rowohlts monographien
begründet von Kurt Kusenberg
herausgegeben von Uwe Naumann
Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, März 2015
Copyright © 2012 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
Redaktionsassistenz Katrin Finkemeier
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Satz CPI books GmbH, Leck, Germany
ISBN Printausgabe 978-3-499-50721-2 (1. Auflage 2012)
ISBN E-Book 978-3-644-53331-8
www.rowohlt.de
ISBN 978-3-644-53331-8
C 19
Vgl. C 1827
L 18, 30.11.1895
Das berichtet der spätere General Edmund Glaise von Horstenau in seinen Erinnerungen, vgl. A 28f.
Dies gelang dem Musil-Biographen Karl Corino, vgl. C 109–120
Wilfried Berghahn: Robert Musil in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Reinbek bei Hamburg, 21. Aufl. 2001, S. 28
Vgl. Philipp Blom: Der taumelnde Kontinent. Europa 1900–1914. München 2008, Kapitel «1900: Jungfrau und Dynamo»
C 205
Entdeckt wurden sie 2002 von dem Brünner Dramaturgen und Musilforscher Vojen Drlík. Vgl. L 11: «Brünner Veröffentlichungen 1898–1902», sowie Nanao Hayasaka: Robert Musil und der «genius loci». München 2011, S. 164–175
Heutige Historiker bestätigen diese Analyse, vgl. Blom, Anm. 7, S. 14
Dazu sowie zum geistigen Klima grundlegend: Michael Worbs: Nervenkunst. Literatur und Psychoanalyse im Wien der Jahrhundertwende. Frankfurt a.M. 1998. Vgl. auch Sibylle Mulot: Der junge Musil. Seine Beziehungen zu Literatur und Kunst der Jahrhundertwende. Stuttgart 1977
Joachim Radkau: Das Zeitalter der Nervosität. Deutschland zwischen Bismarck und Hitler. München, Wien 1998
Zitiert nach: Hugo von Hofmannsthal: Der Brief des Lord Chandos, Schriften zur Literatur, Kunst und Geschichte. Hg. von Mathias Mayer. Stuttgart 2000, S. 25
Vgl. Uwe Spörl: Gottlose Mystik in der deutschen Literatur um die Jahrhundertwende. München u.a. 1997
Maurice Maeterlinck: Der Schatz der Armen. Jena 1906, S. 147
Vgl. L 19, an Adolf Frisé, Januar 1931. Zum zeitgenössischen Schlüsselbegriff «Geist» vgl. Thomas Anz: Literatur des Expressionismus. Stuttgart, Weimar 2002, S. 60ff.
Vgl. Emanuela Veronica Fanelli: «Als er noch Fräulein Valerie liebte». Musils Valerie-Erlebnis. Eine biographisch-kritische Korrektur. In: Musil-Forum 19/20 (1993/94), S. 7–30, sowie Hayasaka, Anm. 9, S. 177–191 u. C 154–165
Vgl. dazu Blom, Anm. 7, S. 180–216
Karl Corino spricht von einem «Blaubart-Zimmer» (C 707) in Musils Lebensgebäude.
Vgl. etwa Wolf Wucherpfennig: «Tonka» oder die Angst vor Erkenntnis. In: Sebastian Goeppert (Hg.): Perspektiven psychoanalytischer Literaturkritik. Freiburg i. Br. 1978, S. 233–259
C 18
Vgl. v.a. M IV/2/411–489 und an verschiedenen Stellen in H 3
Vgl. Rudolf Schier: Robert Musils «Tonka» als Vorläufer des «nouveau roman». In: Études Germaniques 32 (1977), S. 40–47
Ernst Mach: Populär-wissenschaftliche Vorlesungen. Leipzig, 4., verm. u. durchg. Auflage 1910, S. 488
Dazu instruktiv: Anne Harrington: Die Suche nach Ganzheit. Die Geschichte biologisch-psychologischer Ganzheitslehren. Vom Kaiserreich bis zur New-Age-Bewegung. Reinbek bei Hamburg 2002; sowie Helmut E. Lück/Rudolf Miller (Hg.): Illustrierte Geschichte der Psychologie. Weinheim, Basel 2005
Vgl. dagegen C 232 bzw. 1529, wonach Musil die Methode des Invertierens erst 1913 kennengelernt habe. Vexierbilder und das Phänomen des Aspektwechsels waren jedoch schon vorher Gegenstand der Experimentalpsychologie.
