Michael M Pannwitz
in Zusammenarbeit mit Georg Bischoff
eBuch
Westkreuz-Verlag GmbH Berlin/Bonn
Meine open space Praxis
Michael M Pannwitz
in Zusammenarbeit mit Georg Bischoff (gest. 2013)
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
E-Book Ausgabe
ISBN 978-3-943755-08-4
© 2013 Westkreuz-Verlag GmbH Berlin/Bonn
Herstellung: Westkreuz-Druckerei Ahrens KG Berlin/Bonn
E-Book Umsetzung: KOMAG mbH Berlin/Brandenburg
Vorwort
„Meine open space Praxis“ liegt jetzt auch als eBuch mit allen damit verbundenen Annehmlichkeiten vor. Eine begleitende Webseite – www.meine-openspace-praxis.de – ermöglicht u.a. die unmittelbare Anpassung von Unterlagen für Ihre eigene open space Praxis.
Zusammen mit folgenden bei Westkreuz erhältlichen Titeln sind alle, die open space begleiten, veranstalten oder daran teilnehmen, bestens für das Abenteuer open space ausgestattet:
• „Kärtchensatz für den Aufbau von open space Veranstaltungen“, auf Deutsch und Englisch
• „Einfach mal Nichts tun!“, die deutsche Version von „Don’t Just Do Something, Stand There!“ von Marvin Weisbord und Sandra Janoff
Ganz wunderbar unterstützt wurde ich wieder von den MitarbeiterInnen und dem guten Geist beim Westkreuz-Verlag und bei KOMAG, die für die digitale Version von „Meine open space Praxis“ gesorgt haben.
Zu Papier gebracht hatte es vor Jahren Georg Bischoff, der diese digitale Version nicht mehr erlebt hat. Er ist am 24. Dezember 2013 verstorben, ich vermisse ihn.
Michael M Pannwitz
Berlin, Februar 2014
Lieber Michael,
damit Dein von Georg geschriebenes Praxis-Handbuch ein Sachbuch bleibt, habe ich kurzerhand den biografischen Teil vorwortlich abgetrennt.
Eigentlich lassen sich Dein Leben und Dein Beruf, das werden die Leser auch zwischen den Zeilen entdecken, gar nicht voneinander trennen.
Damit Du nicht so ewig rumdrucksen musst, was Du nun im Vorwort sagst und was verschweigst, schenke ich Dir diesen lückenlosen Abriss Deines Lebens.
Auf diese Art bleibt auch mehr Zeit, die wir dann gemeinsam mit den Enkelkindern verbringen können. Es gibt schließlich – man glaubt es kaum – auch ein Leben neben open space.
In Liebe, Deine Bine.
Soweit musste es ja kommen
ODER
Von einem, der auszog, um
OPEN SPACE
zu finden!
Da war dieser eigentlich kleine Michael, gleichzeitig aber schon großer Bruder und Vaterersatz in der typischen nazi-deutschen Familie, vaterlos wie viele, später auf der Flucht und gestrandet im deutschen Nachkriegsmief. – Eng, sehr eng!
Aus wohlgemeinten mütterlichen Gründen wurde eine traditionsreiche Internatsschule die nächste Lebensstation, bräunlich und noch enger.
Und dann kam – wie aus dem open space Himmel – eine Sternschnuppe vorbeigesegelt, aus dem fernen, freien Amerika: Ralph.
Ein Aktivist in Sachen Mensch zu Mensch, ein Neugieriger, der wissen wollte, in welchen Familien seine CARE-Pakete welche Wirkungen tun.
Das Gegenteil von eng – weder im Kopf, noch im Herzen.
Dieser väterliche Freund lud Dich ganz im Sinne von „care“ zu sich ein, ließ Dich wohnen und studieren und frei atmen.
Und dann kam es, wie es kommen musste!
Studenten Wohn-Coop, selbstverwaltet. Nicht Vietnam, nein, nie! Indien stattdessen, das Peace Corps: Wie Hühnerfarmer sich unabhängig machen durch Gründung von Genossenschaften.
Da vergisst man das Studium der Naturwissenschaften, denn dort tut sich ein viel wichtigeres Stück Leben auf: Wieder geht es um Selbst-organisation und Aufbruch.
