Thomas Fitzner
Inselschuss
Verrückt auf Mallorca
Ein Therapie-Comedy-Thriller
Roman
vitolibro
Es hat noch keinen groβen Geist ohne eine Beimischung von Wahnsinn gegeben.
Seneca
Geht es um Menschenkenntnis – was ist da ein Diplompsychologe gegen eine Toilettenfrau?
Hans Kasper
Ein Psychoanalytiker ist ein Mann, der nach Gesprächen mit vielen Patienten sagen kann, was ihm selber fehlt.
Peter Sellers
Die wahren Abenteuer sind im Kopf.
André Heller
Cover
Titel
Impressum
Widmung
1. Deutschlands führender Mentaltrainer kassiert ein Tor
2. Der kurzen Rede langer Sinn
3. Scheidung mit Blumen und ein Sperling ohne Flügel
4. Duell im Privatjet und keine Sehnsucht nach Islands Vulkanen
5. Ufos, Römer und Rasierzeug
6. Schreie in der Nacht und ein verbotenes Zimmer
7. Der Teppich von Sidi Ifni und ein Therapiegespräch am Abgrund
8. Mittagessen mit Flugsaurier
9. Blatt Papier im Schneesturm
10. Die Sprungschanze von Formentor
11. Jo schlägt um sich und sieht ein Gespenst
12. Jo zieht einen Schlussstrich und macht weiter
13. Elouise legt ihre Karten auf den Tisch und Jo spielt Puzzle
14. Kollektives Bestaunen einer unsichtbaren Sehenswürdigkeit
15. Showdown in der Fruchtsaftkathedrale
16. Jo spielt die Biokarte
17. Hochsprung-Weisheiten und glückliche Eier von einer traurigen Bäuerin
18. Elouise erhält Besuch aus der Hölle und Jo sticht in ein Wespennest
19. Frauen
20. Kurs auf die Bombe
21. Exorzismus auf Dragonera
22. Port d’Andratx bumm-bumm, zas-zas
23. „Operation Maggi“
24. Wie war das nun mit Vicente und Walli …?
25. … und wie war das nun mit Jo und Irene ?
26. Ein Tête-à-Tête ohne Zärtlichkeiten
27. Die Cheeseburger-Methode
Epilog
Anhang
Danksagungen
Inselschuss
Neuausgabe
Die Originalausgabe erschien im Lübbe Verlag im Jahr 2007
unter dem Titel „Die Mallorca-Therapie“
© Edition wiederlieferbar bei Vitolibro (Inh. Vito von Eichborn), Malente, 2014
Umschlagkonzept: Vitolibro
Umschlagmotiv: Thomas Fitzner
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2014
ISBN epub: 978-3-86940-210-9
Weiteres finden Sie unter www.vitolibro.de und
www.wiederlieferbar.de … der Verlag mit dem Flieger
1.
Manchmal fragte sich der Psychologe Jo Fechtmeister, warum er mit dem Psychologen Reinhold Pfaff befreundet war. Und ob man das überhaupt Freundschaft nennen konnte. Und wenn nicht Freundschaft, was dann. Auch von Vertrauen, das echte Freundschaft auszeichnet, konnte nicht die Rede sein.
Andererseits sah Jo keinen Grund, „Pfaffis“ Vertraulichkeiten zurückzuweisen. Der Kollege, wenn er denn ein solcher war, konnte amüsant sein, er wusste Stadttratsch, er war nicht langweilig. Das war es wohl: Pfaff diente Jo als Zeitvertreib.
Aber hinter dieser harmlosen Erklärung verbarg sich noch etwas anderes, nämlich die Ahnung, dass der „Freund“ unangenehm, ja gefährlich werden konnte. Vielleicht zögerte Jo auch deshalb, ihm die kalte Schulter zu zeigen und damit zu riskieren, dass aus dem Kumpel Reinhold Pfaff ein Widersacher wurde.
Jedenfalls: Wenn „Pfaffi“ sich meldete und mit „seinem lieben Freund Fechti“ zu sprechen wünschte, konnte „Fechti“ schwer Nein sagen. Jo Fechtmeister, Deutschlands bekanntester Seelenmasseur, Retter des Fußballklubs Hannover 96 und trotz seiner jugendlichen 38 Jahren ein As der Branche, war nicht in der Lage, eine Standardsituation des gesellschaftlichen Umgangs zu bewältigen. Wie werde ich einen Freund los, mit dem ich nicht befreundet sein will? Fragen Sie Doktor Fechtmeister, er denkt seit Jahren über dieses Problem nach und hat eine Menge theoretischer Lösungen parat. Fragen Sie ihn aber bitte nicht, wie das bei ihm selbst und in der Praxis funktioniert.
Nämlich gar nicht.
Weshalb Jo die Einladung annahm. Womit eine Geschichte begann, die sein Leben auf den Kopf stellen würde.
Jo betrat das Restaurant „Steuerdieb“ und machte sofort seinen „Freund“ aus. Der saß im gravitätischen Mittelpunkt des Gastraumes, genau dort, wo sich bei einem Erdbeben der Stärke neun der Boden auftun würde. Pfaffs bärtiges Gesicht leuchtete rot und ein breiter Mund öffnete sich zu einem Konzert paläolithischer Freudenlaute.
Sie kannten einander seit dem gemeinsamen Studium in München. Jo, der brillante Überflieger, Reinhold, der listige Mitläufer. Beide waren in Hannover gelandet, beide hatten geheiratet, beide praktizierten als Psychologen. Erwartungsgemäß war es Jo, der blitzartig Karriere machte, während Pfaff tat, was er schon beim Studium getan hatte: Er mogelte sich durch. Sein Leben war eine Comedy-Serie und Jo fand es unterhaltsam, sich die Episoden von der Hauptfigur erzählen zu lassen.
Die Situation war freilich nur lustig, solange es Pfaff war, der mit der roten Clownnase herumlief und immer wieder auf die Schnauze fiel. Genau deshalb hatte Jo heute gezögert, die Einladung in den „Steuerdieb“ anzunehmen. Er, der junge Psychostar, der seit vier Jahren von Triumph zu Triumph eilte, der im „Spiegel“ seinen eigenen Interviewkasten erhielt, sobald die Seele das Thema war, fühlte erstmals schwankenden Boden unter seinen Füßen. Normalerweise war der Starpsychologe stolz auf die Kontrolle, die er über seine Emotionen ausübte. Wenn er unsicher oder melancholisch oder mitfühlend wirkte, dann nur, weil er das so wollte. Es war das Geheimnis seines Erfolgs.
Auch seine schlanke Figur war auf diese Selbstkontrolle zurückzuführen. Jo sah aus wie ein sportlicher Mittdreißiger, obwohl er Sport hasste. Lediglich seine runden Gesichtszüge verrieten den kopflastigen Intellektuellen, und die Frisur war der einzige Lebensbereich, in dem vollkommene Anarchie herrschte: Die halblangen Haare standen büschelweise in alle Richtungen ab, als sei er eben erst nach einem Albtraum aus dem Bett gestürzt. Jo konnte mit dem Thema Frisur nichts anfangen, somit blieb es seinem Haarschopf vorbehalten, das bei dem Starpsychologen vorhandene Übermaß an Perfektion und Kontrolle zu kompensieren.