Zu Musils Studieninhalten und wahrscheinlich besuchten Lehrveranstaltungen vgl. Silvia Bonacchi: Robert Musils Berliner Lehrjahre. In: Annette Daigger/Peter Henninger (Hg.): Robert Musils Drang nach Berlin. Internationales Kolloquium zum 125. Geburtstag des Schriftstellers. Bern 2008, S. 37–84
Dazu grundlegend: Silvia Bonacchi: Die Gestalt der Dichtung. Der Einfluß der Gestalttheorie auf das Werk Robert Musils. Bern 1998
Vgl. Christoph Hoffmann: «Der Dichter am Apparat». Medientechnik, Experimentalpsychologie und Texte Robert Musils 1899–1942. München 1997, S. 61–88
Walter Jens: Sadistische Spiele auf dem Dachboden. In: Marcel Reich-Ranicki (Hg.): Romane von gestern – heute gelesen. Bd. I: 1900–1918. Frankfurt a.M. 1996, S. 62
Vgl. dazu Roland Kroemer: Ein endloser Knoten? Robert Musils «Verwirrungen des Zöglings Törleß» im Spiegel soziologischer, psychoanalytischer und philosophischer Diskurse. München 2004, v.a. S. 116–174
Auch 1903 ist möglich, da Bahrs Essay bereits im Jahr vor der Buchveröffentlichung (Berlin: S. Fischer, 1904) in der «Neuen Rundschau» (Jg. 14, S. 716–736) erschien.
Walter Fanta: Die Spur der Clarisse in Musils Nachlass. In: Musil-Forum 27 (2001/2002), S. 266
Hugo von Hofmannsthal, Harry Graf Kessler: Briefwechsel 1898–1929. Frankfurt a.M. 1968, S. 155
Oliver Simons: Raumgeschichten. Topographien der Moderne in Philosophie, Wissenschaft und Literatur. München 2007, S. 280
Alfred Kerr: Sucher und Selige, Moralisten und Büßer. Literarische Ermittlungen (Werke IV). Frankfurt a.M. 2009, S. 316
Ebd., S. 150
Prager Tageblatt, 7. April 1907
Vgl. Helga Mitterbauer: Die Netzwerke des Franz Blei. Kulturvermittlung im frühen 20. Jahrhundert. Tübingen, Basel 2003, S. 74–78
Roger Willemsen: Robert Musil – Vom intellektuellen Eros. München 1985, S. 30
Zeugnis von Gustav Donath, zitiert nach: A 57
Einen minutiösen, über weite Strecken textimmanenten Kommentar zu den beiden Novellen bietet: Fred Lönker: Poetische Anthropologie. Robert Musils Erzählungen «Vereinigungen». München 2002 (Musil-Studien 30)
Alle zitiert nach: C 397f.
Vgl. C 395
Vgl. C 367 sowie Oliver Pfohlmann: Von der Abreaktion zur Energieverwandlung. Musils Auseinandersetzung mit den «Studien über Hysterie» in den «Vereinigungen». In: Peter-André Alt/Thomas Anz (Hg.): Sigmund Freud und das Wissen der Literatur. Berlin 2008, S. 169–192
Sigmund Freud: Gesammelte Werke, Band 1: Werke aus den Jahren 1882–1889. Frankfurt a.M. 1999, S. 227
Vgl. Elizabeth R. Neswald: Thermodynamik als kultureller Kampfplatz. Zur Faszinationsgeschichte der Entropie 1850–1915. Berlin 2006
Vgl. Thomas Anz/Oliver Pfohlmann (Hg.): Psychoanalyse in der literarischen Moderne. Eine Dokumentation. Bd. 1: Einleitung und Wiener Moderne. Marburg 2006, S. 11–61
Vgl. Oliver Pfohlmann: ‹Eine finster drohende und lockende Nachbarmacht›? Untersuchungen zu psychoanalytischen Literaturdeutungen am Beispiel von Robert Musil. München 2003, S. 327–396
Robert Müller: Der erotischeste Dichter. Prager Presse, Beilage Dichtung und Welt, Nr. 35, 31. August 1924
Vgl. dazu Birgit Nübel: «ein dünner Dunst fremden Leibes». Perversionen des Erkennens in Musils Essay «Das Unanständige und Kranke in der Kunst». In: Musil-Forum 31 (2009/2010), S. 23–38
Vgl. C 441f. Es soll sich um die österreichische Schauspielerin Ida Roland (1881–1951) gehandelt haben.
