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ISBN EPUB: 978-3-8150-2608-3 (1. Auflage 2014)
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Zeilenwert, Rudolstadt
Herausgegeben von der
Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten
Rolf J. Pöhler
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Hoffnung, die uns trägt
Reise der Hoffnung
von Jan Paulsen
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nser Leben gleicht einer Reise. Wir wählen die Straße, auf der wir unterwegs
sind, und bestimmen damit das letzte Ziel sowie die Art und Weise, wie wir
heute leben. Die ganze Menschheit befindet sich auf einer Reise von größter Wichtig-
keit.
Adventisten sind Menschen, die ein festes Ziel vor Augen haben: das Kommen
des auferstandenen Christus in Herrlichkeit und das Reich Gottes, das er für immer
aufrichten wird. Wie das Volk Israel nach dem Auszug aus Ägypten, so befinden
auch sie sich auf einer Reise der Hoffnung in einer angsterfüllten und orientie-
rungslosen Welt.
Hoffnung hat nicht nur mit unserer Sehnsucht zu tun, sondern mit allem, was
das Dasein bereichert, während wir in froher Erwartung leben. Unsere Hoffnung
übt einen direkten Einfluss aus auf die Qualität unseres Lebens auf dem Weg zu
ihrer Verwirklichung.
Diese Hoffnung stärkt uns, wenn wir auf schwierigem Terrain unterwegs sind.
Sie befähigt uns, der Zukunft zuversichtlich und vertrauensvoll entgegenzusehen,
ohne die Angst vor Ungewissheit und Orientierungslosigkeit, die unsere Gesell-
schaft kennzeichnet.
Siebenten-Tags-Adventisten sind – wie die christliche Kirche am Anfang – von
einer lebendigen Hoffnung erfüllt, die ihrem Dasein Sinn und Freude gibt. Hoff-
nung ist so wichtig, dass es sich unbedingt lohnt, sie zu begreifen, zu ergreifen und
mit anderen zu teilen.
Dieses Buch beschreibt das Wesen und die Bedeutung des adventistischen Glau-
bens. Ich lade Sie ein, mich auf dieser Reise der Hoffnung zu begleiten.
Jan Paulsen ist seit 1999 Präsident der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten.
Er wurde in Norwegen geboren und war auf drei Kontinenten als Pastor, Lehrer,
Schulleiter und Regionspräsident für seine Kirche tätig. Er wurde an der Universität
Tübingen zum Doktor der Theologie promoviert.
Vorwort
Hoffnung, die uns trägt
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ines der ältesten christlichen Glaubensbekenntnisse lautet: „Ich glaube, dass
Jesus Christus Gottes Sohn ist.“ Die mit Abstand kürzesten bekenntnishaften
Formulierungen jener Zeit enthalten lediglich zwei Worte: „Jesus (ist der) Christus“
und „Christus (ist der) Herr.“
Was die ersten Christen in wenigen Worten bzw. in einem einzigen Satz bezeugten,
entwickelte sich im Lauf der Zeit zu sorgfältig durchdachten und ausformulierten Be-
kenntnissen, die die Kernaussagen und -anliegen des christlichen Glaubens immer
wieder neu zum Ausdruck brachten.
Bis heute gilt das altkirchliche „Credo“ als gemeinsames Glaubensfundament der
Christenheit und wird im wöchentlichen Gottesdienst rezitiert. Siebenten-Tags-
Adventisten stimmen diesem Bekenntnis zu, auch wenn es nicht zu ihrer gottes-
dienstlichen Liturgie gehört.
Während der Reformationszeit entstanden weitere Bekenntnistexte, in denen die
protestantischen Kirchen Rechenschaft ablegten über ihren Glauben und ihre von der
vorherrschenden Tradition abweichenden, biblisch begründeten Lehrauffassungen.
Auch Adventisten haben ihre Glaubensüberzeugungen in Form von 28 kurzen
Artikeln zum Ausdruck gebracht – nicht zuletzt, um damit der Aufforderung des
Apostels Petrus Folge zu leisten, der den Christen seiner Zeit schrieb: „Seid stets
bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch
erfüllt.“ (1. Petrusbrief 3,15 Einheitsübersetzung)
Im Folgenden möchte ich Ihnen, liebe Leser, Auskunft geben über den Glauben
der Siebenten-Tags-Adventisten, der mein eigener Glaube geworden ist. „Credo – Ich
glaube …“
Rolf J. Pöhler ist Professor für Systematische Theologie an der Hochschule Friedensau.
