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Bronnie Ware

Leben ohne Reue

52 Impulse, die uns daran erinnern,
was wirklich wichtig ist

Aus dem Englischen
von Antje Korsmeier

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Die amerikanische Originalausgabe erschien 2014 unter dem Titel
»Your Year for Change« im Verlag Hay House Australia Pty. Ltd.
© 2014 der deutschsprachigen Ausgabe
Arkana, München
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH
Neumarkter Str. 28, 81673 München
© 2014 der Originalausgabe Bronnie Ware
Lektorat: Gisela Fichtl
Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling
Umschlaggestaltung: Uno Werbeagentur, München
Umschlagmotiv: FinePic®
ISBN 978-3-641-14183-7
V002
www.arkana-verlag.de

Für meine Tochter Elena,

die das Licht bringt

Inhalt

Einleitung

1 Perspektivwechsel

2 Eine sanfte Lehrerin

3 Veränderungen annehmen

4 Den Tod anerkennen

5 Überraschen Sie sich selbst

6 Jeder neue Tag ist schön

7 Flexibel sein

8 Über das Missverstandenwerden

9 Vogel und Stier

10 Die Entscheidung zum Glücklichsein

11 Was ein einziger Tag bewirken kann

12 Vom Ego lösen

13 Ruhen – handeln

14 Glaube

15 Zäune

16 Vorwärtsfließen

17 Freiheit

18 Dankbarkeit

19 Mitgefühl entwickeln

20 Hoffnung

21 Mut zur Aufrichtigkeit

22 Internetverbindung

23 Der Unsichtbare

24 Seien Sie einfach Sie selbst

25 Sich selbst lieben

26 Lektion auf einem Parkplatz

27 Türen öffnen

28 Großartigkeit

29 Meditation

30 Auf der Welt

31 Schritt für Schritt

32 Es ist erlaubt

33 Die Macht der Entscheidung

34 Regen, Regen und nochmals Regen

35 Auf die Plätze, fertig, los!

36 Denkanstöße der Natur

37 Respekt beginnt bei uns selbst

38 In eine neue Haut schlüpfen

39 Wegweiser

40 Ein neuer Anfang

41 Tipps zur Aufmunterung

42 Dreißig Sekunden

43 Gedanken und Verkehr

44 Die drei Soprane

45 Vom richtigen Zeitpunkt

46 Vielfalt und Farbe

47 »Was«, nicht »wie«

48 Wünsche im Wind

49 Das Wunder des Körpers

50 Auf die Worte achten

51 Zusammenarbeiten

52 Schluss mit den Sorgen!

Nachwort: Leben ohne Reue

Dank

Einleitung

Obwohl die Kindheit nur eine so kurze Spanne unseres Daseins ausmacht, prägt sie unser Leben als Ganzes doch so sehr wie keine andere Lebensphase. Im Rückblick ist die Zeit nur so verflogen. Als Kind kommt es einem jedoch vor, als läge sie endlos vor einem. Meine eigene Kindheit bildet in dieser Hinsicht keine Ausnahme.

Ich hatte das Glück, auf einer großen Farm aufzuwachsen, wo ich stundenlang reiten oder über die Felder laufen konnte. Ein unendlich weiter Himmel wachte über mich, als ich zu einer jungen Frau heranwuchs. Doch mit dem Heranwachsen stellte sich auch Unruhe ein, ich wollte die Welt entdecken, ausbrechen, ein Gefühl, das mich begleiten sollte, bis ich irgendwann begann, mich mit meiner inneren Unruhe auseinanderzusetzen.

Ich habe damals zweifellos viele schöne Dinge erlebt. Aber da ich in unserer Familie das schwarze Schaf war, wurde ich in meiner Kindheit auch ständig gehänselt. So kam es, dass ich zwar eine tiefe Liebe zur Natur entwickelte und allmählich unabhängiger wurde, ich zugleich jedoch mit einem gewaltigen Schmerz im Gepäck mein junges Erwachsenenalter begann.

Ich verließ die Farm und machte mich auf in die Stadt, um in einer Bank zu arbeiten – das war eine vernünftige Tätigkeit, ein Leben, wie man es von mir erwartete. Doch meine Unruhe nagte weiter an mir, und ich wechselte im Lauf der Zeit mehrfach den Job und zog wiederholt um. Irgendwann führte mich der Schmerz dann auf den Weg der Künstlerin, zunächst war ich als Fotografin und Autorin tätig, später als Singer / Songwriterin.

