einer spanischen im Zusammenhang mit der Geschichte der mikronesischen Inselwelt auf:
www.micsem.org/pubs/articles/historical/bcomber/sources.htm
Anmerkungen:
Diese Internetseite gibt Auskunft über Alfred Tetens’ Wirken in der Südsee:
www.micsem.org/pubs/articles/historical/bcomber/sources.htm
Tetens, Alfred. 1858 Among the Savages of the South Seas: Memoirs of Micronesia, 1862-1868. Translated and edited by Florence M. Spoehr. Stanford, CA: University Press.
Alfred Tetens Yap, Palau (1862-1867)
Alfred Tetens was a German sea captain from Hamburg. Andrew Cheyne met him in Manila and hired him to serve as a master of his ship "Acis". Tetens also served as a captain of another of Cheyne's vessels, the "Perseverancia" in 1862-1863. Tetens was homeported in Palau and spent most of his time there during this period. Tetens oversaw the cotton and tobacco plantations in Palau. In 1865, he went to work with Godeffroy & Son and was put in command of the brig "Vesta". He traded throughout the Carolines at this time visiting Palau frequently. In 1867 he left the Pacific to return to Hamburg. Sources: Tetens 1958
Die Bezeichnung Wasserschout ist der holländischen Sprache entlehnt und entspricht in deutscher Übersetzung: Magistratsperson für Seeleute. Die amtliche, mit richterlicher und polizeilicher Gewalt verbundene Tätigkeit des Wasserschouts erstreckte sich auf alle auf hoher See sich ereignenden Vorfälle und auf die unter der Mannschaft der im Hafen vor Anker liegenden Schiffe stattfindenden Vorgänge, Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Kapitän und Mannschaft, Militär-Kontrolle der Seeleute, Abschluss des Heuervertrages sowie Auflösung des Dienstverhältnisses, Auszahlung der Löhne, Erbschaftsregulierung, Heimschaffung hilfsbedürftiger Seeleute, Seeberufsgenossenschafts-Untersuchungen von Unfällen auf See, Registrierung sämtlicher Seeleute. Auch hatte der Wasserschout von Hamburg eine gewisse fürsorgliche Stellung inne, als Mit-Verwalter der Seemannskasse und Verteiler von Unterstützungen an Witwen und Waisen von im Beruf umgekommenen Seeleuten. Ferner war derselbe Mitglied der Mobilmachungs- und Schiffsrequisitions-Kommission und seit dem Jahre 1873 bei Einführung der Reichsseemannsordnung auch Vorstand des Seemannsamtes. Der rege Verkehr im Hamburgischen Seemannsamte dürfte durch die An- und Abmusterung beispielsweise im Jahre 1887 von insgesamt 48.000 Mann und eine Lohnauszahlung, die annähernd fünf Millionen Mark betrug, am besten veranschaulicht werden.
In seinen 1889 in Hamburg beim Verlag G. W. Niemeyer Nachfolger (G. Wolfhagen) erschienenen und von S. Steinberg bearbeiteten „Erinnerungen aus dem Leben eines Capitäns – Vom Schiffsjungen zum Wasserschout“, die ich zufällig in einem antiquarischen Flohmarkt-Bücherkarton fand und die es im Handel nicht mehr gibt, seien hier einige wesentliche Passagen aus der großen Zeit der Segelschifffahrt zitiert. Die gesetzte und pathetische Sprache des 19. Jahrhunderts ist zunächst etwas gewöhnungsbedürftig. Die Schilderungen dieses energischen, weitgereisten Mannes geben aber einen sehr guten Einblick in die Seefahrt und Arbeitswelt der Segelschiffszeit unserer mehrere Generationen vor uns lebender Vorfahren. – Nach einigen Rechtschreibreformen wirkt die Orthographie des Originalbuches heute auf uns recht ungewohnt, nämlich: eigenthümlich, begehrenswerth, Brod, Coje, complicirt, Cours, gerathen, giebt, Heimath, Hülfe, Noth, Radicalcur, Rehder, Thätigkeit, Thier, Thränen, ect. – Die ausgewählten Texte wurden der heutigen Rechtschreibung angepasst, aber im ursprünglichen Stil belassen.
...Als ich nach beendeter Schulzeit noch immer fest bei dem Entschlusse, Seefahrer zu werden, beharrte, erhielt ich dann gelegentlich meiner 1850 erfolgten Konfirmation auch die äußere Gewandung für den erwählten Beruf. Unter der blauen, mit Samtkragen und Perlmutterknöpfen verzierten Tuchjacke schlug mein Herz heftig und die vom leicht geschürzten Schiffertuch kunstgerecht umrahmte Brust hob und senkte sich so stürmisch, als habe ich damit den höchsten Gipfel menschlichen Glücks erklommen.
Nun schienen mir die Sohlen unter den Füßen zu brennen; es litt mich nicht länger auf dem festen Boden, die verzehrende Sehnsucht: „Hinaus auf das weite Meer“ beherrschte all mein Denken und Fühlen. Ohne viel Überlegung ergriff ich jetzt die erste Gelegenheit beim Schopfe und ließ mich als Schiffsjunge auf dem Blankeneser Schoner „ODIN“ des Kapitän Brekwoldt einstellen.
In dieser wenig beneidenswerten Stellung sah ich sehr bald all meine Illusionen über Bord gespült. Wohl empfand ich die unbeschreibliche Großartigkeit des Meeres, sah das entzückende Bild des klaren Wasserspiegels, den ätherblauen unermesslichen Himmelsdom, aber das allzu regsame Tauende meines Steuermannes störte meine Betrachtungen mit einer unangenehmen Hartnäckigkeit, das ich nur noch sehr selten und auch dann nur in unbewachten Momenten all die Herrlichkeiten bemerkte. Und was etwa das ominöse Stückchen gedrehten Hanfes des poesielosen Steuermanns versäumte, das wurde von meinen recht prosaischen Obliegenheiten, die aufzuzählen meine Feder sich weigert, reichlich nachgeholt. Ja wahrhaftig, mein Los als Schiffsjunge während der ersten Reise war kein beneidenswertes. Die vielseitigen körperlichen Anstrengungen wären wohl noch zu ertragen gewesen, wenn ich nur nicht so jäh aus meinem wolkenlosen Himmel geschleudert worden wäre.
Nach acht Tagen war auch die letzte Spur meiner kindlichen Eitelkeit, welche die seemännische Landtoilette, besonders die bis zum Nacken reichende Mütze, wach gerufen, total verwischt. Manche heiße Träne, - meine damaligen Schiffsgenossen mögen es mir verzeihen, - sank bei Gelegenheit des Kartoffelschälens in unseren kleinen Eimer.
