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Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Prolog
1.
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3.
4.
5.
6.
7.
8.
Journal
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Kommentar
Glossar
Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Nr. 2770
Die Para-Paladine
Sie sind die Geheimwaffe des Neuen Tamaniums – die Mutanten von Apashem
Christian Montillon
Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt
Seit die Menschheit ins All aufgebrochen ist, hat sie eine wechselvolle Geschichte hinter sich: Längst sind die Terraner in ferne Sterneninseln vorgestoßen, wo sie auf raumfahrende Zivilisationen und auf die Spur kosmischer Mächte getroffen sind, die das Geschehen im Universum beeinflussen.
Mittlerweile schreiben wir das Jahr 1517 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ). Die Milchstraße steht weitgehend unter dem Einfluss des Atopischen Tribunals. Dessen Richter behaupten, nur sie könnten den Weltenbrand aufhalten, der sonst unweigerlich die Galaxis zerstören würde.
Während Perry Rhodan und die Besatzung des Fernraumschiffes RAS TSCHUBAI versuchen, in der fernen Galaxis Larhatoon wichtige Informationen über die Atopen zu sammeln, geht der Kampf in der Milchstraße in eine neue Etappe. Einerseits rüstet der Widerstand auf, andererseits werden auch die Unterstützer der Atopen immer stärker.
Prominentester Verbündeter des Tribunals ist Vetris-Molaud, Herrscher der Tefroder und selbst ernannter Nachfolger der Meister der Insel. Ihm zu Diensten sind die PARA-PALADINE ...
Vetris-Molaud – Der Maghan reist und kommt an.
Shanu Starcuut – Die Mutantenlehrerin lehrt und motiviert.
Guy Granduciel – Der Viktualien-Komponist kocht und spioniert.
Assan-Assoul – Der Starschüler demonstriert und erkennt.
Er litt wieder einmal unter einem tauben Tag.
Alle zeigten viel Verständnis, allen voran die legendäre Shanu Starcuut, aber Yaalon Tua wollte sich nicht damit abfinden. Er ärgerte sich darüber, mehr noch: Er schämte sich.
Die anderen Schüler sagten Dinge wie »Du bist kein Versager« und »Keiner weiß, warum du taube Tage hast« oder »Du kannst nichts dafür«. Sie hatten gut reden. Sie kannten derlei Aussetzer nicht. Ihre Mutantengaben funktionierten immer und zu jeder Zeit.
»Lasst mich in Ruhe!«, forderte Yaalon Tua deshalb. Er verlor die Nerven und herrschte ausgerechnet den überempfindlichen, ohnehin stets unruhigen und unsicheren Balgen Orgudd an.
Balgen zuckte zurück, und plötzlich war sein Stuhl leer. Der junge Mann erschien in einiger Entfernung wieder, diesmal hatte er satte neun Meter geschafft, obwohl er gar nicht hatte springen wollen. Vielleicht war dies sein persönlicher Rekord, aber es war trotzdem dumm gelaufen, weil er direkt über dem Schwimmbecken materialisiert war: Es platschte, als Balgen in voller Kleidung hineinfiel und mit den Armen rudernd untertauchte.
An diesem Tag lernte Balgen Orgudd notgedrungen zu schwimmen.
Shanu Starcuut lachte, als sie es hörte. Ein seltener Anblick.
»Auch eine Art, seine Angst zu überwinden.«
Alles in allem ein ganz normaler Tag in der Mutantenschule von Apashem.
Ein feuriges Willkommen
22. März 1517 NGZ
Maghan Vetris-Molaud war guter Dinge.
Alles entwickelte sich bestens. Natürlich gab es die üblichen Probleme.
Etwa machten Gerüchte einer neuen radikalen Terroristengruppe die Runde, über deren eigentliche Ziele sein Geheimdienst bislang nichts sagen konnte. Die Gläserne Insel steckte in ihren Ermittlungen fest.
