STARKE SPIELE
STARKE KINDER
Petra Bergmann
Sabine Bertram
IMPRESSUM
Herausgeberin:
Sportjugend Hessen
im Landessportbund Hessen e.V.
Otto-Fleck-Schneise 4
60528 Frankfurt am Main
www.sportjugend-hessen.de
Autorinnen:
Petra Bergmann, Sabine Bertram
Tipps 15
ISBN: 978-3-944479-94-1
Fotos:
©2xSamara.com-Fotalia.com (3x), ©hwahl3-Fotalia.com (1x), ©robhainer-Fotalia.com (1x), ©caltanaka-Fotalia.com (1x)
Satz:
Thomas Wex, www.wexdtp.de
E-Book-Produktion:
Fleet Street Press GbR, 60437 Frankfurt
© Sportjugend Hessen, März 2014
INHALT
Einleitung
Danksagung
Kindeswohl im Sport
Kindeswohl – Informationen
Kindeswohlgefährdung – was ist das?
Besonderheiten im Sport
Was tue ich bei einem Verdacht oder wenn ich von einer Gefährdung erfahre?
Prävention im Sport
Mädchen und Jungen stärken
Kinderrechte
Mitbestimmung und Partizipation
Gewaltprävention, Selbstbehauptung und Selbstverteidigung
Starke Spiele – Starke Kinder
Konzeption der Spiele
Themenfelder
Spielesammlung
1 Grenzen erkennen, setzen und verteidigen
2 Emotionen wahrnehmen, einsortieren und zeigen
3 Sprache und Stimme einsetzen
4 Stärke und Kräfte messen
5 Helfen und helfen lassen
Anhang
10 Spielregeln für ein respektvolles und aufmerksames Miteinander
Verhaltenskodex zum Kindeswohl
Verhaltensregeln zum Kindeswohl
Literaturverzeichnis
EINLEITUNG
Kinder und Jugendliche kommen in den Sportverein, weil sie dort „Spaß haben“ und Freunde treffen oder finden möchten. Sie wollen sich austoben, ausprobieren, ihre (körperlichen) Grenzen ausloten und ihre Kräfte messen.
Spiel, Sport und Bewegung bieten dabei nicht nur ein großes Erlebnispotenzial, sondern haben eine herausragende Bedeutung für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Der Sport im Verein ist ein wichtiges Erfahrungsfeld in der Sozialisation von Kindern und Jugendlichen und unterstützt den Kompetenzerwerb und die Herausbildung einer „eigenständigen“ Persönlichkeit.
Die körperliche und emotionale Nähe, die durch Sport entstehen kann, ist wichtig für die Förderung des sozialen Miteinanders, das Gefühl dazu zu gehören, sich gegenseitig zu helfen und Teamgeist zu entwickeln.
Diese körperliche und emotionale Nähe beinhaltet jedoch auch ein Risiko für Grenzüberschreitungen, sexualisierte Übergriffe und Gewalt. Kinder und Jugendliche sind hierbei auf besonderen Schutz und Fürsorge angewiesen. Sportvereine übernehmen hier Verantwortung für die ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen. Dazu gehört auch der Schutz vor Vernachlässigung, Misshandlung oder sexueller Gewalt sowie vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen und vor Diskriminierungen aller Art. Wenn Sportvereine eine Kultur des Hinsehens leben, wird es einfacher, Grenzverletzungen innerhalb und außerhalb des Sports wahrzunehmen. Trainer und Übungsleiter1 können bei Sorgen und Problemen Ansprechpartner für Kinder und Jugendliche sein und sie im sportlichen Miteinander in ihren Selbstbehauptungsfähigkeiten stärken. Die Stärkung von Kindern ist dabei ein wichtiger Bestandteil des aktiven Kinderschutzes, der im Sport spielerisch in Training und Übungsstunde umgesetzt werden kann.
DANKSAGUNG
Danken möchte ich den beiden Autorinnen Petra Bergmann und Sabine Bertram sowie der hessischen Ju-Jutsu Jugend. Durch ihr Engagement, ihre Zusammenarbeit und die Begeisterung dafür, Kinder zu stärken und den Kinderschutz im Sportverein zu unterstützen, haben sie diese Veröffentlichung zu dem gemacht, was sie ist: eine lebhafte, praxisorientierte Arbeitshilfe für Übungsleiter/innen und Trainer/innen im Sport, die konkrete Anregung und Impulse liefert, um Kinder und Jugendliche im Sport in ihren Selbstbehauptungsfähigkeiten zu stärken.