Der erfahrene Seemann wird solch’ reichlichen Tränenvorrat nicht sehr hoch schätzen, noch weniger ein besonderes Mitgefühl dafür hegen. Auch der geehrte Leser darf sich beruhigen. Wo die Neigung zum Seeleben wahr und echt ist, da werden diese salzwässerigen Überschüsse sehr bald aufhören und verschmerzt sein, wo aber nur eine momentane Laune, kindliche Unbesonnenheit oder gar ein Vergehen das Motiv zur Wahl des Berufes bildet, da sind diese Tränen recht gesund. Was weder der Autorität des Vaters noch den Bitten der Mutter gelingt, hier auf dem einsamen Meere bringen es ein paar Tränen zu Stande. Sie führen zum Nachdenken, zur Reue und damit zur Besserung.
Meine erste besondere Tätigkeit, die große Stenge mit Fett einzuschmieren, fand auf Befehl des Steuermannes bei stürmischem Wetter in der Nordsee statt. Ich flog hier oben – ein Spiel des Windes – wie ein Wimpel hin und her und musste meine ganze Kraft auf das Festklammern verwenden. Es war schier unmöglich, die mir aufgetragene Arbeit auszuführen, aber ich wollte wenigstens, vom Zuruf des schikanösen Steuermannes angefeuert, den Versuch wagen, der Großen Stenge das wohltätige Fett zuzuführen. Bei meiner ersten Bewegung stürzte leider die Fettpütze hinunter aufs Deck.
Das war nicht schlimm und konnte nur dazu führen, meinen unerquicklichen Aufenthalt zu beenden. Jawohl! Schön gedacht, wenn nicht in demselben Augenblicke der minutenlange Fluch meines Steuermannes all meine Hoffnungen zertrümmert hätte. Der ganze, wenig appetitliche Inhalt meiner entwichenen Fettpütze hatte sich über den wütenden Steuermann ergossen und statt der großen Stenge hatte ich meinen gefürchteten Vorgesetzten eingeschmiert. Die Vorsehung war zwar für den gequälten Schiffsjungen eingetreten, aber einen Gefallen hatte sie mir damit nicht erwiesen, denn nun erhielt auch ich meine Schmiere. Von all meinen Obliegenheiten war das Auswaschen der aus Segeltuch gefertigten Tischtücher am unangenehmsten; zu dieser unbehaglichen Arbeit wurde mir kein Süßwasser verabreicht, sondern ich musste es mit Seewasser und käsender Salzwasserseife bewerkstelligen. – Jede Hausfrau wird meinen Schmerz begreifen. Dieses Reinigungswerk wurde so lange wie möglich von mir hinausgeschoben. So war meine mir unsympathische Eichenholzbalje samt ihrem seit acht Tagen eingeweichten Inhalt aus meinem Gedächtnis gekommen und harrte in ihrem Versteck unter dem Großboot der recht notwendigen Entleerung. Die intensiven Sonnenstrahlen hatten sich mit meinen eingeweichten Tischtüchern sehr lebhaft beschäftigt und ihnen einen Geruch verliehen, der zwar nicht salonfähig war, aber trotzdem die Aufmerksamkeit aller Riechorgane an Bord beschäftigte.
Natürlich war es dem scharfen Spürsinne meines Steuermanns vergönnt, den Urheber zu entdecken. Ich wurde sogleich zur Betrachtung der vom Eichenholz blau gewordenen, marmoriert aussehenden Tischtücher gezwungen und bevor ich noch meine Bewunderung über die sonderbare Wirkung der tropischen Hitze aussprechen konnte, klatschten mir die unzart duftenden, nassen Tücher unausgesetzt um die Ohren, als könnte nur dadurch die ursprüngliche Farbe hervorgezaubert werden.
Trotz dieser oft wiederholten „nassen Umschläge“ und sonstiger unzarter Behandlung von Seiten meines Steuermanns erhielt ich auf dem ODIN eine vorzügliche seemännische Ausbildung. Nebenbei wurde ich mit allen Matrosenarbeiten sowie mit Kochen und Brotbacken ausreichend vertraut; konnte Fußzeug flicken, Segeltuch-Beinkleider sowie Segel zuschneiden, nähen, Farbe reiben, malen und – oh, welche Wonne! – sailors hornpipe tanzen wie der erfahrenste Seemann. Sogar von der wenig erfreulichen Seekrankheit blieb ich nicht nur jetzt, sondern auch stets verschont. Das war alles recht schön, nur meine Koje machte mir unendlich viel Verdruss; für diesen entsetzlichen Behälter die Bezeichnung Koje anzuwenden, ist ganz gewiss eine unerhörte Übertreibung; für einen kleinen Knaben wäre der tintenfassartige Raum vielleicht groß genug gewesen, aber für einen ausgewachsenen Jüngling meiner Körperlänge war er mindestens drei Fuß zu kurz geraten; wollte ich in meinem Schmollwinkel längere Zeit verweilen oder gar schlafen, so konnte das nur in der sogenannten Taschenmesserart geschehen, ich musste zuklappen. Aber selbst diese gewaltsame Körperverrenkung war bei ruhigem Wetter noch ein großartiges Vergnügen. Man war wenigsten allein, konnte schlafen und träumen. Ach ja! Der Schlaf eines ermüdeten Schiffsjungen! Wer könnte die Herrlichkeit beschreiben? Wem meine Koje angewiesen wäre, hätte es unter keinen Umständen können. Dieser undichte, vorn im Steven querschiffs befindliche Rattenwinkel hatte die eigentümliche Gewohnheit, bei jedesmaligem Untertauchen des Schiffsbugs so viel Wasser einzunehmen, dass mein Bettzeug eigentlich niemals trocken wurde.
Von allen Qualen, die ein solches Aquarium verursacht, werde ich nur die eine nennen und bin überzeugt, der geehrte Leser wird gern auf die Anführung der übrigen verzichten. Sobald nämlich die andauernde tropische Luftwärme ihren Einzug in diesen entsetzlichen Behälter gehalten, versucht es die vom Seewasser erzeugte Atmosphäre, den penetranten Eindringling wieder zu vertreiben. Die um die Herrschaft streitenden Dunstmassen scheinen nun die einfache aber fürchterliche Taktik zu verfolgen, dass eine der anderen den Aufenthalt in dem Raum zu verleiden sucht. Luft und Wohlgeruch sind längst verschwunden, unheimliche Düfte, abscheuliche Gase beherrschen die Wahlstatt und „da unten ist’s fürchterlich!“
Konnte ich hier den begehrenswerten Schlaf finden? War es nicht erklärlich, dass sich während meines dienstlichen Ausgucks vorne auf Deck in frischer, gesunder Luft oftmals meine Augen schlossen?
Musste aber nun gerade, wenn ich so wonniglich vom Elternhause, von Heimat und Jugendgespielen träumte, wenn all die herrlichen Bilder an meinem traumerfüllten Blick vorüberflogen, der ruhelose Steuermann herbeischleichen und den wassergefüllten Eimer über mich ergießen? Musste mir dieses Erwachen bereitet werden? Ich weiß es nicht.
