eliot_douglas_su.jpg

INTERFOTO-00405240-HighRes.jpg

58440.jpg

Gewidmet meinem russischen Großvater. Er starb, als ich zehn war, und er blieb mein größtes Vorbild.

Und Andrew Sarris, dem ich ewig dankbar bin für sein Wissen, das er an mich weitergegeben hat, seine Ermutigung und seine Freundschaft.

Inhalt

Einführung

Eltern

Stationen

Kuckucksnest

Actionstar

Sexsymbol

Der unvollkommene Mann

Licht und Schatten

Bildteil

Anhang

Filmografie und Auszeichnungen

Quellenverzeichnis

Danksagung

Ergänzung

Mein Vater sagte zu mir: »Michael, ich habe mir gestern Abend einen meiner alten Filme im Fernsehen angesehen und stell dir vor, ich konnte mich überhaupt nicht mehr an den Film erinnern. Es war mir völlig entfallen, dass ich ihn gemacht hatte. Und dann wurde mir plötzlich klar: Halt, das war ja gar nicht ich. Das warst du.«

MICHAEL DOUGLAS

Jeder Heranwachsende muss sich gegenüber seinem Vater behaupten.

KIRK DOUGLAS

Einführung

Herrgott! Ich sah meinen Vater als Gladiator, an ein Kreuz genagelt, als Maler, der sein Ohr abschnitt – man zeigte all die übermenschlichen Heldentaten, die er vollbrachte. Und ich dachte, wie kann ich unter diesen Umständen jemals zum Mann werden? Zu einem Mann wie er?

MICHAEL DOUGLAS

Sohn oder Tochter einer Hollywood-Ikone zu sein, kann sich als Segen oder Fluch erweisen. Von den Sprösslingen berühmter Eltern fordert der Kampf, aus dem übermächtigen Schatten herauszutreten und eine eigene Identität zu entwickeln, oft einen hohen Preis.

Paul Newmans Sohn Scott, der seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten war, aber nicht über dessen einzigartiges Talent verfügte, führte ein Schattendasein und starb mit 28 Jahren an einer Überdosis. Gregory Pecks Sohn konnte den Starrummel um seinen Vater ebenso wenig verkraften und erschoss sich. Auch der Sohn von Charles Boyer setzte seinem Leben ein Ende. Marlon Brandos Tochter Cheyenne beging Selbstmord, nachdem ihr Halbbruder Christian, Marlons ältester Sohn und erfolgloser Schauspieler, ihren Freund erschossen hatte und zu einer Haftstrafe verurteilt worden war.

Es gibt zahlreiche Fälle, die gleichermaßen dramatisch sind, aber weniger tragisch enden. Sydney Earle Chaplin, Sohn des legendären Charlie Chaplin und ein guter, ehrgeiziger Schauspieler, war unfähig, sich mit dem Talent seines Vaters zu messen; seine Erfolge auf der Leinwand und auf der Bühne hielten sich in Grenzen. Das Gleiche galt für Sydneys Halbschwester Geraldine: Sie hatte ähnliche schauspielerische Ambitionen, aber auch für ihre Karriereziele stellte der immense weltweite Ruhm des Vaters eine Belastung dar. Dieses Schicksal teilte auch Peter Fonda, der trotz seines einzigartigen Beitrags zum Kultfilm Easy Rider (1969) nie den Starstatus oder das Prestige seines legendären Vaters erreichte. Obwohl Henry Fonda zu diesem Zeitpunkt als Schauspieler noch ungemein aktiv war, schien er kein Bedürfnis zu verspüren, mit seinem Sohn zusammenzuarbeiten (mit Ausnahme eines kurzen Auftritts in Wanda Nevada, einem Independent-Film, der unmittelbar nach der Erstaufführung im Juni 1969 in der Versenkung verschwand – vielleicht ein längst überfälliger und gescheiterter Versuch von Fonda Senior, das Talent und die Fähigkeiten seines Sohnes als Schauspieler und Regisseur anzuerkennen). Peters Schwester Jane schnitt in dieser Hinsicht besser ab. Obwohl sie sich mit ihrer ›Hanoi-Jane‹-Protestaktion gegen den Vietnamkrieg einen Karriereknick einhandelte, stand sie schließlich mit Vater Henry in Mark Rydells Film Am goldenen See (1981) vor der Kamera, dem Abgesang von Fonda Senior, der ihm wenige Monate vor seinem Tod einen Oscar einbrachte.