Du bist bei Menschen, die ihr Leben selbst in die Hand nehmen, z.B. ländliche Produktionsgenossenschaften in Missouri organisieren. Das ist die Zeit für Deine erste selbst gewählte Familiengründung mit Sara und bald zwei kleinen Jungen. Und weltweit begehren die Studenten auf ... 1968 ... 1970 ... 1972.
Ein zunächst familiärer Deutschlandbesuch öffnet wieder neue Türen, berufliche und private.
Es gibt sie doch in Deutschland, die Menschen, die sich aus den bräunlichen Traditionen lösen und die Demokratie entdecken. Das verlockt in Berlin zu bleiben. Das Thema bei der evangelischen Kirche heißt Gemeinwesenarbeit / Sozialplanung / Organisationsentwicklung / Gemeindeberatung.
Das eigentliche Thema aber: Wir müssen Dinge selbst in die Hand nehmen. Du und Agnes v. Walther, zweifellos das schlagkräftigste Zweier-Team weltweit, was in aller Bescheidenheit unbedingt angemerkt werden muss. Mitarbeitervertretung, Gewerkschaft... das Thema open space kommt immer näher, war ja eigentlich irgendwie schon immer mit im Geschäft.
Außerdem, nicht ganz nebenbei, wieder ein Neubeginn, denn unsere neue Familie wird wirklich groß: Sechs Kinder am Ende – und ich! Unser gemeinsamer Weg fordert die größte Entfaltung von Selbstorganisation überhaupt.
Seit 1995 tritt das Beratungsleben beim kirchlichen Arbeitgeber auf der Stelle. Bei der Kirche wird gespart und Inhalte verschwimmen. Agnes im Ruhestand, es gibt in Deinem Arbeitsbereich keine Entwicklung mehr. Bis dann: Päng – ohne großen Krach – 1996 der open space hereinbricht. Michael M voll erwischt! Fortsetzung auf den folgenden Seiten.
Bleibt noch die Frage: Warum schreibt dieser Typ nicht selbst? Weder das Buch, noch das Vorwort! Warum muss Georg das machen?
Die Antwort ist ganz einfach: Es gibt einfach Leute, die können... bestens erzählen... allerhand bewegen... rastlos wirbeln und präsent sein. Um aber beispielsweise etwas aufzuschreiben, fehlen Ruhe und Zeit. Das ist ja auch ein eher einsames Geschäft. Wieder andere Leute können neugierig nachfragen, stundenlang zuhören, sich um Hintergründe kümmern und alles in Worte fassen.
Hier genau kommt Georg ins Spiel.
Lest selbst!
Das open space Verfahren – was ist das?
Aus meiner E-Mail an die OSLIST* am 5. August 1999:
Dear colleagues and friends in Open Space,
when I was introduced to Open Space three years ago by Harrison Owen and Romy Shovelton in Roffey Park, England, I had no inkling of the impact that it would have on my consultant career. In the last 35 years I passed through a number of transitions. From student organizer to co-op organizer to union organizer to community organizer to Organizational Development consultant and through various personal transitions. But getting into Open Space is having a transformational quality that is of another order.
After close to 50 Open Space events since 1996, a bunch of orientation sessions for colleagues in Berlin and Germany, training with Harrison here last fall for 64 participants, Learning Circle on Large Group Interventions and meeting with many of you at the worldwide annual OSonOS events I became more and more estranged from my old consultant mode and no longer felt happy in my 25 year old job as an internal consultant with the Protestant Church of Berlin.
As a consequence I am quitting my old job. I will be on my own starting September 1, 1999. There will be more Open Space in my professional life. Space for new projects...
Je ungehinderter sich Selbstorganisation entfalten kann, desto produk-tiver, gemeinschaftsstiftender, leitungsverbreitender, friedlicher... und vergnüglicher geht es zu. Immer wieder überraschen mich dabei die vielen heiteren und lachenden Menschen.
Selbstorganisation findet sich auch unter einengenden und behindernden Rahmenbedingungen zurecht, aber ich kenne keinen Weg, auf dem sie sich freier entfalten kann als mit dem open space Verfahren. Obendrein ist dieses Verfahren einfach, einfacher gehts nicht.