Heute darf ich ja offen bekennen, dass ich dieser Radikalkur unendlich viel verdanke, dass sie es war, welche mich die gefahrvolle menschliche Schwäche überwinden half. Von jenem Augenblicke an war ich im Stande, die größte Müdigkeit zu bekämpfen, sobald es sich um Dienst, um die Sicherheit des Schiffes handelte.
Nach einer ziemlich guten Fahrt waren wir in die Nähe des Äquators gekommen, wo kein angehender Seemann der hergebrachten Taufe entgehen kann. Es möge mir gestattet sein, diesen im Leben eines jeden Schiffsjungen bedeutsamen Abschnitt ausführlich zu schildern. Leider gerät der seemännische Gebrauch auf deutschen Kauffahrern immer mehr in Vergessenheit. Ich bedauere es! Die Taufe unter der Linie gibt dem Seemanne eine willkommene Gelegenheit, seinen kernigen Humor und seine frohe Laune zum Ausdruck zu bringen.
In aller Stille wurden großartige Vorbereitungen getroffen. Die ganze Besatzung, außer Kapitän und Steuermann freilich nur aus sieben Mann bestehend, begann zunächst mit selbstgefertigten Gegenständen eine höchst belustigenden Umkleidung, bei welcher die meterlangen Papphüte und buntbemalten Masken eine wichtige Rolle spielten. Der älteste Matrose übernahm die Darstellung des Meergottes Neptun. Ein riesiger, bis zum Boden reichender Vollbart aus aufgedrehtem Tauwerk umrahmte das bunt bemalte Antlitz. Grellfarbene Zeuglappen zierten das mantelartige Gewand. Neptun schien für großkarierte Muster zu schwärmen. In der einen Hand die aufgestielte Harpune, in der anderen einen mächtigen Dreizack, so erwartete der Gott des Meeres den Augenblick, in welchem die Feierlichkeit beginnen würde.
Neptuns Sekretär erschien in voller Amtstracht; mit großem Register unterm Arm und übernatürlicher Brille auf der Nase, wollte er an der Seite seines Vorgesetzten Aufstellung nehmen, aber die drei Fuß lange Schreibfeder, welche mit vieler Geschicklichkeit hinter seiner linken Ohrmuschel balancierte, widersetzte sich hartnäckig diesem berechtigten Verlangen.
Der dritte Träger eines ferneren Machtzeichens erschien im Frack, dessen flatternde Rückenflossen bis zum Boden reichten und sehr wohltätig die entblößten Füße seines Trägers zu bedecken suchten. In der Rechten dieses sonderbaren Beamten blinkte das meterlange aus Tonnenbandeisen verfertigte gefahrdrohende Rasiermesser. Die Beschreibung des am fragwürdigsten geschmückten Gefolges will ich lieber aus Rücksicht für den Beherrscher des Meeres unterlassen.
Endlich war der große Augenblick gekommen. Das Meerfest konnte beginnen. Beim Passieren der Linie erscholl am Bug des Schiffes der scheinbar vom Meere kommende Ruf: „Schipp ahoi!“
„Hallo, hallo,“ antwortete vom Achterdeck aus der Kapitän. - „Wie heet dat Schipp?“ begann mit kräftiger Stimme der Frager. - „Odin.“ - „Wo koomt Ji her?“ - „Von Hamborg.“ - „Wo wüll Ji hen?“ - „Na Bahia.“ - „Wie lang sind Ji op de Reis?“ - „Tweeunveertig Dag.“ - „Kann ick an Bord koomen?“ - „Versteiht sick, Herr Neptun!“
Für mich war es besonders interessant zu hören, dass sich Herr Neptun ausschließlich der plattdeutschen Sprache bediente und einen recht gemütlichen Umgangston anschlug. Neptun, an der Spitze seines Hofstaates, kam zur Inspektion an Bord. Auf dem Hinterteile des Schiffes stand der Kapitän mit dem duftenden Willkommentrunk bereit. Unter fortwährenden zeremoniellen Verbeugungen nahm Neptun das Glas Grog huldvoll entgegen und goss es zum Zeichen seiner besonderen Gunst in einem Zug durch die anscheinend gepichte Kehle.
Der ob dieser Gunstbezeugung betroffene Sekretär blickte betrübt auf den Boden des Glases, harpunierte aber mit seinem buntbemalten Zeigefinger die Überreste des nicht geschmolzenen Zuckers glücklich empor. Die nachfolgenden Würdenträger begnügten sich damit, das leere Glas zu beriechen, während ein Angehöriger des gewöhnlichen Gefolges seine Zunge sekundenlang auf dem Grunde des leeren Glases ruhen ließ, als könne er nur auf diese Weise seine Verehrung für den herrlichen Grog ausdrücken.
Als die Aussicht auf ein zweites Glas dieses Göttertranks verschwunden war, ergriff Neptun das Wort und gab seinem etwas gekränkt scheinenden Sekretär die Weisung, nunmehr seines Amtes zu walten. Gehorsam wurde das ungeheure Protokoll aufgeschlagen; der Sekretär griff zur Brille, putzte mit einer Handvoll Werg die Stellen, wo die Gläser hätten sitzen können, und begann in den Registern aufmerksam zu suchen.
Endlich hatte er amtlich festgestellt, dass sich an Bord des ODIN noch jemand befände, der noch nicht die Linie passiert hätte und getauft sei, demnach dem Gott des Meeres den herkömmlichen Tribut schulde. Dieser unglückliche Jemand war ich natürlich. Auf einen Wink des kühl dreinschauenden Meergottes lag ich willenlos in den Händen seines Gefolges. Zunächst wurde mein Gesicht mit Fett überzogen, dann mit Teer eingerieben; so vorbereitet ging es unter Anstimmung eines ernst klingenden Gesanges nach der großen mit Wasser gefüllten Balje. Nachdem ich auf dem Sitzbrett Platz genommen, welches quer über den Kübel gebreitet war, begann Neptun seine feierliche Ansprache, die in der Ermahnung gipfelte, alles daran zu setzen, um ein tüchtiger Seemann zu werden, niemals die Pflicht zu verletzen und in jeder Lebenslage den schönen Beruf hoch zu halten. „Wenn Du dat nich deihst“, schloss der eifrige Meeresgott drohend, „dann geiht es Di en Stünn slecht.“
Sobald dieser Warnungsruf verklungen, ergriff der Sekretär das einem Schlachtschwert ähnliche Rasiermesser, schabte damit die Fett- und Teerkruste so emsig aus meinem Gesichte, dass sofort einige Dutzend heißer Tränen von mir vergossen wurden. Endlich war die Gerberei beendet. Sechs kräftige Matrosenhände drückten plötzlich auf meine Schulter. Diesem Drucke konnte das vorher bis über die Hälfte eingesägte Brett nicht widerstehen. Es bracht mitten durch und ich lag mit einem Male bis über die Ohren in dem spritzenden und zischenden Wasser des Kübels.