Auch das Atopische Tribunal, so wertvoll es als Bündnispartner sein mochte, verfolgte etliche undurchsichtige Ziele – und jene, die durchsichtig waren, vermochte Vetris nicht immer gutzuheißen. Manchmal sprach er es offen aus, zu anderen Zeiten, wenn die Klugheit es so gebot, schwieg er.
All das sind Kleinigkeiten, dachte Vetris, während sein Flaggschiff zur Landung ansetzte. Zweifellos warteten dort unten längst Horden von Reportern und Aufzeichnungsdrohnen. Immerhin kehrte die VOHRATA samt des Herrschers aller Tefroder nicht jeden Tag nach Hause zurück. Sie standen bereit, ihren Maghan wie einen Helden zu empfangen.
Vetris war lange nicht auf Tefor gewesen; zu lange, wenn es nach ihm ging. Aber leider konnte er über seinen Aufenthaltsort nicht immer frei entscheiden. Dies waren aufregende Zeiten, die viele Reisen erforderten. Gute Zeiten, überdies.
Auf ihn und damit auf das Neue Tamanium der Tefroder, auf die glorreiche Zukunft seines Volkes, wartete der nächste große Schritt. Nach langen Wochen der Vorbereitung war die arkonidische Sternenbaronie Phan endlich reif.
Die Vertragsunterzeichnung stand unmittelbar bevor. Die Baronie wollte offiziell dem Tamanium beitreten. Damit begab sich die erste nicht-tefrodische Sternenmacht unter Vetris' Schutz und Herrschaft.
Welch ein Triumph! Welch ein Sieg der Vernunft!
Das Debakel und die ... ungünstigen Umstände während der Messingspiele auf Phanwaner spielten dabei keine geringe Rolle. Die Katastrophe auf der Hauptwelt der Phanarkoniden hatte Vetris hinter den Kulissen sehr genau orchestriert: ein Plan, der wunderbare Früchte brachte.
Politik, eben. Sie war herrlich, wenn sie funktionierte, und im Spiel der Mächtigen bestand nur, wer klug genug war, die Zeichen der Zeit zu erkennen und danach zu handeln. Wie konnte man nur so dumm sein, die Möglichkeiten, die das Atopische Tribunal boten, nicht auszunutzen? Wie konnte man sich von schwachen, falschen Moralvorstellungen in den Untergang ziehen lassen?
Der Erste Pilot der VOHRATA kündigte an, dass die Landung auf dem Raumhafen Ospar-Grün, dem Flottenhafen von Tefor, unmittelbar bevorstand.
Vetris rief in einem Holo die Nachrichten auf, die Reporter von diesem Ereignis von unten aufzeichneten und ins ganze Tamanium und darüber hinaus sendeten.
Es waren die Bilder eines zufriedenen Volkes, das seinem Herrscher entgegenjubelte, der sie zu neuer Stärke und Bedeutung in der Galaxis führte ... auf dem Weg zur Größe, die die Tefroder einst gehabt hatten und die sie immer noch verdienten.
Die größte Reichweite besaß aktuell die Sendung des offiziellen tefrodischen Sorgfaltsministeriums – der Propagandamaschinerie, wie Vetris' Kritiker gerne spotteten.
Die Bilder zeigten eine beeindruckende Aufnahme der VOHRATA, wie sie sich im strahlenden Sonnenlicht dem Raumhafen entgegensenkte – langsam, beinahe sachte.
Ein interessanter Aufnahmewinkel, das musste der Maghan zugeben; sein Flaggschiff wirkte imposant und eindrucksvoll, fast wie ein Kunstwerk, aber nicht bedrohlich. Die VOHRATA war ein 2000-Meter-Kugelgigant der NEBERU-Klasse, eine gewaltige Masse aus Stahl und Metall. Die Aufnahme hätte ebenso den Eindruck erwecken können, dass sich ein tödlicher Schatten herabsenkte, um alles unter sich zu begraben.
Garjen-Ceria tauchte im Holo auf, so eingeblendet, als würde er direkt vor dem gigantischen Schiff schweben und mit ihm dem Planeten entgegensinken. Er war der aktuelle Sprecher des Sorgfaltsministeriums, eines der wichtigsten Gesichter des Tamaniums in seiner Außendarstellung.