Während jener Jahre, in denen ich durch die Musik und mit meiner Musik wuchs, entschloss ich mich, bei einer älteren Dame einzuziehen, um sie zu pflegen. Damals hatte ich keine Ahnung, wie sehr diese Tätigkeit mich selbst heilen würde und was für ein bedeutsamer Teil meines Lebenswerks sie sein würde. Ich werde immer große Dankbarkeit für jeden vollendeten Schritt meines Lebens empfinden, und dazu gehört auch der Schmerz, der mich zu dieser Arbeit führte und zu der Freude, die dahinter lag.

Aus jener ersten Anstellung wurden acht Jahre, in denen ich Menschen betreute, die im Sterben lagen. Viele, unendlich kostbare Stunden saß ich am Bett von Sterbenden.

Ich habe sie gepflegt und mich darum bemüht, ihnen ihre letzten Tage so angenehm und friedlich wie möglich zu gestalten.

Diese Menschen waren zu krank, um noch etwas zu unternehmen. Deshalb wollten sie, wenn sie wach waren, die meiste Zeit reden. Und wie sie geredet haben!

Ganz natürlich ergaben sich sehr persönliche, offene Gespräche zwischen uns. Sterbende verschwenden ihre Zeit nicht mit Banalitäten. Ihnen ist bewusst, wie kostbar Zeit ist, und die meisten von ihnen nutzen sie so sinnvoll wie möglich. Das heißt, sie sprachen frei aus ihrem Herzen heraus, ein Glücksfall für mich.

Im Laufe vieler Jahre wiederholten sich manche Themen mit einer solchen Regelmäßigkeit, dass ich die Botschaften, die das Leben mir sandte, nicht mehr ignorieren konnte. Reue und Bedauern verfolgten die Sterbenden, und vielen von ihnen bereitete das an ihrem Lebensende enormes Leid und Enttäuschung.

Wenn ich auf jene besonderen Jahre zurückblicke, dann ist Reue das Thema, welches mich persönlich am meisten beeindruckt und beeinflusst hat. Es kehrte so oft wieder, dass es gar nicht anders ging, als mich nachhaltig damit zu beschäftigen. Natürlich gab es auch Menschen, die nichts bereuten. Manche waren mit sich im Frieden und im Einklang mit den Entscheidungen, die sie in ihrem Leben getroffen hatten. Aber es gab wesentlich mehr, die etwas bereuten, als Menschen, bei denen das nicht der Fall war.

Obwohl die Versäumnisse die unterschiedlichsten Dinge betrafen, traten einige Themen immer wieder auf. Die Dinge, die die Sterbenden, welche ich betreute, am meisten bereuten, waren:

  1. Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, mir selbst treu zu bleiben, statt so zu leben, wie andere es von mir erwarteten.
  2. Ich wünschte, ich hätte nicht so viel gearbeitet.
  3. Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, meinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen.
  4. Ich wünschte, ich hätte den Kontakt zu meinen Freunden gehalten.
  5. Ich wünschte, ich hätte mir mehr Freude gegönnt.

Diese Erfahrung mit Menschen, die mir im Laufe der Zeit ans Herz wuchsen, gibt mir bis heute die Kraft, Entscheidungen zu treffen, die ansonsten schwierig sein könnten. Denn den Schmerz der Reue, der einsetzt, wenn es zu spät ist, kenne ich nur zu gut. Ich habe von Sterbenden unendlich viel über das Leben gelernt.

Als ich Ruth, meine erste Patientin, pflegte, lernte ich, wie wichtig es ist, mich vor voreiligen Annahmen zu hüten. Ihre Familie ging mit dem anstehenden Verlust ganz anders um, als ich es getan hätte. Aber im Laufe der Zeit begann ich, sie zu verstehen und ihre Entscheidungen zu respektieren.

Stella und ich waren Gleichgesinnte. Zudem war sie für mich eine wunderbare Lehrerin. Gemeinsam wurden wir daran erinnert, wie wichtig es ist loszulassen, und dass wir alle auf der Reise anderer Menschen eine große Rolle spielen.

Die liebe Grace zählt zu den Menschen, die mir am vertrautesten wurden. Sie lehrte mich durch ihren Schmerz und ihr Bedauern, wie entscheidend es ist, dass wir den Mut finden, unser eigenes Leben zu leben. Ich ehre ihr Andenken, indem ich genau das tue, Tag für Tag.

Anthony wurde zu einem Produkt seiner Umgebung – ein trauriges Beispiel. So können wir werden, wenn wir darauf verzichten, eigene Entscheidungen zu fällen, obwohl uns die Natur die Kraft dazu mitgegeben hat.