Er war als Pastor, leitender Mitarbeiter und theologischer Referent der Siebenten-Tags-
Adventisten in Deutschland tätig. Er wurde an der Andrews-Universität (Michigan, USA)
zum Doktor der Theologie promoviert.
Credo – Ich glaube
von Rolf J. Pöhler
Einleitung
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Hoffnung, die uns trägt
Inhaltsübersicht
Präambel
UnterwegsimGlauben ................................................................................................ 8
Von Gott und seinem Wort
Kapitel1 „DeinWort machtmich klug“ ................................................................................ 14
Kapitel 2
„Großist das Geheimnis desGlaubens“ ................................................................ 20
Kapitel 3
„Vaterunser im Himmel“ ........................................................................................ 26
Kapitel 4
„Ich glaube anJesusChristus!“ .............................................................................. 32
Kapitel 5
Gottist unsfern –und doch ganznah .................................................................... 38
Von Mensch und Erlösung
Kapitel 6
„… undsiehe, es war sehr gut!“.............................................................................. 44
Kapitel 7
„WasistderMensch…?“ ........................................................................................ 50
Kapitel 8
ChristusistSieger! .................................................................................................. 56
Kapitel 9
„Es istvollbracht!“.................................................................................................... 62
Kapitel10 „Ich weiß, dassichgerettetbin!“ .......................................................................... 68
Kapitel11 Alles,waslebt, wächst ............................................................................................ 74
Von der Gemeinde Jesu
Kapitel12 Ich gehöre zur FamilieGottes ................................................................................ 80
Kapitel13 „Der Herr kenntdie Seinen“ .................................................................................. 86
Kapitel14 „Die Mauer ist weg – wirsindein Volk!“ .............................................................. 92
Kapitel15 „Ich bin getauftauf deinenNamen…“ .................................................................. 98
Kapitel16 Christusist unteruns ……...................................................................................... 104
Kapitel17 „Reichbeschenktbinich indir“ .......................................................................... 110
Kapitel18 Gott spricht zu uns– auchheutenoch ................................................................ 116
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Vom christlichen Leben
Kapitel 19 „Deinen Willen,meinGott, tueich gern“ ............................................................ 122
Kapitel 20 Sabbat –„umdes Menschenwillen“ .................................................................... 128
Kapitel 21 „Meinem Gottgehörtdie Welt…“ ........................................................................ 134
Kapitel 22 Gott will unserBestes! .......................................................................................... 140
Kapitel 23 „Was Gott zusammengefügt hat …“ ...................................................................... 146
Von der Vollendung
Kapitel 24 „Wir haben einen großen Hohenpriester“ .......................................................... 152
Kapitel 25 „Siehe, ich kommebald!“ .................................................................................... 158
Kapitel 26 „Manlebtnur zweimal“ ........................................................................................ 164
Kapitel 27 Endegut,alles gut ................................................................................................ 170
Kapitel 28 „Siehe, ich macheallesneu!“ .............................................................................. 176
Nachwort
„Halte dichin der Mitte!“ ...................................................................................... 182
Anhänge
Anhang 1
28biblische Grundlehren ...................................................................................... 188
Anhang 2
Weiterführendes Studienmaterial ........................................................................ 200
Abkürzungen/ Bildnachweis/ Impressum ............................................................................ 222
Aktualisierungen und Ergänzungen dieses Buches im Internet:
www.christsein-heute.info/hoffnung
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Hoffnung, die uns trägt
Unterwegs im Glauben
Offenheit für neue Erkenntnisse
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it etwa 30 Jahren war er zum Dekan der philosophischen Fakultät – einige
Jahre später zum Rektor – der ältesten Universität in Mitteleuropa ernannt
worden, die 1348 von Kaiser Karl IV. in Prag, der Hauptstadt des Heiligen Römi-
schen Reiches, nach dem Pariser Vorbild gegründet worden war. Daneben übte er
noch Priestertätigkeiten an der Bethlehem-Kapelle aus, wo er in der tschechischen
Volkssprache predigte. Die Rede ist von dem böhmischen Reformator Jan Hus (um
1370-1415), der durch seine Kritik an der verweltlichten Kirche, sein Bekenntnis
zur Autorität der Bibel und sein Eintreten für die Gewissensfreiheit in Konflikt mit
der Kirche seiner Zeit geriet.