Heute jedoch fühlte sich der Starpsychologe unsicher. Er hatte über einen wichtigen Teil seines Lebens die Kontrolle verloren und ahnte, dass die Dinge sich nicht zum Besseren wenden würden. Nicht mit Pfaff.
Neben dem Wunsch, Pfaff bei Laune zu halten, mochte professionelle Neugier das ihre dazu beigetragen haben, dass er die Einladung nicht abschlagen wollte. Reinhold Pfaff war eine Live-Fallgeschichte, und Jo konnte aus seiner Haut nicht heraus. Psychologe war nicht nur sein Beruf, und auch wenn das für die meisten seiner Kollegen galt, Jo Fechtmeister übertraf sie alle, und er tat es täglich. Nur so war erklärbar, dass seine Karriere mit einer Glanzleistung in einem Bereich begann, der mit seinem Spezialgebiet eigentlich nichts zu tun hatte. Sportpsychologie hieß die Startrampe zu seinem Höhenflug, Wladislaus Nemet die Trägerrakete. Ungarischer Topstürmer, sündhaft teuer eingekauft von Hannover 96, und nach dem vierten Spiel schwer depressiv. Mehrere Seelenklempner bissen sich an dem hysterischen Kicker die Zähne aus, bis Jo gerufen wurde und nach langem Abwimmeln – er habe keine Ahnung von Sport, er könne einen Fußballplatz nicht von einer Sprungschanze unterscheiden – in einer Art Feuerwehrmission einsprang.
Bald stellte er zu seiner Überraschung fest, dass auch Profisportler Menschen waren und dass sie trotz der titanischen Fähigkeiten, die die Medien ihnen zusprachen, unter denselben Komplexen und Problemen litten wie jeder normale Bundesbürger, nur dass sie damit zehnmal besser fertig wurden, was insofern praktisch war, als auch die Komplexe und Probleme in der Regel zehnmal kräftiger ausgeprägt waren als bei Normalsterblichen – warum sonst wurde man Profisportler?
Jo fühlte sich in dem neuen Thema rasch zu Hause. Er rettete Wladislaus, rettete die Saison und rettete die Finanzen des Klubs. Fortan war er der Shooting Star der deutschen Sportseelenmasseure. Mehrere Weltmeistertitel und Olympiamedaillen wurden ihm angerechnet. Ob zu Recht, wollte Jo nicht kommentieren. Mythen lässt man am besten alleine brodeln.
Dabei war seine wahre Spezialität die Beziehungspsychologie. Bei keinem Interview vergaß er das zu erwähnen, weshalb ihm seit Jahren Prominente aus ganz Deutschland die Tür einrannten, um ihre Beziehungskisten reparieren zu lassen.
Und genau deshalb fiel dem bundesweit bekannten Beziehungsexperten Jo Fechtmeister beinahe die Speisekarte aus der Hand, als Pfaff ohne lange Vorreden und wie nebenbei durchblicken ließ, dass er von Jos bevorstehender streng geheimer Scheidung wusste.
„Das mit Irene tut mir leid“, kam es hinter der Speisekarte hervor, in die Pfaff seine Nase gesteckt hatte. „Aber ich bin sicher, dass dein Prestige nicht darunter leiden wird. Einen wie Nemet wieder auf die Beine zu stellen … Mann, der kriegte ja schon beim Anblick eines Fußballrasens Weinkrämpfe. Und jetzt? Sieh ihn dir an – zwei Tore gegen Schalke!“
Zwei zum Victory-Zeichen gespreizte Wurstfinger gingen in die Höhe. Jo ließ seine Speisekarte auf den Tisch fallen. Warum, fragte er sich, ging dieser Reinhold Pfaff in seinem Leben ein und aus, als hätte jemand ihm den Haustürschlüssel gegeben? Und warum versteckte er sich hinter der Speisekarte und mied den Blickkontakt?
Jo saß wie angeleimt. Pfaff studierte weiter in aller Ruhe die kulinarische Auswahl. Der Kollege agierte wie jemand, der die besseren Karten in seiner Hand wusste. Jo hätte Gleichgültigkeit vortäuschen müssen, doch dazu hatte er im Moment gar keine Lust. „Wie hast du …?“
„Nina ist die Schwester von Irenes bester Freundin.“ Endlich ließ Pfaff die Speisekarte sinken. Sein schwarzer, kurz geschnittener Vollbart rahmte einen vollen Mund ein, der nachdenklich Luft kaute. Er blickte ernst und schüttelte den massiven Kopf, der nun auf seinem Körper herumpendelte, als wäre er wie bei einer Witzpuppe mit einer Sprungfeder an den Torso gebunden. „Hannover ist so klein, man glaubt es kaum. Ein Jammer übrigens. Ich dachte, es würde funktionieren mit euch.“
Jo starrte Pfaff an. „Wer ist Nina?“
„Hab ich dir nie erzählt? Komisch.“ Pfaffs Gesicht nahm einen Ausdruck versonnener Lüsternheit an. „Ein Klasseweib. Gott sei Dank bin ich verheiratet, sonst würde ich womöglich schwach.“
„Und was genau hat das Flittchen dir erzählt?“
Pfaff machte groβe Augen. „Flittchen!? Ts, ts. Jo, ich bitte dich. Das ist etwas rein Physisches und hat mit Untreue nicht das Geringste zu tun. Im Gegenteil: Nina ist das Sicherheitsventil, das meine Ehe zusammenhält. Zu diesem Thema kann ich keine Moralpredigt akzeptieren, nicht einmal von einer Eminenz wie dir. Außerdem lehrt die Psychologie, dass Schuldgefühle schädlich sein können.“
Jo zwang sich zur Ruhe. „Wie kommt diese … äh …?“
„Nina.“
„ … diese Nina dazu, dir von meiner Scheidung zu erzählen?“
Vergnügt trommelte der „Kollege“ mit den Fingern auf der Speisekarte herum. Allmählich wurde klar, warum er auf diese Zusammenkunft gedrängt hatte. Nicht Langeweile war es gewesen, oder das „ehrliche Bedürfnis, mit dem lieben Freund Jo endlich wieder mal ein paar Takte zu plaudern“, sondern eine Trumpfkarte war auszuspielen. Nun fragte sich nur noch, was Pfaff damit bezweckte. Irene Westendorf wollte sich von Jo Fechtmeister trennen, das stimmte, aber sie wollte ihn nicht zerstören, sie hatte lediglich die Nase voll von – wie sagte sie? – „deiner Unfähigkeit, Gefühle so zu zeigen, dass man sie dir auch abnimmt“. Irene hatte den Verdacht geäuβert, dass Jo das Interesse an einer Person verlor, sobald er sie wirklich kennen gelernt hatte, und dieses Kennenlernen ließ sich bei einer langjährigen Beziehung nun mal nicht vermeiden. „Soll ich Komplexe erfinden, damit ich für dich interessanter werde?“ hatte sie ihn gefragt. Irene, musste Jo zugeben, war eine provokant ausgeglichene Frau, und sie hatte es deshalb relativ lange mit ihm ausgehalten. Und sie hatte versprochen, die Scheidung als Geheimsache zu behandeln. Aber warum hatte sie dann nicht ihren Mund und damit auch ihr Versprechen gehalten?