Nach meiner kurzen Einführung – höchstens zwanzig Minuten – bringen die Teilnehmenden ihre Anliegen ein, alles was ihnen am Herzen liegt, auf den Nägeln brennt, wofür sie sich einsetzen wollen. Anderthalb Stunden nach Beginn der open space Veranstaltung haben sie ihre Tagesordnung selbst organisiert und beginnen, sich in Gruppen mit ihren Anliegen auseinanderzusetzen. Ergebnisse aus den Gruppen werden von ihnen laufend festgehalten und an der Doku-Wand veröffentlicht. Im letzten Teil ihrer Veranstaltung verabreden die Teilnehmenden Nächste Schritte für die Umsetzung ihrer Vorhaben.
Dringend gesuchte Lösungen tauchen plötzlich auf, Menschen treffen sich, die zwar schon länger am gleichen Vorhaben arbeiten, bisher aber nie in Kontakt waren; zerstrittene Parteien oder getrennte Hierarchieebenen kooperieren, für konkrete Vorhaben wird ein Netzwerk entwickelt oder individuell Führung und Verantwortung übernommen...
Ein Verfahren also, in dem alles möglich ist und oft das Unvorhergesehene geschieht – selbstorganisiert. Ohne dass irgendeine Instanz dies von oben oder außen plant oder steuert.
Meine open space Praxis hat sich in der Begleitung von über 170 open space Veranstaltungen entwickelt – im Austausch mit Begleitteams, Teilnehmenden, Veranstaltern, Mitarbeiterinnen der Veranstaltungsorte... in der Reflexion mit open space Begeisterten bei vielen Lernwerkstätten: in Vlotho, Bernried, Berlin, Belfast, Paris... und den weltweiten Open Space on Open Space Veranstaltungen in Toronto, Monterey, Chicago, Berlin, Jütland, Moskau... und durch den Austausch in der OSLIST, in openspacedeutsch und bei boscop, der berlin open space cooperative. Dadurch habe ich meine Arbeit und – davon bin ich überzeugt – haben wir unser aller Arbeit als Begleiterinnen nicht nur bereichert und weiterentwickelt, sondern auch zur Verbreitung des Verfahrens in alle gesellschaftlichen Bereiche beigetragen.
Meine open space Praxis entwickelt sich weiter, zusammen mit der Praxis von Tausenden von uns, die weltweit mit dem Verfahren arbeiten und sich darüber leidenschaftlich auseinandersetzen. Wir suchen immer wieder neue Antworten auf die gleichen Fragen:
• Wie können wir die Voraussetzungen für eine open space Veranstaltung verbessern, in der immer zuallererst Selbstorganisation stärker zur Entfaltung drängt?
• Wie arbeite ich als Begleiter in dem open space Verfahren?
• Wie kann ich noch „präsenter und gleichzeitig auch unsichtbarer“ werden?
• Wie gestalte ich die einzelnen Phasen in diesem Prozess?
• Was kann ich in Zukunft weglassen, damit das Verfahren noch einfacher wird?
• Wie kann ich unseren Erfahrungsaustausch noch unmittelbarer mit der Praxis verknüpfen?
• Wie...?
In diesem Buch ist aufgeschrieben, wie meine open space Praxis heute aussieht: Wie ich die Veranstaltung vorbereite, begleite und mich darüber austausche – und ich würde mich nicht damit überraschen, wenn ich morgen schon wieder etwas entdecke, was ich ab sofort anders mache.
Angefangen habe ich allerdings mit Lesen: „Open Space Technology – A User’s Guide“ von Harrison Owen. Ich habe seinen Rat befolgt: „Do it by the book! At least the first few times.“ Das war gut so, denn es hat dazu geführt, dass ich meine eigene Art in der praktischen Arbeit in Ruhe finden konnte. Mit jedem open space erschloss sich mir sein Werk aufs Neue, bis heute.
* OSLIST ist die älteste internationale E-Mail-Gruppe für den Austausch zu open space.
I Auf dem Weg zur Veranstaltung
Kontakt
Der erste Kontakt
Der erste Kontakt kommt per Telefon oder E-Mail zustande. Die meisten nehmen Kontakt mit mir auf, weil sie das open space Verfahren für ihre Veranstaltung bereits in Betracht ziehen oder schon sicher sind, dass sie damit arbeiten wollen.
