Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Prolog
1.
2.
3.
Erstes Zwischenspiel
4.
5.
6.
7.
Zweites Zwischenspiel
8.
9.
10.
11.
Leserkontaktseite
Kommentar
Glossar
Clubnachrichten
Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Nr. 2765
Das genetische Kunstwerk
Im Zwielicht – sie suchen nach Antworten
Christian Montillon
Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt
Seit die Menschheit ins All aufgebrochen ist, hat sie eine wechselvolle Geschichte hinter sich: Die Terraner – wie sich die Angehörigen der geeinten Menschheit nennen – sind längst in ferne Sterneninseln vorgestoßen. Immer wieder treffen Perry Rhodan und seine Gefährten auf raumfahrende Zivilisationen und auf die Spur kosmischer Mächte, die das Geschehen im Universum beeinflussen.
Mittlerweile schreiben wir das Jahr 1517 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ). Die Milchstraße steht weitgehend unter dem Einfluss des Atopischen Tribunals. Dessen Richter behaupten, nur sie könnten den Weltenbrand aufhalten, der sonst unweigerlich die Galaxis zerstören würde.
Eine andere Galaxis wird längst von den Atopen beherrscht: Larhatoon, die Heimat der Laren, die einst selbst Usurpatoren waren und nun Unterworfene sind.
Dorthin hat es Perry Rhodan verschlagen, dort sucht er Hinweise darauf, was die Atopen wirklich umtreibt und wo ihre Schwächen liegen. Bisher war Rhodan allein in Larhatoon, nur begleitet vom ehemaligen arkonidischen Imperator Bostich.
Nun erreicht die RAS TSCHUBAI Larhatoon – Reginald Bull und Gucky haben sich auf die Suche nach dem Terraner gemacht und bedienen sich dazu des modernsten Schiffes der Menschheit. Sie stoßen dabei auf DAS GENETISCHE KUNSTWERK ...
Reginald Bull – ... weiß zu überraschen.
Gaumarol da Bostich – ... ist überrascht.
Icho Tolot – ... überrascht einige Forscher.
Farye Sepheroa – ... bekommt überraschenden Besuch.
Than-Deneec – ... ist für eine Überraschung gut.
Die Schmerzen zerreißen mich, sie zerren das Leben aus mir heraus. Ich bin in einem Nebel, einem Strudel aus Farben und Licht und Hyperenergie.
Mein Körper ist nicht mehr vorhanden, aber er wird rematerialisieren. Hoffentlich. Der Transmittersprung ist ein Wagnis. Andere würden es Narretei nennen. Unvernünftigen Irrsinn.
Der Gedanke ist angenehm, er lenkt mich von den Schmerzen ab.
Irgendwann merke ich, dass ich bereits angekommen bin. Ich versuche, etwas zu sagen, doch ich kann den Mund nicht öffnen. Die Zunge klebt mir dick am Gaumen wie ein Stück faules Fleisch.
Flammen lodern um meinen Kopf. Sie wallen auf mich zu, packen gierig nach mir. Wesen wandeln darin und dahinter, mit einem dicken Panzer. Gesichter auf langen Hälsen schauen mich aus dem Herzen der Hitze an. Die bunten Augen glitzern. Sie wirken erschrocken, entsetzt.
Sehe ich so schlimm aus?
Die Gesichter kommen näher.
Die Welt kippt zur Seite.
Endlich werde ich ohnmächtig.
Ankunft
Ponontior fuhr seinen Hals aus, drehte ihn müde und zog ihn wieder zurück. Am liebsten hätte er sich komplett in seinen Spocoon-Panzer verkrochen und sich in ein hübsches heißes Eckchen der Flammengondel LUCVAIT verzogen.
Doch die Pflicht hinderte ihn.
Wie das eben so war. Bei allen flammenden Sonnen der Domäne, wenn er nur seine Dienstjahre endlich hinter sich hätte! Gewiss, es war sein Traum gewesen, diese Transmitteranlage zu warten, zu pflegen, darauf zu hoffen, dass sie irgendwann vollständig in Betrieb genommen werden konnte, wie früher, aber ...