Florence war sich dessen gar nicht bewusst, dass sie mich etwas lehrte, doch sie erinnerte mich daran, dass emotionale Qualen zu einer Falle eigener Art werden können. Mitgefühl und geistige Disziplin halfen mir, derartige Hindernisse zu überwinden; ich erlaube mir selbst, so freudig zu leben, wie es mein gutes Recht ist.

John war ein wundervoller Mann, doch litt er in seinen letzten Monaten schwer unter den Dingen, die er versäumt hatte. Ihm wurde klar, dass er seine Arbeit viel zu wichtig genommen hatte, wodurch sein Leben aus dem Gleichgewicht geraten war. Nie werde ich sein trauriges Seufzen vergessen, als er den Sonnenuntergang betrachtete und sein Leben mit schwerem Herzen Revue passieren ließ.

Positives Handeln und Akzeptanz, neben anderen waren es vor allem diese beiden Tugenden, die Pearl mir vermittelt hat. Sie hatte die Lektionen des Lebens offen angenommen und war eine wunderbare Lehrerin und eine wunderbare Seele. Pearl hatte im Laufe ihres Lebens einen tiefen Glauben entwickelt, sie vertraute darauf, dass die Dinge zu ihr strömen. So inspirierte sie andere, es ihr gleichzutun.

Dass ich Charlie kennenlernen durfte, war ein Geschenk. Obwohl er so schwach war und so große Schmerzen hatte, blieb sein Geist bis zuletzt ungebrochen und stark. Einfachheit – das war die Botschaft, die er immerfort wiederholte. Er sagte, wenn man die Dinge einfach hält, bleibt das Leben geräumig und lässt sich gut handhaben. Er hatte Recht.

Jozsef fiel es nicht leicht, sich anderen offen mitzuteilen; er starb in dem Bedauern, dass seine Familie ihn nicht wirklich kannte. Aufrichtigkeit und Offenheit waren kein Teil seines Lebens gewesen, dennoch sehnte er sich in seinen letzten Wochen danach, Dinge mit ihnen zu teilen. Leider blieb vieles noch ungesagt, und er nahm es mit ins Grab, als er starb.

Jude war jünger als die meisten Menschen, die ich betreute. Sie betonte, wie wichtig es ist, mutig und aufrichtig zu leben und sich selbst treu zu sein. Zudem war sie eine große Verfechterin der Idee, dass man sich von Schuldgefühlen befreien muss, ihrer Ansicht nach sind sie verkehrt und im Leben vollkommen unnötig.

Nanci erinnerte mich daran, wie sinnlos Mutmaßungen und Unterstellungen sind. Obwohl sie sowohl geistig als auch körperlich schwer krank war, überraschte sie mich immer wieder. Wir wissen nie genau, was im Kopf oder im Herzen eines anderen Menschen vor sich geht, es sei denn, er oder sie drückt es selbst aus.

Menschen, die im Sterben liegen, möchten in ihren letzten Wochen noch so intensiv wie möglich leben – und wenn möglich lachen. Aus diesem Grund ist es so wichtig, den Kontakt zu alten Freunden zu halten, und viele, die es nicht getan haben, bereuen das schwer. Doris starb in Frieden, da sie das Glück erfahren hatte, den Kontakt zu einer ihrer alten Freundinnen wieder aufnehmen zu können; bei anderen war es dafür jedoch bereits zu spät gewesen.

Elizabeth war das beste Beispiel dafür, wie sehr wir wachsen und wie stark wir uns verändern können, wenn wir es denn wirklich wollen. Aus eigener Kraft verwandelte sie sich von einer frustrierten Alkoholikerin zu einer der besten Lehrerinnen, die ich kennenlernen und von der ich lernen durfte.

Harry beherrschte die Kunst der Freundschaft, zudem war er ein wundervoller Lehrer. Er erinnerte mich daran, wie wichtig es ist, dass wir uns ganz bewusst Zeit zum Glücklichsein nehmen und uns selbst jene Ausgeglichenheit gönnen, nach der sich unser Herz so sehr sehnt.

Die Erkenntnis, dass Glück eine Frage der Entscheidung ist, veränderte Rosemarys Leben tiefgreifend; zuvor hatte sie stets geglaubt, sie verdiene es nicht, glücklich zu sein. Voller Bedauern blickte sie zurück und versuchte nun, so gut es ging, ihren Frieden mit den Entscheidungen, die sie im Leben getroffen hatte, zu machen. So begann sie in den letzten Wochen ihres Lebens, sich Momente des Glücks zu gönnen. Dies zu beobachten war wunderschön und öffnete mir das Herz.