„Das darfst du Nina jetzt nicht übel nehmen“, sagte Pfaff. „Als ich ihr erzählte, dass ich dein bester Freund bin …“
Jo sank in seinem Sessel zurück. Bester Freund!?!?
„ … da wurde sie nachdenklich, und als wir so gemeinsam im Hotelbett lagen und darauf warteten, dass sich mein Mittelstürmer für die zweite Halbzeit aufwärmte, hähähähä, machte sie ganz traurig ‚Hach‘ und ‚Hmmm‘ und fragte plötzlich, ob ich das nicht auch traurig fände, so ein nettes Mädchen, diese Irene, aber privat scheint Jo Fechtmeister ein richtiges Ekel zu sein.“ Pfaff hob die Hände. „Ihre Worte. Ich habe ihr natürlich heftig widersprochen, und sie regte sich auf und schrie: ‚Aber warum lässt sich seine Frau dann scheiden?‘. Ehrlich gesagt, Jo, ein bisschen befremdet war ich schon, dass du mir nichts davon erzählt hast.“
„Es war eine Sache zwischen Irene und mir“, presste Jo hervor.
„Ja, und zwischen Irene und der halben Stadt“, grinste Pfaff. „Aber wo liegt das Problem? Hast du etwa Angst, dass deine Scheidung bekannt wird. Ist das etwa eine Geheimsache?“
Jo saß wie gelähmt. Er war Perfektionist, so etwas würde ein Pfuscher wie Pfaff nie verstehen. Dass gerade auch Psychologen Probleme in ihrem Privatleben haben, war für Jo kein Trost. Er genoss den Respekt der Branche, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und die Vorstellung, es allen zu zeigen. Er wollte die Ausnahme sein, das Vorbild, er wollte mit der Autorität seiner persönlichen Erfahrung sprechen, er stellte höhere Anforderungen an sich als an alle anderen, beruflich wie privat. Er bastelte an seiner Legende, war höher gestiegen als alle und konnte folglich tiefer fallen. Die Vorstellung hämischer Titelzeilen in der Bild-Zeitung nagte an den Grundfesten seines Selbstbewusstseins.
Aber das konnte er Pfaff nicht sagen, es würde seine Position nur weiter schwächen.
„Ich wäre an deiner Stelle nicht beunruhigt“, sagte der „beste Freund“ mit einer wegwerfenden Handbewegung. „Dein Ruf wird keinen Schaden nehmen. Ein paar Idioten werden vielleicht Witze darüber machen, dass Deutschlands bekanntestem Spezialisten für Beziehungspsychologie nach nur vier Jahren die Frau davonläuft … oder waren es viereinhalb? … Aber sowas schmetterst du mit links ab. Zwei Tore gegen Schalke – dagegen kommt keiner an, das sind Zahlen und Fakten. Wladislaus mag Stürmer sein, für dich wird er zum Verteidiger.“
Jo gelang es, seinen Zorn unter Kontrolle zu halten. Pfaffs verständnisvolles Getue ließ nur eine Interpretation zu: Er würde ihn erpressen. Mit seiner Herumvögelei war Pfaff an eine Information gekommen, die ihm Macht verlieh. Macht über die Zukunft des erfolgreichen Kollegen. Und so miserabel Pfaff als Psychologe war, seine Nase ließ ihn selten im Stich. Pfaff wusste, warum Jo die Scheidung geheim halten wollte. Und Pfaff wusste, dass er es wusste.
Jo räusperte sich und fragte mit gespielter Ruhe: „Du erwähnst das jetzt tratschhalber oder kommt da noch etwas?“
„Tratschhalber?“ Pfaff schüttelte den Kopf. „Tratsch ist etwas für Privatpersonen. Wir sind Psychologen, Jo, bei uns ist ständig der Analysecomputer eingeschaltet.“ Er klopfte sich gegen die Stirn. „Das ist ja auch der Grund, warum ich meine animalischen Mittagspausen mit Nina brauche. Unser Intellekt braucht den Orgasmus wie ein Formel 1-Wagen den Boxenstopp.“ Er legte den Zeigefinger auf Jo an. „Womöglich hat es deshalb nicht funktioniert mit euch. Das Problem ist: Frauen würden so etwas nie verstehen. Und Irene ist ja nun auch eine wirklich spezielle Frau, und ich meine das im besten aller Sinne.“
Jo war selten um einen passenden Gesichtsausdruck verlegen, er machte noch in den schwierigsten Gesprächen stets das richtige Gesicht, es war Teil seiner Behandlungsstrategie, aber in diesem Moment starrte er Pfaff nur an, mit weit geöffnetem Mund und durchhängender Unterlippe.
Dann fragte er leise: „Was willst du von mir?“
Pfaff blickte ihn an, als verstünde er nicht. „Was ich will?“
„Sparen wir Zeit“, sagte Jo. „Du willst mir einen Vorschlag unterbreiten, nehme ich an. Bringen wir‘s hinter uns. Danach können wir uns über Fußball unterhalten. Oder über deine Ninas. Oder von mir aus über den Ölpreis.“
Pfaff lächelte traurig. „Die Art, wie du Vorschlag sagst, tut mir weh. Ich will dir keinen Vorschlag unterbreiten, sondern einen Vorschlag.“ Er versuchte ein unschuldiges Gesicht zu machen, was ihm gründlich misslang. „Aber dieser Vorschlag hat nicht das Geringste mit deiner Scheidung zu tun.“ Pfaff spielte ein wenig mit der Speisekarte herum, bevor er hinzusetzte: „Oder mit meinem Wissen um dieselbe.“
„Das ist sehr nobel von dir“, sagte Jo durch zusammengepresste Zähne. „Und könntest du bitte etwas leiser sprechen?“
„Wir sollten vorher bestellen“, meinte Pfaff und hob wieder die Speisekarte vors Gesicht, nur um sie erneut zu senken. „Ach, bin ich vergesslich. Mir brennt eine wichtige Frage auf der Zunge: Dieses Sabbatjahr, das du dir nehmen willst – schon organisiert, gebucht, reserviert, bezahlt?“
Jos Augen verengten sich zu Schießscharten. „Warum willst du das wissen?“
„Das hat nun doch mit meinem Vorschlag zu tun.“
„In drei Wochen reise ich nach Island“, sagte Jo.
„Genial!“ rief Pfaff aus und vertiefte sich endgültig in die Speisekarte.
„Daran wird dein Vorschlag nichts ändern“, setzte Jo nach. „Selbst wenn du mir anbietest, den Papst zu therapieren!“
„Den Papst?“ kam es hinter der Speisekarte hervor. „Viel interessanter. Wie wär‘s mit einer Ente-Orange?“
Das Sabbatjahr hatte nicht nur mit seiner Scheidung zu tun. Jo Fechtmeister war auf dem Gipfel seines Ruhms, aber er war auch müde und ausgebrannt. Als Psychologe kannte er die Symptome, hatte sie bei zahllosen Patienten diagnostiziert, und er hatte etliche Karrieremenschen davon überzeugt, dass es nichts Besseres für die seelische Gesundheit gab, als sich für ein paar Monate, bestenfalls ein Jahr, aus der Leistungsmühle auszuklinken und in anderer Umgebung anderen Beschäftigungen nachzugehen.