»Gibst du dich mal wieder deiner Lieblingsphantasie hin?«
Ponontior unterdrückte mühsam den Impuls, sich völlig zurückzuziehen und einzupanzern. Wer da mit lästerlicher, herablassender Stimme sprach, war natürlich Mahgoriot, und wie üblich hatte er nichts als Spott für ihn übrig.
Für Mahgoriot gab es weder Wünsche noch Sehnsüchte, nur die Arbeit im Hier und Jetzt; wahrscheinlich war sogar sein Flammleben eine langweilige Abfolge von Schichten im Transmitterraum. Er verachtete Ponontior, gab ihm die Schuld, dass die Transmittertechnologie der Flammengondel nicht längst abgeschaltet und dem Vergessen anheimgefallen war.
Das stimmte wohl auch; Ponontior predigte unablässig, dass wieder andere Zeiten kommen, dass sich die hyperphysikalischen Grundbedingungen erneut verschieben konnten, nur diesmal zu ihrem Besten. Die Erhöhung der Hyperimpedanz hatte die Transmittertechnologie nahezu unbrauchbar gemacht – doch das war womöglich nicht für die Ewigkeit. Es lohnte sich, den Transmitterraum zu warten, am Leben zu halten, für die Zukunft vorzubauen!
»Na, was ist? Hat es dir die Sprache verschlagen, Ponontior?«
Einen derart kühlen Lucbarni wie seinen verhassten Partner hatte er in der gesamten Flammengondel nicht getroffen ... und außerhalb der LUCVAIT war er noch nie gewesen. Dieser Ort war seine Welt, sein ganzes Universum. Vielleicht sehnte er sich deshalb danach, Verbindungen zu fernen Orten zu erträumen.
Doch sei es, wie es sei ... mit diesem Mahgoriot stimmte doch etwas nicht! Konnte es denn einen so negativen, so bösartigen Lucbarni geben?
»Wovon redest du?«, stellte sich Ponontior dumm.
Das brachte Mahgoriot zu einer Litanei, wie schädlich es war, Zeit ungenutzt oder mit sinnlosen Aufgaben verstreichen zu lassen.
Als würde das Universum dadurch auch nur ein einziges Grad heißer oder kälter! Wenigstens musste sich Ponontior es nicht lange anhören, denn die Instrumente schlugen an.
Ponontior glaubte zuerst an einen Fehler. Das konnte doch nicht sein! Gewiss, seit dieser Bleich-Lare namens Da-Zoltral die Transmitterreise angeregt und auch angetreten hatte und die ganze Anlage deshalb zum ersten Mal seit Jahren in Betrieb genommen worden war, stand die Technologie gewissermaßen in Bereitschaft, aber ...
»Wobei es genügend ebenso alltägliche wie nützliche Routinearbeiten gibt«, lamentierte Mahgoriot, »die dazu beitragen, das Leben in der Flammengondel erträglicher zu gestalten und dadurch ...«
»Sei still!«, herrschte Ponontior seinen ungeliebten Arbeitskollegen an.
Dieser beachtete ihn gar nicht, war so in Fahrt, dass er nur noch seine eigene Tirade mitbekam. »... dafür sorgen, dass die kostbare Lebenszeit nicht verschwendet wird. Die Hitze ist eine ...«
Ponontior hörte nicht mehr zu. Stattdessen eilte er zum Eingabepult der Hauptkontrollanlage. Der Transmitter aktivierte sich soeben selbstständig. Die monumentale Anlage erwachte zum Leben. Jemand musste von außen darauf zugreifen und jemanden – oder etwas – in die Flammengondel schicken!
Das bedeutete Gefahr für die LUCVAIT, vor allem für ihn und seinen Kollegen. Denn wer wäre das erste Opfer eines feindlichen Eindringlings oder einer detonierenden Bombe?
Wieso?, fragte er sich.
Weshalb konnten sie nicht einfach ein ruhiges Leben führen, in das sich niemand einmischte?
Die Lucbarni scherten sich nicht um die großen Zusammenhänge dieser Galaxis und ihrer Domänen. Sie waren vor über hundert Jahren ausgestiegen, um in Frieden zu existieren und den Dingen ihren Lauf zu lassen.