Bis hierher hatte ich alles geduldig über mich ergehen lassen. Nun aber sprang ich eiligst aus meinem Bassin, umarmte meine Paten mit solchem Ungestüm, dass auch ein Teil meiner teerfettigen Feuchtigkeit an ihren Kleidern haften blieb. Damit war der regelrechte Taufakt beendet. Zum Nachspiel des seemännischen Faschings ließ der Kapitän einige Flaschen Wein, Rum und Bier verteilen, es wurde nach Herzenslust gejubelt, gesungen und getanzt.
Schließlich ward die Hälfte einer Teertonne in Brand gesetzt und lodernd dem Meere übergeben. In diesen Flammen nimmt Neptun nach eingebürgerter Meinung der Seeleute Abschied vom Schiffe. Lange noch konnten wir den hell schimmernden Feuerball auf dem leicht bewegten Meere beobachten. Ein frischer, fröhlicher Zug durchzieht die Herzen der Leute. Sie vergessen bei dieser harmlosen Fröhlichkeit die schwere, gefahrvolle Arbeit, welche der Beruf jeden Augenblick von ihnen beansprucht.
Wenn mir auch für die ausführliche Beschreibung meiner Fahrten nur ein bescheidener Raum bleibt, so muss ich doch an dieser Stelle des Augenblicks gedenken, an welchem mein tränenfeuchtes Auge zum ersten Male auf der emportauchenden brasilianischen Küste ruhte. Welch ein herrliches, unbeschreibliches Bild! Welch’ mannigfache, lebhafte Eindrücke für den Schiffsjungen, der sich im Wunderlande wähnt, die üppige Vegetation der Tropen, das bunte Treiben einer dunkelfarbenen Menschenmasse, alles, alles weit schöner als die Phantasie des Knaben es je ausgemalt.
Kapitän Brekwoldt war natürlich über diesen Zauber erhaben. So schnell wie möglich wurde Bahia verlassen und der Kurs auf die Kapverdischen Inseln gerichtet. „Eben mol röber föhrn“, so wurde die wochenlange Fahrt nach der afrikanischen Küste vom Kapitän bezeichnet.
In den viereckigen Salzgruben der Kapverdischen Inseln begrub ich den Rest meiner poetischen Stimmung. Allein die jetzt beginnende Arbeit verlieh mir den schönsten Trost. Die Gewinnung des Salzes wurde sehr einfach bewerkstelligt. Unweit des Meeresstrandes befinden sich in den Ebenen sehr viele, ziemlich große viereckige Gruben, die sich mit Grundwasser füllen. Auf der Oberfläche dieses Wassers bilden sich dicke Salzkrusten, die von der Mannschaft täglich abgeschöpft und an Bord geschafft wurden. Nach wochenlangem Abrahmen dieser viereckigen „Salzwasserfetten“ war die Ausbeute beendet. Der ODIN nahm seine ursprüngliche Fahrt wieder auf und erreichte nach rascher Fahrt den schönsten Hafen der Welt: Rio de Janeiro. Dann ging es weiter nach Buenos Aires, dem Bestimmungsorte unserer Salzladung.
Vor der La-Plata-Mündung hatten wir einen sehr schweren Pampero zu bestehen. Noch annähernd 50 Meilen vom Lande entfernt drang uns ein wunderbarer Blumen- und Honigduft entgegen. Allein dieser verführerische Geruch erweckte nur bei dem Uneingeweihten die Sehnsucht nach dem Lande. Der erfahrene Schiffer traut den duftenden Grüßen in dieser Region nicht allzu sehr. Diese Wohlgerüche werden auch keineswegs gratis verabreicht, nur die Einziehung des Kostenpreises geschieht etwas später; das ist aber auch das einzig freundliche Entgegenkommen des aufbrausenden Pampero. –
Es war eine tiefdunkle Nacht; unter Donner und Blitzen zog das Unwetter herauf, schwüle dicke Luft erschwerte das Atmen, immer rascher folgten die elektrischen Entladungen. Ergriffen von der Macht dieses grausig schönen Anblicks stand ich auf meinem Posten am Steuerruder. Plötzlich fiel der Wind von der anderen Seite ein; mit Blitzesschnelle brach der Sturm los.
Das bereits früher gereffte Großsegel und mit diesem der große Baum schlugen nach der entgegengesetzten Richtung hinüber. Die Kompasslampe erlosch; eine gewaltige Sturzsee ergoss sich über das in seinen Fugen zitternde Schiff; vom wuchtigen Schlage der Schooten getroffen, verlor ich plötzlich den Boden unter den Füßen. Instinktiv klammerte ich mich an ein Tauende und flog nach Lee über Bord,
Es waren fürchterliche Sekunden, in denen ich hier zwischen Himmel und der sturmgepeitschten See hin- und herschwankte. Mit der Macht der Verzweiflung hielt ich das rettende Tau krampfhaft fest. Ein wahnsinniger, brennender Schmerz erhöhte meine Todesqual. Im unausgesetzten Schwingen waren die Innenseiten meiner Hände vom Tau durchschnitten. Ich fühlte das Blut über meine Arme rinnen, fühlte den Angstschweiß auf meiner Stirne; dennoch hielt ich fest, wohl wissend, dass es sich um Leben und Tod handle. Trotz aller Energie war meine Kraft bald erschöpft. Die Entscheidung nahte. Es blieb nur eine Möglichkeit, der dräuenden Gefahr zu entgehen. In dem Moment, in welchem ich abermals von See nach der Schiffsseite geschleudert wurde und nach meinem Darfürhalten gerade über der Mitte des Schiffsdecks schwebte, ließ ich entschlossen los. Die harten Holzstücke, auf die ich niederstürzte, erschienen mir wie ein Federbett – ich war gerettet!
Auf Deck herrschte ein wildes Getümmel, die Kajüte war voll Wasser gelaufen. Die Vorstenge war gebrochen und hing zur Hälfte über Bord. Der Kapitän wetterte mit dem Steuermann, der beim Ausbruch des Pampero geschlafen, seine Pflicht aufs Gröblichste verletzt hatte. Schadenfreude ist mir zwar eine unbekannte Regung, aber ich kann doch wohl sagen, dass mir dieses Wettern als die herrlichste Musik erschien. An diesen Pampero, der mir fast mein zartes Lebenslicht ausgeblasen, denke ich noch heute mit großem Vergnügen.
