Claudia Dahinden
Hier will ich bleiben
Eine Wort- und Tonspur zum Ankerplatz unserer Seele
Auflage 1 / Mai 2014
© Claudia Dahinden, Dählenstrasse 9,
2540 Grenchen, http://claudiadahinden.com
Umschlaggestaltung: Hanna Schneider
Lektorat: Roland Nickel
Satz: Roland Nickel / Claudia Dahinden
Druck: Printzessin c/o Jordi AG, 3123 Belp
Verwendete Bibelübersetzung: Neue Zürcher Bibel 2007
Alle Rechte vorbehalten.
Inhalt
Inhalt
Auf den Weg
Sackgasse „Maskenspiel“
Sackgasse „Erwartungen“
Sackgasse der falschen Genügsamkeit
Sackgasse der falschen Stimmen
Sackgasse „Liebesjagd auf Wert-Krücken“
Sackgasse „Einsamer Wolf“
Sackgasse „Mehr von allem“
Sackgasse „Böser, schlechter Vater“
Sackgasse „Schuld und Sühne“
Sackgasse der falschen Rechtschaffenheit
Endstation „Wilder Friede“
Jeder kennt Momente, in denen die Zeit still steht und alles perfekt ist. Wir sind angekommen und wünschen uns nur eines: Dieser Augenblick soll nie vergehen.
Leider tut er es doch. Und so ziehen wir weiter und hoffen, irgendwann den einen Ort zu finden, an dem wir uns warm und gut fühlen, auch wenn es stürmt und schneit. Den Ankerplatz unserer Seele.
Wir trippeln, schreiten, rennen oder taumeln auf der Straße des Lebens dahin. Immer wieder treffen wir auf grell glänzende vermeintliche „Königswege“. Wir folgen ihnen, bis wir in einer Sackgasse stecken bleiben und feststellen müssen, dass sich hinter dem schönen Schein nur ein paar trügerische Luftspiegelungen verbergen. Viel Glitter, wenig dahinter. Zurück auf Start.
Was lockt uns in solche Sackgassen? Oft sind es Glaubenssätze und falsche Wertvorstellungen, die „man muss“ unserer Gesellschaft, die sich heimtückisch in uns eingenistet haben. Wir haben sie von unserem Umfeld gehört, gelernt und verinnerlicht.
Doch es sind Lügen, die sich wie Schatten vor das Licht schieben, in dem wir das Leben genießen könnten. Sie versperren uns den gesunden Blick auf uns selbst, auf die Welt und auf unsere Mitmenschen. Sie vergiften uns, machen uns schwach oder bitter, intolerant oder arrogant. Und manche sind so tief in uns verborgen, dass wir sie nicht erkennen, sondern nur erleiden.
Kennen Sie solche Lügen? Sie lauten: „Ich muss Erfolg haben“, „Ich muss attraktiv und beliebt sein“, „Ich darf mich nicht verletzbar machen“, „Ich bin allein und kann niemandem trauen.“
Wünschen Sie sich auch neue, befreiende Gedanken, die Sie aus dem Labyrinth trügerischer Hoffnungen herausführen und dem Ort näher bringen, an dem Sie einfach sein können?
Mit diesem kleinen Buch möchte ich Ihnen dafür einen Kompass mitgeben. Falls Sie die CD oder die digitalen Songs auch gekauft haben, können Sie sich das entsprechende Lied vorher anhören – aber keine Angst: Das Buch erfüllt seinen Zweck auch ganz allein.
Folgen Sie den Wort- und Tonspuren und lassen Sie sich ermutigen und herausfordern. Kommen Sie auf neue Gedanken über sich selbst, über die Welt – und darüber hinaus.
Was das „darüber hinaus“ betrifft: Die zwölf Songs sprechen vom Leben, aus dem Leben und sie sprechen über Gott. Er hat den Anstoß zu diesem Projekt gegeben und lässt sich nicht herausfiltern. Das sollten Sie wissen, wenn Sie dieses Buch zur Hand nehmen.