Cath hatte es sich zur Aufgabe gemacht zu betonen, wie ungeheuer wichtig es ist, ganz im Augenblick zu leben und Dankbarkeit für jeden einzelnen Tag zu entwickeln. Sie hatte viel in ihrem Leben verpasst, weil sie stets auf der Jagd nach etwas Zukünftigem gewesen war, bis sie schließlich erkannte, wie wunderschön der gegenwärtige Tag ist.

Mein lieber Lenny, er war ein wundervoller Lehrer und eine so sanfte Seele. Keiner verkörperte so gut wie er die Wahrheit, dass alles eine Frage der Perspektive ist. Lenny hatte ein unglaublich schweres Leben gehabt und viel Trauriges erfahren müssen; dennoch blickte er mit weisem Herzen und voller Akzeptanz auf das Leben.

Über all diese Menschen, die letztendlich auch meine Lehrer waren, habe ich ausführlicher in meinem Buch »5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen« geschrieben und dabei auch meine eigene Wandlung geschildert. Es gibt so viel, was wir von Sterbenden und von einem ungeschminkten Blick auf unsere eigene Sterblichkeit lernen können.

Die wichtigste Lektion liegt für mich darin, dass es bestimmte Werte und Verhaltensweisen gibt, die wir konsequent respektieren und einhalten müssen, wenn wir ohne Reue leben wollen, wenn wir also eines Tages unser Leben liebevoll annehmen und in Frieden darauf zurückblicken wollen.

Um ein solches Leben zu kultivieren – und es ist tatsächlich ein Prozess des fortwährenden Wachstums, des Nährens und der Förderung –, müssen wir uns neue Gewohnheiten zulegen und auch pflegen. Wenn wir ohne Reue leben wollen, müssen wir bewusst daran arbeiten, Mut, Hoffnung, Dankbarkeit, Glauben, Aufrichtigkeit, Mitgefühl, positives Denken, gesundes Handeln, Vertrauen, Gegenwärtigkeit, Offenheit gegenüber Veränderungen, Selbstliebe, Selbstrespekt und eine Einstellung, die unserem Herzen Rechnung trägt, zu entwickeln.

Um diese Eigenschaften geht es, wenn ich Ihnen im Folgenden 52 Geschichten aus meinem Leben erzähle. Jede von ihnen enthält eine Botschaft, die uns daran erinnern soll, dass wir diese Eigenschaften brauchen, wenn wir ein Leben ohne Reue führen wollen. Von den Sterbenden lernte ich, dass es zwar hin und wieder Momente gibt, in denen wir anhand besonderer Ereignisse etwas Wichtiges lernen; aber letztendlich ist das ganz alltägliche Leben unser bester Lehrer. Sie müssen nur Ihre Augen und Ihr Herz öffnen, um die Botschaften zu empfangen, die das Leben Ihnen schickt. Die wichtigsten Einsichten kommen einem manchmal bei vollkommen nichtigen, unauffälligen Gelegenheiten.

Die sanften und scheinbar gewöhnlichen Denkanstöße, die wir täglich erhalten, lassen Sie allmählich erkennen, wie sehr Sie sich Ihr Leben zu eigen machen können. Das ist etwas sehr Beglückendes und steht Ihnen absolut zu.

Diese 52 Geschichten sind eine Erinnerung daran, dass es Ihnen tatsächlich möglich ist, Kraft zu schöpfen, Dankbarkeit zu entwickeln und jene Entscheidungen zu treffen, die für Ihr Leben die richtigen sind. Es sind Beobachtungen, die ich während der einzelnen Schritte meiner Reise gemacht habe, doch ihre Botschaften betreffen jeden von uns. Einige von ihnen stammen aus meinem Blog Inspiration and Chai. Andere haben dort ihren Ursprung, nahmen aber auf ihrem Weg in diese Seiten eine eigene Entwicklung und veränderten ihre Gestalt und Ausrichtung. Und viele sind ganz neu geschrieben.

Die Geschichten sind weder chronologisch geordnet, noch entsprechen sie dem Ablauf der Jahreszeiten. Dennoch ist die Abfolge mit Bedacht so gestaltet, dass die Botschaft einer jeden Geschichte betont wird und Raum zum Nachsinnen bleibt. Das Leben steckt voller unterschiedlicher Lektionen, die uns aus vielen Perspektiven erreichen.