Jo hatte gemeint, gegen Burnout immun zu sein. Er hatte Tricks entwickelt, die Uneingeweihte als Ticks missverstehen konnten, und auch Irene hatte einige Zeit gebraucht, bis sie sich an seine sonderbaren Hobbies gewöhnt hatte. Dessen sonderbarstes war das Puzzlespiel. Neben anderen und einigermaßen normalen Interessen wie der Lektüre altgriechischer Komödien, die er als Schatzgruben psychologischer Standardsituationen schätzte, und der Lektüre von Biografien aller Epochen und Personentypen, vom Massenmörder bis zum Philosophen, beschäftigte sich Jo mit riesigen Puzzles, an denen er wochen- und monatelang tüftelte.
Er zog es vor, dieser Leidenschaft diskret nachzugehen. Nur Irene und seine engsten Freunde wussten davon, er wollte ja über seine Chaosfrisur hinaus keine weiteren Argumente liefern, um als übergeschnappt zu gelten. Durch Zufall hatte er entdeckt, dass die Reduktion der Komplexität des Lebens mit seinen fünf Dimensionen – drei räumlichen, einer zeitlichen und einer Handlungsdimension – auf nur zwei eine erholsame Wirkung auf einen Intellekt hatte, den er Tag für Tag an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit brachte. So zog er sich, wenn er sich einmal mehr in einem Zustand absoluter mentaler Erschöpfung nach Hause schleppte, in sein Arbeitszimmer zurück, und statt klassische Musik zu hören oder Liegestützen zu machen oder im Internet zwischen Pornografie- und Chatseiten herumzusurfen, setzte er sich an einen eigens dafür reservierten Tisch und erholte sich bei einem Puzzle. Er hatte auch Reisepuzzles parat, um, sobald er sich unbeobachtet wähnte, unterwegs Entspannung zu finden.
Freilich hatte Jo geahnt, dass mit Puzzlerei allein der Durchhänger auf Dauer nicht zu vermeiden war, aber es überraschte ihn dann doch, wie rasch dieser kam. Mit 38 stand er erst am Anfang seiner Karriere. Aber seit Jo die Schwelle zur Universität München überschritten hatte, um an seiner ersten Vorlesung teilzunehmen, hatte er sich keine Ruhe gegönnt. Er war ein Seelen-Junkie. Die Psychologie war seine Leidenschaft. Er war besessen von dieser Kunst – ja, er sah sie mehr als Kunst denn als Wissenschaft – und war stets fasziniert gewesen vom Reichtum der Möglichkeiten, den ein so komplexes Betätigungsfeld wie der menschliche Geist bot. Bald hatte er sich abseits der ausgetretenen Pfade nach neuen Methoden umgesehen, hatte sich von amerikanischen Exzentrikern und asiatischen Philosophen beeinflussen lassen, und allmählich die so genannte Fechtmeister-Methode entwickelt. Deren wichtigstes Markenzeichen war, dass niemand, nicht einmal seine erfolgreich behandelten Patienten, wussten, worin sie genau bestand.
Das Rätselraten amüsierte Jo, aber es beunruhigte ihn auch. Der Erfolg seiner Methode hing davon ab, dass sie nicht durchschaut wurde. Ladislaus Nemet war sein Versuchskaninchen gewesen, und Jo war vom Erfolg seiner Bemühungen nahezu schockiert gewesen.
Doch der Gipfelsturm des „Wunderkindes der deutschen Psychologie“ (Der Spiegel) forderte seinen Tribut. Jo hatte zu viel auf einmal gewollt. Tragischerweise war sein privates Glück das erste Opfer. Seit Irene ihm angekündigt hatte, sich trennen zu wollen, wusste er, dass er nun selbst eine Therapie brauchte. Natürlich nicht bei Reinhold Pfaff, der ihm diese mehrfach angeboten hatte (eher würde er sich von einem Schamanen mit Kaktusfusel übergießen und anzünden lassen), aber auch nicht bei Professor Münzheimer, seinem Lehrmeister und Vertrauten, abgesehen von Irene wohl der einzige in Deutschland, der ahnte, was es mit der Fechtmeister-Methode auf sich hatte, und der ihn davor gewarnt hatte, sie weiterzuentwickeln oder gar am „lebenden Objekt“ auszuprobieren, weil sie ein „fundamentales Tabu der Therapie-Ethik verletzte“.
Gerade diese Methode, die er trotz aller Warnungen und Bedenken nicht nur entwickelte, sondern auch anwandte, laugte ihn aus. Erschöpft von seinen Therapien und in die Enge getrieben von seiner Unfähigkeit, interessante Fälle auch mal abzulehnen, entschloss er sich zu einem massiven Time-Out. Ein Sabbatjahr, zwölf Monate der Ruhe, der Entstressung, des physischen und mentalen Spazierengehens auf anderen Pfaden. Trekking in Island, Sprachstudien in Nord- und Südamerika, Kulturreisen im Orient, sowie Aufenthalte auf Inseln, in Griechenland, auf den Kanaren, auf der autofreien Kanalinsel Herm. Ein klassischer Bildungstrip durch Italien und zum Abschluss eine Savoir-Vivre-Therapie in Paris.
Das Sabbatjahr war minuziös durchorganisiert. Seit Monaten hatte Jo keine neuen Patienten mehr aufgenommen und für die in Behandlung befindlichen eine Übergangslösung arrangiert. Die Praxis würde ein Jahr lang ruhen. Bei seiner Rückkehr würde seine Seele regeneriert und auch über die Scheidung würde Schnee gefallen sein. Den Medien hatte er sein Aussteigerjahr als professionelle Studienpause verkauft. Nur Irene wusste, was er wirklich vorhatte und warum.
Nur Irene?
Die Vorspeise kam auf den Tisch. Pfaff schlürfte eine Suppe, Jo stocherte in einer Beef Tartar-Miniatur. Jo hielt inne und musterte sein Gegenüber. Wusste Pfaff etwa auch über sein Burnout Bescheid?
Und gerade als Jo Luft holte, um eine Belanglosigkeit von sich zu geben – er musste Zeit gewinnen, um eine Strategie auszuarbeiten –, da sagte Pfaff unvermittelt: „Jemand hat ein Problem, und mir fällt kein anderer ein, der es lösen kann. Deshalb habe ich dich zum Essen eingeladen.“
„Soso“, brachte Jo zwischen zwei Bissen heraus. Seine bange Vorahnung konkretisierte sich und schnürte ihm die Kehle zu. Wenn Pfaff zum Essen einlud, war Alarmstufe eins angesagt. Pfaff litt unter chronischem Geldmangel, seine Frauengeschichten laugten ihn aus und ein Held der Arbeit war er ebenfalls nie gewesen.