Schon beim ersten Kontakt wird geklärt, inwieweit das open space Verfahren für das anstehende Vorhaben überhaupt in Frage kommt.
Dann verabreden wir uns zu einem Kontaktgespräch mit denen, die letztendlich entscheiden, ob das open space Verfahren für ihr Vorhaben das richtige ist.
Es gibt aber auch einfach Fragen zu open space und dem open space Verfahren, für die ich mir in aller Ruhe Zeit nehme.
Ich erhielt einmal eine E-Mail-Anfrage aus Österreich: Eine zweistündige open space Phase sollte in eine mehrtägige Gesamtveranstaltung eingebettet werden. Die Aufgabe der Teilnehmenden bestand darin, Fragen zu Ehe und Partnerschaft zu entwickeln, die dann im weiteren Verlauf der Veranstaltung von Experten beantwortet würden.
Diese Fragen, dachte ich, könnten einfach abends beim Wein gesammelt werden. Außerdem, ein zweistündiger open space, eingezwängt in eine andere Veranstaltungsform, das konnte nicht gutgehen; ganz abgesehen davon, dass ich zwei Stunden selbst für einen open space für zu kurz halte. Aber wenn sie wirklich einen machen wollten, warum dann nicht einfach die ganze Veranstaltung im open space, Expertinnen eingeschlossen?!
Ich packte meine Gedanken in eine E-Mail und schickte sie nach Österreich. Die Veranstalter waren begeistert und wollten genau das tun – im nächsten Jahr. Für dieses Mal sei es zu spät, die Einladungen schon raus und die Experten in Marsch gesetzt. Würde ich ihre Veranstaltung vielleicht im nächsten Jahr begleiten? – So geschah es: 119 katholische Singles trafen sich vom 20. bis 21. September 2008 im open space in Wien.
Dieser E-Mail-Austausch ist in der Materialsammlung enthalten.
Manche Veranstalter möchten als erstes ein schriftliches Angebot. Wenn überhaupt notwendig, schicke ich erst eins nach dem Kontaktgespräch mit den Absprachen, wie sie dort getroffen wurden. Das macht weniger Arbeit, vor allem, da nach dem ersten Kontakt meist noch gar nicht klar ist, ob das open space Verfahren in diesem Fall das richtige ist. Ich unterbreite nie ein Angebot, ohne dass ein Kontaktgespräch vorangegangen ist.
Allerdings schicke ich oft eine Aufstellung über den zeitlichen und personellen Rahmen, und eine über die Wirkung unterschiedlich langer open space Veranstaltungen, die beide auch in der Materialsammlung stehen.
Das Kontaktgespräch
Im Kontaktgespräch findet der Veranstalter für sich heraus, ob das open space Verfahren für ihn passt. In erster Linie muss er sich und mich! von der Eignung des Verfahrens in seiner Situation überzeugen. Es ist also kein Verkaufsgespräch, sondern es wird geklärt, in welchem Umfang die Voraussetzungen für eine open space Veranstaltung bereits erfüllt sind oder in der Vorbereitung der Veranstaltung noch deutlicher eingelöst werden können.
Ganz nebenbei wird in diesem Prozess deutlich, ob es bei einer Entscheidung für das Verfahren auch zu einer Zusammenarbeit mit mir kommt.
Das Kontaktgespräch dauert eine bis anderthalb Stunden; ich lasse mir lediglich die anfallenden Auslagen erstatten.
Ich dränge darauf, dass dabei alle anwesend sind, deren Einverständnis für die Veranstaltung notwendig ist: die Entscheider. So erhalten die Verantwortlichen alle Informationen zeitgleich aus erster Hand und sind schneller imstande, Entscheidungen zu treffen. Allerdings schlage ich immer vor, dass beide Seiten nach dem Kontakttreffen eine Nacht oder zwei darüber schlafen, bevor Entscheidungen getroffen werden.
Bei der Vorstellung sagt jeder ein paar Sätze dazu, um was es geht. Fast immer erkennen die Teilnehmenden, dass es noch Klärungsbedarf gibt – was viele oft überrascht.