Zu diesem und dem folgenden Abschnitt vgl. Oliver Pfohlmann: «Ein Mann von ungewöhnlichen Eigenschaften» – Robert Musil, die «Neue Rundschau», der Expressionismus und das «Sommererlebnis im Jahre 1914». In: Weimarer Beiträge 49 (2003), Nr. 3, S. 325–360
Franz Kafka: Briefe 1913–März 1914. Hg. von Hans-Gerd-Koch. Frankfurt a.M. 2001, S. 326
Vgl. Thomas Anz: Vitalismus und Kriegsdichtung. In: Wolfgang J. Mommsen (Hg.): Kultur und Krieg. Die Rolle der Intellektuellen, Künstler und Schriftsteller im Ersten Weltkrieg. München 1996, S. 235–247; vgl. auch Anz, Expressionismus, Anm. 16, S. 132–141
Vgl. Klaus Amann: Robert Musil. Literatur und Politik. Mit einer Neuedition ausgewählter politischer Schriften aus dem Nachlass. Reinbek bei Hamburg 2007, S. 7–17
Vgl. zu diesem Begriff Nassim Nicholas Taleb: Der schwarze Schwan. Die Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse. München 2008
C 520
L 18, 4.2.1915
Dies ist eine von vielen Entdeckungen Karl Corinos, vgl. C 528
Zit.n. A 113
Zit.n. A 14
Vgl. zum Folgenden Amann, Anm. 56
Claudio Magris: Der habsburgische Mythos in der österreichischen Literatur. Salzburg 1966
Vgl. C 649
Ein weiterführendes Kapitel zu Musils Posse «Vinzenz und die Freundin bedeutender Männer» ist auf der Homepage des Autors (www.oliverpfohlmann.de/vinzenz.pdf) abrufbar.
Zum «Schwärmerskandal» 1929 vgl. den gleichnamigen Aufsatz Murray G. Halls, http://www.murrayhall.com/content/articles/der_Schwaermerskandal_1929.pdf [abgerufen am 12.8.2011]
Vgl. zum Folgenden Norbert C. Wolf: «… einfach die Kraft haben, diese Widersprüche zu lieben». Mystik und Mystizismuskritik in Robert Musils Schauspiel «Die Schwärmer». In: IASL 27 (2002), 2. Heft, S. 124–167
Siegfried Kracauer: Das Ornament der Masse. Essays. Frankfurt a.M. 1977, S. 116
Hans Neuenfels: Robert Musil – «Die Schwärmer». Reinbek bei Hamburg 1985, S. 7
Nicole Streitler: Musil als Kritiker. Bern 2006, S. 20 (Musiliana 12)
Zit.n. C 622
Vgl. dazu Streitler, Anm. 71, S. 231–322
Vgl. zu diesem Begriff Willemsen, Anm. 40, S. 217
Zu diesem Begriff vgl. Hartmut Böhme/Gernot Böhme: Das Andere der Vernunft. Zur Entwicklung von Rationalitätsstrukturen am Beispiel Kants. Frankfurt a.M. 1983, S. 13f.
Vgl. Gerhard Meisel: Liebe im Zeitalter der Wissenschaften vom Menschen. Das Prosawerk Robert Musils. Opladen 1991, S. 72ff.
Diese Konstanz wurde in der Forschung früh bemerkt, vgl. Annie Reniers-Servranckx: Robert Musil. Konstanz und Entwicklung von Themen, Motiven und Strukturen in den Dichtungen. Bonn 1972
So eine Selbstauskunft Musils im März/April 1931 für die Zeitschrift «Literatur». In: Robert Musil: Briefe 1901–1942. Hg. von Adolf Frisé. Reinbek bei Hamburg 1981, S. 510
Vgl. dazu vor allem Walter Fanta: Die Entstehungsgeschichte des «Mann ohne Eigenschaften» von Robert Musil. Wien 2000
Musils Vorbild für die Figur Moosbrugger entdeckte Karl Corino, vgl. C 880–891
Eine «unendliche verlängerte, schmerzliche Vorlust, so könnte man Freudianisch scherzen» (C 836)
C 735
Vgl. A 146
Vgl. C 836
Vgl. A 165
Zur Unterscheidung kanonisch/apokryph vgl. Walter Fanta: Das Finale des «Mann ohne Eigenschaften». In: Katarina Agathos/Herbert Kapfer (Hg.): Robert Musil: Der Mann ohne Eigenschaften. Remix (Begleitband). München 2004, S. 583f.