Am nächsten Tage erreichten wir die Reede von Buenos Aires. Welch entsetzliche Verheerung hatte hier der Pampero verursacht. Sechsunddreißig Schiffe, teils zertrümmert, teils vom Anker losgerissen, waren auf den Strand geschleudert. Ein spanisches Schiff wurde sogar tief ins Gehölz hineingetrieben und gewährte einen dem Seemann ins Herz schneidenden Anblick. Der damalige Präsident Rosas erstand dieses zwischen Bäumen eingekeilte Fahrzeug für eine geringe Summe, ließ es von geschickten Arbeitern als Lusthaus einrichten und hat dort während vieler Sommer seine Villeggiatur genommen.
Zu den derzeitigen interessantesten Sehenswürdigkeiten von Buenos Aires gehörte das Einfangen und Schlachten von Ochsen. In unmittelbarer Nähe der Stadt, auf den unermesslichen Pampas weideten diese kräftigen Tiere in großen Herden. Zu jener Zeit waren die nach Millionen zählenden Ochsen fast herrenloses Gut, nur der Gaucho, dessen geschickter Lassowurf das wilde Tier einfing, erhielt einen geringfügigen Lohn.
Auf derselben Stelle, so man den Ochsen erlegte, wurde er auch geschlachtet, von seinem Fleische aber nur die sehnenfreien, ausgesuchtesten Stücke zum Carne secco benutzt. Die Zubereitung dieser vorzugsweise für die Neger Brasiliens bestimmten Nahrung geschah folgendermaßen: Das sehnenfreie Fleisch wurde in Scheiben zerlegt, blieb während 36 Stunden in einer Salzlake liegen, wurde von der Sonne getrocknet und ohne Embalage in Schiffen verladen. Außer diesem Fleisch wurde nur noch die Haut des Tieres geborgen, die Knochen, wie der ganze übrige Fleischrest blieb ungenutzt liegen.
Damals kostete der größte Ochse nach unserer deutschen Währung zwölf Mark. Ich glaube aber, dass der Preis inzwischen wesentlich gestiegen ist, obwohl dort noch immer genügend Ochsen vorhanden sind.
Das Heranschaffen großer Fleischmassen an Bord des Schiffes gehörte zu den Obliegenheiten des Schiffsjungen. Diese Arbeit war nicht zu unterschätzen. Man musste das erstandene Viertel eines Ochsen längere Zeit auf den Buckel laden, um watend das Boot erreichen zu können. Bei dem schlüpfrigen Boden und den unsichtbaren Vertiefungen war es als kein Wunder zu betrachten, wenn man einige Male samt der Bürde auf Sekunden in dem fußhohen Schlamme verschwand. Das bei diesem durch den mangelhaften Landungsplatz hervorgerufenen Transport die Appetitlichkeit des Ochsenfleisches nicht erhöht wurde, bedarf wohl keiner besonderen Erwähnung.
Dennoch machte mir gerade diese Arbeit viel Vergnügen. Ich hatte dadurch Gelegenheit, die hochinteressanten Gauchos bei der Ausübung ihres Berufes zu beobachten. Die Geschicklichkeit dieser muskulösen, malerisch gekleideten Indianergestalten im Reiten wie im Lassowerfen ist wahrhaft bewunderungswürdig. Beim Anblick dieses Treibens erwuchsen in mir die sonderbarsten Wünsche. Die Phantasie des zur Romantik geneigten Schiffsjungen wurde lebhaft erregt, und wenn er nicht bereits Seemann gewesen wäre, wäre er ganz bestimmt Gaucho geworden.
Wie vieles könnte ich von diesem für mich so inhaltsvollen zweijährigen Aufenthalte auf dem Schiffe erzählen, von wie manchem unvergesslichen Eindruck berichten, überwältigende Naturschönheiten schildern...
Die zwei Jahre sind nicht spurlos an mir vorübergegangen. Meine körperliche Entwicklung schritt sehr rasch vonstatten. Infolge meiner Beobachtungsgabe für alles Seemännische war ich sehr bald in der angenehmen Lage, den praktischen Dienst eines Matrosen zur vollen Zufriedenheit meines Kapitäns versehen zu können.
In diesem angenehmen Bewusstsein entwickelte sich auch mein Selbstgefühl in so hohem Grade, dass ich auch meine physischen Kräfte zu verwerten gedachte, für den Fall, dass mein unliebenswürdiger Steuermann seine eigenartigen, durchaus unmotivierten Liebkosungen fortsetzen sollte. Dieser Augenblick kam wie der Blitz aus heiterem Himmel. Der Befehl des Steuermannes rief mich unter Deck. Ahnungslos folgte ich diesem Rufe. Doch kaum war das verhasste Tauende in Folge eines wuchtigen Schlages in meinen Gesichtskreis gekommen, so erhielt der tatenlustige Däne eine so gründliche deutsche Widerlegung, dass ich nach einer minutenlangen heftigen Debatte die Wahlstatt siegreich behauptete und von nun an jenes gefürchtete Tauende als meine höchste Trophäe in Besitz nahm.
Von diesem denkwürdigen Augenblicke an war ein ehrenvoller Waffenstillstand zwischen uns geschlossen, und ich durfte nun bald auch die Segnungen des Friedens voll und ganz genießen. Ich hatte mir eine würdige Lebensstellung im wahren Sinne des Wortes erkämpft.
Nachdem unser Schoner seine vorläufige Fahrt vollendet, im Hafen von New York Anker geworfen, hatte auch ich die erste Station meiner selbstgewählten Lebensbahn erreicht und betrat als neugebackener Matrose den amerikanischen Boden. Allein Amerika ist ein sehr praktisches Land. Mit einem erhebenden Bewusstsein und sehr dürftigen Portemonnaie kann man dort nicht weit kommen. Aber ich war ein stämmiger Bursche geworden, der nicht gewohnt war, seine Hände in den Schoß zu legen und der nun auch an Bord des nach London bestimmten großen amerikanischen Paketschiffes „AMERICAN CONGRESS“ seine ihm lieb gewordene Arbeit fand.
...Der geehrte Leser wird mein Entzücken darüber begreiflich finden, dass mir eine nach meinen damaligen Begriffen sehr beträchtliche Monatsgage von 18 Dollars zugesichert war... Sobald ein Tag zur Neige ging, war für mich der Augenblick gekommen, nachzurechnen, wie hoch sich jetzt mein Vermögen belaufe. Aber ich muss hinzufügen: nicht der Besitz allein machte mir diese Freude, sondern das erhebende Bewusstsein, dass ich den verdienten Lohn für meine Arbeit empfange, dass ich eine Leistung zu vollbringen im Stande sei, wofür der Amerikaner jene 18 Dollars gerne zahlte.