Auf Jane wartete eine lange und erfolgreiche berufliche Laufbahn, von zwei Oscars gekrönt, dennoch musste sie stets gegen die Dämonen ihres politischen Engagements und die lebenslange Legende ihres Vaters ankämpfen. Ihre Geschlechtszugehörigkeit, Attraktivität und die Fähigkeit, ihre Begabungen perfekt in Szene zu setzen, halfen ihr, dem dynastischen Fluch Hollywoods zu entgehen. Und dass sie als Star wesentlich bekannter war als Peter, schadete nicht. 1981 brauchte Henry die Aussöhnung auf der cineastischen Ebene im gleichen Maße wie sie.

Der in Kanada geborene Donald Sutherland, der 1970 in Robert Altmans satirischer Filmkomödie Mash Bekanntheit erlangte, mehr als 160 Filme drehte und zahlreiche Auszeichnungen (aber keinen Oscar) erhielt, ist der Vater von Kiefer Sutherland, einem erfolgreichen TV- und Filmschauspieler, dem der große internationale Durchbruch jedoch verwehrt blieb, was nicht zuletzt auf sein begrenztes Repertoire, seinen Jähzorn, seine Drogenprobleme und den Mangel an spektakulären Leinwandrollen zurückzuführen war. Kiefer machte sich in der TV-Echtzeitserie 24 einen Namen, die insgesamt fast neun Jahre lang lief.

Tom Hanks wurde in Hollywood als Schauspieler und Produzent im Film- und Fernsehbereich zu einer festen Größe, während sich sein Sohn Colin in der Filmbranche erst noch die Sporen verdienen muss. Sean Connery, der ursprüngliche James-Bond-Darsteller, hat einen Sohn namens Jason, der als Schauspieler relativ unbekannt ist. Zur endlos langen Liste gehören auch John Wayne und sein Sohn Patrick, der in seine Fußstapfen zu treten versucht; Lana Turner und ihre Tochter Cheryl; und die Sheens: Der relativ ›normale‹ Vater Martin, der relativ abgedrehte Sohn Charlie Sheen, und Charlies Bruder Emilio Estevez, Mitglied des ›Brat Pack‹ (Schauspieler, die sich während der 1980er-Jahre in sogenannten ›Cliquen-Filmen‹, in denen sie häufig zusammen mitwirkten, zu etablieren versuchten). Es gibt Dutzende weiterer Beispiele von Filmwelt-Sprösslingen, die von ihren berühmten Eltern in den Schatten gestellt wurden.

Es gibt natürlich auch bemerkenswerte Ausnahmen. Jeff Bridges und sein Bruder Beau sind die Söhne des TV- und Filmstars Lloyd Bridges, ein Familienmensch und dem Vernehmen nach ein guter Vater; bekannt wurde er auf dem Bildschirm als Mike Nelson in der Low-Budget Independent-Fernsehserie Abenteuer unter Wasser (1958-61) und auf der Leinwand als verbitterter, unreifer Deputy in Fred Zinnemans Western-Klassiker Zwölf Uhr mittags (1952), aber auch durch seine komischen Rollen in Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug (1980, Regie Jim Abrahams, David Zucker und Jerry Zucker) und Die unglaubliche Reise in einem verrückten Raumschiff (1982, Regie Ken Finkleman). Den beiden Brüdern gelang es, aus Lloyds Schatten zu treten – der zugegebenermaßen nicht ganz so groß war wie der anderer Hollywoodlegenden. Jeff schaffte es relativ spät in seiner Karriere, an seinen Status als Kultfilmstar anzuknüpfen, den er mit seiner erinnerungswürdigen Rolle in Joel Coens Filmkomödie The Big Lebowski (1998) erworben hatte.[1] Seine meisterhafte Leistung als Bad Blake in Scott Coopers Regiedebüt Crazy Heart (2009), die mit einem Oscar als Bester Hauptdarsteller ausgezeichnet wurde, machte ihn zu einem Star, der auch die Kinokassen zum Klingeln brachte.

Ben Stiller wurde zum Superstar, der den TV-Erfolg seiner Standup-Comedian-Eltern »Stiller & Meara«, der spätabendlichen Sitcom seines Vaters Jerry und dessen Karriere als Werbespot-Sprecher weit übertraf. James Brolin war als Schauspieler eher in Nebenrollen zu sehen; sein Sohn Josh, Schauspieler, Regisseur und Filmproduzent, spielt als einer der führenden Hollywoodgrößen unseres Jahrzehnts in der ersten Liga. Es gibt also auch in Hollywood Ausnahmen, die die Regel bestätigen.