Wenn Sie beginnen, Ihr Leben bewusster selbst in die Hand zu nehmen, wird Ihr Geist anfangs alles versuchen, sich dem Wandel zu widersetzen. Es ist also Absicht, dass einige Botschaften wiederholt werden. Dadurch können die Lektionen aufeinander aufbauen und Sie dabei unterstützen, sich selbst auf einer tieferen seelischen Ebene zu verstehen.

Das Buch ist darauf angelegt, Sie anfangs ein Jahr lang zu begleiten, das heißt, Sie können jede Woche eine Geschichte lesen. Wenn es Sie danach verlangt, das ganze Buch auf einmal zu lesen, dann tun Sie das ruhig. Allerdings stellt sich eine heilsamere und nachhaltigere Wirkung ein, wenn Sie tatsächlich jede Woche in Ruhe über ein Kapitel nachsinnen. Falls Sie also alle hintereinander weg lesen, wird es auf jeden Fall hilfreich sein, zu jeder Geschichte nochmals zurückzukehren und sich ihr länger zu widmen.

Um einen echten Nutzen aus den Botschaften zu ziehen und dauerhaft eine positive Veränderung in Ihrem Denken und damit Ihrem Leben zu bewirken, empfehle ich Ihnen, Tagebuch zu führen. Wenn es beispielsweise in einem Kapitel darum geht, Neues an sich selbst zu entdecken, dann halten Sie in jener Woche Ihre Beobachtungen diesbezüglich fest. Wenn es um Mitgefühl geht, prüfen Sie, wie das zu Ihrer momentanen Einstellung und Situation passt. Öffnen Sie sich ganz bewusst für die Botschaft der jeweiligen Geschichte, finden Sie heraus, wie sie zu Ihrem gegenwärtigen Leben passt und entdecken Sie, was Sie daraus lernen und selbst anwenden können.

Während das Jahr voranschreitet, werden Sie Ihren Weg immer achtsamer gehen, Sie werden die Kraft finden, um Veränderungen umzusetzen, Sie werden an sich sowohl Altes als auch Neues freundlich wahrnehmen und anerkennen können, und Sie werden täglich Dinge entdecken, für die Sie dankbar sein können und die Ihnen früher vielleicht nicht aufgefallen wären.

Sie werden durch diese Alltagsbeobachtungen allmählich verstehen, dass es sich absolut lohnt, dieses Jahr zum Jahr Ihres persönlichen Wandels, zum Jahr für die wirklich wichtigen Dinge zu machen; zu dem Jahr, in dem Sie positives Handeln und Selbstliebe in die Praxis umsetzen und sich das Leben erschaffen, nach dem Ihr Herz ruft.

Möge Ihnen das Geschenk zuteilwerden, wahrhaft ohne Reue zu leben.

In liebevoller Freundschaft

Bronnie

1 Perspektivwechsel

Als ich vor einiger Zeit mit dem Auto unterwegs war und wegen Bauarbeiten kurz anhalten musste, sah ich durch die Windschutzscheibe nach draußen. Die Scheibenwischer bewegten sich hin und her. Der Regen an sich war gar nicht so stark, heftig aber waren der Wind, der Donner und die Blitze, die das Gewitter begleiteten.

Ich wartete darauf, dass die Baustellenampel wieder auf Grün umsprang, und blickte aus dem Seitenfenster auf das Feld neben der Straße. Ein frisch geborenes Kalb versuchte gerade, auf die Beine zu kommen, was ihm auch gelang. Die Mutterkuh leckte es ab, obwohl bereits der Regen dafür sorgte, dass es tüchtig gewaschen wurde.

Ich fragte mich, wie es sein musste, während eines solchen Gewitters zur Welt zu kommen, und überlegte, dass dies nun die allerersten Eindrücke des kleinen Kalbs waren. Würde es sich wundern, wenn die grauen Wolken vorbeigezogen waren und Regen und Wind aufgehört hatten; würde es sich fragen, was los sei, weshalb der Himmel mit einem Mal blau war und wohin das ganze nasse Zeug verschwunden war, das zuvor herabgefallen war? Würde dieses kleine Wesen nun immer auf Gewitter warten, damit sich das Leben wieder normal anfühlte, denn schließlich hatte es so die Welt kennengelernt?