Nach dem perfiden Attentat, dem Vetris vor über zwei Jahren beinahe zum Opfer gefallen wäre und welches das Leben seines ungeborenen Kindes gekostet hatte, hatte der Maghan den tefrodischen Widerstand zerschlagen. Die damalige Sorgfaltsministerin Ashya Thosso, eine langjährige Begleiterin seines Aufstiegs, hatte sich als treibende Kraft hinter der Widerstandsbewegung erwiesen; Oc Shozdor als Leiter des Geheimdienstes hatte nach und nach sämtliche verantwortungsvollen Posten personell ersetzen lassen.
Garjen-Ceria war als Gesicht nach außen ideal: Ein Mann, der trotz widriger Umstände das Tamanium und den Maghan glühend verehrte. Als ehemals hochdotierter Militär war er als Einziger einem Kriegsschiff entkommen, das während der Konflikte um den Polyporthof ITHAFOR in einen Hypersturm geraten und darin zerrieben worden war. Schwer verletzt hatten Rettungskräfte ihn erst nach Tagen in einer Raumkapsel gefunden, ohne sein rechtes Bein. Er hatte es nicht durch eine Prothese ersetzen lassen, sondern ging mithilfe eines mechanischen Stützskeletts.
»Der Maghan kehrt nicht allein ins Zentrum der Macht zurück«, kommentierte Garjen-Ceria die Bilder der landenden VOHRATA. »Mit ihm und seinem Flaggschiff landet ein hoher Gast, den die Regierung mit allen Ehren willkommen heißt.
An Bord der GOTHOR DA PHAN reist Niaben da Thoctar, die frisch ernannte Baronin der arkonidischen Sternenbaronie Phan. Im Namen sämtlicher Tefroder wird Vetris-Molaud sie und ihr Volk herzlich im Tamanium begrüßen – das erste nicht-tefrodische Sternenreich, das sich uns anschließt und sich unter den Schutz und die Fürsorge des Maghan stellt. Ein bedeutendes Zeichen, eine wichtige Stunde für jeden Tefroder ... und für die gesamte Galaxis!«
Vetris wischte mit einer Handbewegung diese Nachrichtenmeldungen beiseite, gerade als die GOTHOR DA PHAN ins Bild kam, ein Superschlachtschiff der PHA-4-Klasse, mit 1500 Metern merklich kleiner als die VOHRATA, aber immer noch hinreichend imposant. Niaben da Thoctar wusste, was sich in einer Situation wie dieser gehörte – Stärke zeigen, aber nicht zu viel.
Nun brachte das Holo den Bericht eines unabhängigen Senders – offenbar terranischer Herkunft. »Es ist nicht unumstritten, was in diesen Stunden geschehen soll«, sagte eine Terranerin mit kurzem, rostrotem Haar und einer überaus hässlichen, schwarzen Kutte, die an ein Mönchsgewand erinnerte. Neben ihrem fast ausgezehrten Gesicht flog eine faustgroße Aufnahmedrohne. »Es gehen Gerüchte, dass der Beitritt der Phanarkoniden nicht aus völlig freien Stücken geschieht. Was ist wirklich geschehen auf Phanwaner, während der Messingspiele, die ein so abruptes, so katastrophales Ende genommen haben?«
Vetris verzog verächtlich das Gesicht. Eine kritische und hinterfragende Darstellung. Typisch Terraner. Ein zentral gesteuertes Sorgfaltsministerium täte ihnen gut.
Ob er Oc Shozdor, dem Chef seines Geheimdienstes, Anweisung geben sollte, auf diese Reporterin ein besonderes Auge zu haben? Schließlich benötigte jede vom Tamanium großzügig gewährte Freiheit Grenzen, ehe diese zur Anarchie ausartete.