Richten wir den Blick nun auf die Douglas-Dynastie, beginnend mit Kirk, dem Sohn russisch-jüdischer Einwanderer, dem der internationale Durchbruch als Schauspieler gelang; dabei warf er einen Schatten, aus dem seine Nachfahren mit unterschiedlichem Erfolg herauszutreten versuchten. Vielleicht errichtete er unbewusst Hürden und Hindernisse auf ihrem persönlichen ›gelben Ziegelsteinweg der Filmträume‹ von Ruhm und Reichtum.

Kirk heiratete seine erste Frau, die Society-Lady Diana Love Dill, als er noch ein unbekannter Schauspieler war, der sich auf dem Broadway zu behaupten versuchte. Er war von einem gnadenlosen Ehrgeiz besessen, und was ihm an angeborenen Talenten fehlte, machte er mit seiner eisernen Entschlossenheit wett.

Sein Interesse an einem häuslichen Leben war dagegen gering. Er hatte zwei Kinder mit Diana: Michael wurde 1944 geboren, Joel 1947. Zu beiden hatte er ein distanziertes Verhältnis, war meistens abwesend und für seine Frau auch emotional unerreichbar, während er sich selbst nach Zuneigung und Anerkennung seines in Russland geborenen Vaters sehnte. Nach einer mittelmäßigen Bühnenlaufbahn machte sich Kirk alleine auf den Weg nach Hollywood, ließ seine Frau mit dem zweijährigen Michael zurück. Als bekennender Schürzenjäger fühlte er sich bei seiner Ankunft in der Traumfabrik wie auf einem Tummelplatz der Schönheiten, ein Angebot ohne Grenzen.

Nach seiner ersten Rolle in Lewis Milestones Film Die seltsame Liebe der Martha Ivers (1946) fand er regelmäßig Arbeit in immer größeren und besseren Produktionen. Nach einigen heißen Affären begannen Diana und er, eine Scheidung in Erwägung zu ziehen. Diana hatte das »untrügliche Gefühl, dass ständig etwas lief zwischen ihm und seinen wechselnden Filmpartnerinnen, vor allem einer bestimmten«. Kirk stritt nichts davon ab: »Ich gebe zu, ich hatte ein Faible für Frauen. Mir gefiel Marilyn Maxwell, sie war schön … Ja, ich hatte es faustdick hinter den Ohren, hatte viele Frauen.«

Diana flehte ihn wiederholt an, auf seine ständigen Affären zu verzichten, und als Kirk dazu nicht bereit oder fähig war, reichte sie 1950 die Scheidung ein.

Michael, zum Zeitpunkt der elterlichen Trennung sechs Jahre alt, wurde zutiefst geprägt durch den ›Verlust‹ des Vaters, das Gefühl, im Stich gelassen zu werden. Die emotionale Bindung und Abhängigkeit von der Mutter wuchs. In seinen ersten Memoiren, The Ragman’s Son, beschreibt Kirk eine Szene unmittelbar vor der Scheidung, als er seine Frau und seine beiden Kinder in New York besuchte: »Als Diana und ich in der Küche einen erbitterten Streit hatten, kam Michael herein, der damals ungefähr sechs Jahre alt war. Wir verstummten auf der Stelle, aber er brach in Tränen aus … In diesem Moment wurde uns bewusst, dass es nicht funktionieren würde, wenn wir nur wegen der Kinder zusammenblieben.«

Michael erinnerte sich: »Ich glaube, meine früheste Erinnerung geht ungefähr auf das dritte Lebensjahr zurück, auf einen Schlagabtausch zwischen den beiden. Nicht körperlich, sondern verbal. Lautstark.« An diese Auseinandersetzung erinnerte sich Michael noch jahrelang, selbst als sich Kirk durch seine fortwährende Abwesenheit in einen unsichtbaren Gott verwandelte. Michaels Kontakt zu seinem Vater bestand überwiegend darin, dass er sein Bild in Großformat auf der Leinwand betrachtete, wo er Heldentaten vollbrachte und mit anderen Frauen schlief. Kirk war da und gleichzeitig fern, real und irreal, Gegenstand der Verehrung und der Sehnsucht. Diese Gefühle wuchsen in Michael, bis er als junger Mann versuchte, seinen Platz in der Welt zu finden und erkannte, dass er wie sein Vater, aber gleichzeitig ganz anders als er sein wollte.