In einem Tal, in dem es viele Rinder und Milchbetriebe gibt, sieht man öfter neugeborene Kälber, was ich natürlich herrlich finde. Als ich kurz darauf ein anderes Kalb sah, das soeben geboren worden war – es war ein trockener, heißer Tag –, kam mir unwillkürlich der Gedanke, wie unterschiedlich diese zwei kleinen Kälber die Welt sehen mochten. Wahrscheinlich würden sie gar nicht darüber nachdenken. Sie würden einfach die Milch ihrer Mütter trinken und herumtollen, wie es Jungtiere eben tun.

Da ich aber im Laufe der Jahre mit diversen Kühen Freundschaft geschlossen habe, zweifle ich nicht im Geringsten an ihrer Denk- und Lernfähigkeit. Es beschäftigt mich also tatsächlich, inwiefern sich ihr Blick auf das Leben voneinander unterscheidet und wie sich das auf ihre jeweiligen Erfahrungen auswirkt.

Vor einigen Wochen hatte ich etwas in der Stadt zu erledigen. Als ich dort meinen Lieblingsteeladen ansteuerte, um mich erneut mit Chai einzudecken, ging eine ältere Dame vor mir her. Sie musste Osteoporose oder eine andere Krankheit haben, denn ihr Rücken war so stark gebeugt, dass sie beim Gehen nur zu Boden blicken konnte. Ihr Oberkörper knickte ab der Hüfte nahezu im rechten Winkel nach vorn ab.

Natürlich empfand ich sofort großes Mitleid mit ihr, schließlich konnte sie beim Gehen nicht sehen, was um sie herum vorging. Aber dann dachte ich an die kleinen Kälber und die Sache mit der Perspektive. Vielleicht nahm diese Frau die Dinge ja anders wahr. Vielleicht war sie dankbar, dass sie in ihrem Alter noch gehen konnte, wohin sie wollte, während vermutlich viele andere, die so alt waren wie sie, dazu nicht mehr in der Lage waren.

Ich musste an all die Menschen denken, ob jung oder alt, die an einer Krankheit leiden oder drinnen eingesperrt sind und die viel lieber in einer solchen Situation wären als in ihrer eigenen. Mir fielen Menschen ein, die so krank waren, dass sie nicht mehr an die frische Luft konnten, die gar nicht mehr laufen konnten oder zu schwach waren, um ihre Einkäufe selbst zu tragen. Und ich musste auch an jene Frauen denken, die ich früher im Gefängnis unterrichtet habe. Ich bin mir sicher, dass jede von ihnen sofort mit der älteren Dame getauscht hätte. Es mag ja sein, dass sie einen stark gekrümmten Rücken hatte und daher die Welt aus einem anderen Winkel sah als die meisten Menschen. Aber sie war unabhängig und mobil. Und sie hatte ein ziemliches Tempo drauf.

Es ist ganz egal, wie beschwerlich das Leben zuweilen ist. Wenn wir die Perspektive wechseln, sieht alles gleich ganz anders aus. Denn was dem einen Menschen wie ein Gewitter vorkommt, ist für den anderen möglicherweise ein Segen.

Wenn Sie das Leben mit den Augen eines anderen Menschen anschauen, hilft Ihnen das, auch Ihr eigenes Leben aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Dadurch öffnet sich vielleicht unbemerkt ein Zugang zu jener Weisheit, die in Ihnen steckt, und neue Antworten ergeben sich ganz von allein. Alles ist eine Frage der Perspektive. Den meisten Situationen lässt sich etwas Gutes abgewinnen, auch wenn es manchmal verborgen ist und sich nur durch eine neue Betrachtungsweise entdecken lässt.

Wenn ich an jene kleine Frau denke, wie sie die Straße entlangmarschierte, dann ruft mir das wieder ins Bewusstsein, dass die Dinge nicht immer so sind, wie sie scheinen. Ja, sie sind oft viel, viel besser.

2 Eine sanfte Lehrerin

Da eine meiner besten Freundinnen momentan einer Liebe wegen in Übersee ist, kümmere ich mich unterdessen um ihren Hund – eine Aufgabe, die ich nur zu gern übernehme.

Als ich ihrer Hündin Missy vor ein paar Monaten zum ersten Mal begegnete, war diese erst kurz bei meiner Freundin, der benachbarte Tierarzt hatte darum gebeten, sie aufzunehmen. Während ihres noch jungen Lebens war Missy schwer misshandelt worden, sie litt unter extremen posttraumatischen Störungen.