Ponontior kümmerte sich wie die meisten seines Volkes um sein Flammleben, um seine zweite Existenz im Traum, der er bei jedem Aufenthalt in den Flammen ein neues Stück hinzufügte. Das genügte ihm. Er war zufrieden.
Doch dieser Frieden wurde ihm offenbar nicht gegönnt.
Ponontior gab Alarm, und das schreckte auch Mahgoriot endlich auf. Nun zeigte sich, was in dem Lucbarni steckte: Er hastete auf dürren Beinen zum zweiten Kontrollpult, so rasch, dass er mit dem Körperpanzer gegen das Metall stieß; ein dumpfer, krachender Laut hallte durch die Transmitterzentrale.
Ponontior versuchte, den Transmitter zu desaktivieren, indem er die Hauptenergiezuleitung kappte. Er war überrascht, dass es tatsächlich gelang. Mit einem erleichterten Zischen signalisierte er es seinem Kollegen.
Beim nächsten Atemzug, der viel zu kalte Luft in seinen Mund beförderte, traf ihn die Enttäuschung umso härter. Es war nicht nur kalt ... sondern zu kalt. Luft von außerhalb war bereits durch den Transmitter in den Kontrollraum geströmt. Trieben womöglich Giftschwaden herein?
Er teilte Mahgoriot seine Ängste mit, doch der lachte nur und nannte ihn überängstlich, ja krank. »Du leidest unter Verfolgungswahn!« Fehlte nur noch, dass er das alte Sprichwort Verzieh dich in deinen Spocoon und stirb zitierte.
Ehe er Gelegenheit bekam sich zu wehren, zeigte sich allerdings, dass man Ponontiors Befürchtungen keineswegs unbegründet nennen konnte.
Der Transmitter aktivierte sich ein zweites Mal – und das, ohne Energie aus der Flammengondel für den Grundbetrieb zu erhalten!
Das Empfangsfeld baute sich auf, und als Ponontior erneut dagegen vorgehen wollte, blieben ihm alle Möglichkeiten verwehrt. Wer immer von außen auf die Anlagen zugriff, konnte offenbar jeden seiner Schritte voraussehen und ihn im Vorfeld unterbinden.
»Kuzesen!«, rief Ponontior. »Warne ihn! Sofort!«
Wenigstens widersprach Mahgoriot nicht und ersparte ihm damit unnötige Diskussionen. Er stellte eine Verbindung zum Gondelmeister der LUCVAIT her. Kuzesen musste Bescheid wissen und im Notfall die Verantwortung übernehmen über das, was auch immer in diesen Augenblicken geschah.
Ponontior hingegen kümmerte sich um den Transmitter.
Und er traute seinen Augen nicht. Im Empfangsfeld materialisierte nicht etwa eine strahlengesicherte Transportkapsel, sondern ein Passagier ohne Schutz.
Das war Irrsinn! Kein Lebewesen konnte die Reise lebend oder zumindest unverletzt überstehen! Die unkontrollierte Hyperstrahlung – eine Folge der unvollkommenen Sonnenzapfung für die Energieversorgung – griff jeden Organismus an oder zerstörte ihn.
Dennoch hatte jemand genau das getan.
Eine Gestalt, ein ungeschützter Passagier, taumelte aus dem Transmitter.
Es war ein Bleich-Lare oder Shetorner, wenn sich Ponontior nicht sehr täuschte; er hatte neulich einige Vertreter dieses Volkes gesehen.
Der Mann stand in Flammen. Doch während es für einen Lucbarni eine Wohltat war, im Schutz seines Spocoon-Mantels lodernde Feuer zu betreten, stellte es für diesen Mann die reine Qual dar. Seine Augen waren weit aufgerissen. Die Wimpern brannten. Er hob die Hände vors Gesicht, wankte etliche Schritte vom Empfangsfeld weg, knickte ein, fiel auf die Knie. Flammen, rot und blau, tanzten auf ihm.
Ponontior bemerkte jetzt erst, dass sich seine Beine bis zu den Füßen in den Spocoon-Panzer zurückzogen; eine instinktive Schutzreaktion. Seine Körpergröße schrumpfte dadurch, er konnte kaum hinter der Konsole hervorsehen.