Mit dem ersten Lied „Hier will ich bleiben“ lade ich Sie ein, Ihre persönliche Reise anzutreten. Es steht für die Zusage, dass es gültige Wahrheiten gibt, die wie ein Licht in der Nacht durch das Dickicht selbstgezimmerter und übernommener Glaubenssätze schimmern.
Ich werde Ihnen im Verlauf dieser kleinen Reise ein paar persönliche Geschichten erzählen. Mir wäre es darum lieber, wenn wir vom distanzierten Sie zum persönlichen Du wechseln könnten, und ich hoffe jetzt einfach, das ist in Ordnung.
Wenn Du nach der Lektüre und dem Hören der CD Dich selbst, die Welt und Gott in einem neuen Licht siehst, hat sich mein größter Wunsch erfüllt.
Natalie Grant – “The real me”
“Awaken” 2005
Wenn Natalie Grant auf der Bühne stand, sahen die Menschen eine erfolgreiche, attraktive Sängerin. Doch wenn Natalie in den Spiegel sah, entdeckte sie nichts davon. Sie fand sich fett, träge und hässlich. Beherrscht von ihrem Hunger nach Anerkennung glaubte sie, „dünn genug“ sein würde sie ans Ziel bringen. Sie kam dem Ziel so nahe, dass ihr Leben 2004 auf der Kippe stand.
Natalie schaffte die Wende. Sie erkämpfte sich über viele Jahre ihre Gesundheit zurück und errang damit den größten Erfolg ihres Lebens. Ihren Kampf gegen die Bulimie hat sie in einem Lied verarbeitet. Unsere Kämpfe sind vielleicht ganz anderer Natur, aber wir alle kennen das Ringen darum, echt zu sein.
Wir leben in einer Welt der Masken. Die geschönten Bilder der Stars und Sternchen, die uns in den Medien präsentiert werden, machen es uns jeden Tag vor: was nicht passt, wird wegretuschiert, zusammengezurrt und verbogen, bis es dem gerade gültigen Ideal entspricht. Die Gesellschaft beurteilt uns nach ihren Normen und Idealen, und wenn wir nicht gerade zu den Rebellen gehören, messen wir uns selbst an diesen Normen. Wir versuchen, ihnen zu entsprechen und so gut wie möglich hineinzupassen.
Ist das falsch? So einfach lässt sich das nicht beantworten. Es ist völlig in Ordnung, wenn wir uns für eine Erfolg versprechende Ausbildung entscheiden. Es ist verständlich, wenn wir zu einem ähnlichen Schönheitsideal tendieren, wie es in unserer Gesellschaft gerade gilt, denn schließlich sind wir Kinder unserer Zeit. Aber wenn wir unseren Körper dafür aushungern oder unsere Begabungen verleugnen, zwängen wir uns hinter eine Maske. Dann gefährden wir in unserem eigenen Hunger nach Erfolg und Anerkennung unser wahres Ich.
Diese Kämpfe um unsere Identität beginnen schon im Alltag: Wenn wir ein gleichgültiges Gesicht machen, obwohl wir verletzt sind, damit niemand sieht, wie schlecht es uns geht. Wenn wir über einen ekligen Witz lachen, den unsere Kollegen lustig finden, nur damit man uns nicht für prüde oder langweilig hält. Wenn wir im Freundeskreis die fröhliche Miene aufsetzen, weil niemand merken soll, dass unsere Beziehung schwer angeschlagen ist.
Wir setzen unser Plastiklächeln auf und lassen das Visier unten, weil wir befürchten, dass unser wahres Ich von anderen abgelehnt wird. Wir sind beherrscht von der Lüge, dass wir in dieser „Ich-habe-alles-im-Griff“-Welt mit unserer echten Persönlichkeit nicht punkten können.