Für die weitere Arbeit ist es wichtig, dass die Gruppe ein gemeinsames Verständnis zu ihrer Herausforderung entwickelt. Ob ich es durchschaue, ist dabei nebensächlich. In der Gruppe existieren der Sachverstand, die Erfahrung und die Systemkenntnisse, die letztendlich zukünftige Entwicklungen tragen werden.
Danach tauchen oft Fragen auf wie: Wie lange dauert das denn? – Und was kostet es?
Und da hake ich gleich ein: „Es kommt darauf an, was Sie vorhaben und was Sie erreichen wollen. Lassen Sie uns erst mal schauen, ob das open space Verfahren für Ihre Situation überhaupt geeignet ist.“
Damit komme ich zu den Voraussetzungen für einen open space: „Also, es gibt einige Voraussetzungen. Wenn sie erfüllt sind, ist das Verfahren geeignet. Diese Voraussetzungen müssen nicht alle hundertprozentig erfüllt sein, aber je besser sie zutreffen, desto produktiver und handlungsorientierender wird die Veranstaltung. Und wenn eine der Voraussetzungen gar nicht oder nur sehr wenig erfüllt wird, dann lohnt es sich, noch mal darüber nachzudenken, wie sich das ändern lässt. Oder es wird deutlich, dass in diesem Fall open space nicht das richtige Verfahren ist.“
Parallel schreibe ich die Voraussetzungen für alle sichtbar auf ein Flipchart.
Handelt es sich um eine komplexe Fragestellung?
Die Frage „Wie baue ich ein Fahrrad zusammen?“ lässt sich recht einfach beantworten, während die Frage „Wie können wir die Zusammenarbeit in unserem Betrieb verbessern?“ sehr komplex ist. Soziale Fragestellungen sind meistens komplex.
Ist die Zusammensetzung der Teilnehmenden mannigfaltig?
Je heterogener die Zusammensetzung der Teilnehmenden, die sich mit der anstehenden Herausforderung beschäftigen, desto besser. Oft glaubt eine Gruppe, die nur Teil eines Systems ist, sie selbst könne das gesamte System verändern. Wenn mir das ins Auge springt, spreche ich es an.
Ein Beispiel: Die Lehrer einer Oberschule hatten beschlossen, Leben und Lernen in ihrer Schule zu verbessern. Dazu wollten sie sich als Kollegium zusammensetzen. Für sie bestand ihre Schule erst einmal aus Lehrern: An die Schülerinnen, den Hausmeister, die Putzkräfte, Eltern, Lehrerinnen aus den heranführenden Grundschulen, Ausbildungsbetriebe... hatten sie zunächst nicht gedacht.
Ist die Fragestellung konfliktträchtig?
Je konfliktträchtiger, desto mehr drängt sie in Richtung Veränderung und Handlung.
Ist es dringend?
Gibt es Herausforderungen, die unbedingt angegangen werden müssen? – Möglichst sofort! Oder kann es noch ein Jahr warten?
Handelt es sich um eine offene Frage?
Oft werde ich gefragt: „Was meinen Sie denn damit?“ Dann sage ich zum Beispiel: „Na ja, wenn Sie die Antwort auf das, was mit der Veranstaltung erreicht werden soll, schon irgendwo in der Tasche haben und eigentlich längst wissen, was Sie wollen, dann ist es keine offene Frage mehr. Dann brauchen Sie keine open space Veranstaltung oder irgendeine andere Veranstaltung, sondern können einfach handeln.“
Habe ich den Eindruck, dass die Fragestellung gar nicht offen ist, sondern die Verantwortlichen bereits wissen, was sie wollen, aber nicht, wie sie es durchsetzen sollen, weise ich darauf hin, dass ihnen in diesem Fall das open space Verfahren viel Ärger einbringen kann. Wenn der open space eröffnet ist und die Teilnehmenden selbstorganisiert und selbstwirksam aktiv werden, ist mit Überraschungen zu rechnen. Entwicklungen in jede Richtung sind möglich. Ist das nicht im eigentlichen Interesse des Veranstalters, gibt es Sand im Getriebe...
Dann weise ich noch darauf hin, wie positiv sich freiwillige Teilnahme auf die Veranstaltung auswirkt. Wenn Menschen kommen, weil sie interessiert sind und sich dann auch noch einmischen können, tun sie das auch... und zwar mit Vergnügen. Also auf jeden Fall eine herzliche Einladung aussprechen, mit der Bitte um Rückmeldung.
