Anmerkung des Übersetzers: A.T.S. = Auxiliary Territorial Service: während des Zweiten Weltkriegs der weibliche Zweig der britischen Armee
T. Judt: Postwar. A History of Europe Since 1945. London 2005. p. 61f.
Anmerkung des Übersetzers: E.N.S.A. = Entertainments National Service Association, die britische Truppenbetreuung mit Unterhaltungsprogrammen
Anmerkung des Übersetzers: NAAFI = Navy, Army and Air Force Institutes, eine Organisation, die britische Streitkräfte und ihre Angehörigen mit Waren des täglichen Bedarfs versorgt.
T. Judt, Postwar: A History of Europe Since 1945 (London, 2005), pp. 61–2.
Im März 2013 besuchte ich den Schriftsteller Christian Kracht in Oberitalien zum Anlass der Veröffentlichung der italienischen Übersetzung seines Romans „Imperium“.
Weil Christian Kracht nicht nur ein geschätzter Autor, sondern ebenso ein origineller und gebildeter Leser internationaler Literatur ist, sind Besuche bei ihm für mich auch immer beste Gelegenheiten für Entdeckungen sowie für überraschende und erhellende Gespräche über Bücher. Bei diesem Besuch fiel mir durch Zufall auf dem Nachttisch im Gästezimmer ein kleinformatiger, burgunderroter Pappband ins Auge, der den Titel „Instructions for British Servicemen in Germany/1944“ trug und dessen Inhalt mich augenblicklich faszinierte: ein Leitfaden in Buchform für britische Soldaten, die damals als Teil der alliierten Streitkräfte gegen das nationalsozialistische Deutschland kämpften und nach der sich abzeichnenden Eroberung deutscher Gebiete zu Besatzungssoldaten werden würden.
Der Ausgang des Zweiten Weltkriegs, die vollständige Niederlage der Hitler-Armee zeichnete sich klar ab und war nur noch eine Frage der Zeit. Das Deutsche Reich stand vor dem Zusammenbruch, der spätere Kalte Krieg, in dem das Nachkriegsdeutschland zum Partner der Westmächte gegen die Sowjetunion werden sollte, war noch nicht abzusehen.
In diesem historischen Moment gab das britische Außenministerium den oft noch blutjungen Soldaten mit diesem Handbuch Kenntnisse und Regeln an die Hand, mittels derer sich diese im feindlichen deutschen Gebiet orientieren sollten. Das Beeindruckende dieser Handreichungen ist nicht nur das Bild, das hier in knappen Strichen von deutscher Geschichte und Gegenwart, von deutscher Kultur und von den Eigenschaften der Menschen gezeichnet wird, auf die man demnächst treffen wird. Das Spektakuläre dieses kleinen Büchleins – da war ich mir mit Christian Kracht einig – ist der Geist, der aus ihm spricht, die unglaubliche demokratische Zivilisiertheit, mit der die britische Regierung selbst in diesem historischen Moment, selbst angesichts des Grauens, das Deutschland in die Welt getragen hatte, auf dieses Land und seine Bewohner schaut: mit Augenmaß, natürlich auch mit Vorsicht und Warnungen, aber vor allem mit demokratischem Selbstbewusstsein und selbstverständlicher Humanität, die jeden deutschen Leser auch heute noch beschämen wird.
Dieser Einblick in die manchmal auch kuriosen Vorstellungen des damaligen Kriegsgegners und Befreiers macht eine zweisprachige Ausgabe dieses Buchs für deutsche Leser zu einer (späten) Pflicht, der wir hiermit nachkommen.
Als mich letztens mein geschätzter Verleger Helge Malchow in der von mir bewohnten kleinen Pension in Oberitalien besuchte (Malchow ist aus unerfindlichen Gründen der festen Meinung, die Pension sei eine Privatwohnung, obwohl die Zimmertüren, wie in kleinen Hotels weltweit üblich, klar und deutlich mit Nummern versehen sind und jeden Morgen unten in der »sala comunale« ein bescheidenes Frühstücksbuffet angeboten wird), bat ich Giuseppe, den Besitzer der Pension, Helge Malchow einige Bücher auf den Nachttisch zu legen, in denen er blättern könne, sollte er nachts nicht gut schlafen. Darunter befand sich ein schmales rotes Bändchen, das Sie nun dank ihm in deutscher Übersetzung in den Händen halten. Es ist ein Brevier, in dem den britischen Soldaten, die nun kurz davor standen, das besiegte Deutschland zurückzuführen in die Zivilisation, ans Herz gelegt wird, wie sie sich den Deutschen gegenüber zu benehmen hätten – vor allem mit Anständigkeit: „Be smart, be firm, be fair“. Jedenfalls erschien Helge Malchow weder zum Frühstück, noch zum verabredeten gemeinsamen Morgenbesuch der kleinen Kirche San Felice zur Betrachtung der erstaunlichen Fresken von Giotto. Erst am späten Nachmittag traf ich ihn zufällig wieder (vor einer Pizzeria in Bahnhofsnähe stehend), das Büchlein in der Hand, die Finger als Platzhalter hineingeschoben, Sätze daraus frei deklamierend, so auch diesen: „The Germans are not good at controlling their feelings. They have a streak of hysteria. You will find that Germans may often fly into a passion if some little thing goes wrong.“
März 2014