Zunächst untersagte man ihm die Ausübung seiner priesterlichen Funktionen,
später wurde er mit dem Kirchenbann belegt. Schließlich sollte er sich vor dem
Konstanzer Konzil rechtfertigen. Trotz des Versprechens von König Sigismund auf
freies Geleit wurde Hus in Konstanz verhaftet, verurteilt und 1415 mitsamt seiner
Bücher auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Damit endete die Karriere des Prager
Theologieprofessors, der sich bereits in jungen Jahren eine Regel zu eigen gemacht
hatte, die ihn später Kopf und Kragen kosten sollte: „Vom Beginn meines Studiums
an habe ich es mir zum Grundsatz gemacht, dass ich, sobald ich eine richtigere
Meinung kennenlerne, sofort von meiner weniger richtigen ablasse und beschei-
den und freudig die besser begründete Ansicht annehme.“ Wer heute das Hus-
Museum in Konstanz besucht, kann diesen Text als Inschrift am Hus-Haus wieder-
finden.
Nicht immer endet die Lebensgeschichte der mutigen Bekenner des Glaubens auf
dem Scheiterhaufen. Hundert Jahre später entging Martin Luther diesem
Schicksal, doch die Haltung war dieselbe, die er auf dem Reichstag zu Worms vor
Kaiser und Fürsten an den Tag legte: „Wenn ich nicht mit Zeugnissen der Schrift
oder mit offenbaren Vernunftgründen besiegt werde, so bleibe ich von den
Schriftstellen besiegt, die ich angeführt habe, und mein Gewissen bleibt gefangen
in Gottes Wort. Denn ich glaube weder dem Papst noch den Konzilien allein, weil es
offenkundig ist, dass sie öfters geirrt und sich selbst widersprochen haben.“
Hoffnung, die uns trägt
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Präambel
Jan Hus wurde 1415 mitsamt seiner Bücher in Konstanz auf
dem Scheiterhaufen verbrannt – vermutlich an dieser Stelle,
wo heute ein Gedenkstein daran erinnert.
Im Glauben wachsen
Was für Päpste und Konzilien zutrifft, gilt auch für theologische Konferenzen und
kirchliche Synoden: Sie können irren (und sie haben geirrt). Dabei ist das
Eingeständnis eines Fehlers eigentlich kein Makel. Im Gegenteil: Wer seine Fehler
erkennt und eingesteht, hat an Einsicht gewonnen und meist eine neue Erkenntnis
dazu. Deshalb ist dem englischen Dichter und Schriftsteller Alexander Pope zuzustim-
men, der meinte: „Niemand sollte sich jemals schämen zuzugeben, dass er sich geirrt
hat; denn das bedeutet nichts anderes, als dass er heute weiser ist als gestern.“
Der englische Theologe John Henry Newman (1801-1890) – der Aufsehen erregte,
als er von der anglikanischen zur katholischen Kirche übertrat – drückte eine ähnliche
Erkenntnis aus: „Leben heißt sich ändern, und vollkommen sein heißt, sich oft geän-
dert haben.“ Gerade aus christlicher Sicht ist die Bereitschaft zur Veränderung eine
wichtige Voraussetzung für ein gesundes Wachstum im Glauben. „Wachset in der
Gnade und Erkenntnis unseres Herrn und Retters Jesus Christus!“ schrieb Petrus an
die Gläubigen (2 Ptr 3,18 EÜ*), während sich Paulus über die Christen in Thessalonich
freute, „denn euer Glaube wächst ständig“ (2 Ths 1,3 Hfa). Nur wer sich in seinem
Denken verändern lässt, kann den Willen Gottes erkennen (Röm 12,2).
Bereits Jesus hatte seine Jünger darauf hingewiesen, dass es für sie auch später
noch manches zu lernen geben würde: „Ich hätte euch noch viel mehr zu sagen,
aber ihr könnt es jetzt noch nicht begreifen. Wenn aber der Geist der Wahrheit
kommt, werdet ihr die Wahrheit vollständig erfassen.“ (Joh 16,12f. Hfa) Unter der
Leitung des Heiligen Geistes sollte das Verständnis der Nachfolger Jesu für das
Evangelium auch in Zukunft nachhaltig vertieft werden. Schließlich ist all unser
Wissen – gerade auch unsere Erkenntnis über Gott – nur „Stückwerk“, bis sich
eines Tages die ganze Wahrheit enthüllen wird (1 Kor 13,9f.). Kein Glaubens-
bekenntnis, kein Dogma oder Lehrsatz kann deshalb den Anspruch erheben, das
letzte und verbindliche Wort zu sein. Die Wahrheit der göttlichen Offenbarung –
* Abkürzungsverzeichnis auf Seite 222.
