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kamen an einem Montagmorgen irgendwann zwischen 9:30 Uhr und 10:00 Uhr in einem Café unweit der Schule ihrer Kinder überein, sich scheiden zu lassen.

»Was hast du denn um Himmels willen zu ihr gesagt? Da im Café? Dass sie sich jetzt von dir scheiden lassen will?«, fragte Charlies Mutter ein paar Tage später, als er endlich den Mut aufgebracht hatte, es ihr mitzuteilen.

Sehr, sehr lange. Seit Jahren. Zum Zeitpunkt des fatalen Gesprächs wohnte er schon nicht mehr bei seiner Familie, sondern in einer Mietwohnung, die groß genug war, die Kinder am Wochenende zu beherbergen. (Als Elaine und Charlie sich irgendwann mit ihnen hinsetzten und ihnen erklärten, dass ihre Ehe zu Ende sei, sagte die neunjährige Emily nichts weiter

 

Er las die Sonntagszeitung nicht, für die Elaine arbeitete – nicht mehr. Er hatte damit aufhören müssen. Elaine schrieb Porträts, Features und Kolumnen, auf den ersten Blick über Zeitgeschehen und Kultur, doch im Laufe der Jahre hatte Charlie den Eindruck gewonnen, dass sie eigentlich immer über ihn schrieb. Egal, wie der Auftrag lautete – ein Liebesbrief an einen amerikanischen Fernsehstar, eine Restaurantkritik, ein Kommentar über ein königliches Hinterteil –, irgendwie schaffte sie es immer, seine Mängel noch irgendwo hineinzuquetschen. Einmal hatte sie

 

»Hattest du ein schönes Wochenende?«, fragte er Mary, als sie auf den Fahrstuhl warteten. Ihr Achselzucken verriet eine gewisse Bitterkeit, fand er, als wäre er an ihrem enttäuschenden Wochenende schuld. Er ignorierte das.

»Und du?« Dann folgte ein kurzes »Ach!«, als wäre ihr etwas wieder eingefallen, gefolgt von einer Miene, die verdächtig nach schadenfrohem Grinsen aussah.

Ach du Scheiße, dachte Charlie. Elaine. Grinsen, Schweigen, Husten, hochgezogene Augenbrauen, mitfühlende Blicke, halb beendete Sätze von Freunden, Kollegen, Schuleltern … All das bedeutete dieser Tage das Gleiche. Es war ärgerlich, es machte ihn unfroh, aber er hatte gelernt, dass er es überleben würde und in einer Woche alles vergessen wäre. Doch

»Da ist er ja«, sagte Britton fröhlich. »Der Drecksack!«

Tim Britton war ein Arsch, aber er war noch nie einfach so auf Charlie zugekommen und hatte ihm Schimpfwörter an den Kopf geworfen. Charlie starrte ihn an. Britton kicherte und schüttelte den Kopf.

»Das wird super«, sagte er.

Wird?, dachte Charlie. Wieso nicht »ist«? Und wieso ist es nicht schon vorbei?

 

Als er hinauf in sein Büro kam, öffnete er sofort die Website der Zeitung und überflog die Startseite. Auf den ersten

Einen Augenblick versuchte sich Charlie

 

Rasch überflog er den Text. Er erinnerte sich an fast alle Untaten, derer sie ihn bezichtigte, alles minderschwere Unfähigkeiten im Bereich Kindererziehung. Die Kolumne würde sich offensichtlich jede Woche einem neuen Thema widmen. Sicher, es war eine traurige Bilanz, aber das hier waren die faulsten Eier aus fast zwei Jahren Scheidungsmisere; auf keinen Fall konnte sie so viel Gift und Galle jede Woche spucken. Aha. Hatte er also den einzigen Trost gefunden, den die Sache bot: So schlimm würde es nicht bleiben. Damit lag er falsch – natürlich.

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