Immerhin zeigte dieser terranische Bericht ein interessantes Bild: Die VOHRATA und die GOTHOR DA PHAN setzten nebeneinander und fast synchron auf dem sonst geräumten Raumhafen auf; zwei gigantische Kugelschiffe, Berge aus Metall, höher als so manches natürliche Gebirge. Bei schnellem Flug durch die Atmosphäre hätte ihre schiere Masse zerstörerische Orkane hervorgerufen; bei einem Absturz ins Meer würden sie vernichtende Flutwellen auslösen.
Die VOHRATA maß volle zwei Kilometer, das Schiff der Phanarkoniden 500 Meter weniger – und die GOTHOR DA PHAN stand wortwörtlich im Schatten von Vetris-Molauds Flaggschiff.
Ein wundervoller Zufall!
Aber nein ... zweifellos hatte der neue Sorgfaltsminister Baios Corm es exakt so arrangiert. Er war ein guter Mann. Nicht so perfekt wie seine Vorgängerin bis zu ihrem niederträchtigen Verrat ... aber immerhin.
*
Eine kleine interne Schwebeplattform für den Verkehr innerhalb der VOHRATA brachte Vetris-Molaud von der Zentrale zu jener Schleuse, durch die er sein Flaggschiff verlassen wollte.
Dort stand die Sorda-Kutsche bereit, in der er Niaben da Thoctar, die Phanarkonidin mit dem asymmetrischen Gesicht, in seiner Heimat willkommen heißen würde. Im Grunde genommen war die Kutsche ein unpraktisches Gefährt, dennoch Baios Corm hatte ihren Einsatz wärmstens empfohlen. Seiner Auffassung nach erinnerte es die Baronin und alle Zuschauer zweifellos an alten arkonidischen Adelsglanz; ein Zeichen des Respekts gegen das neue Mitgliedsvolk des Tamaniums.
Der Anblick weckte in Vetris eine ganz andere Assoziation – die an ein altterranisches Pferdegespann, wie es Perry Rhodans Urgroßeltern besessen hatten. Zumindest, wenn man der nicht unumstrittenen cheborparnischen Terranologie glaubte, die Rhodans Vorfahren angeblich bis ins neunzehnte Glied zurückverfolgte. Der Maghan hielt deren Werke eher für zusammenfabuliert als für wissenschaftlich belegbar, aber er hatte die prächtig bebilderten Dokumentationen im Zuge seiner eigenen Studien über das Leben des Terraners mit großem Vergnügen gelesen.
Der tief liegende, goldbeschlagene Kutschenraum bot Raum für sechs Personen, doch sie wollten nur zu viert darin zur Hauptstadt Apsuma reisen.
Vetris wählte den Schmerzensteleporter Lan Meota als seine Begleitung aus. Nach Satafars Tod auf Phanwaner war Meota der letzte Überlebende der vier Eroberer und damit momentan das einzige offizielle Mitglied des tefrodischen Mutantenkorps; doch das sollte sich bald ändern.
Wer mit Niaben da Thoctar anreiste, blieb ihr überlassen. Der Maghan würde sich überraschen lassen. Wahrscheinlich wusste Oc Shozdor es bereits und hätte Vetris gewarnt, falls nur der geringste Verdacht bestünde, dass Gefahr drohte.
Ohnehin war der gesamte Raumhafen mehrfach gesichert und die Kutsche keineswegs so wehrlos, wie sie aussah. Wer einen Angriff auf sie startete, sah sich einigen unerwarteten Widerständen entgegen.
Die Sorda-Kutsche hing in sechs seitlich hoch aufragenden Rädern, wurde jedoch nicht von diverser Technologie angetrieben, sondern von vier Ioscaren gezogen. Die blauschwarzen Reittiere waren ein wenig größer als ein durchschnittlicher Tefroder. Auf dem vorderen Leittier saß die Dirigentin der Kutsche, eine schlanke Soldatin mit hellen Haaren und fast ätherisch blasser Haut.
Vetris-Molaud stieg in den Passagierraum.