Die Scheidung wurde im Januar 1951 rechtskräftig. Diana erhielt das alleinige Sorgerecht, Kirk ein großzügig bemessenes Besuchsrecht. Im Februar zog sie in ein Apartment an der Central Park West in Manhattan. Kurz danach stellte sie fest: »Michael ließ seit der Scheidung Anzeichen eines tief verwurzelten Grolls erkennen und aus dem umgänglichen, folgsamen Kind wurde mit einem Mal ein eigensinniger, rebellischer Junge. Er provozierte mich auf Schritt und Tritt. Ich ging mit ihm zu einem Kinderpsychologen, der ihn in einer Spieltherapie beobachtete und mich behutsam aufklärte. ›Der Junge ist keineswegs gestört. Er hat einen großen Verlust erlitten und macht Sie dafür verantwortlich.‹ Er riet mir, ihn weniger zu maßregeln, sondern ihm mit besonders viel Liebe zu begegnen.«

Durch besonders viel Liebe sollte eine Reaktion erst gar nicht aufkommen, die bei jüngeren Kindern nach der Scheidung der Eltern nicht ungewöhnlich ist: Sie fühlen sich schuldig. Als Kind fiel es Michael schwer, zu entscheiden, wem er das Zerwürfnis anlasten sollte – seiner Mutter, seinem Vater oder sich selbst. Manchmal war sein Vater der Böse, weil er die Familie verlassen hatte. Ein anderes Mal machte er seine Mutter dafür verantwortlich, war überzeugt, sie habe ihren Mann aus dem Haus getrieben. Und zeitweilig suchte er die Schuld bei sich selbst und später bei seinem jüngeren Bruder Joel, sah darin eine Folge ihres kindlichen Fehlverhaltens. Michaels Schuld- und Wutgefühle äußerten sich in Jähzorn und Aufsässigkeit. Joel verarbeitete die traumatische Erfahrung auf andere Weise.

Michael war von diesem emotionalen Ballast seiner Kindheit noch nicht frei, als er sich zu seiner ersten Ehe entschloss, die in vieler Hinsicht die seines Vaters widerspiegelte. Kirk heiratete eine Frau mit gesellschaftlichem Status und Geld; Michael ebenfalls. Kirk war ein notorischer Herzensbrecher; auch Michael liebte die Frauen. Michaels erste Ehe ging in die Brüche; er heiratete erneut, eine Frau, die große Ähnlichkeit mit der zweiten Frau seines Vaters besaß. Seine Zwiespältigkeit bei der Suche nach einer eigenen Identität trat offen zutage: Einerseits bemühte er sich, alles besser zu machen als sein Vater, andererseits fürchtete er, vom Schicksal dazu verdammt zu sein, genau in die Fußstapfen seines Vaters zu treten.

Die Botschaft des Kinderpsychologen kam bei Diana an; die fachkundige Hilfestellung trug dazu bei, dass sich Michaels soziale Kompetenz verbesserte und die regelmäßig wiederkehrenden traumatischen Erinnerungen verblassten, die immer dann auftraten, wenn der Vater nach New York kam, um seine beiden Söhne zu besuchen. In seinen Memoiren erinnert sich Kirk an eine dieser Stippvisiten im West-Side-Apartment. »Bei meiner Ankunft küsste ich Diana auf die Wange. Michael brach in Tränen aus. 35 Jahre später gestand er mir, dass ihn diese Geste fassungslos gemacht hatte. Er war überzeugt, Mommy und Daddy wären wütend aufeinander … Uns trennte eine unsichtbare Wand. Vielleicht hatten die Jungen damals das Gefühl, ich hätte sie im Stich gelassen. Wir haben nie darüber gesprochen.«

Diese unsichtbare Wand blieb fast ein Leben lang bestehen. Michael, der offenbar sensiblere der beiden Jungen, mied Wutausbrüche und Streit in seinen ehelichen Beziehungen, gab den passiven Dr. Jekyll, den Doppelgänger des aggressiven Mr. Hyde aus dem gleichnamigen Kinofilm. Die Seitensprünge seines Vaters (und der Schatten seiner eigenen Untreue) wurden immer wieder in Filmen wie Eine verhängnisvolle Affäre, Basic Instinct und Enthüllung thematisiert. In allen drei Produktionen spielte er Männer mit einem sexuellen Problem, die mit Ausnahme des Dan Gallagher in Eine verhängnisvolle Affäre weder eine sichtbare Bindung an ihre Kinder noch das Bedürfnis hatten, deren Wohl höchste Priorität einzuräumen. Laut Filmkritiker und Historiker David Thomson war ihm die Rolle des problembehafteten Mannes auf den Leib geschrieben. »Er war in der Lage, Charaktere darzustellen, die schwach, schuldhaft, moralisch abgebrüht, gefährdet und süchtig nach verbotenen Empfindungen waren, ohne die grundlegende Integrität oder das ethische Potenzial einzubüßen, das wir von einem Helden verlangen.«