Meisel, Anm. 76, S. 118
Claudio Magris: Die Odyssee des Robert Musil. In: Merkur 368 (1979), S. 146
Jean-François Peyret: Von jenen, die auszogen, den «Mann ohne Eigenschaften» zu verstehen. Zu Musils fragwürdiger Aktualität. In: Uwe Baur/Elisabeth Castex (Hg.): Robert Musil, Untersuchungen. Königstein/Ts. 1980, S. 31. Peyret bezeichnet den Roman gar als «Foltermaschine», die zu einem «Lektüreselbstmord» einlade. (Ebd.)
Friedrich Nietzsche: Werke in drei Bänden, Zweiter Band. Hg. von Karl Schlechta. München, Wien 1994, S. 632
Zum Gegensatz zwischen Ulrichs modern-funktionalistischer Weltsicht und der in obsoleten substanzialistischen Kategorien denkenden Gesellschaft vgl. Thomas Pekar: Robert Musil zur Einführung. Hamburg 1997, S. 114
Vgl. Walter Fanta: Krieg & Sex – Terror & Erlösung im Finale des ‹Mann ohne Eigenschaften›. In: Hans Feger/Hans-Georg Pott/Norbert Christian Wolf (Hg.): Terror und Erlösung. Robert Musil und der Gewaltdiskurs der Zwischenkriegszeit. München 2009, S. 209–225 (Musil-Studien 37)
Vgl. Kai Evers: «Krieg ist das gleiche wie aZ»: Krieg, Gewalt und Erlösung in Robert Musils Nachkriegsschriften. In: Ebd., S. 227–250
Vgl. C 1827
Zu Musils Reaktion auf 1933 vgl. Amann, Anm. 56, S. 48ff.
Amann, ebd., S. 43
Marcel Reich-Ranicki: Robert Musil – Der Zusammenbruch eines großen Erzählers. In: ders.: Sieben Wegbereiter. Schriftsteller des zwanzigsten Jahrhunderts: Arthur Schnitzler, Thomas Mann, Alfred Döblin, Robert Musil, Franz Kafka, Kurt Tucholsky, Bertolt Brecht. Stuttgart 2002, S. 155–202
Vgl. C 1260
Vgl. Walter Fanta: Schreibexerzitien eines Ingenieur-Dichters. In: Musil-Forum 28 (2003/2004), S. 26–56, im Besonderen S. 32–36
Vgl. z.B. Sabine A. Döring: Ästhetische Erfahrung als Erkenntnis des Ethischen. Die Kunsttheorie Robert Musils und die analytische Philosophie. Paderborn 1999
Eine ähnliche These vertritt Amann, Anm. 56, S. 8
Vgl. C 1327
Zit.n. A 444f.
Zit.n. A 426
Oskar Maurus Fontana: Erinnerungen an Robert Musil. In: Karl Dinklage (Hg.): Robert Musil – Leben, Werk, Wirkung. Reinbek bei Hamburg 1960, S. 336f.
Roger Willemsen: Leben in den Konjunktiv versetzt. In: Katarina Agathos/Herbert Kapfer, Anm. 86, S. 658
Walter Fanta: Das Finale des «Mann ohne Eigenschaften». In: Ebd., S. 585
Vgl. Walter Fanta: «Man kann sich das nicht vornehmen». Adolf Frisé in der Rolle des Herausgebers Robert Musils. In: Roland S. Kamzelak/Rüdiger Nutt-Kofoth/Bodo Plachta: Neugermanistische Editoren im Wissenschaftskontext. Berlin 2011, S. 251–286
Vgl. Fanta, Anm. 86, S. 586f.
Ein Leben ganz ohne Leerlauf und Kompromisse, als endloser Fluss von Liebe und Bedeutung – ist das möglich? Höchstens in der Fiktion. In der Realität lässt sich Glück immer nur als Ausnahmezustand erleben, für kurze Zeit. Das musste auch Robert Musil erfahren, der die Utopie vom hundertprozentigen Sein (zit.n. C 1106) zum Inbegriff seines Literaturverständnisses machte. Nicht dieser andere Zustand (P 1153), der ihn zeitlebens faszinierte, bestimmte seine Schriftstellerexistenz, sondern Depressionen, Schreibhemmungen, Suizidgedanken. Und doch wollte er nichts anderes als Dichter sein […], ich kämpfe dafür buchstäblich mit dem Einsatz des Lebens (L 19, 4.3.1931). Für die Verheißungen der bürgerlichen Gesellschaft hatte er nur Verachtung übrig, nicht anders als seine Figuren. Ulrich, der Mann ohne Eigenschaften und Alter Ego seines Autors, unternimmt gleich drei Versuche, ein bedeutender Mann zu werden, nur um am Ende ein Jahr Urlaub von seinem Leben zu nehmen, um eine angemessene Anwendung seiner Fähigkeiten zu suchen (MoE 47). Er findet sie an der Seite seiner Schwester Agathe auf einer Wiese im Garten liegend, in einem meditativen Zustand, der für Ulrich dem seligen Reifen einer Traube in der Herbstsonne gleicht.