An Bord herrschte bei einer verhältnismäßig großen Besatzung ein recht reges, meinem Geschmacke zusagendes Leben. Der Umstand, dass unser Kapitän Leute von allen möglichen schifffahrttreibenden Völkern angeworben, was einen vielseitigen sprachlichen Verkehr hervorrief, bot dem für alles Fremdartige besonders entflammten Deutschen einen interessanten Sprachunterricht. Es war durchaus nichts Befremdendes, wenn z.B. der redegewandte Sohn Spaniens seinem holsteinischen Genossen eine lange Geschichte erzählte, von der dieser auch nicht ein Wort verstand, aber doch zum Schlusse der Erzählung auf einen Augenblick die Pfeife im Munde zur Seite schob und mit einem rührenden Ernst entgegnete: „Si, si, da kannst du di up verlaten.“
Nach einigen glücklichen Reisen mit diesem Schiffe erwachte eines Tages die bisher krampfhaft niedergehaltene Sehnsucht nach meinen Eltern zu lebhaft in mir, dass ich London schleunigst verließ und die Überfahrt auf der dänischen Brigg „CORA“ antrat. Auf dieser kurzen, aber heimtückischen Strecke musste ich entsetzliche Qualen erdulden. Unsere Brigg trieb mitten im strengen Winter bei einem rasenden Sturme zwischen Norwegen und England fünf volle Wochen umher. Auf der total durchnässten Kleidung hatte sich eine Eiskruste gebildet, welche die letzte Köperwärme aufzehrte. Bei diesem gänzlichen Mangel an trockenem Zeug, an Handschuhen und Stiefeln wurde mein Zustand ein geradezu verzweiflungsvoller. Andauernde bittere Kälte hatte meine Hände in dunkelblaue Fleischklumpen verwandelt, die bei der geringsten Bewegung namenlose Schmerzen verursachten. – Endlich war die Gewalt des Sturmes gebrochen. Der Kapitän konnte nunmehr den Hafen von Arendal anlaufen. Vierzehn Tage lagen wir hier vor Anker. Als dann das Eis der Ostsee kein allzu großes Hindernis mehr bot, gingen wir abermals unter Segel und erreichten unter anhaltenden Strapazen glücklich Kopenhagen. Der Reeder und alle Angehörigen der Besatzung waren freudig erstaunt, als das verloren geglaubte Schiff in den sicheren Port einlief...
...Die Erinnerung an den ersten elterlichen Empfang gehört zu den schönsten meines Lebens. Die monatelange Ruhezeit zu Hause flog mir wie ein kurzer Traum dahin. Ich ward erst dann wieder in die nüchterne Wirklichkeit versetzt, als ich aufs Neue Schiffsplanken unter den Füßen fühlte, die Befehle des Kapitäns über Deck schallen hörte. Das war zu Beginn meiner zweiten Reise 1853. Der in Bremerhaven erbaute Dreimaster „WINTERTHUR“ sollte seine erste Fahrt unter Hamburger Flagge machen. Der Abschied von den Lieben wurde unendlich schwer; meine Mutter und Geschwister waren beim Auslaufen des Schiffes anwesend. Während ich verschiedene, meist völlig nutzlose Arbeiten verrichtete, um nur den tränenvollen Blicken der Meinen zu entgehen, klopfte mein Herz so heftig, als wollte es seine Hülle gewaltsam sprengen.
Endlich war der qualvolle Augenblick vorüber. Abschiedsrufe und Kommandos erschallten. Mit einer stolzen Wendung setzte sich unser Schiff langsam in Bewegung und schon nach einer halben Stunde entschwanden die klaren Umrisse des Strandes mit all den uns teuren Personen unseren Blicken. Vom Mast herab sah ich noch lange das flatternde Taschentuch der trauernden Mutter. Nach einer sehr stürmischen Reise erreichten wir den imposanten Hafen von Liverpool, wo die Einnahme einer für Kalkutta bestimmten Salzladung erfolgen sollte. Unsere Arbeit wurde von plötzlichem Gegenbefehl unterbrochen, der uns anwies, das bisher eingeschaufelte Salz wieder zu löschen. Wir wurden hierauf mit Stückgut nach Melbourne bestimmt. Merkwürdigerweise wird die bedeutende Kursveränderung von dem Matrosen kaum beachtet. Seine Gedanken, die bei Beginn der Reise etwa mit Indien sich beschäftigten, machen sich ebenso schnell mit Australien vertraut. In solchen Dingen ist Jan Maat nicht kleinlich. Unsere Besatzung machte hiervon keine Ausnahme, Wind und Wetter waren ja günstig, die Arbeit gering, und die Behandlung erträglich. Mehr verlangt der wahre Seemann nicht.
Die WINTERHUR, Eigentum der Firma Wattenbach, Heiliger & Comp., lag fast segelfertig im Princess Dock. An der erforderlichen Zahl der Schiffsmannschaft fehlten uns nur noch zwei Mann. Zu jener Zeit war die Segelschifffahrt außergewöhnlich stark im Gange, der Mangel an Matrosen recht fühlbar. Unser Kapitän beauftragte mich mit dem Versuch, noch zwei Matrosen für die WINTERTHUR ausfindig zu machen und, wenn möglich, sogleich an Bord zu führen.
Nach vielen vergeblichen Bemühungen kam mir endlich der Zufall zur Hilfe. In einer der zahlreichen Wirtschaften Liverpools, in denen besonders Seeleute verkehrte, entstand unter den zahlreichen Gästen, die allen möglichen Nationen angehörten, eine handgreifliche Auseinandersetzung, die für den wesentlich schwächeren Teil der Streitenden, obwohl er sich tapfer wehrte, ein recht bedenkliches Ende nehmen musste.
Liegt es schon in der Natur jedes anständigen Menschen, in solchem Falle für die erdrückte Minderheit einzutreten, so wird die Parteinahme außerdem zur gebieterischen Notwendigkeit, wenn, wie hier, die eigene Nationalität aus Übermut angegriffen und verhöhnt wird. Engländer, Dänen, Franzosen, Italiener und Spanier, neun an der Zahl, unterhielten einen lebhaften Angriff gegen zwei Deutsche. Ein getreues Abbild derzeitiger Verhältnisse! Der unbehagliche Anblick trieb mein Blut rascher durch die Adern, es prickelte gewaltsam in meinen Fingern, und als nun gar der Italiener sein Messer zog, um den Faustschlag des Deutschen zu erwidern, da war meine Besonnenheit zu Ende. Mit lauter, jedes Geräusch übertönender Stimme ersuchte ich den Italiener, das Messer zu entfernen. Statt jeder Antwort spie er mir ins Gesicht. In demselben Augenblicke hatte ich den frechen Menschen ergriffen und hob ihn mit einem Rucke hoch empor. Wohl hätte es genügt, die schwächliche Gestalt einfach zu Boden zu werfen, aber meine Wut war einmal entfacht, und so musste denn der blutdürstige Italiener als Waffe gegen seine eigenen Bundesgenossen dienen. Zweimal hatte ich meinen wehrlosen Gegner erfolgreich gegen die bestürzten Verbündeten geschleudert, dann ließ ich den Ohnmächtigen niedersinken. Das Gefecht war entschieden – meine Schützlinge befreit. Einige der fremdländischen Matrosen suchten eilig das Weite, während sich der Rest vollständig untätig verhielt. Glaube ja nicht, geehrter Leser, dass ich mit dieser Darstellung eine Übertreibung begehe. Das Emporhalten eines wohl 130 bis 140 Pfund wiegenden Menschen war für mich wirklich nicht bedeutend. Ich erfreute mich in meiner Jugend einer Körperkraft, die in vielen Fällen bessere Proben ablegte.