Lan Meota wartete bereits. »Maghan«, nannte er Vetris' Ehrentitel. Der Schmerzensteleporter war ein unscheinbarer Mann, der eine schlichte Uniform trug. Darauf gab es unterhalb der linken Schulter nur ein einziges Rangabzeichen – eine Miniatur des Symbols, das Vetris zum Emblem des Tamaniums erhoben hatte: ein scharlachrotes Band, das zwei goldene Galaxien verband.
Der tefrodische Herrscher setzte sich. »Hat sich an deinem Programm etwas geändert?«
»Alles beim Alten«, erklärte Lan Meota. »Doch ehe ich aufbreche, begleite ich dich und Niaben da Thoctar bis zum Stern von Apsuma. Im Regierungssitz wirst du sicher sein.«
»Genau wie vorher«, gab sich Vetris überzeugt. »Ich brauche deinen Schutz nicht.«
»Möchtest du, dass ich dich verlasse und die Mutantenschule aufsuche?«
Vetris winkte ab. »Begleite uns! Niaben da Thoctar mag nützlich sein, aber hin und wieder langweilt sie mich.«
Er gab den Befehl zum Aufbruch, und die Dirigentin leitete die Reittiere zu einem Antigravstrahl, der sie und das ganze Gefährt ergriff.
Sie schleusten aus und sanken zu Boden. Noch während des Transports sammelten sich einige Zehn-Meter-Wachgleiter hinter der Kutsche, die nur einen winzigen Punkt vor dem gigantischen Rund der Schiffshülle bildete. In einer Gesamtaufnahme der VOHRATA wären sie alle nicht mehr als Ameisen.
Die Gleiter setzten auf, standen auf der Seite seines Flaggschiffs, das im hellen Sonnenlicht lag. Ein Heer von Aufnahmedrohnen schwirrte heran, außerdem eine Handvoll Reporter, die sich die Erlaubnis erkämpft hatten, so dicht an die gelandeten Raumer – an ihn – herankommen zu dürfen.
Vetris winkte gönnerhaft aus der Kutsche. Die Tiere trabten los. Der Weg um die VOHRATA nahm einige Zeit in Anspruch – ein genau bemessenes Spektakel für die Medien.
Im Schatten des 2000-Meter-Giganten konnten sie bald auf die GOTHOR DA PHAN blicken. Die Delegation der Phanarkoniden stieg aus; auf halber Höhe des Schiffes waren sie kaum zu erkennen. Vetris wies die verborgene Positronik der Kutsche an, ein Bild in den Passagierraum zu projizieren.
So sah er, dass an der Spitze der Abordnung – wie nicht anders erwartet – Niaben da Thoctar in die Tiefe sank. Der Maghan hatte sie bereits einige Male getroffen und sich an ihr asymmetrisches Gesicht gewöhnt.
Achtete man nicht darauf, war sie zwar keine Schönheit im klassischen Sinn, aber durchaus eine auf ihre Art attraktive Frau, die einen positiven ersten Eindruck hinterließ. Ihren jüngsten politischen Erfolg und die Ernennung zur Anführerin ihrer Sternenbaronie verdankte sie nicht zuletzt der Zusammenarbeit mit Vetris-Molaud.
Den Mann direkt hinter – über – ihr erkannte der Maghan ebenfalls; dies war der Erste Admiral und Heimatflottenchef der Phanarkoniden, Toshtor da Asdhall, ein besonnener Mann mit jahrzehntelanger Erfahrung. Ihm folgten einige hochdekorierte Soldaten. Sie waren unwichtig, bloßes Beiwerk.
Als die Delegation aufsetzte, feuerte eines der Bordgeschütze der GOTHOR DA PHAN.
*
Der breit gefächerte Strahlerschuss aus einer Bordkanone des phanarkonidischen Schiffes blitzte, und über der Gesandtschaft flirrte ein bis dahin unsichtbarer Schutzschirm. Irrlichternde Überschlagsblitze leiteten die tosenden Energien ab.
Die Individualschirme der Delegation flammten auf: Niaben da Thoctar und Toshtor da Asdhall jagten zuerst mit ihren Flugaggregaten los; so schnell, dass es sich um ein positronisch gesteuertes Fluchtmanöver handeln musste. Die anderen folgten mit vergleichbaren Manövern.