Katja Köhler-Nachtnebel
Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern viel Erfolg bei der Anwendung und Umsetzung im eigenen Sportverein oder Sportverband.
Katja Köhler-Nachtnebel |
Vorstand der Sportjugend Hessen für Kindeswohl im Sport |
Sebastian Stumm |
Vorstand Hessische Ju-Jutsu Jugend |
Petra Bergmann |
Trainerin B Gewaltprävention und Kursleiterin im DJJV |
Sabine Bertram |
Sportjugend Hessen, Jugendbildungsreferentin für Soziale Kompetenzen und Erziehung im Sport |
Zu den Autorinnen
Petra Bergmann: Trainer C Ju-Jutsu, Trainer B Gewaltprävention, Kursleiterlizenzen Frauen- und Kinder-Selbstverteidigung, Jugendleiterin, Vereinstrainerin (Ju-Jutsu), Referentin Hessischer Ju-Jutsu Verband. Außerdem selbstständige Trainerin mit Kursangeboten zum Thema Gewaltprävention, Selbstbehauptung und Selbstverteidigung.
Kontakt: www.sicher-selbst-bewusst.de
Sabine Bertram: Referentin für Soziale Kompetenzen und Erziehung im Sport bei der Sportjugend Hessen. Schwerpunkte: Konzeption und Durchführung von pädagogischen Seminaren in der Übungsleiter- und Traineraus- und fortbildung. Kontakt: SBertram@sportjugend-hessen.de, Tel. 0 69.67 89 310, www.kindeswohl-im-sport.de
KINDESWOHL IM SPORT
Diese Broschüre soll einen Beitrag zu mehr Sicherheit und Sensibilität im Umgang mit dem Thema Kindeswohlgefährdung leisten, um Kinder und Jugendliche im Sportverein (und darüber hinaus) noch besser schützen zu können. Sie liefert notwendige Informationen zum Thema Kindeswohlgefährdung, Möglichkeiten der Prävention und gibt konkrete Hinweise für den Fall der Fälle. Der Schwerpunkt dieser Broschüre liegt auf dem Präventionsbereich „Kinder und Jugendliche stärken“.
Viele Präventionsmaßnahmen zielen darauf ab, ein Aufmerksamkeitssystem im Verein zu schaffen sowie die Prävention fest in den eigenen Strukturen zu verankern. Adressaten sind dabei in erster Linie Erwachsene (Trainer, Übungsleiter, Eltern, Vereinsvorstände u. a.).
Das große Potenzial des Sports zur Stärkung von Jungen und Mädchen in ihren Selbstbehauptungsfähigkeiten sowie der Möglichkeit, mit Kindern und Jugendlichen im sportlichen Miteinander über Themen wie Grenzen oder Emotionen ins Gespräch zu kommen, stellt meist einen zweiten Schritt dar, der sich aus der Beschäftigung der Erwachsenen mit dem Thema ergibt. Oftmals entstehen dann bei Trainern und Übungsleitern Fragen wie „Was kann ich denn konkret tun, um die Kinder darin zu stärken, Nein zu sagen?“ oder „Wie kann ich denn einem Kind zeigen, dass ich ansprechbar bin, wenn es Probleme hat?“ oder aber „Welche Übungen kann ich machen, um sie zu stärken?“. Hierzu gibt es viele Konzepte, die jedoch meist erfordern, dass für mehrere Wochen zum Thema Selbstbehauptung gearbeitet wird und so kein (sportartspezifisches) Training mehr stattfinden kann.
An diesem Punkt setzt die Broschüre an: Sie zeigt anhand von kleinen Spielen und Übungen, die Trainer und Übungsleiter in ihr Training/ihre Übungsstunde integrieren können, wie sie - je nach verfügbarer Zeit - mit den Kindern/ Jugendlichen am Thema „Selbstbehauptung und –stärkung“ arbeiten und mit ihnen ins Gespräch kommen können. Sie gibt Anregung und Unterstützung, diese Spiele auch mit den Kindern zu besprechen und zu reflektieren. Auf diesem Weg wird es möglich, je nach sportlichem Aspekt (Bewegung oder Entspannung) und Schwerpunkt (z. B. Grenzen, Emotionen, Helfen lassen) einzelne Spiele und Übungen in den Trainingsalltag einfließen zu lassen.