Der Ankömmling brannte nicht mehr – genauer gesagt hatte er nie gebrannt. Ponontior erkannte es erst im Nachhinein. Es war kein echtes Feuer gewesen ... sondern etwas Schlimmeres. Normale Flammen hätten diesen Mann nicht derart zurichten können.
Ein Teil seiner Haare war verschmort. Die Gesichtshaut warf Blasen. Er hatte in einer Aureole aus zerstörerischer, abgeleiteter Hyperenergie seine Reise beendet. Vielleicht hatten die Gewalten sein Blut kochen lassen oder seine Organe geschmolzen. Ein letztes, hyperenergetisches Elmsfeuer floss über seine Beine.
Eines stand fest: Dies konnte kein Angreifer sein. Niemals wäre er in diesem Fall so dumm gewesen, ungeschützt eine Transmitterreise zur Flammengondel anzutreten. Also musste genau das Gegenteil der Fall sein – dieser Fremde war vor etwas geflohen. Vielleicht hatte er sich blindlings in das Transportsystem gestürzt, womöglich hatte er auch ganz gezielt die LUCVAIT angewählt.
Doch was konnte so entsetzlich sein, dass jemand lieber einen qualvollen, tödlichen Fluchtweg wählte, als sich ihm auszusetzen?
Wie dem auch sei, es bedeutete zweierlei.
Zum einen brauchte der Fremde Hilfe und medizinischen Beistand – sofort.
Und zum anderen wurde er womöglich gejagt, was hieß, dass die wahre Bedrohung folgen könnte.
»Wir brauchen Wachen!«, rief Ponontior.
Zugleich wurde ihm klar, dass es nur einen Schutz gab: Er musste den Transmitter völlig abtrennen, das Notfallprotokoll für den Katastrophenfall befolgen. Ohne ausdrücklichen Befehl durfte er das allerdings nicht – und ohne Unterstützung durch Mahgoriot konnte er es nicht.
»Fordere Bewaffnete an!«, befahl er seinem Kollegen. »Und ruf einen Mediker für den Fremden! Danach komm zu mir an die Hauptstation.«
»Was hast du vor?«
»Sofort! Los!« Es blieb weder Zeit zum Überlegen noch zum Diskutieren.
Zu seiner Erleichterung gehorchte Mahgoriot, ohne Widerworte zu geben oder seine Befehlsgewalt anzuzweifeln. Er fuhr beim Näherkommen seinen Hals weit aus, reckte ihm den kleinen Kopf entgegen. Die Augen weiteten sich; offenbar begriff er, worauf Ponontior hinauswollte. Jedenfalls streckte er seinen Brustarm aus, bereit, Befehle in die Station zu tasten.
»Wir trennen die Anlage vollständig vom Netz«, sagte Ponontior.
»Bist du dir ...«
»Ich bin mir sicher!« Bei allen Flammenschauern und bei sämtlichen eisigen Welten des Todes, er war sich sicher! Vielleicht erwies es sich im Nachhinein als unnötig, aber ebenso konnte es sein, dass sie durch diesen radikalen Schritt die LUCVAIT vor dem Untergang retteten. Eine Invasion unbekannter Angreifer konnte grauenvolle Folgen nach sich ziehen.
Ponontior gab seinen Autorisierungskode ein und programmierte die völlige Abtrennung der Transmitteranlage – der Befehl würde der Technologie nicht nur jegliche Energiezufuhr sperren, sondern auch Leitungen physisch kappen.
»Die Ausführung ist nicht möglich«, teilte die Hauptpositronik der Flammengondel mit. »Eine weitere Autorisierung durch den zweiten diensthabenden Techniker ist ...« Die Stimme brach ab, als Mahgoriot seinen Brustarm vor das Scanfeld hielt und zugleich seinen Kode nannte. »Bestätigung erfolgt. Der Transmitter wird abgetrennt.«
Bei diesem radikalen Vorgehen waren Schäden unvermeidlich und einkalkuliert. Manche Aggregate würden völlig neu programmiert werden müssen. Verbindungskabel sprengten sich ab. Der Lärm kleiner Explosionen hallte wie Stakkatobeschuss durch den Raum.