Nachdem wir die Voraussetzungen durchgesprochen haben, will meistens jemand mehr über das Verfahren wissen. Dann frage ich: „Hat einer von Ihnen schon mal an einer open space Veranstaltung teilgenommen? Oder hat jemand irgendetwas darüber gehört?“
Wenn beides nicht der Fall ist, sage ich: „Also, wenn Sie möchten, kann ich Ihnen in fünf Minuten ganz kurz erzählen, wie das vor sich geht – wie die Veranstaltung abläuft. Aber ich warne Sie, dann können Sie sich immer noch kein richtiges Bild machen.“
Und dann erzähle ich, dass der Veranstalter den open space eröffnet und ich in das Verfahren einführe. Alle sitzen im Kreis, es gibt eine Anliegenwand... Das reicht oft schon, um zu verdeutlichen, dass sie es einfach erleben müssen.
Für alle, die es genauer wissen wollen, habe ich auch eine Broschüre (12 Seiten) und eine Zusammenfassung (2 Seiten) über open space dabei, die sie von mir kaufen können.
Wenn ich nach dem Honorar gefragt werde, erkläre ich, wie ich mir das vorstelle: „13 Euro pro Stunde für Helferinnen im Begleitteam, ungefähr 750 bis 2000 Euro pauschal für die Assistenz, und die Höhe meines Honorars überlasse ich Ihnen.“
Mehr zu diesem Thema eine Seite weiter in „Mein Honorar“.
Mich interessiert auch noch, für wie viele Personen und für wann die Veranstaltung geplant ist. Und ich bin gern bereit, einen Termin für ein mögliches Vorbereitungstreffen zu verabreden, auch wenn die Entscheidung noch nicht gefallen ist. Außerdem frage ich, wer der eigentliche Veranstalter ist, und wer diese Rolle in der open space Veranstaltung ausfüllen wird. Ich betone, dass der Veranstalter den open space eröffnet und danach in die Teilnehmerrolle schlüpft.
Jetzt will die Gruppe meistens noch wissen, wie es weitergeht. Dann sage ich:
„Als Nächstes müssen Sie Ihre und ich meine Entscheidung fällen. Darüber schlafe ich erst einmal, das empfehle ich Ihnen auch. Wenn es dann zur Zusammenarbeit kommt, ist der nächste Schritt das Vorbereitungstreffen einschließlich seiner Planung. Das Treffen dauert ungefähr dreieinhalb Stunden und soll sechs bis zwölf Wochen vor der Veranstaltung, am besten am Veranstaltungsort selbst, durchgeführt werden; mit acht oder auch mehr Teilnehmenden, die möglichst das ganze System abbilden, das von dem Thema der Veranstaltung erfasst wird. Vorher schicke ich Ihnen noch einen Verlaufsplan für das Treffen und eine „So klappt’s!“ Liste, in der steht, was man so braucht bei dem Vorbereitungstreffen.“
Dann verabschiede ich mich und harre der Dinge.
Mein Honorar
Bei der Höhe meines Honorars, das einen eher geringen Teil der Gesamtkosten ausmacht, überlasse ich seit einigen Jahren dem Veranstalter die Entscheidung. Das spart Arbeit und im Durchschnitt ist das Honorar heute nicht geringer als zu der Zeit, in der ich es ausgehandelt habe. Oft stößt das „Ich überlasse es Euch, was Ihr mir gebt“ auf Unglauben. Manchmal weiß der Veranstalter dann nicht, wie er es berechnen soll. Dafür kann ich ihm eine Zeitbedarfskalkulation für eine komplette open space Veranstaltung samt Vor- und Nachbereitung, Vorbereitungstreffen und dem Nächsten Treffen geben, an der er sich orientieren kann.
Die sieht bei einer dreitägigen open space Veranstaltung (16 Stunden open space, verteilt auf drei Tage) dann ungefähr so aus:
Dazu kommen Reisezeiten.
Detaillierte Zeitbedarfskalkulationen sind in der Materialsammlung.