Wann immer ich sie besuchte, musste meine Freundin Missy sanft an der Leine in unsere Richtung ziehen, damit sie sich überhaupt zu uns traute. Wenn wir es nicht so machten, rannte Missy ungefähr zehn Minuten lang hin und her, weil sie zwar zu uns wollte, sich jedoch nicht traute; mit jedem Schritt kam sie etwas näher, rannte dann wieder weg und kam wieder ein Stückchen näher.

War sie erst einmal in unserer Reichweite, ließ sie sich gern streicheln und war voller Hingabe. Ja, sobald wir einmal damit angefangen hatten, wollte sie gar nicht wieder davon ablassen. Sie konnte einfach nicht genug bekommen. Allerdings waren ihre Hinterläufe so schwach, dass sie Angst davor hatte, sich ganz aufzurichten; sie zeigte immer noch Symptome aus der Zeit, in der sie so schlecht behandelt worden war, und war immer halb in der Erwartung, gleich wieder angeschrien oder geschlagen zu werden, das arme, hübsche kleine Wesen.

Wenn wir dann aufhörten und nach drinnen gingen, um zu Mittag zu essen, vergaß Missy das zuvor erlangte Vertrauen nahezu vollständig. Das ganze Prozedere musste von vorn bis hinten wiederholt werden, nur um ihr Vertrauen und ihr Zutrauen wieder zu gewinnen, sie tätscheln und ihr die so dringend benötigte Liebe schenken zu können; sie wiederum musste trotz ihrer Angst lernen, diese Liebe zu empfangen, damit sie ihr großes Bedürfnis stillen konnte.

Offensichtlich hatte sie das ideale Zuhause gefunden. Meine Freundin hat sechs eigenen Kindern das Leben geschenkt und strahlt auf ganz natürliche Weise die liebevolle Energie einer Mutter aus. Und genau das brauchte Missy. In den paar Monaten, die ich diese reizende Hündin nun kannte, hat sich Missy dank der liebevollen Zuwendung meiner Freundin Schritt für Schritt in einen ganz neuen Hund verwandelt. Allerdings zeigt sie leider immer noch einige Symptome ihres Traumas. Bei den meisten Menschen führt sie nach wie vor ihren Weglauf-Tanz auf, bevor sie sich ihnen nähert. Aber Tag für Tag nimmt ihr Vertrauen ein wenig zu.

In den letzten zwei Wochen ist die Bindung zwischen Missy und mir mit jedem Tag etwas enger geworden. Wir haben lange Spaziergänge unternommen, viele Zärtlichkeiten ausgetauscht und haben einen so intensiven Augenkontakt miteinander, wie es einem Hund überhaupt möglich ist. Sie hat eine wunderschöne Seele, und ich mag mir gar nicht vorstellen, was diese liebe Hündin erlitten haben muss.

In gemeinsamen Momenten der Ruhe hat Missy mittlerweile so viel Vertrauen zu mir, dass sie sich auf den Rücken wälzt und sich den Bauch kraulen lässt. Wenn ich stehe, springt sie ganz sanft an mir hoch, um mir näher zu sein: Dann legt sie ihre Pfoten auf meine Oberschenkel und schaut mich mit ihren schönen Augen an. Und zum ersten Mal, seit ich sie kenne, erlebe ich nun, dass sie mit dem Schwanz wedelt, wenn sie mit mir im Garten herumläuft oder wann immer ich mit ihr spreche.

Diesen Wandel zu beobachten ist wirklich herzerwärmend, und er hat mir gezeigt, welch enorme Kraft in Vertrauen und Mut steckt. Missy ist das mutigste und vertrauensvollste Wesen, das mir seit langem begegnet ist. Obwohl sie unter den Folgen schwerer Verletzungen leiden musste, riskiert sie es, sich abermals auf jemanden einzulassen, wieder Liebe zuzulassen und zu erkennen, dass nicht jeder so ist wie die Menschen in ihrer Vergangenheit.

Die bedingungslose Liebe, die Hunde ihren Begleitern schenken, kann bereits in guten Zeiten uns allen eine Lehre sein. Und wenn ich den Mut beobachte, mit dem Missy versucht, wieder Vertrauen zu schöpfen, dann denke ich, dass ihr auch die Rolle einer sanften Lehrerin zukommt. Wenn sie es wagt, wieder Vertrauen zu fassen, weiß sie nicht, was auf sie zukommen wird. Sie weiß nur, dass sie erneut versuchen muss zu vertrauen, um Liebe zuzulassen und damit sie wieder glücklich sein kann.