„Sagt dir der Name Sigmar Brand etwas?“
Jo schüttelte den Kopf. „Müsste ich diesen Herrn kennen?“
Pfaff hob den Zeigefinger. „Eigentlich schon, ich habe dir einige hundert Mal über ihn erzählt.“ Er seufzte. „So ist das, wenn man mit einem Genie zu tun hat. Der Kopf ist ständig woanders. Aber heute nimmst du dir bitte die Geniestöpsel aus den Ohren und hörst mir zu, es ist wichtig.“
Jo nickte und ließ die Hand in der Luft kreisen. „Erzähl schon. Sigmar Brand …“
„Schwerreicher Unternehmer. Ich habe einen Werksvertrag als Betriebspsychologe seiner Software- und seiner Internetfirma. Brand Diversity Ultradot und Brand Diversity Intercake. Kann das Genie mit diesen Namen etwas anfangen?“
„Mir ist, als hätte ich davon gehört. Warum brauchen die einen eigenen Betriebspsychologen?“
„Informatiker, du weißt schon …“ Pfaff ließ seinen Zeigefinger rund ums Ohr kreisen. „ … haben alle einen Kratzer in der Festplatte, da könnte man für jeden gesondert einen Therapeuten anstellen.“
„Das hört sich lukrativ an“, sagte Jo. „Aber deine Privatpraxis läuft wie eh und je?“
„Natürlich“, sagte Pfaff und nickte dazu heftig.
Jo unterdrückte ein boshaftes Grinsen. Pfaffs Praxis war nie gut gelaufen, darum jagte er Werksverträgen hinterher, machte uneinhaltbare Zugeständnisse und verärgerte seine Privatkunden, oder die Firmen, oder beide.
„Für Brand bin ich eine Vertrauensperson.“ Pfaff spülte Rotwein hinunter als sei es Mineralwasser. „Er ist mit meiner Mitarbeit sehr zufrieden.“
Klar, dachte Jo. Um den Preis, den einer wie Brand mit einem wie Pfaff aushandeln konnte, lässt sich niemand aus dem Wochenende holen, nur um einem durchgedrehten Programmierer das Gemüt zu resetten. Pfaff war zu einem modernen Leibeigenen geworden, und zu verdanken hatte er es sich selbst, seiner Faulheit, seiner Unfähigkeit, seiner Durchmogelei. Man musste damit nur einmal an den Falschen geraten und schon war man versklavt.
„Deshalb hat er zuallererst an mich gedacht“, sagte Pfaff, „als in seiner Familie ein Problem auftauchte, das der Intervention eines Psychologen bedarf.“
Jo runzelte die Stirn. Ein millionenschwerer Unternehmer wandte sich bei einem Problem in der Familie an den unterbezahlten Quacksalber der eigenen Firma? Die Geschichte ächzte schon beim Einstieg. Jos Unbehagen stieg. Doch er beschloss, Pfaff aussprechen zu lassen. Er beschloss, freundlich zu sein. Rollenwechsel, Schauspielerei, darin war er geübt. Es war, ahnte er, seine einzige Chance, der Falle, die ihm sein „Freund“ stellen wollte, zu entwischen.
„Das Problem dabei ist“, sagte Pfaff, „dass sich die, äh, Patientin nicht in Deutschland befindet.“
„Eine Informatikerin?“
„Das ist vorherhand ohne Belang. Brand will das Mädchen … also gut: sie ist keine Informatikerin. Sie ist seine Tochter.“ Pfaff hob die Augenbrauen. „Das ist top secret, Fechti.“
„Natürlich“, sagte Jo. „Du kannst auf meine Diskretion zählen, so wie ich auf deine zähle.“
Pfaff entging die Ironie in Jos Worten. „Eben“, bestärkte er und verstummte, weil der Kellner die Teller entfernte und das Hauptgericht servierte. Sie widmeten sich diesem und schwiegen eine Weile. Dann sagte Pfaff wie nebenbei: „Das Mädchen ist übergeschnappt.“
„Klinisch?“
„Nein, Existenzkrise. Neunzehn Jahre alt, ausgezeichnete Studentin in Harvard, Welthandel und neue Technologien und dergleichen, und plötzlich schmeißt sie alles hin, reist quer durch die Staaten und schließt sich am Ende in Florida in einem Hotelzimmer ein und will von nichts und niemand mehr etwas wissen.“
Jo wog den Kopf. „Liebeskummer?“
Pfaff schüttelte den Kopf. „Wenn es nur so einfach wäre. Aber wir haben keinerlei Indizien für eine Beziehung. Die Geschichte geht weiter. Die Patientin unternimmt eine Art Selbstmordversuch.“
„Eine Art Selbstmordversuch?“
„Genaueres weiß man nicht. Jedenfalls wurde sie aufgegriffen und in ein Erholungsheim für nervlich darniederliegende Millionärstöchter und -söhne gesteckt.“
Jo nickte wissend. „Wo sich ihre Depression vertiefte.“
„Genau. Also schickte Papi seinen Privatjet mit einem Anwalt und zwei Bodybuildern nach Amerika, um das Töchterchen aus den Klauen der Disneyworld-Psychologen zu befreien. Offenbar gerade rechtzeitig. Angeblich soll es auch im genannten Erholungsheim zu einem Selbstmordversuch gekommen sein.“
„Ich höre immer ‚angeblich‘.“
„Weil das Herzchen alles wegerklärt“, sagte Pfaff und fuchtelte mit der Linken herum, während die Rechte mit umklammerter Gabel in einem Röstiberg baggerte. „Spricht von Inszenierungen, von Missverständnissen, mit einem Wort: Sie lässt niemanden an sich ran. Wahrscheinlich sind in Disneyworld jetzt die Psychologen deprimiert.“
Jo sah Pfaff prüfend in die Augen. „Aber das ist noch nicht alles.“
Sein „Kollege“ drückte herum und sagte mit wenig Überzeugung in der Stimme: „Eigentlich schon.“
„Da ist doch etwas geschehen“, sagte Jo. „Selbst wenn das Mädchen schon vorher mit dem Dasein haderte – irgendeinen Auslöser muss es gegeben haben. Kennen wir den?“
Pfaff schüttelte den Kopf. „Nein. Das ist ja unser Problem.“
„Und dass man sie so einfach finden konnte …?!“
„Wer sagt dir, dass es einfach war?“
Jo gestikulierte heftig. „Ich bitte dich. Florida! Dort fahren die mittelmäßigen Ganoven hin, um ihre Beute zu verprassen. Dort feiern die Ehebrecher aus der Mittelschicht ihre Wochenendaffären. Und vor allem: Man hat das Mädchen lebend gefunden, und rasch, sonst hätte das alles bereits in der Zeitung gestanden. Für mich klingt das nach jemandem, der sich finden lassen wollte.“
Pfaff hieb mit der Faust auf den Tisch: „Genial! Wir sind schon mitten in der Analyse!“
„Nicht so hastig. Zuerst will ich Details. Einzelkind?“
„Selbstredend.“
„Existiert ein Freund, ein Verlobter, ein Ehemann?“
„Das ist eben die Frage.“ Pfaff kaute auf seinen Lippen herum. „Das Mädchen ist allen ein Rätsel, inklusive ihrem eigenen Vater.“
„Und was ist mit der Mutter?“
„Wurde vom Vater gefeuert, als das Mädchen neun oder zehn war.“
Zwei Jahre Therapie Minimum, dachte Jo. Ein Jahr, wenn er den Eilzug nahm. Für den Monat, der ihm zur Verfügung stand, müsste er ein Raumschiff nehmen. Andererseits …
„Bevor wir weiter herumanalysieren“, sagte Jo, „erklär mir bitte, warum ich für diese …“ Kamikazemission, dachte er, ein anderes Wort gab es dafür nicht. Das Mädchen hatte vermutlich einen lebenslang unterdrückten Zorn auf Papa und würde ihre Emotionen Länge mal Breite am Therapeuten auslassen. „ … warum ich für diese Geschichte in Betracht komme. Trotz meines Sabbatjahres.“
Pfaff rieb Daumen und Zeigefinger aneinander. „Kohle in Tagbaumenge, Fechti. Eine Erfolgsprämie, dass du dein Sabbatjahr um eintausendzweihundert Monate verlängern kannst.“
Jo spielte den Beeindruckten, doch er tat es halbherzig. So ausgebrannt konnte er gar nicht sein, dass ihm ein Leben ohne Arbeit als Ziel seiner Träume erschien. Das war etwas für Typen wie Pfaff. Und wenn Typen wie Pfaff ans Ziel ihrer Träume gelangten, indem sie erbten oder im Lotto gewannen oder die Sozialversicherung betrogen, endeten Typen wie Pfaff als Alkoholiker auf einer griechischen oder spanischen Insel. Endstation Metaxa. Das Schlaraffenland muss man ertragen können.