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Präambel
Siebenten-Tags-Adventisten anerkennen allein die Bibel als Richtschnur ihres Glaubens
und betrachten die folgenden Glaubensüberzeugungen als grundlegende Lehren der
Heiligen Schrift. Diese Glaubensaussagen stellen dar, wie die Gemeinde die biblische Lehre
versteht und bezeugt. Eine Neufassung ist anlässlich einer Vollversammlung der
Generalkonferenz (Weltsynode) dann zu erwarten, wenn die Gemeinde durch den Heiligen
Geist zu einem tieferen Verständnis der biblischen Wahrheit gelangt oder bessere
Formulierungen findet, um die Lehren des heiligen Gotteswortes auszudrücken.
(„Glaubensüberzeugungen der Siebenten-Tags-Adventisten“, Präambel)
Hoffnung, die uns trägt
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Neues und Altes
Wer die Glaubensüberzeugungen der Adventisten in ihrer Entstehung und Ent-
wicklung verfolgt, wird feststellen, dass sie von zahlreichen unveränderten und bi-
blisch verwurzelten Grundüberzeugungen geprägt sind, jedoch auch eine Reihe
von theologischen Entwicklungen erkennen lassen. Ein ehemaliger Kirchenpräsi-
dent drückte es so aus: „Kein ernsthafter Betrachter der adventistischen Geschich-
te kann unsere Vergangenheit studieren ohne zu bemerken, dass ein gleichbleiben-
der Faktor im Adventismus in dessen Bereitschaft besteht, sich zu ändern.“ (Neal
C. Wilson)
Dass dieser Umstand nicht gegen, sondern eher für das adventistische Bekennt-
nis spricht, hat ein katholischer Theologe in einem bedenkenswerten Satz zum
Ausdruck gebracht, der für alle Kirchen Gültigkeit hat: „Wahre Treue gegenüber der
Vergangenheit schließt die Bereitschaft ein, vorwärts zu gehen, ermutigt vom
Beispiel unserer Vorgänger.“ (Avery Dulles) Ellen G. White – fraglos die ein-
flussreichste Persönlichkeit im Adventismus – hat diesen Gedanken immer wieder
und mit Nachdruck unterstrichen (siehe die folgenden beiden Seiten).
Die Bereitschaft, die eigenen Überzeugungen anhand der Heiligen Schrift zu
überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren, ist ein nachhaltiger Impuls aus der
adventistischen Frühzeit. Der spätere Europamissionar John N. Andrews rief 1849
als gerade 20-Jähriger voller Idealismus aus: „Ich würde tausend Irrtümer gegen
eine Wahrheit eintauschen!“
In diesem Satz spiegelt sich die Einstellung von Jan Hus ebenso wider wie die von
Martin Luther. Siebenten-Tags-Adventisten wollen dem Beispiel derer folgen, die im
Sinne des Jesuswortes gehandelt haben: „Jeder Schriftgelehrte also, der ein Jünger
des Himmelreichs geworden ist, gleicht einem Hausherrn, der aus seinem reichen
Vorrat Neues und Altes hervorholt.“ (Mt 13,52 EÜ)
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Hoffnung, die uns trägt
„Dein Wort macht mich klug“
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igentlich wollte Schafan nur das Geld der Tempelsammlung abholen, um die
Handwerker zu bezahlen, die im Auftrag König Josias am Gotteshaus arbeite-
ten. Doch was ihm der Hohepriester Hilkija dann noch mitgab, entpuppte sich als
ein wertvoller Fund. Es handelte sich nämlich um das „Buch des Bundes“ – ver-
mutlich das fünfte Buch Mose –, das bei den Aufräumarbeiten gefunden worden
war. Als der königliche Schreiber es Josia vorlas, zerriss dieser vor Entsetzen seine
Kleider, denn er erkannte, wie sehr seine Vorgänger und das Volk von den Weisun-
gen Gottes abgewichen waren. Daraufhin veranlasste der König eine öffentliche
Lesung des Buches, dem die Erneuerung des Bundes, die Abschaffung des Götzen-
dienstes und eine tiefgreifende Reform des Gottesdienstes folgten (2 Kön 22f.;
2 Chr 34). Die Kultusreform des Josia war ein Höhepunkt in der meist dunklen
Geschichte Judas.