Mit meinen erfreuten Landsleuten war sehr rasch eine lebhafte Unterhaltung angebahnt. Sie erzählten mir, dass sie an Bord ihres englischen Schiffes sehr schlecht behandelt würden und beabsichtigten, dasselbe so bald wie möglich zu verlassen. Eine bessere Gelegenheit zur Erfüllung meines Auftrages ließ sich nicht denken. Ich teilte also meinen jungen Freunden mit, dass sie bei meinem Kapitän sofort Anstellung finden würden, wenn sie sogleich an Bord der WINTERTHUR erschienen. Meine Landsleute erklärten sich hoch erfreut bereit. Nur eine Schwierigkeit musste überwunden werden. Die Flüchtigen wollten nicht gerne ihre Habseligkeiten einbüßen. Es wurde also beschlossen, während des Abends das Schiff, welches im benachbarten, von einer Mauer umschlossenen Dock lag, zu verlassen und sich auf dem bezeichneten Platze einzufinden.
Als ich zur bestimmten Zeit eintraf, waren meine Freunde schon zur Stelle. Allein auf den ersten Blick musste ich erkennen, dass ihre Entführung schwieriger werden musste, als ich erwartet. Die guten Landsleute versuchten so viel wie möglich von ihrer Habe zu bergen und hatten dem gemäß drei Anzüge übereinander gezogen, wodurch ihre Gestalt einen bedenklichen Umfang angenommen. Trotzdem musste der Versuch gewagt werden. Wir kamen auch ungehindert bis zum Ausgange des Docks, hier aber noch innerhalb des Tores ereilte uns das Verhängnis in der Gestalt eines misstrauischen Polizisten, der mit uns ein Examen anstrengte, dem wir durch angebliche Unkenntnis der englischen Sprache zu entgehen hofften. War der Verdacht der heiligen Hermandad bei dem Anblicke der dickleibigen Matrosen schon rege, so musste unser vermeintlich schlauer Schachzug ihr Misstrauen nur vergrößern, und das Ende vom Liede war die Abführung in Nummer Sicher.
Gegen die polizeiliche Verfügung ließ sich nichts einwenden. Dass man uns aber in ein entsetzliches Loch sperrte, in welchem der Abschaum der Gesellschaft, allerlei unheimliches Gesindel hauste, habe ich der englischen Polizei, obgleich ich dadurch einen Einblick in das soziale Elend erhielt, niemals verziehen.
Am nächsten Morgen wurden wir in ein Zimmer der Royal Exchange zum Verhör geführt. Hier gab sich der mit mächtiger Allonge-Perücke geschmückte Richter alle erdenkliche Mühe, uns zur Beantwortung seiner Fragen zu veranlasse. Wir beharrten unbeugsam bei der pantomimischen Erklärung, kein Wort zu verstehen. Auf jede Frage gab ich den Namen meines Schiffes an. Da ja eine eigentliche Anklage nicht vorlag und dem Scharfblick des gequälten Richters kein Anhaltspunkt beschieden war, so geriet die englische Justiz augenscheinlich in Verlegenheit, und um sich davon zu befreien, ließ man uns laufen. Die gescheiteste Handlung, welche ich von einer großbritannischen Polizeibehörde berichten kann.
An Bord der WINTERTHUR erweckte unser geglücktes Manöver viel Heiterkeit. Wir wurden für die ertragene Unbill reichlich entschädigt und unser Kapitän konnte mit einer vollständigen Mannschaft die Reise nach Melbourne antreten. Nach neunzigtägiger Reise war unser Ziel ohne großes Ungemach erreicht.
Eine hochinteressante, von amüsanten Szenen begleitete Abwechslung bietet ein Regenguss unter den Tropen. Wer seine Wirkung nicht unmittelbar empfunden, wird sich wohl kaum eine klare Vorstellung davon machen, mit welcher Wucht die Wassermassen niederstürzen. Während einer Nacht öffnete der Himmel plötzlich seine Schleusen. Wer Hände hatte, griff jubelnd nach dem Eimer, um das kostbare frische Wasser in Tonnen zu bergen. Natürlich nahm auch ich regen Anteil an der gemeinsamen Einsammlung, nur mit dem Unterschiede, dass ich meinen vollgefüllten Wassereimer mit einem Male auf den Kopf des nächststehenden Matrosen leerte – erwartend, dieses Sturzbad würde die Veranlassung zu einem allgemeinen Begießen werden. Aber die erhoffte Wirkung blieb aus. Der Matrose arbeitete so gemütlich weiter, als ob ihm gar nichts Besonderes widerfahren sei, er hatte eben keinen Unterschied zwischen Entleeren der Wolken und dem meines Eimers bemerken können. Noch komischer war die Wirkung, welche der Tropenregen bei unserem Koch – einem großen, stämmigen Neger hervorrief. Statt sich dem gemeinsamen Einsammeln des Wassers anzuschließen, wälzte er sich jauchzend und jubelnd auf dem Verdeck umher, als habe er nie ein größeres Wohlbehagen empfunden. –
Auch das Auftreten der Wasserhosen in den Tropen, die übrigens dem Schiffe recht gefährlich werden können, ist bemerkenswert. Eines dieser mächtigen Naturgebilde, bei welchen die Wolken so tief hingen, dass die Wasserhose mächtigen Eichen glich, drohte den Kurs unseres Schiffes zu kreuzen. Wir bedienten uns eines oft bewährten Mittels, indem wir die Wasserhose mit einem Kanonenschuss begrüßten, von dessen Luftdruck die gewaltige Wassersäule zusammenbrach.
Unser Kapitän geriet jetzt, nachdem sein Schiff sicher vor Anker lag, in eine wenig beneidenswerte Lage. Wir waren gerade zu jener denkwürdigen Zeit gelandet, wo das Goldfieber in dem australischen Gebirge seinen Höhepunkt erreicht hatte, wo alle gesetzlichen Bestimmungen, Ordnung und Zucht durchbrochen, jede sittliche Schranke gewaltsam niedergerissen war und wo natürlich auch der Boden der seemännischen Ordnung ein ungeahntes Leck erhalten hatte. An Bord der WINTERTHUR wiederholte sich das allgemein übliche Verfahren. Die gesamte Schiffsmannschaft war bei Nacht und Nebel verschwunden, um ihr Heil in den nahen Goldminen zu suchen. So saßen wir, so unglaublich das klingen mag, tatsächlich auf dem Trockenen, und es gab nur den einen zweifelhaften Trost, dass kein Schiff im Hafen günstiger situiert war und in Folge dessen auch keine materiellen Vorteile auf Kosten des anderen erlangen konnte.