Der Zugang zum Transmitterraum öffnete sich.
Demjenigen, der als Erster hineinwollte, ging es offenbar nicht schnell genug. Der Lucbarni schob das Schott beiseite und drängte sich hindurch, dass der Spocoon-Mantel rechts und links anstieß und knirschend über das Metall schrammte.
Dieses für den Gondelmeister Kuzesen ungewöhnlich rabiate Vorpreschen überraschte Ponontior kaum; er hatte ihm einen guten Grund geliefert, die sonst übliche Beherrschung zu verlieren.
»Was geht hier vor?« Auf Kuzesens langem Hals drehte sich der kleine Kopf nach rechts, fast völlig im Kreis. Er trippelte nach, bis er sich einen kompletten Überblick verschafft hatte.
Im Transmitter erlosch jegliche Aktivität, die gesamte Technologie erstarb. Der Fremde, der Bleich-Lare, der auf diese ungewöhnliche Art die Flammengondel erreicht hatte, lag am Boden. Das letzte energetische Leuchten auf seinem Körper verpuffte. Die Luft stank nach Rauch und verbranntem Fleisch.
Weitere Lucbarni eilten in den Raum, unter ihnen Gorzuan, der oberste Flammensalber.
»Mediker ...«, kam es aus dem Mund des Fremden. Ponontior wusste, dass die Laren und auch die meisten anderen Völker so ihre Flammensalber nannten.
»Ich bin da«, erklärte Gorzuan, während er neben seinem Patienten niederging, indem er die Beine in den Körperpanzer einzog. Er bog den Hals nach vorn, brachte sein Gesicht vor das seines Patienten.
Ponontior nahm den anderen in diesem Augenblick auch zum ersten Mal genauer wahr. Er hatte sich getäuscht. Dieser Fremde war kein Bleich-Lare, obwohl er einem solchen sehr ähnelte. Ein Wesen wie dieses hatte er nie zuvor gesehen.
»Ich werde dir helfen«, sagte der Flammensalber. Seine Greiffinger tasteten über das Gesicht seines Patienten, so sanft, dass es fast aussah, als würde er es streicheln oder liebkosen. »Welchem Volk gehörst du an? Wie ist dein Name?«
»Rhodan«, ächzte der Fremde. »Ich bin Perry Rhodan.«
Anflug
Reginald Bull hob einen Finger an die Lippen. Sein Blick ging ins Leere.
Gucky grinste. »Na, lauschst du der Stimme in deinem Kopf? Was erzählt sie dir für Geschichten?«
Bull schloss die Augen, schwieg einige Sekunden, konzentrierte sich. »Dir ist klar, wie das klingt?«
»Aber sicher doch!«
»Die Stimme kommt aus einem Funkempfänger und ist sehr real, sodass ...«
»Weiß ich, Großer«, versicherte der Mausbiber. »Also, was gibt's Neues?«
»Wir sind am Ziel.«
Gucky zeigte seinen Nagezahn. »Wurde auch Zeit, Herr Kommandant-der-Mission. Der Flug war langweilig.«
»Er ist grade mal vier Stunden her, dass wir von Vi aufgebrochen sind«, sagte Bull einigermaßen verblüfft. »In dieser Zeit konnten wir ...«
»Fünf«, verbesserte Gucky. »Es waren satte fünf Stunden.«
»Wir haben seitdem mit den drei Lucbarni-Patienten gesprochen, ihre Geschichte gehört, etwas über ihre Kultur und ihre gemeinsamen Erlebnisse mit Perry erfahren, sie über die Flammengondel LUCVAIT ausgefragt und ...«
Der Mausbiber winkte lässig ab. »Ja, ja, weiß ich alles. Irgendwie sitzt mir die Zeit im Nacken – ich will endlich Perry finden oder wenigstens wieder aktiv seine Spur verfolgen.«
Das war alles andere als leicht: Gegen einen einzelnen Mann irgendwo in einer fremden Galaxis war die berühmte Nadel im Heuhaufen ein schlechter Witz. Sie waren mit der RAS TSCHUBAI in die Larengalaxis gereist, um Perry Rhodans Spuren zu folgen.
