Silke Porath / Sören Prescher
Wer mordet schon zwischen Alb und Donau?
11 Krimis und 125 Freizeittipps
Personen und Handlung sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen
sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
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Alle Rechte vorbehalten
Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt
Herstellung: Julia Franze
E-Book: Mirjam Hecht
Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart
unter Verwendung eines Fotos von: © Schlesier – Fotolia.com
und © Fotimmz – Fotolia.com
ISBN 978-3-8392-4450-0
Natürlich wissen wir, dass Balingen nicht an der Donau liegt. Schön ist es dort trotzdem – wie auch in allen anderen Orten, in denen Jochen Schädle ermittelt. Deswegen stehen sie im Buch, das dann allerdings geheißen hätte: »Wer mordet schon an der Donau, an der Eyach, auf der Baar und Richtung Schwarzwald bis hin zu den Ausläufern der schwäbischen Alb mit Blick auf den Heuberg.« Nicht nur, dass das komisch klingt – es hätte auch gar nicht auf das Cover gepasst.
Unserem Ermittler Jochen Schädle passt auch was nicht. Dass er nämlich wegen einem bisschen Bandscheibe in Rente geschickt wird. Womit wir aber kein Mitleid haben. Denn erstens ist er ja unsere Erfindung, und zweitens hat er so mehr Zeit, um sich alles Schöne in der Region anzuschauen. Vielleicht machen Sie das auch: einfach mal losfahren und schauen, was Sie so am Wegesrand finden (das mit dem schmerzenden Rücken lassen Sie aber bitte sein!). Gerne dürfen Sie uns von unterwegs eine Postkarte schicken. Oder eine E-Mail. Und wer weiß, vielleicht begegnen wir uns ja irgendwo an einem der Schauplätze?
Keine Bange, übrigens. Sie müssen nicht um Leib und Leben, Hab und Gut fürchten. Die Handlungen und Personen sind einzig und allein unserer Fantasie entsprungen. Falls Sie Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Ereignissen oder lebenden Menschen finden, dann freuen wir uns natürlich, dass wir so gut gedichtet haben. Und außerdem ist da ja noch Kommissar Jochen. Der passt schon auf, dass die Gegend hier zwar einen Mordsspaß macht, aber dass alle ruhig urlauben und leben können.
Herzlich,
Silke Porath & Sören Prescher
*
»Rente! Wegen ein bisschen Bandscheibe!« Jochen Schädle versetzt dem Karton einen Fußtritt. Dann nestelt er seinen Autoschlüssel aus der Hosentasche. Die Jeans haben auch schon bessere Zeiten gesehen, und wie jedes Mal verfängt sich der Wohnungsschlüssel im Riss in der Tasche. Schädle zerrt daran, und es ist ihm egal, dass das Loch dadurch noch größer wird. Die Zentralverriegelung springt auf. Er schnappt sich den Karton, wirft ihn auf den Rücksitz und fährt mit unerlaubt hoher Geschwindigkeit vom Parkplatz.
»Sollen die mir doch einen Strafzettel verpassen.« Beim Einbiegen in die Rottweiler Hauptstraße kramt er seine Sonnenbrille aus dem Handschuhfach. Als er bei Hellrot über die Ampel fährt, rutscht der Karton vom Sitz. Ein Sortiment Kugelschreiber, das von der Sonne ausgebleichte Foto seiner Tochter und der verstaubte Pokal vom Kollegen-Kegeln sieht er unter dem Sitz verschwinden. Den Blumenstrauß vom Team hat er der Sekretärin geschenkt. Die Pralinen (belgische, immerhin) vorhin gleich rumgereicht. Nur den Gutschein für die Bücherei hat er mitgenommen. Vielleicht freut seine Vermieterin sich darüber.
»60, Mensch, altes Haus, genieß das Leben, kannst jetzt endlich Romane lesen.« Blöde Sprüche der Kollegen. Jochen pfeift auf Bücher. Auf die verdammte 60. Und verflucht seine Bandscheibe, die ihm den Vorruhestand eingebracht hat. Trotz Operation, trotz Reha und trotz der elend langen Stunden in der Physiotherapie.