Im Hafen von Melbourne lag zu jener Zeit manches verlassene Schiff, dessen Kapitän und Mannschaft der Goldbegierde nicht hatten widerstehen können. Diese Betörten kamen in den meisten Fällen nach wochenlanger, bitterer Qual nur um die Erfahrung bereichert zurück, dass das Goldsuchen wohl verlockend, das Goldfinden aber zu den größten Seltenheiten im Leben des Seefahrers gehöre. Auch mancher deutsche Seemann sollte die Wahrheit des heimatlichen Spruchs erkennen lernen: „Schuster bleib bei deinen Leisten“; denn selbst jene, denen ein glücklicher Zufall das unselige Metall massenweise in den Schoß geworfen, waren meist auf abschüssige Bahn geraten, vergeudeten und verprassten das große Vermögen in kurzer Zeit und waren dann, da die ehrliche Arbeit keinen Reiz mehr für sie hatte, körperlich und geistig verkommen.
Unter der Besatzung unseres Schiffes befand sich ein deutscher Matrose namens Georg Busch, der mir schon seit der ersten Begrüßung ungemein gefiel. Bald hatten wir innige Freundschaft geschlossen. Es war ein hochgebildeter, vorzüglich veranlagter junger Mann, den die unbezwingliche Sehnsucht auf das Meer getrieben, der voll von abenteuerlichen Ideen und hochfliegenden Plänen ein hehres Ziel verfolgte. An Alter und Empfindungen mir gleich, war es natürlich, dass wir uns wahrhaft brüderlich aneinander schlossen. Freud und Leid traf uns zu gleichen Teilen. In Sturm und Not standen wir Schulter an Schulter, jeder bereit, für den anderen das Leben einzusetzen.
Auf dieser Reise habe ich den Wert eines wahren Freundes schätzen gelernt und niemals den monatelangen angestrengten Dienst so wenig empfunden als in Gesellschaft dieses zartfühlenden, edeldenkenden Menschen. Zu meinem tiefsten Bedauern wurde der leicht entflammte Freund bei der Ankunft in Melbourne von dem dort wütenden Goldfieber ereilt und entfloh mit der übrigen Mannschaft nach den Goldminen. Wohl war mir das Herz schwer, als ich ohne meinen Gefährten die Weiterreise von Melbourne antrat, aber ich hoffte, dass der teure Freund sein Glück auf diesem Wege erreichen und ich ihm in ungetrübtem Wohlbefinden einst wieder begegnen würde. Ach, wie bitter wurde ich enttäuscht! Ein halbes Jahr später fand ich den hoffnungsvollen, blühenden Jüngling fieberkrank, verkommen und gebrochen im Hospital von Kalkutta. Der erschütternde Anblick erpresste mir Tränen, kein Wort kam über meine Lippen, erst die zitternde Hand des Todkranken zwang mich zur Bekämpfung meines heißen Schmerzes.
„Ja Alfred“, begann der arme Freund mit leiser Stimme, „es ist anders gekommen als ich hoffte, meine Illusionen sind zu Ende; ach du ahnst nicht die Qual, den reuigen Schmerz, der in meinem Herzen wühlt. Mein Leben ist verfehlt. Glaube nicht, dass mich nur der Besitz des Goldes reizte, ich wollte mein Ziel nur rascher erreichen, aber die teuflischen Menschen haben mir alles, alles entrissen.
Ich war der einzige unter meinen Genossen, der das fluchwürdige Metall gefunden; aber der Wert meines Fundes war zu groß, er reizte die Gier bestialischer Menschen, die mich beraubten und lebensgefährlich verwundeten. Vier Tage lag ich hilflos in der Wildnis; zurückkehrende Abenteurer beförderten mich nach Melbourne, dort habe ich monatelang ein erbärmliches Leben gefristet, ich war ja zu schwach, um arbeiten zu können. Mit der letzten Energie raffte ich mich noch einmal empor, schon hatte ich den Lebensweg wieder gefunden, da ereilte mich die unheilvolle Krankheit, ich fühle, dass ich meine Eltern, meine Heimat, alles woran mein Herz hängt, nicht wiedersehen werde. – Ich danke dem Himmel, dass ich dich noch einmal schauen -, dich bitten kann, mir zu verzeihen. Ohne dein Wissen bin ich damals von der WINTERTHUR entflohen, ich wusste ja, dass du meine Absicht vereitelt, mich zurückgehalten hättest von dem Bestreben, das mir mein Schicksal gebot. Umarme noch einmal deinen unglücklichen Freund; ich möchte deiner Verzeihung gewiss sein, sie erleichtert mir den letzten Schmerz.“
Tief bewegt verließ ich das Hospital. Trotz meiner späteren Bemühungen habe ich nie etwas von meinem Freunde erfahren. Gott weiß, was aus dem vorzüglichen Menschen geworden ist! –
Immerhin hat Melbourne diesem wahnsinnigen Goldfieber sein rasches Emporblühen zu verdanken. Seine damals aus Zelten und Bretterbuden bestehenden Behausungen verschwanden von der Oberfläche, an deren Stelle entstanden Prachtbauten, welche den Vergleich mit denen der europäischen Großstädte nicht zu scheuen brauchen. Der Handel, durch eine Menge von Segel- und Dampfschiffen, durch Eisenbahnen und Telegrafen kräftig unterstützt, erhob Melbourne nach kaum zehnjähriger Entwicklung zu einer Weltstadt ersten Ranges. –
Mein pflichtgetreues Ausharren an Bord der WINTERTHUR wurde vom dankbaren Kapitän gebührend anerkannt. Nicht nur, dass ich sofort zum Vollmatrosen und gelegentlichen Untersteuermann befördert wurde, ich genoss auch während der ganzen Fahrt eine angenehme Sonderstellung gegen die aufs Neue verpflichtete, aus allen Nationen zusammengewürfelte Mannschaft.
Nachdem nun unsere Ladung gelöscht und Ballast eingenommen war, gingen wir abermals unter Segel und nahmen Kurs auf Kalkutta. Die Disziplin unter unserer eigenartigen Besatzung war selbstverständlich eine sehr lockere. Nach Lage der Sache schien es geraten, manches zu dulden, was unter gewöhnlichen Verhältnissen strenge Bestrafung nach sich gezogen hätte.
Die Einförmigkeit der Reise wurde täglich, wenn auch auf keine besonders anziehende Weise, von den rauflustigen Leuten unterbrochen. Allerlei übermütige Streiche, welchen dann mit mathematischer Genauigkeit eine gemütliche Prügelei folgte, waren an der Tagesordnung. Zum Glück für die nur noch wenigen gesunden Gliedmaßen unserer streitsüäöäüö