Die übergeordneten Ziele der Spiele und Übungen sind, dass Mädchen und Jungen:
| ihre Rechte kennen (z. B. dein Körper gehört dir)
| in ihrer Wahrnehmung und der Wirkung ihrer Körpersprache geschult werden
| sich gegenseitig helfen und sich helfen lassen
| ihre Stärke und Kräfte messen können
| Wissen, wie sie Sprache und Stimme einsetzen können
| Emotionen wahrnehmen, einsortieren und zeigen können
| Grenzen setzen, erkennen, verteidigen können
KINDESWOHL – INFORMATIONEN
KINDESWOHLGEFÄHRDUNG – WAS IST DAS?
Kindeswohlgefährdung ist das andauernde, wiederholte Unterlassen fürsorglichen Handelns durch sorgeberechtigte oder sorgeverantwortliche Personen. Sie kann sowohl aktiv (Misshandlung) als auch passiv (Vernachlässigung) und auf Grund unzureichender Einsicht oder Wissens erfolgen.
Bei der Vernachlässigung werden dem Kind Grundbedürfnisse verweigert.
Zu unterscheiden ist hierbei die körperliche Vernachlässigung (Hygiene, Nahrung, Kleidung) und die seelische Vernachlässigung (Schutz, Betreuung) eines Kindes. Misshandlung ist die aktive Schädigung des Kindes. Auch hier lassen sich verschiedene Formen unterscheiden: die emotionale/seelische Misshandlung (Ablehnung, Ausgrenzung, Demütigung, Herabsetzung, Beschimpfung), die körperliche Misshandlung (sichtbare Verletzungen, wie Schläge, Tritte, Doping) sowie die sexuelle Gewalt (sexuelle Handlungen).
Sexuelle Handlungen sind eine besondere Form der Kindeswohlgefährdung. Sie verletzen die altersgerechte Intimsphäre eines Kindes durch Blicke, Worte, Streicheln, Küssen oder unangenehme Nähe. Hierbei wird von den Tätern ein Macht- oder Vertrauensverhältnis ausgenutzt.
Nicht immer ist sexualisierte Gewalt so eindeutig erkennbar, wie in den öffentlich bekannten Fällen schwerer Nötigung. Zu unterscheiden ist hier zwischen: Grenzverletzungen – sexualisierter Gewalt – strafrechtlich relevanten Formen (Enders, 2012 S. 31ff)
Grenzverletzungen können, unabsichtlich, aus persönlichen Unzulänglichkeiten und/oder auf Grund einer „Kultur des Wegschauens“ erfolgen. Maßstab für die Bewertung sind immer objektive Faktoren und das subjektive Empfinden der bewertenden Person. Was für die eine Person völlig in Ordnung ist, kann eine andere als sehr grenzwertig empfinden. Wenn ein Trainer einen abwertenden/ anzüglichen Kommentar zum Körper eines Jungen oder Mädchen macht, Jugendliche sexistische Witze erzählen oder ein Trainer eine ungeschickte Hilfestellung an sensiblen Körperteilen gibt, dann sind dies Grenzverletzungen bzw. Grenzüberschreitungen. Unbeabsichtigte Grenzüberschreitungen sind auch im sportlichen Alltag nicht ganz zu vermeiden. Wichtig ist jedoch, dass sie im Miteinander korrigierbar sind, wenn sich ein Trainer beispielsweise nach einer blöden Bemerkung dafür beim Sportler entschuldigt oder aber deutlich macht, dass er sexistische Witze im Training nicht duldet.
Sexuelle Übergriffe sind Ausdruck unzureichenden Respekts und können auf Grund grundlegender fachlicher Mängel und/oder zur gezielten Desensibilisierung zur Vorbereitung sexueller Gewalt erfolgen. Sie geschehen nicht zufällig! Wenn ein Trainer bei Hilfestellungen gezielte und bewusste Berührungen zwischen den Beinen, am Po oder am Busen sucht oder ohne erzieherischen Hintergrund in die Duschen der Sportler kommt, sind dies sexuelle Übergriffe.
Bei strafrechtlich relevanten Formen sexueller Gewalt gilt grundsätzlich:
| Der sexuelle Missbrauch von Kindern (unter 14 Jahren) ist strafbar, auch wenn das Kind damit einverstanden ist.
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