„Wie hoch schätzt du selbst die Wahrscheinlichkeit ein, diese Erfolgsprämie zu kassieren?“
Pfaff wog den Kopf. „Bei mir um die null Prozent. Bei dir so gegen hundert.“ Er hob das Kinn, um seinem Kompliment Nachdruck zu verleihen.
Jo fixierte ihn missmutig. „Und wo soll der Affenzirkus stattfinden?“
Pfaff fuhr mit seinem Zeigefinger auf dem Tischtuch herum, als erklärte er einen militärischen Angriffsplan. „Brand hat seine Tochter dazu überredet, sich in seinem Ferienhaus auf Mallorca einzuquartieren und eine Therapie zu machen.“
„Interessant“, brummte Jo und dachte: Die Geschichte stinkt vorne und hinten. Welche rebellische Tochter lässt sich freiwillig für einen Monat kasernieren?
Doch diesmal ahnte Pfaff, was Jo dachte, und setzte rasch hinzu: „Er hat ihr einen Deal vorgeschlagen.“
„Ein guter Geschäftsmann, dieser Brand“, bemerkte Jo.
„Das will ich meinen. Der Deal ist: Conny lässt sich einen Monat lang brav therapieren. Wenn sie dann noch immer nicht bereit ist, ihr Leben an dem Punkt wieder aufzunehmen, an dem sie es verlassen hat, gibt Papa ihre Konten wieder frei und lässt sie fortan in Ruhe.“
„Wenn alles genau so ist, wie du es beschreibst“, sagte Jo, „dann ist eine Therapie keine Lösung. Papa Brand will etwas anderes.“
„Nämlich?“
„Eine Gehirnwäsche.“
„Sei nicht komisch, das Mädchen ist seine Tochter.“
Jo stützte seinen Kopf in die Hände. „Und Brand wollte dich nach Mallorca schicken?“
„Mehr in koordinierender Funktion“, erklärte Pfaff. „Aber Brand war klar, dass die Situation einen Spitzenmann erfordert. Er fragte mich: Und wie kriege ich einen Spitzenmann dazu, seine Praxis im Stich zu lassen und einen Monat lang nur meine Tochter zu behandeln? Wenn ein Psychologe soviel Zeit hat, dann nur, weil er alles andere ist als ein Spitzenmann. Da sagte ich ihm …“, effektvoll hob Pfaff beide Hände mit ausgestreckten Zeigefingern, „ … ‚und wenn ich Ihnen Deutschlands aktuell besten Psychologen vermittle, ex-klu-siv?‘“
Jo blickte ihm kühl in die Augen. „Dann kriegst du Vermittlerprovision.“
Pfaff ließ die Arme sinken. „Fechti, also jetzt wirklich. Dein treuester Freund seit Studienzeiten vermittelt dir den Psychojob des Jahrtausends, und du denkst nur an niedere Motive.“
Nein, dachte Jo. Die Provision ging ja noch. Aber Pfaff schien ernsthaft davon zu träumen, dem neuen deutschen Psychostar in einer Extremtherapie über die Schulter zu schauen. „Koordinierend“. Das war der einzige Punkt, den er unbedingt wegverhandeln musste. Der Fall an sich … Jo spürte wieder den vertrauten Adrenalinschwall. Einen Monat nur. Ein unmöglicher Auftrag. Eine Aufgabe, die nur einer meistern konnte. Es klang ebenso interessant wie verrückt. Aber hatte er noch die Wahl?
„Brand wird dich lediglich ersuchen, dein Sabbatjahr um einen lächerlichen Monat zu verschieben. Vergiss Island. Kannst du später immer noch machen.“ Pfaff hielt seine Rechte über den Tisch. „Die Insel schwimmt dir nicht davon. Gebongt, Kumpel?“
Jo hob abwehrend die Hände. „Moment mal, warum die Eile?“
Nun machte Pfaff eine diskrete Bewegung mit dem Kopf und senkte seine Stimme zu einem Flüstern. „Weil Papi zwei Tische weiter sitzt. Und weil ich ihm versprochen habe, dass du mit ihm reden wirst.“
Jo ging blitzartig seine Optionen durch. Wenn seine bevorstehende Scheidung tatsächlich schon ein offenes Geheimnis und quasi auf dem Weg in die Klatschspalten der Zeitungen war, konnte er eigentlich nicht erpresst werden. Um das abzuklären, musste er sofort mit Irene sprechen.
Ruckartig erhob er sich von seinem Sessel. Pfaff sprang ebenfalls auf, Panik im Gesicht. „Du willst mich einfach hier sitzen lassen?“
„Die Ruhe, Pfaffi“, sagte Jo und fingerte in seinem Sakko nach dem Handy. „Gib mir drei Minuten. Ich muss nur schnell einen Anruf machen.“
„Aber du kommst zurück, ja?“
Jo knallte seine Autoschlüssel auf den Tisch. „Kaution, zu deiner Beruhigung.“
„Könntest ja ein Taxi nehmen …“, hörte er Pfaff wimmern.
Jo trat aus dem Restaurant auf den Gehweg hinaus. Es war ein milder Sommerabend in Hannover, Balkon- und Barbecuewetter, und auch die richtige Temperatur, um in Ruhe über das eigene Leben nachzudenken. Bevor er sich an einen Baum lehnte und Irenes Nummer wählte, tat er genau das. Für eine Minute stand er da und starrte auf die Straβe hinaus und dachte: Mensch, da bist du jetzt, 38 Jahre alt, erfolgreicher, als du es dir je hättest träumen lassen, und am liebsten würdest du losheulen, weil die Zeitmaschine, mit der man zurückreisen könnte, um sich in bestimmten Situationen anders zu verhalten, noch nicht erfunden ist.
Aber wenn ihn etwas noch mehr nervte als seine momentane Situation, dann war es Selbstmitleid. Er schüttelte seine Melancholie ab und wählte die Nummer seiner zukünftigen Exgattin.
„Westendorf.“
„Irene, ich bin´s“, sagte Jo mit belegter Stimme. „Entschuldige, wenn ich dich störe. Hast du eine Minute für mich?“
„Solange es kein Heiratsantrag ist“, kam es eisig zurück.