Szenenwechsel. Nach der Rückkehr aus dem babylonischen Exil ließ der Schrift-
gelehrte Esra auf einer Volksversammlung am Neujahrstag das Gesetz Moses – alle
fünf Bücher – öffentlich verlesen und von den Leviten in die aramäische Volks-
sprache übersetzen. Dem tief erschütterten Volk – auch ihm war der Gegensatz zwi-
schen dem Willen Gottes und ihrem eigenen Tun schmerzlich bewusst geworden –
verordneten sie daraufhin ein Freudenfest. „Seid nicht bekümmert; denn die Freu-
de am Herrn ist eure Stärke.“ Auch während der folgenden Tage und Wochen trafen
sich die Familienoberhäupter, um das „Buch des Gesetzes“ zu hören, sich von den
Priestern und Leviten darin unterweisen zu lassen und in einer feierlichen Selbst-
verpflichtung das Einhalten der Weisungen und Gebote Gottes zu geloben (Neh
8-10). Diese denkwürdigen Ereignisse übten großen Einfluss auf das nachexilische
Judentum aus.
Erneuter Szenenwechsel. Drei Tage hatten sie ihn verzweifelt gesucht, doch er
war wie vom Erdboden verschwunden. Als seine Eltern im Tempelbezirk nach ihm
Ausschau hielten, entdeckten sie ihn schließlich im Kreise von Schriftgelehrten,
mit denen er eifrig über die Heiligen Schriften disputierte.
Mit der Bibel in der Hand ist der Christ mündig
Die Heilige Schrift
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Die Heilige Schrift – Altes und Neues Testament – ist das geschriebene Wort Gottes, durch
göttliche Inspiration heiligen Menschen anvertraut, die geredet und geschrieben haben,
getrieben vom Heiligen Geist. In diesem Wort hat Gott dem Menschen alles mitgeteilt, was
zu dessen Errettung nötig ist. Die Heilige Schrift ist die unfehlbare Offenbarung seines
Willens. Sie ist der Maßstab für den Charakter und der Prüfstein aller Erfahrungen. Sie
ist die maßgebende Offenbarungsquelle aller Lehre und der zuverlässige Bericht von
Gottes Handeln in der Geschichte.
(Glaubensüberzeugungen der Siebenten-Tags-Adventisten, Nr. 1)
Hoffnung, die uns trägt
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15
Kapitel
1
Alle waren erstaunt über seine einsichtsvollen Fragen und Antworten – mehr als
ungewöhnlich für einen Zwölfjährigen, der gerade erst religionsmündig geworden
war. Jetzt saß er schon bei den Erwachsenen und erklärte ihnen das Wort Gottes!
Als seine Mutter Maria ihn zur Rede stellte, verstand er ihre Aufregung nicht.
„Warum habt ihr mich gesucht?“, erwiderte Jesus. „Ihr hättet doch wissen müssen,
dass ich dort sein muss, wo es um Gottes Sache geht.“ (Lk 2,42 Hfa) Zwanzig Jahre
später staunte das ganze Volk über die außergewöhnliche Schriftkenntnis des
gelernten Tischlers Jesus von Nazareth.
Gottes Wort macht Menschen weise
Was diese Beispiele verbindet, ist die nachhaltige Wirkung einer intensiven per-
sönlichen Beschäftigung mit der Heiligen Schrift. Wenn Menschen das Wort Gottes
hören oder lesen, ernst nehmen und befolgen, verändert sich nicht nur ihr eigenes
Leben, sondern auch das ganzer Familien, Völker und Kulturen. Die Geschichte
unserer Welt ist auch die Geschichte eines Buches, das wie kein anderes selbst Ge-
schichte gemacht und geprägt hat: die Bibel (griech.: biblia) – „das Buch“. Von ihm
bezeugen Adventisten mit vielen anderen Christen:
Die hohe Wertschätzung, die Christen der Bibel gegenüber besitzen, ist das Erbe
des Judentums, dessen Heilige Schriften als das ältere bzw. Alte Testament den
ersten Teil der christlichen Bibel bilden. Sie werden durch die Schriften der Apostel
und deren Schüler – das Neue Testament – ergänzt und erklärt. Später erhielt auch
der Islam eine eigene „Bibel“, den Koran. Gemeinsam bilden Judentum, Christen-
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Hoffnung, die uns trägt
tum und Islam die drei großen Buchreligionen der Menschheit. Keine von ihnen
wäre ohne ihre „Heilige Schrift“ zur Weltreligion geworden.