»Heimadsogga!« Er schlägt mit der flachen Hand aufs Lenkrad. Dann dreht er das Radio auf und lässt die Scheiben runter. Mick Jagger beschallt die Neckarbrücke. Saust mit ihm durch den Kreisverkehr. »You can’t always get, what you want …«
Elf Uhr. Verdammt. Was macht man um elf Uhr, wenn man nicht arbeitet? Jochen Schädle überlegt für einen Moment, nach Hause zu fahren. Im Kühlschrank liegen zwei Flaschen Hefeweizen. Er könnte sich auf den Balkon setzen, kühlen Gerstensaft trinken und dann endlich mal das Unkraut aus den Fugen zwischen den Betonplatten kratzen. Oder einen Mittagsschlaf machen. Die Glühbirne in der Abstellkammer ist seit zwei oder drei Monaten kaputt. Und der Duschvorhang bräuchte dringend eine Runde in der Waschmaschine. Schädle setzt den rechten Blinker. Die CD knackt. »It’s only Rock ’n’ Roll, but I like it.«
»Ach, scheiß drauf.« Schädle nimmt bewusst den Ärger seines Hintermanns in Kauf, als er schwungvoll wieder nach links zieht. Er gibt Gas und folgt dem blauen Schild der A81.
Als er den Flughafen und das Concorde-Hotel hinter sich lässt, ist seine Wut immer noch nicht verraucht. »Soll ich jetzt da einchecken, wenn ich schon ausgecheckt werde?«, ruft er gegen die Windschutzscheibe. Rente. Das perfekte Timing, um Golf zu spielen und sich im Hotel der Brüder Aldi massieren zu lassen, denkt er grantig. Aber dafür würde seine Pension nicht reichen. Missmutig biegt Jochen in die Dürrheimer Straße ein, das Stadtzentrum von Donaueschingen fest im Blick.
Dass sie ihn wegen eines nervigen Rückenleidens einfach in Vorruhestand schickten, war eine Sache. Aber dass sie ihn ausgerechnet durch einen Haubentaucher wie Micha ersetzten, schlug dem Fass den Boden aus. Der Ex-Kollege war zwar gut, wenn es auf Recherchen ankam, aber wenn es hart auf hart kam, zögerte er einfach zu lange. Was gefährlich sein konnte.
Jochen schüttelte den Kopf. Was regte er sich deswegen überhaupt auf? Früher hatte er sich so oft darüber beschwert, keine Freizeit zu haben. Jetzt besaß er jede Menge davon.
Trotzdem war es eine Sauerei. Er gehört noch nicht zum alten Eisen. Im Kopf fühlt sich Jochen so fit wie ein Anfänger frisch von der Akademie. Was ihn sogleich daran erinnert, wie er als junger Polizeibeamter nach Donaueschingen kam, um seine erste Ermittlung zu leiten.
Als er in die Bahnhofstraße einbiegt und parallel zu den Gleisen fährt, kommt ihm sofort alles bekannt vor. Da vorn winkt ihm der Karlsgarten zu, weiter hinten schimmert der Fürstlich Fürstenbergische Park durch, der vor dem Stadion liegt. Wann war das gleich noch mal? Es müsste im Sommer 1986 gewesen sein. Die Stones hatten gerade ihr Album Dirty Works herausgebracht, und im Kino kämpfen Der City Hai und Highlander um die Vorherrschaft.
Heimadsogga, war er damals jung gewesen und das Leben nicht so kompliziert. Nun, zumindest die berufliche Seite. Was ihm an Erfahrung fehlte, hatte er mühelos mit Tatendrang ausgeglichen.
Sein Auto hält in der Josefstraße, direkt neben dem Hermesshop. Eigentlich will er bloß einen kurzen Blick auf den Karlsgarten werfen, aber kaum steht er hier, prasseln die Erinnerungen wie Regentropfen auf ihn ein.
*