„Keine Sorge. Ich wollte mir dir über unsere Abmachung sprechen, dass wir die Scheidung diskret behandeln wollen.“
„Von mir aus“, kam es verhalten. „Und warum?“
„Weil …“, Jo hielt inne und atmete tief durch. Dann sagte er mit zitternder Stimme, aber doch noch einigermaßen ruhig: „Weil mich gerade der Pseudopsychofuzzi der Nation auf den streng vertraulichen Umstand unserer Trennung angesprochen hat.“
Ein Moment Schweigen. Dann drang ein Schrei aus dem Apparat: „Reinhold!?!“
„Genau dieser schleimige Wicht, Liebste.“
„Ach du lieber Himmel!“ kam es leise.
„Das will ich meinen. Aber das ist nicht alles, Irene. Es kommt noch besser: Doktor Schleim lässt durchblicken, dass er seine Diskretion von einem Entgegenkommen meinerseits abhängig macht.“ Er hörte Irene laut aufstöhnen.
„Anders als mit Urlauten lässt sich die Situation, in der ich dank deiner Diskretion stecke, gar nicht kommentieren“, sagte Jo. „Irene, ich weiß, ich hatte kein Recht darauf, aber du hattest es mir versprochen. War das so schwer?“
„Moment, Jo. Lass uns ganz ruhig darüber reden. Wer kann das gewesen sein?“
„Sag bloß nicht, du hast den Überblick verloren. Warum hast du nicht gleich eine Pressekonferenz einberufen, zum Teufel nochmal?!“
„Was will Reinhold von dir?“
„Ach, nur eine Kleinigkeit“, fauchte Jo. „Ich soll mein Sabbatjahr umorganisieren und mich für einen Monat mit einer durchgeknallten Millionärstochter in ein Zimmer einsperren. Also fast nicht der Rede wert.“
„Vom Vater engagiert?“
„Erraten, Liebste.“
„Oh, Gott.“
„Du kannst dir vorstellen, dass ich in diesem Moment kein Interesse an einem weiteren Fehlschlag habe.“ Er stockte. Irene musste klar sein, dass er soeben ihre Ehe in die Reihe seiner „Fehlschläge“ einbezogen hatte. Gegen diese „Insensibilitäten“, wie sie es nannte, war seine künftige Ex besonders allergisch. Er harrte mit eingezogenem Kopf ihrer Reaktion, doch Irene reagierte nicht. „Jetzt würde ich gerne wissen“, fuhr er etwas ruhiger fort, „wem ich diese Situation verdanke. Und was ich noch viel dringender wissen muss: Wie weit hat sich die Nachricht von unserer glücklichen Entheiratung schon herumgesprochen?“
Kurz war es still zwischen den beiden. Dann sagte Irene mit dieser wohlig natursanften Stimme, die Jo seit ihrem ersten Treffen faszinierte, und zwar bis heute, und sogar in diesem Augenblick: „Es tut mir leid. Ehrlich, Jo. Ich habe die Scheidung nur mit wenigen und sehr nahe stehenden Personen besprochen, und immer unter der Bedingung, dass sie es für sich behalten. Du musst mich verstehen. Ich konnte das nicht all die Wochen hindurch in mich hineinfressen. Glaube nicht, dass ich diese Geschichte einfach so wegstecke.“
„Ich glaube dir alles, Irene. Aber jemand hat geplaudert.“
Irene summte ins Telefon und seufzte. „Warte mal. Meinen Eltern vertraue ich absolut. Kathrin auch. Und … andere gibt es nicht. Bist du sicher, dass das von mir …?“
„Absolut sicher. Ich habe sogar meine Selbstgespräche unterbrochen, wenn ich eine Küchenschabe um die Ecke biegen sah.“
„Nicht mit Mama oder Papa?“
„Mit meinen Eltern? Eher laufe ich nackt durch die Bahnhofstraße.“
„Und was ist mit Sperling?“
„Unser Anwalt, Liebste, hätte die Inquisition mit aufgesetzter Kippa überstanden. Warum fühlst du nicht mal Kathrin auf den Zahn? Doktor Schleim hat etwas von einer Schwester deiner besten Freundin gequasselt.“
„Oh, mein Gott! Ich kläre das in einer Minute ab. Ich … es tut mir wirklich leid. Ich konnte nicht ahnen, dass …“
„Schon gut, schon gut. Mach mal.“
„Und Jo.“
„Was?“
„Sag nicht immer Liebste in diesem Ton. Es gibt keinen Grund, so miteinander umzugehen, auch wenn wir uns trennen. Bitte, Jo.“
Jo spürte, wie sein Gesicht feuerrot anlief. Er räusperte sich, murmelte „Tschuldigung“ ins Telefon und schaltete ab.
Keine fünf Minuten später wusste er, dass auch Kathrin die Information „unter dem Siegel absoluter Verschwiegenheit“ jemandem anvertraut hatte, nämlich ihrer besagten Schwester Nina. Dass die Schwester der besten Freundin seiner zukünftigen Exgattin Pfaffs Geliebte war, stellte eine weitere Überraschung dar und nährte Jos Verdacht, dass der „Kollege“ aus Gründen, über die er nicht weiter nachzudenken wagte, den erfolgreichen Psychologen zum Opfer einer lebenslangen Aufdringlichkeitskampagne erkoren hatte. Zufall konnte das keiner mehr sein. Nina wiederum schwor Stein und Bein, dass sie zu Pfaff nur deshalb offen gesprochen hatte, weil sie angenommen hatte, dass der als „Jos bester Freund“ ohnehin davon wusste.
Jo konnte also beruhigt sein, wenn das der richtige Ausdruck war. Die Katastrophe war nicht komplett und es bestand noch eine Chance, dass er nicht dem Gespött der Nation ausgeliefert würde. Er musste nur dafür bezahlen. Mit einem Monat psychologischer Behandlung eines Mädchens, das wahrscheinlich nur eines mehr hasste als ihren Vater: den von ihrem Vater engagierten Supertherapeuten.
Jo blickte auf die Straße hinaus, Telefon in der Hand, Gedankenwirbel im Kopf. „Entschuldige bitte, wenn ich ungeduldig geworden bin.“
„Schon vergessen“, sagte Irene. „Du musst eines verstehen: Ich lasse mich von dir nicht scheiden, weil du ein unausstehliches Ekel wärst, denn das bist du ja nicht.“
„Hast du mir schon mal erklärt.“
„Und ich erkläre es dir nochmal, Sturbeutel. Ich bin Romantikerin. Wenn ich mich auf die Couch lege, dann nicht, um mir von meinem Lebenspartner die Neurosen analysieren zu lassen. Oder mir Geschichten über die Neurosen anderer anzuhören. Und schon gar nicht, um das bleierne Schweigen eines Genies zu ertragen, das in einer anderen Dimension zu Hause ist.“
„Waren das die Phasen unserer Beziehung?“
„So ungefähr. Aber ich hege keinen Groll. Mir ist sehr wichtig, dass du mir das abnimmst. Ich will dir weder mit der Trennung schaden, noch habe ich bewusst oder unbewusst versucht, deine Karriere zu sabotieren.“
„Ich habe nichts dergleichen behauptet.“
„Lass es mich trotzdem sagen.“ Jo wartete darauf, was sie noch sagen wollte, aber da kam nichts mehr. Nach einer verlegenen Pause fügte sie hinzu: „Also wenn ich nochmal was für dich tun kann, sag mir Bescheid.“
„Ausgenommen so ehemäßige Sachen.“
„Ja. Sorry. Die wollen wir lieber vergessen. Mach‘s gut, Jo!“
2.