Musils Leben war nach bürgerlichen Maßstäben ein Desaster in Fortsetzungen: Geboren im November 1880, hätte er k.u.k. Offizier werden können, wechselte aber zur Technik; dann hätte er Ingenieur werden können, wechselte aber zur Philosophie und Psychologie; er hätte Professor werden können, wurde aber freier Autor – um sich Jahre, sogar Jahrzehnte für seine Werke Zeit zu lassen, sodass er im April 1942 verarmt und vergessen starb. Heute würde man das die Patchworkbiographie einer prekären Existenz nennen. Ich weiß nicht, wozu man lebt: könnte ich sagen. Was lockt, lockt mich nicht (H 33/79), gestand Musil einmal. Er erfand daher Prototypen eines anderen Menschen, dem eine böse, aber mit «Seele» begangene Tat lieber ist als alles Gutmenschentum. Wer dank seines Möglichkeitssinns erkennt, dass es der Welt bestimmt ist, sich fortwährend zu verwandeln, will sich nicht länger so benehmen wie ein bestimmter Mensch in einer bestimmten Welt, in der […] nur ein paar Knöpfe zu verschieben sind, was man Entwicklung nennt; sondern von vornherein so wie ein zum Verändern geborener Mensch, der von einer zum Verändern geschaffenen Welt eingeschlossen wird, also ungefähr so wie ein Wassertröpfchen in einer Wolke (MoE 273).
Wohin solche Wirklichkeitsverachtung führt, ob es Alternativen zum Seinesgleichen geschieht (MoE 357) gibt, ob sich die Augenblicke der taghellen Mystik (MoE 1089) vielleicht doch auf Dauer halten lassen – das versuchte der österreichische Romancier im Seelenlaboratorium seiner Werke herauszufinden. Hätte er gewollt, er wäre ein Erzvater der neuen Erzählungskunst (L 19, 26.1.1931) geworden, spottete der späte Musil. Heute gilt er, weil er die Dichtung auf die Höhe der Human- und Naturwissenschaften und darüber hinaus, in das Grenzgebiet der Ahnung, Mehrdeutigkeit, der Singularitäten, führte, als Erzvater einer Literatur im Zeitalter von Poststrukturalismus und Systemtheorie, als «Prophet einer neuen, vielseitig vernetzten Intelligenz»[1]. Er selbst war überzeugt, dass nicht er seiner Zeit voraus war, sondern seine Mitmenschen 100 Jahre hinter ihr zurück. Musil dachte groß von der Literatur: Ich messe der Dichtung eine Wichtigkeit bei, die weit über die Wichtigkeit andrer menschlicher Tätigkeiten emporragt. (Beide M IV/3/413) Und er dachte groß vom Leser: Ich habe überhaupt immer eine viel zu große Vorstellung von dem gehabt, was man anderen zumuten müsse. Oder davon, daß die Menschen zu den Büchern kommen sollen, und nicht umgekehrt. (M II/1/53)
Von seinen Büchern wurden bis zu seinem Tod keine 35000 Exemplare verkauft.[2] Dabei dürfte kein Autor so viel über die Wirkung von Literatur nachgedacht haben wie dieser Dichter-Ingenieur und promovierte Experimentalpsychologe. Musils Texte kennen kaum Erholungspausen; ihr Ziel ist ein Höchstmaß an Bedeutungsfülle, Beziehungsdichte und Bildhaftigkeit. Sie verweigern sich der erleichternden Spannungsauflösung, setzen auf eine, psychoanalytisch gesprochen, anhaltende Vorlust, folgen einer Ästhetik reine[r] Aktualität und Erregung (P 1154), die den Leser dauerhaft verändern will. Wir brennen an den Büchern, wie der Docht im Öl. Wir nehmen sie eigentlich ohne jede andere Wirkung als diese auf, daß wir brennen … (M V/4/3) Nachdem Musil zu dem Schluss gekommen war, dass seine Zeitgenossen nicht mehr lesen konnten, blieb ihm nur die Hoffnung auf die Nachwelt: Thomas Mann und Ähnliche schreiben für die Menschen, die da sind, ich schreibe für Menschen, die nicht da sind! (H 34/63)