Wenn doch nur alle Menschen auf der Welt, die ein Trauma oder Ängste aus vergangenen Verletzungen mit sich herumtragen, den gleichen Mut wie Missy hätten! Wie gut wäre es, wenn sie versuchten, erneut ihr Herz zu öffnen und zu erkennen, dass nicht jeder, dem sie momentan oder künftig begegnen, genauso ist wie die Menschen in ihrer Vergangenheit.

Zu beobachten, wie diese entzückende Hündin mit ihrem Schwanz wedelt oder mich mit ihren Augen anlächelt, ist zutiefst beglückend. Und das Gleiche ist der Fall, wenn wir Menschen erleben, die mit ebensolchem Mut und Vertrauen Veränderungen an ihrem Leben vornehmen.

Ich wünsche Ihnen, liebe Freunde, Tapferkeit und Glück!

3 Veränderungen annehmen

Sanft weht eine kühle Winterbrise, und die ersten morgendlichen Strahlen der Wintersonne wärmen mich. Vogelgezwitscher erklingt von fern und nah. Frösche quaken, und die Morgensonne taucht den Bach in ein helles Licht. Auf der Nachbarfarm kräht ein Hahn. Kein menschliches Geräusch weit und breit. Ein Moment puren Glücks.

Obwohl Veränderungen zum Leben dazugehören, bin ich doch auch froh, dass im Kleinen gewisse Dinge so bleiben, wie sie sind. Der Vogelgesang ändert sich womöglich. Einige Vögel ziehen weiter, andere bleiben das ganze Jahr über da. Auch das Quaken der Frösche wandelt sich im Laufe der Jahreszeiten, es sind dann andere Frösche, die ihrer Lebensfreude Ausdruck verleihen. Doch im Großen und Ganzen bleibt die Schönheit dieser Farm erhalten. Letztlich tragen all die Veränderungen sogar zur Beständigkeit dieser Schönheit bei.

Mein Vater, der bereits ein älterer Herr ist, hatte in der vergangenen Woche eine größere Operation, und ich wurde auf diese Weise wieder an die Unbeständigkeit des Lebens erinnert, daran, dass Veränderungen uns nun einmal garantiert sind, ob es uns gefällt oder nicht. Meinem Vater geht es den Umständen entsprechend, und ich hoffe, dass er durchkommt. Doch er ist schon alt und wird nicht mehr der Gleiche sein wie vorher.

Aber nicht nur ältere Menschen müssen sich mit Veränderungen auseinandersetzen. In jedem Lebensalter sind wir gezwungen, uns dem natürlichen Kommen und Gehen des Lebens zu stellen. Nichts bleibt so, wie es war. Wer das nicht einsehen will und sich dem Wandel verweigert, indem er versucht, alles zu kontrollieren, leidet dann oft umso mehr, wenn das Leben ihn mit einer Veränderung konfrontiert. Veränderung liegt immer in der Luft.

Neulich bin ich an meinen Lieblingsstrand gefahren. Ein Spaziergang in der Wintersonne an einem dieser freundlichen Spätvormittage ist ein echtes Vergnügen. In der Bucht, in der ich in den letzten beiden Sommern so oft geschwommen bin, war kein Badender zu sehen – das Wasser war selbst für die ganz Mutigen noch zu kalt. Ich sann darüber nach, wie die Strände im Laufe der vorbeiziehenden Jahreszeiten ihr Gesicht verändern. In einem halben Jahr werden von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang Menschen im Wasser sein. Zu dieser Jahreszeit ist das Meer jedoch eine glatte Oase, die verführerisch die Vorfreude auf die warmen Monate weckt.

Auch in unserem eigenen Leben gibt es Jahreszeiten und Zyklen, ganz egal, ob es sich um den offiziellen Eintritt in eine neue Phase handelt oder nicht. Wir können nicht an einer Phase festhalten, nur weil wir sie lieber mögen und darauf hoffen, dass die anderen Phasen einfach ausbleiben.

Wenn wir Veränderungen annehmen – unabhängig davon, ob es um eine persönliche Veränderung, den Wechsel der Jahreszeiten oder um den Wandel auf globaler Ebene geht –, kann das Leben natürlicher fließen. Es wird uns neue Phasen und Freuden bescheren, die wir uns niemals erträumt hätten.

Wie eine Badebucht, die darauf wartet, in den wärmeren Monaten Schwimmern Freude zu bereiten, öffne ich mich gegenüber den Freuden des Wandels, die sanft in meine Richtung wehen. Und das Gleiche wünsche ich natürlich auch Ihnen in Ihrer Welt.