Der Freund hatte eine Nachricht hinterlassen, die sie auf die Welt der Vidriten geführt hatte. Dort waren sie auf drei Lucbarni gestoßen, die schwer verletzt mithilfe der medizinischen Möglichkeiten dieses Volkes gerade so am Leben gehalten werden konnten.
Von den Vidriten wiederum hatten sie erfahren, dass sich auf einer sogenannten Flammengondel namens LUCVAIT nicht nur Perry Rhodan aufgehalten hatte, sondern auch der Arkonide Gaumarol da Bostich. Sie waren mit zwei weiteren Reisebegleitern, dem Laren Voruder-Paac und dem Onryonen Gesspyr Hocctosser, unterwegs gewesen. Nur Rhodan war von dort aus zur Welt der Vidriten gereist, seine Begleiter waren in der Flammengondel zurückgeblieben.
Auf Vi wiederum war Rhodan entführt worden; seine Spur verlor sich dort. Dass sich Gaumarol da Bostich noch in der LUCVAIT aufhielt, war einigermaßen wahrscheinlich.
Während Gucky davon ausgegangen war, dass sie den Arkoniden dort abholen und an Bord der RAS TSCHUBAI bringen wollten, hatte Bull eine klare Ansage gemacht: Ja, sie konnten die LUCVAIT anfliegen und dort die drei Lucbarni übergeben. Ja, sie würden versuchen, in diesem Volk erste Verbündete in dieser Galaxis zu finden. Aber nein: Sie würden keinesfalls Bostich aufnehmen.
Reginald Bulls Meinung als Expeditionsleiter stand felsenfest – sie würden den Arkoniden zurücklassen. Bull hatte einige offizielle Gründe genannt, doch inoffiziell ging es ihm wohl um ganz andere Dinge. Etwa darum, dass ihn der Arkonide auf seinem skrupellosen Weg zur Macht mit der infiniten Todesstrafe belegt und dadurch mehrfach hatte sterben lassen ...
Den Groll, den Bull seitdem auf Bostich hegte, hatten auch all die Jahre, in denen der Imperator sich in den Dienst des Galaktikums gestellt hatte, nicht vollends zuschütten können. Und nun die Vorstellung, den Arkoniden vor Perry zu retten, das war zu viel für Rhodans ältesten Freund.
Der Mausbiber schüttelte die schweren Gedanken ab und deutete über die Schulter, zur Tür der Medostation auf Deck zwölf. »Jedenfalls bin ich froh, dass wir angekommen sind. Unseren drei Patienten da drin wird es genauso gehen.«
Dort wurden die Lucbarni Osueo, Voanos und Venerayke medizinisch versorgt. Bis vor Kurzem hatten die Vidriten auf ihrer Heimatwelt versucht, die drei zu heilen. Da ihre Medizintechnologie ebenso wie ihre Erfahrung mit Fremdwesen mangelhaft war, gelang es ihnen allerdings lediglich, die Lucbarni trotz ihrer schweren Verletzungen am Leben zu erhalten.
Seit die Lucbarni in die RAS TSCHUBAI verlegt worden waren und der Chefmediker Matho Thoveno sie mithilfe der neusten Medotechnologie versorgte, ging es mit den Feuerleuten rapide bergauf.
Das Schiff hatte die Flammengondel erreicht, ein Habitat der Lucbarni, dessen genaue Lage ihnen die drei Patienten genannt hatten. Die RAS TSCHUBAI blieb vorerst im Schutz ihres Paros-Schattenschirms und tauchte gegenüber der LUCVAIT in den Ortungsschutz der kleinen roten Sonne, die den Namen Pondhur trug.
Von dort konnten sie zunächst beobachten und die Gesamtlage einschätzen.
Gucky spazierte mit seinem alten Freund Bully vor dem Eingang zur Medostation den Korridor auf und ab, weil Thoveno sie nach draußen geschickt hatte – um die Privatsphäre der Lucbarni während einer Untersuchung zu wahren.
––