Das längste Kapitel der Bibel besteht aus einem scheinbar nicht enden wollenden
Loblied auf die Vorzüge der Thora, der einzigartigen Offenbarung des Willens Got-
tes an Israel. Dabei wird jedem der 22 Buchstaben des hebräischen Alphabets eine
Strophe gewidmet, deren acht Verse jeweils mit demselben Buchstaben beginnen.
Strophe 13 ist dem Buchstaben „M“ gewidmet und enthält die folgenden bemer-
kenswerten Sätze: „Wie habe ich dein Gesetz so lieb! Täglich sinne ich ihm nach.
Du machst mich mit deinem Gebot weiser, als meine Feinde sind; denn es ist ewig-
lich mein Schatz. Ich habe mehr Einsicht als alle meine Lehrer; denn über deine
Mahnungen sinne ich nach. Ich bin klüger als die Alten; denn ich halte mich an
deine Befehle.“ (Ps 119,97-100) Wer sowohl seinen Gegnern als auch seinen
Lehrern und Eltern überlegen ist, der ist in der Tat ein weiser Mensch. „Dein Wort
macht mich klug.“ (Vers 104)
Die Bibel – das Kursbuch der Gemeinde
Die Evangelien sind eine eindrucksvolle Bestätigung dieser Wahrheit. So hat
Jesus dem Versucher, der ihn – sogar mit Bibelsprüchen! – vom richtigen Weg abzu-
bringen versuchte, ein dreimaliges „Es steht geschrieben“ entgegengehalten und
ihm damit fest widerstanden (Mt 4,4.7.10). Schon als Zwölfjähriger war er auf-
grund seiner hervorragenden Schriftkenntnis den Rabbis an Einsicht überlegen
und in der Bergpredigt konterte er das Traditionsargument „Ihr habt gehört, dass
zu den Alten gesagt ist“ mit einem sechsfachen „Ich aber sage euch“ (Mt 5,21.
27.31.33.38.43). Damit stellte er sich nicht gegen die Schrift, sondern erwies sich
als ihr vollmächtiger Ausleger. Immer wieder zitierte er die Bibel, um seine Lehre
(Mt 19,3-6) sowie seinen messianischen Anspruch zu untermauern (Mt 21,42-44;
Mk 12,35-37; Lk 24,44-47; Joh 10,33-36). In seinen Augen legte die Schrift ein klares
Zeugnis von ihm ab (Joh 5,39).
Auch die Apostel beriefen sich in ihrer Verkündigung immer wieder auf die Heilige
Schrift (Apg 28,23ff.; Röm 1,1f.; 2 Tim 3,15f.; 2 Ptr 1,19-21) und forderten die
Gläubigen dazu auf, die gehörte Botschaft anhand ihrer Bibel zu überprüfen (Apg
17,11; 1 Ths 5,20f.). Gleichzeitig beanspruchten sie Autorität für das, was sie im
Auftrag Gottes lehrten und verkündigten (1 Kor 14,37; Gal 1,8-12). Bald achteten die
christlichen Gemeinden die Schriften der Apostel und ihrer Schüler ebenso wie den
jüdischen Kanon (2 Ths 2,15; 2 Ptr 3,15f.). Evangelien und Briefe wurden gesammelt
und von späteren, apokryphen Schriften unterschieden, bis sie schließlich als
„Neues Testament“ kanonischen – d. h. verbindlichen – Status erlangten. Um 400
n. Chr. war die Bildung des christlichen Kanons (griech.: Richtschnur) abgeschlossen.
Die vierfache Gestalt
des Wortes Gottes
Der Ausdruck „Wort Gottes“ – und die da-
mit gemeinte Sache – wird in der Bibel un-
terschiedlich verstanden und gedeutet.
Er bezeichnet sowohl die mündliche und
schriftliche als auch die „persönliche“
Form des Redens Gottes mit uns Menschen.