Die folgenden, heftigen Attacken aus dem Bordgeschütz der GOTHOR DA PHAN ließen den übergreifenden Schutzschirm platzen; nur noch die Individualschirme boten den Fliehenden Schutz.
Für einen der Soldaten war es allerdings bereits zu spät: Sein Schirm kollabierte, die zerstörerischen Gewalten drangen durch. Einen Augenblick glühten seine Umrisse auf, dann war er nicht mehr als eine Wolke unverbundener Atome.
Seit dem ersten Schuss waren nur wenige Sekunden vergangen. Die Schutzvorkehrungen des Raumhafens griffen. Die GOTHOR DA PHAN wurde als Ganzes unter einem Schirm isoliert.
Vetris begriff augenblicklich, dass diese Sicherheitsroutine für Baronin da Thoctar und ihre verbliebenen Begleiter zum Verhängnis zu werden drohte. Immerhin kam der Angriff auf sie nicht von außen, sondern aus dem eigenen Schiff. Die Isolation sperrte sie mit den Attentätern zusammen!
Der Maghan befahl über Funk, den Flüchtenden sofort eine Strukturlücke zu schalten. Niaben da Thoctar und ihre Begleiter rasten auf den Energieschirm zu. Noch Sekunden, und sie würden damit kollidieren und im besten Fall zurückgeschleudert werden.
Über dem Raumhafen jagten tefrodische Kampfroboter heran.
Alarm heulte.
»Verbindung zur GOTHOR!«, befahl Vetris per Funk. Er blieb ruhig, behielt die Nerven. In einer Situation wie dieser hieß es, kühl zu handeln und die Verantwortlichen zu stellen, ehe echter Schaden entstand.
Über die Hintergründe dieses Attentats konnte man sich hinterher Gedanken machen, wobei es für Vetris auf der Hand lag. Niaben da Thoctar sollte von ihren eigenen Leuten ausgeschaltet werden – ein Protest der Phanarkoniden gegen die Politik der neuen Baronin, sich dem Tamanium der Tefroder zu unterstellen.
Derweil bewiesen die Mitglieder der Delegation, dass ihre Flucht tatsächlich positronisch gesteuert wurde. Sie stoppten so abrupt vor dem Schutzschirm, dass es sie trotz ihrer Schutzanzüge hart treffen musste. Kein Andruckabsorber konnte eine so radikale Bewegung ausgleichen. Zugleich feuerten sie auf den Schirm – und waren wohl verblüfft, als vor ihnen die von Vetris geforderte Strukturlücke geschaltet wurde.
Der nächste Schuss aus dem Bordgeschütz traf nur noch die Fläche des Raumhafens, der in die Breite verdampfte. Unter der tragenden Beton- und Stahlschicht kam Erdreich zum Vorschein. Am Rand des zerstörten Bereichs brach der Boden über darunterliegenden Tiefgeschossen ein.
Gleichzeitig erhielt Vetris Funkverbindung zur Zentrale des phanarkonidischen Schiffes. »Feuer sofort einstellen!«, verlangte er mit kalter Stimme. »Ein robotisches Enterkommando ist bereits unterwegs. Notfalls werden wir die GOTHOR zerstören.«
Und dabei einen gewaltigen Kollateralschaden anrichten, dachte er. Einen solchen Giganten auf einem Raumhafen zu vernichten, musste katastrophal sein, egal wie stark die Schirme waren, die das Schiff von seiner Umgebung isolierten.