„Ich habe einen Kamm dabei, wenn du vorher noch schnell …“
Jo warf Pfaff einen vernichtenden Blick zu.
„War nur eine Idee“, beschwichtigte Pfaff und erhob sich. „Dann wollen wir mal.“
Sigmar Brand saß allein an einem Tisch und studierte eine Mappe mit Dokumenten. Vor ihm standen zwei Gläser und eine Flasche Cognac. Er sah erst auf, als Pfaff sich mehrmals und in zunehmender Lautstärke geräuspert hatte.
„Herr Sigmar Brand.“ Pfaff breitete mit einer großartigen Geste die Arme aus. Wie Bill Clinton, dachte Jo, als er Rabin und Arafat zum historischen Händedruck zusammenführte. Aber wir wissen ja, was aus Rabin und Arafat geworden ist. „Darf ich vorstellen: Doktor der Psychologie Johann Arnold Fechtmeister, verantwortlicher Therapeut des Schützenkönigs der Bundesliga, Wladislaus Nemet, und wahrscheinlich einer der größten lebenden Seelenexperten unserer Tage.“
Brand musterte ihn ohne sichtbare Gefühlsregung, wies auf den Stuhl vor ihm und sagte: „Erfreut.“
Pfaff räusperte sich, rieb sich die Hände und bekam erst allmählich mit, dass an Brands Tisch nur ein Stuhl frei war, und dass auf diesem nun Jo Platz nahm.
„Herr Pfaff – Dankeschön“, sagte Brand und schickte den Angesprochenen mit einer Bewegung seines Zeigefingers zurück an den Tisch, an dem der Werkspsychologe des Firmenkonglomerats „Brand Diversity Group“ den zukünftigen Therapeuten der Cheftochter weichgequatscht hatte.
Leibeigener, dachte Jo. Er versuchte, ein ausdrucksloses Gesicht zu bewahren. Brand war ihm auf Anhieb unsympathisch, doch es gelang ihm, den Umstand der Erpressung im Giftstofflager seines Gemüts abzuparken. Nur mal zuhören, sagte sich Jo. Aus der Haut fahren kann ich nachher im stillen Kämmerlein.
Brand wirkte erstaunlich jung für einen Konzernlenker. Er war rundlich und hatte eine zart-rosa Haut und sein Gesicht strahlte die Gutmütigkeit, Gemütlichkeit und selektive Menschenliebe eines Landpfarrers aus. Die perfekte Tarnung für einen der härtesten Geschäftsmänner Deutschlands. Auch seine Stimme klang sanft, doch in dieser Sanftheit klang bereits Gefährlichkeit mit. Die Augen, wenn man Augen lesen konnte, verrieten ihn endgültig: Es waren nicht die seelenwarmen Tümpel eines Geistlichen, sondern die Radargeräte eines Raubvogels. Sein Blick wich nicht aus und lud nicht zum Mauscheln ein, sondern suchte, scannte, prüfte, forderte und drohte. Und blieb kurz an Jos Frisur hängen. „Geht wohl Wind draußen.“
„Was?“
Brand annullierte das Thema mit einer winzigen Geste. „Pfaff hat Sie eingewiesen. Interessiert?“
„Ich würde gerne mehr erfahren“, sagte Jo.
„Cornelia Brand, neunzehn Jahre alt, drei Semester in Harvard, exzellente Noten, einwandfreie Führung, plötzlich E-Mail aus ich weiß nicht wo in Florida, Papa, ich muss meine Existenz überdenken, alles erscheint mir sinnlos und pervers.“
Brand blickte Jo in die Augen, ohne zu blinzeln. Pfaff hatte gewarnt, Brand sei kein Freund vieler Worte. Das war wohl eine Untertreibung, dachte Jo.
„In diesen Worten?“ fragte er.
„Resümiert.“
„Könnte ich die E-Mail sehen?“
„Heiβt das, Sie akzeptieren?“
Jo registrierte, wie er sich dem schnörkellosen Stil seines Gegenübers anpasste. „Könnte ich die E-Mail sehen, falls ich akzeptiere?“ Brand lächelte ein salbungsvolles Priesterlächeln. „Im Wutanfall gelöscht.“
Jo sah ihn lange an. Brand hielt dem Blick problemlos stand. „Und was geschah dann, Herr Brand?“
„Freund in Übersee geht mir zur Hand. Kennt meine Tochter. Überredet Cornelia zu einem Treffen. Gibt ihr ein Mobiltelefon, am anderen Ende bin ich. Cornelia klingt völlig verändert. Macht Anschuldigungen. Faselt krassen Unsinn über ein neues Leben. Ich schlage ihr vor: Komm nach Mallorca, gib mir einen Monat.“
„Welche Art von Anschuldigungen?“
„Pubertäres Gewäsch, gekleidet in akademisches Vokabular. Ich sei so eine Art Göring, nur mit besseren Anwälten.“
„Studierte sie auf eigenen Wunsch in den USA?“
„Ich sage: Natürlich. Sie sagt: Natürlich nicht. In ihrem Zustand braucht es einen Psychologen, um sie zu verstehen.“ Die Andeutung eines komplizenhaften Lächelns huschte über sein Gesicht. „Eigentlich mit allen Frauen so.“
Jo stieg auf die Bemerkung nicht ein: „Warum, glauben Sie, hat Cornelia zugesagt, nach Mallorca zu kommen?“
„Sie kennt mich.“
„Was bedeutet das?“
„Sie mag mich für einen Diktator halten, aber sie weiβ auch, dass ich meine Zusagen einhalte. Grundlage fürs Geschäftliche wie fürs Persönliche. Ich verspreche ihr totale Freiheit mit finanzieller Unterstützung, unter einer Bedingung: einen Monat auf Mallorca und keine Tricks. Weder auf ihrer Seite noch auf meiner.“
„Und wenn Sie sie für unzurechnungsfähig erklären und in eine Nervenheilanstalt stecken lassen?“
„Ich habe ihr gesagt: Solange du keinen echten Selbstmordversuch unternimmst, tu ich das nicht.“
„Aber war sie nicht verzweifelt?“
„Kein Mensch weiß, was wirklich mit ihr los ist. Vielleicht Drogen. Vielleicht Sekte. Mein Freund konnte nur Vermutungen anstellen, null konkrete Indizien, abgesehen von ihrem Verhalten. Ihr Job, Fechtmeister. Müssen Conny nicht nur heilen, sondern die Hintergründe rausholen. Wenn Dritte dahinterstecken, will ich Namen, Anschriften, Schuhgrößen. Werden mich kennenlernen.“
„Und wenn einer dahintersteckt? Wenn Conny sich in einen nordafrikanischen Guerillero oder einen Tellerwäscher aus Mexiko verliebt hat?“
„Sie haben einen Monat, das herauszufinden und sie wachzurütteln. Wir haben nur diesen einen Monat, um Cornelia wieder aufs Gleis zu heben.“
„Warum haben Sie nicht mehr rausgehandelt? Ihnen muss doch klar sein, dass noch niemand in nur einem Monat von einer Persönlichkeitskrise geheilt worden ist.“