Wenn es zur Planung und Organisation der Veranstaltung zusätzlich zum Vorbereitungstreffen weitere Arbeitstreffen gibt, erhöht sich der Zeitbedarf: zum Beispiel 3,5 Tage für sieben Arbeitstreffen zur Vorbereitung der langfristig geplanten deutschlandweiten Strategiekonferenz „Kinder aus suchtbelasteten Familien“ des Vereins NACOA im Januar 2008. Hier lag mehr als ein Jahr zwischen dem Vorbereitungstreffen und der Veranstaltung.
Genauso war es bei der ebenfalls langfristig geplanten und nach dem Vorbereitungstreffen einmal verschobenen Veranstaltung für Ehrenamtliche im Kirchenkreis Berlin Lichtenberg-Oberspree. Hier fanden sechs weitere Arbeitstreffen zwischen dem Vorbereitungstreffen im November 2002 und der Veranstaltung im Oktober 2003 statt.
Früher hatte ich mir auch eine Tabelle zur Berechnung meines Honorars zusammengestellt. Dabei wurden mehrere Faktoren berücksichtigt – die Ebene, auf der die open space Veranstaltung stattfindet: Stadtteil, Stadt, Land, Bund, International – Art und Größe des Auftraggebers: NGO, Öffentliche Verwaltung, Kirche, Wirtschaftsunternehmen... und die Länge der Veranstaltung. Das diente mir und dem Auftraggeber zur Orientierung. Mein Pauschalhonorar als Begleiter für eine dreitägige Veranstaltung samt Nächstem Treffen bewegte sich zwischen 1200 Euro für eine kleine Kirchengemeinde und bis zu 7500 Euro für ein internationales Wirtschaftsunternehmen.
Gegenwärtig (2010) liegt meine Honorarforderung für meinen Assistenten zwischen 750 und 2000 Euro. Ich selbst habe in den letzten Jahren im Durchschnitt 4500 Euro pro Veranstaltung bekommen. Damit ist die gesamte Arbeit einschließlich des Nächsten Treffen pauschal abgegolten. Die Helferinnen werden auf Stundenbasis bezahlt und erhalten 13 Euro. Ihre Reisezeit zählt zu 50% als Arbeitszeit. Wenn zu Hause aufwendige Vorbereitungen zu treffen sind, werden sie auch dafür entlohnt; zum Beispiel im Vorfeld der open space Veranstaltung „Den Frieden in die Welt tragen“ in Würzburg 2003 mit 2108 Teilnehmenden, als wir in Berlin unter anderem die Tragfähigkeit unterschiedlich großer Ballons testen mussten.
Zu den Honoraren für mich und meinen Assistenten, und den Stundenlöhnen für die Helferinnen kommen noch Reise- und Unterbringungskosten, die getrennt abgerechnet werden.
Die Rechnung für die ersten 25% meines Honorars schreibe ich bei Vertragsabschluss, die nächsten 25% werden nach dem Vorbereitungstreffen fällig und die letzten 50% nach Abschluss der Veranstaltung. Reise und Unterbringungskosten rechne ich nach der Veranstaltung ab. Ich biete dem Veranstalter auch an, alle Kostenabrechnungen für das Team zu übernehmen. Auf diese Weise bekommt es seine Honorare und Auslagen für die Reise schneller bezahlt.
Der Zeitbedarf für die Vor- und Nacharbeit zur eigentlichen open space Veranstaltung ist unabhängig von ihrer Länge. Für eine 2,5-tägige Veranstaltung fallen insgesamt 9 Arbeitstage an, für eine 2-tägige sind es 8,5 Tage, eine eintägige erfordert 7,5 und eine halbtägige 7 Arbeitstage.
Deswegen ist für mein Pauschalhonorar die Länge der eigentlichen open space Veranstaltung von untergeordneter Bedeutung. Andere Kosten wie Raummiete, Catering, Unterkunft für das Team und Honorare für Helferinnen stehen eher in direktem Verhältnis zu Dauer und Größe der Veranstaltung.
Zur Länge einer open space Veranstaltung
Wie lang soll unsere open space Veranstaltung sein? Diese Frage stellt sich jedem Veranstalter, oft schon im Kontaktgespräch. Für ihn ist es nicht nur eine Kostenfrage, er ist auch unsicher, wieviel Zeit Interessierte bereit sind sich zu nehmen.