»Hier Farigh da Tarogkon, Stellvertreter von Toshtor da Asdhall als Kommandant der GOTHOR DA PHAN«, antwortete ihm eine gehetzte Stimme. »Ich versichere, dass es sich bei diesem Angriff nicht um einen offiziellen Akt der Schiffsführung handelt. Es müssen sich Rebellen an Bord aufhalten, die sich eines unserer Geschütze bemächtigt haben. Ich lasse den entsprechenden Bereich bereits stürmen und unter Kontrolle bringen. Ich sichere der Raumhafenverwaltung und ihren Sicherheitskräften hiermit jegliche Unterstützung zu!«
»In diesem Fall lass die Kampfroboter ein und außerdem eine Einheit meiner Soldaten«, verlangte Vetris. »Ich übergebe das Kommando an die Truppen des Raumhafens. Wenn du nicht völlig kooperierst, werden wir das als kriegerische Handlung auslegen, mit allen Konsequenzen.«
»Ich versichere noch einmal, dass die ...«
Vetris-Molaud kappte die Verbindung. Sollte sich die Raumhafenleitung darum kümmern.
Lan Meota neigte sich dem Maghan zu. »Ich könnte in das Schiff springen und dort ...«
»Nicht nötig!«, unterbrach Vetris. »Ich glaube diesem da Tarogkon. Die Situation wird rasch unter Kontrolle sein. Hauptsache, Niaben da Thoctar ist in Sicherheit, und das scheint der Fall zu sein. Wir brauchen sie als Symbolfigur des Beitritts der Phanarkoniden.«
Die Baronin und der Rest ihrer Begleiter standen inzwischen außerhalb des Isolierschirms um die GOTHOR DA PHAN, und tefrodische Kampfroboter umringten sie. Ein mobiler Schirmfeldprojektor unterhalb des Landefeldes erzeugte ein zusätzliches Schutzfeld.
»Für die Reporter ist das ein gefundenes Fressen«, sagte Lan Meota.
»Das mag sein«, gab Vetris zu. »Aber glaub mir, ich kenne mich mit Attentaten aus. Dieses hier war schlecht geplant. Wir werden die Unfähigkeit unserer Gegner ausnutzen und beweisen, dass nur die Dummen und Schwachen Widerstand leisten.«
Er wandte sich an die Dirigentin der Kutsche. »Bring uns zu Niaben da Thoctar! Wir haben einiges zu besprechen.«
Derweil,
in der Mutantenschule
»Wo ist Assan-Assoul?«, fragte Balgen Orgudd.
»Wieder mal verschwunden«, erklärte Ejery Vyndor, die sich neben ihm auf einer Liege räkelte, direkt vor dem Wasserbecken. Niemand schwamm darin und wurde von Shanu Starcuut zu irgendwelchen hanebüchenen körperlichen oder parapsychischen Höchstleistungen getrieben. Es war friedlich und still. Selten genug in der Trainingshalle oder überhaupt in Apashem.
»Assan ist sich wohl zu fein für uns«, meinte Balgen, was Ejery zum Grinsen brachte. Das gefiel ihm. Nicht, dass sie eine besondere Schönheit wäre mit ihrer Glatze, den rasierten Augenbrauen und den zu großen, ein wenig hervorquellenden Augen.
Aber erstens war sie ein Mädchen – eine junge Frau, hätte ihre Lehrerin zweifellos verbessert, wenn sie im Raum gewesen wäre. So gut sie darin war, Mutanten zu schulen und ihre Fähigkeiten zu trainieren, so revolutionär ihre Methode auch sein mochte, so pingelig und klugscheißerisch war sie im allgemeinen Umgang.
Zweitens war Ejery in Balgens Alter; nur eine Woche Unterschied, obwohl sie merklich jünger als neunzehn wirkte und sich auch so verhielt.
Drittens war sie eine Mutantin. Damit waren die Minimalvoraussetzungen erfüllt. Reiche Auswahl stand Balgen sonst ja nicht gerade zur Verfügung, solange er die Mutantenschule kaum einmal verlassen konnte.
Also überlegte er, ob er seine zugegebenermaßen schüchternen Annäherungsversuche endlich ein wenig intensiver gestalten sollte. Dass Ejery wie immer in der Schwimmhalle nackt war und sich keine Mühe gab, ihre leider eher knabenhaft dürre Blöße zu bedecken, reizte ihn ohnehin.
Vielleicht, dachte er, legt sie es ja sogar darauf an. Eigentlich wurde es höchste Zeit, mal wieder ...