1. Die Prophetie – das bezeugte Wort
Gottes
Jer 5,13; 27,18; Offb 1,1-3.9
Bei Jeremia und Hesekiel heißt es 70
Mal: „Das Wort des Herrn geschah/kam
zu …“
2. Die Predigt – das verkündigte Wort
Gottes
Apg 6,7; 8,25; 15,35f.; Röm 10,17;
Gal 1,11f.; 1 Ths 2,13; 1 Ptr 4,11
3. Die Heilige Schrift – das schrift-
gewordene Wort Gottes
Ps 119; Joh 10,35; 2 Tim 3,14-17;
2 Ptr 1,19-21; Hbr 4,12
4. Jesus Christus – das mensch-
gewordene Wort Gottes
Joh 1,14; Hbr 1,1f.; Offb 19,13
Jesus Christus ist der eigentliche Inhalt,
die bleibend gültige Botschaft der Prophe-
tie, der Predigt und der Schrift. Insofern
ER durch sie zu Wort kommt, weisen sie
alle auf Ihn hin.
Hoffnung, die uns trägt
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Die Bedeutung der Kanonbildung lässt sich auf einen einfachen Nenner bringen:
„Durch die Schaffung einer Norm hat die Kirche verzichtet, ihre eigene Norm zu
sein.“ (O. Cullmann) Im Laufe der Jahrhunderte wurde jedoch der kirchlichen
Tradition und dem bischöflichen (Lehr-)Amt immer mehr Gewicht beigemessen,
das es der Bibel nicht mehr erlaubte, die Lehre und Praxis der Kirche wirksam zu
kritisieren. Dagegen betonten die Reformatoren des 16. Jahrhunderts das „sola
scriptura“-Prinzip, das die Bibel als die
einzige und letztverbindliche Quelle der
Glaubenswahrheit versteht und die
Kirche ihrer göttlichen Autorität unter-
ordnet. Die Heilige Schrift ist der
Maßstab für Lehre und Leben, Denken
und Tun der Gemeinde; von ihr muss
sie sich beurteilen lassen. In der Bibel
hat Gott seinen Willen klar und ver-
ständlich offenbart und uns alles mitge-
teilt, was zur Erlangung des Heils nötig
ist. Wer ihr folgt, wird das Ziel seines
Lebens „unfehlbar“ finden – er kann es
unmöglich verfehlen (2 Tim 3,15f.).
Vom Lesebuch zum Lebensbuch
Adventisten stehen erklärtermaßen
auf dem Boden dieser reformatorischen
Erkenntnis. Ellen White – als Mitbe-
gründerin und Prophetin der Gemeinde
hoch geachtet – stellte klar, was diese
Lehre für einen Christen konkret bedeu-
tet: „Es ist die erste und höchste Pflicht
jedes vernünftigen Wesens, aus der
Heiligen Schrift zu lernen, was Wahr-
heit ist, und dann in diesem Licht zu
wandeln und andere zu ermutigen,
ihrem Beispiel zu folgen. Wir sollten Tag
für Tag fleißig in der Bibel forschen,
jeden Gedanken wägen und Text mit Text
vergleichen. Mit Gottes Hilfe müssen wir
uns selbst unsere Meinungen bilden, da
Ellen G. White über die Inspiration der Bibel
„Die Bibel ist von Menschen geschrieben.
Diese waren vom Heiligen Geist inspiriert …
Die Bibel wurde nicht in einer großartigen
übermenschlichen Sprache offenbart. Um
jeden zu erreichen, wurde Jesus Mensch. Die
Bibel musste also in der Sprache des Men-
schen geschrieben werden. Alles aber, was
menschlich ist, ist auch unvollkommen.
Die Bibel wurde von inspirierten Menschen
geschrieben, aber es ist nicht die Art, wie
Gott seine Gedanken ausdrückt, sondern wie
es Menschen tun. Nicht Gott als Autor wird
dargestellt. Menschen werden oft sagen, ein
solcher Ausdruck sei nicht göttlich. Aber Gott
hat sich in der Bibel nicht in Worten, Logik
und Rhetorik einem Test unterziehen wol-
len. Die Autoren der Bibel waren Gottes
Schreiber, nicht seine Feder. Halte dir doch
die verschiedenen Schreiber vor Augen!
Nicht die Worte der Bibel sind inspiriert, son-
dern die Menschen. Die Inspiration bezieht
sich nicht auf die Worte oder Ausdrücke des
Menschen, sondern auf ihn selbst. Er ist es,
der unter dem Einfluss des Geistes