In meiner Praxis gab es Veranstaltungen von 3,5 Stunden Dauer und solche über 16 Stunden, verteilt auf 3 Tage... und alles dazwischen. Beim genauen Hinschauen auf die Abläufe der über 170 Veranstaltungen, die ich begleitet habe, sehe ich über 20 Varianten (siehe Materialsammlung).
Bei allen Veranstaltungen, die ich begleitet habe, ist es produktiv und vergnüglich zugegangen. Wenn es allerdings darum geht, für eine drängende, komplexe und konfliktbehaftete Herausforderung Vorhaben zu definieren und mit Nächsten Treffen weit über die Veranstaltung hinaus zu verfolgen, dann ist das nicht an einem Nachmittag und auch nicht an einem Tag zu haben. Für gründliche Gespräche unter Einbeziehung der Vergangenheit, der Verarbeitung dieses Austausches, der Entwicklung von Vorhaben und der Verabredung zu Nächsten Schritten braucht es eine Veranstaltung, die sich über drei Tage erstreckt und insgesamt 16 Stunden in Anspruch nimmt (ein halber Tag, ein ganzer Tag und noch ein halber Tag).
In den Schlussrunden habe ich oft gehört: „Wir hätten mehr Zeit gebraucht!“, „Jetzt könnte ich erst richtig loslegen.“ oder „Wir hätten den ersten Tag vor dem open space nicht mit Vorträgen verschwenden sollen. Jetzt hat uns die Zeit gefehlt, um...“
Diese Stimmen melden sich regelmäßig bei Veranstaltungen, die über einen halben, einen ganzen oder zwei Tage gehen, auch bei solchen, die 16 Stunden open space enthalten (verteilt auf zwei Tage), aber nie bei Veranstaltungen, die über drei Tage gehen. Ich vermute, dass es an der längeren Zeitspanne und besonders den beiden Abenden und Nächten liegt, in denen die Eindrücke vom Tage verarbeitet werden können.
Seit einiger Zeit empfehle ich Veranstaltungen, die über drei Tage gehen, da sie am deutlichsten die Entfaltung von Selbstorganisation und die Handlungsorientierung von open space unterstützen.
Für fast alle ist das open space Verfahren eine neue Erfahrung. Es braucht Zeit, sich auf das Abenteuer Selbstorganisation einzulassen und sich in diese neue Welt einzufädeln.
Bei Veranstaltungen mit einem hohen Konfliktpotenzial wird der erste Tag oft dafür gebraucht, Zorn, Wut und alte Geschichten loszuwerden. Die Beschäftigung mit dem Thema rückt erst am nächsten Morgen in den Mittelpunkt. Die Nacht dazwischen unterstützt den Übergang.
Das Wichtigste in jedem open space findet in den Anliegengruppen statt. Hier nehmen sich die Teilnehmenden Zeit, sich über ihre Anliegen, die Dinge, die ihnen am Herzen liegen, in Gruppen auszutauschen. Bei einer dreitägigen open space Veranstaltung gibt es sechs bis sieben Anfangszeiten für Anliegengruppen, gefolgt von der Handlungsplanung. Geht die Veranstaltung über zwei Tage, sind es noch drei bis fünf plus Handlungsplanung. Wer eine ausfallen lässt, um eine Pause zu machen oder an der Doku-Wand zu schmökern, hat dann nur noch zwei bis vier Phasen zur Verfügung.
Bei einer dreitägigen Veranstaltung lässt sich an der Doku-Wand alles, was sich in den Anliegengruppen getan hat, sehr viel ruhiger und gründlicher nachlesen. In der Abendrunde des ersten Tages und der Morgenrunde des zweiten Tages wird dazu eingeladen, weitere Anliegen zu veröffentlichen, die sich inzwischen entwickelt haben. Bei kürzeren Veranstaltungen reduzieren sich diese Möglichkeiten.
Der Schlaf in der Nacht vom zweiten zum dritten Tag bereitet den Übergang zur Handlungsplanung vor, in der auf dem Hintergrund der behandelten Anliegen Vorhaben entstehen können.
Mehr Details zu den Unterschieden zwischen einer zwei- und einer dreitägigen open space Veranstaltung finden sich in der Materialsammlung.