ERSTE Lüge
„Mein wahres Ich will keiner sehen.“
So behalten wir unsere Schwächen und Verletzlichkeiten für uns – schließlich muss niemand wissen, wie es in uns aussieht. Doch je länger wir diese Strategie verfolgen und uns maskieren, desto schwerer fällt es uns, uns so zu zeigen, wie wir wirklich sind. Was bleibt sind hohle, oberflächliche Begegnungen unter Menschen, die auf der Hut sind und sich keine Blöße geben wollen.
Hast Du schon mal eine richtige Maske getragen? Weißt Du, wie sich das anfühlt? Du siehst fast nichts, kannst den Kopf nicht richtig bewegen, nicht vernünftig essen oder trinken. Was auf die materielle Maske zutrifft, gilt auch für die virtuelle – sie hindert uns daran, ein befreites Leben zu führen.
Ich hatte immer eine riesige Abneigung gegen das Maskieren zur Fastnacht. In meinen schmerzlichsten Vorstellungen sah ich mich auf einem Karnevalsball um Mitternacht die Maske abnehmen und musste zusehen, wie mein Gegenüber nach einem Blick auf mein Gesicht auf dem Absatz kehrtmachte. In den ersten dreißig Jahren meines Lebens fürchtete ich mich ständig davor, begutachtet und für nicht gut genug befunden zu werden.
Dazugehören – und sich selbst sein?
Am schrecklichsten war dieser Kampf während meiner Teenagerzeit. Mit 16 Jahren – gibt es ein schlimmeres Alter? – schrieb ich folgende Zeilen in mein Tagebuch:
„Kann man denn in dieser Welt nur bestehen, wenn man Witzchen reißt? Ist man nur so „dabei“? Warum? Ich bin doch nicht weniger wert, nur weil ich es nicht kann und nicht will! Bin ich dazu verdammt, mein ganzes Leben lang ein Außenseiter zu sein? Daneben zu stehen? Ich bin doch genauso wertvoll wie alle anderen – warum merkt das keiner?!“
Ich wollte dazugehören, nicht auffallen und angenommen sein. Deshalb fürchtete ich mich ständig davor, mich lächerlich zu machen, das Falsche anzuziehen oder etwas Dummes zu sagen. Gleichzeitig sehnte ich mich mit jeder Faser meines Herzens danach, ich selbst zu sein und mich nicht verstellen zu müssen.
Fühlst Du Dich auch manchmal, als ob Du Dich hinter einer Maske verstecken müsstest – und möchtest doch nur Du selbst sein? Dann freue Dich darüber. Wer den Schmerz der Verstellung spürt, hat den ersten Schritt zur Veränderung getan. Denn Verstellung tut weh, weil sie nicht natürlich ist. Du bist nicht dazu da, Dein wahres Ich zu verstecken.
Was für eine Logik soll dahinter stecken, dass Du eine andere Fassade aufsetzen musst, um Deinen Platz zu finden? Wer Du im Kern bist, solltest Du nie verleugnen müssen. Das ist weder egoistisch noch selbstsüchtig. Denn wenn Du der Mensch bist, als der Du geschaffen wurdest, kannst Du anderen am meisten geben – manchmal gerade in Deinen Schwächen und Unzulänglichkeiten.
Kennst Du etwas Entmutigenderes als Menschen, die alles im Griff haben? Jedes Haar perfekt frisiert, die Kleidung makellos, immer beherrscht und tüchtig? Niemals müde, vergesslich oder mit anderen menschlichen Schwächen geplagt? Wie wohltuend ist es stattdessen, wenn wir entdecken, dass auch hinter eleganten Fassaden normale Menschen stecken. Dass auch tüchtige Allrounder mit viel Energie manchmal etwas vergessen oder nicht ganz auf dem Damm sind.
Wenn Du echt bist, nimmst Du den Druck von Dir und von anderen Menschen. Du gibst ihnen die Gelegenheit, selbst etwas locker zu lassen und das Visier hochzuklappen. Dabei wirst Du überrascht feststellen, was für liebenswürdig-chaotische Menschen Du kennst – und das alles nur, weil Du den Mut hattest, Deine Maske zu lüften.
Maske ab!
Hinter welcher Maske versteckst Du Dich? Spielst Du die fröhliche, kompetente Person, die alles im Griff und immer eine Lösung zur Hand hat, obwohl Du Dich oft überfordert, hilflos und allein fühlst? Täuschst Du Gleichgültigkeit und Gelassenheit vor, obwohl es in Deinem Inneren brodelt?
Egal, welche Maske es ist: Fasse Dir ein Herz und lasse Deine Maske fallen.
Am besten beginnst Du damit ganz für Dich allein. Stell Dir vor, wie Du Dir ansiehst, was unter Deiner Maske zum Vorschein kommt. Vielleicht gefällt Dir im ersten Augenblick nicht alles, was Du siehst – schließlich hast Du viel Energie und Zeit in Dein Scheinbild investiert. Das ist kein Grund, gleich aufzugeben. Erlaube Dir einfach, dieser Mensch zu sein, der da nach langer Zeit endlich sein wahres Gesicht zeigt. Fang dann langsam an, die Maske vor anderen abzunehmen, am besten bei den Menschen, von denen Du Dich akzeptiert fühlst. Von hier aus kannst Du Dich Schritt für Schritt weiter vor wagen.
Mit der Zeit wirst Du Deine Maske immer seltener tragen. Du hast Sie noch “dabei“, doch es gibt immer weniger Situationen, in denen Du danach greifst. Je mehr Du die Freiheit des Echtseins erlebst, desto weniger willst Du zurück in das Land der Verstellung. Du wirst auch in schwierigen Situationen einen Weg finden, Du selbst zu sein.
Wenn Du auf diesem Weg weitergehst, wirst Du irgendwann feststellen, dass Dir die Maske der Verstellung nur noch zur Last fällt. Jetzt kannst Du ein symbolisches Freudenfeuer entzünden und die Maske hineinwerfen. Mit ihr verbrennt Deine Angst davor, echt zu sein. Mach Dir selbst gegenüber das Versprechen, dass Du Dich nie mehr verstecken wirst. Deine Mitmenschen haben Dein echtes Ich verdient – nicht mehr und nicht weniger!
Du bist ein Original – und das ist gut so.
Natalie Grant hat den Schritt in die Echtheit gewagt und damit die Lüge entlarvt, dass man sich verstellen müsse, um in dieser Welt zu bestehen. Sie beschreibt in ihrem Lied, dass es jemanden gibt, der unser wahres Ich sieht – dieses von innen zerbrochene Ich, das sich in unserer Haut versteckt. Und er findet es wunderschön.
Ich glaube wie Natalie Grant an einen Schöpfer, der seine Sache gut gemacht hat, und ich sehe mich als gelungenen Teil dieser Schöpfung. Ich glaube, dass mein Schöpfer Anteil an meinem Leben nimmt und mich so sieht, wie er mich wirklich und ursprünglich geschaffen hat. Bevor Verletzungen mich hart gemacht haben. Bevor alle die wohlgemeinten Ratschläge mich dazu gebracht haben, mich zu verbiegen und zu verstecken.
Keine noch so klare Ermutigung durch andere Menschen hätte mich dazu gebracht, aus meinem Schneckenhaus herauszukommen und anzufangen, ich selbst zu sein. Erst der Glaube und die Gewissheit, dass mich jemand durch und durch kennt und genau so wollte, hat mir den nötigen Mut gegeben. Ich konnte meinen Griff lockern und mich öffnen. Dabei habe ich darauf vertraut, dass Gott mein Ich Schicht um Schicht von allen Masken und Panzern befreit, ohne meine Schutzhüllen zu schnell abzureißen. Mein Vertrauen in ihn hat mir auch die Angst genommen, ich könnte an den falschen Eigenheiten festhalten oder wertvolle Eigenschaften unterdrücken. Ich war mir sicher, dass er diesen Prozess in der Hand hat.