Obwohl es nicht ungewöhnlich ist, dass Söhne in die Fußstapfen des Vaters treten, behauptete Michael stets, er sei rein zufällig in seinem Beruf gelandet. »Ich ging zum Theater, weil ich mich für keinen bestimmten Studiengang entscheiden konnte … Ich hatte gerade die ersten beiden College-Jahre an der University of California in Santa Barbara absolviert und keinen blassen Schimmer, was ich machen wollte. Die Schauspielerei war mir nie in den Sinn gekommen. Als ich mich Hals über Kopf in dieses Metier stürzte, hatte ich weder in einem Highschool-Theaterstück mitgewirkt noch sonst irgendwelche Erfahrungen dieser Art. Am Anfang meiner beruflichen Laufbahn … musste ich um Selbstvertrauen ringen … ich war verschlossen.«

Michaels größte Befriedigung lag vielleicht in einer Leistung, die seinem Vater trotz aller Bemühungen versagt geblieben war: Im Alter von 31 Jahren, nach einer mittelmäßigen Film- und Fernsehkarriere, gelang es ihm, Ken Keseys halb-autobiografischen, von der Beatgeneration beeinflussten Roman Einer flog über das Kuckucksnest zu verfilmen. Kirk hatte die Rechte an dem Buch 1962 noch vor der Veröffentlichung für 47 000 US-Dollar erworben und brachte es 1963 als Theaterstück am Broadway heraus. Er spielte die Hauptrolle, Randle McMurphy, der in einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt landet, inmitten von Insassen, die sadistischen Autoritätspersonen ausgeliefert sind. Die Broadway-Produktion sollte als Vorzeigeprojekt für die Verfilmung dienen, von der er sich einen Oscar als Bester Hauptdarsteller erhoffte, ein Ritterschlag, der ihm trotz seiner erfolgreichen Filmkarriere nie zuteilgeworden war.

Die Premiere vom Kuckucksnest fand am 13. November statt, neun Tage vor dem Attentat auf John F. Kennedy. Im Anschluss daran trauerte Amerika und ein düsteres Theaterstück über Ungerechtigkeit, Manipulation, Machtmissbrauch und Mord war das Letzte, was die Leute sehen wollten. Kirk setzte es am 25. Januar 1964 schweren Herzens ab, in der festen Überzeugung, dass der nächste Schritt, es auf die Leinwand zu bringen, ein Kinderspiel sein würde.

Das sollte sich als Trugschluss erweisen. Mitte der sechziger Jahre hatte Kirks Filmkarriere ihren Zenit überschritten und befand sich im Niedergang. Zehn frustrierende Jahre später überließ er Michael in einem letzten verzweifelten Versuch die Rechte und gab ihm seinen Segen, etwas daraus zu machen. Michael machte etwas daraus und gewann 1975 zusammen mit seinem Koproduzenten Saul Zaentz den Oscar in der Kategorie Bester Film. Trotz Michaels ursprünglicher Bedenken spielte nicht sein Vater Kirk Douglas, sondern sein Freund Jack Nicholson den McMurphy. Auch Nicholson ging mit der begehrten Trophäe nach Hause, die Kirk zeitlebens entging.[2] Einer flog über das Kuckucksnest kennzeichnete den Augenblick, in dem Michael den Platz mit seinem Vater tauschte und in den Kreis der mächtigen Männer Hollywoods aufstieg. Er signalisierte den Beginn einer atemberaubenden Karriere als Produzent, Schauspieler und einer Kombination aus beidem, der sich mit einer Reihe kommerziell höchst erfolgreicher, preisgekrönter Filme profilierte, die in seinem zweiten Oscar gipfelten, dieses Mal als Bester Hauptdarsteller für das erinnerungswürdige Porträt des Finanzhais Gordon Gekko in Oliver Stones Kinofilm Wall Street (1987).

Was folgt, ist die Geschichte eines Kampfes, aus dem Schatten eines berühmten Vaters herauszutreten, statt sich darin zu verlieren und sein Abbild zu werden. Es ist die Geschichte einer Suche nach der eigenen Identität, nach innerem Frieden, dauerhaftem Glück und beständiger Liebe. Es ist die Geschichte des erstgeborenen Sohnes von Filmlegende Kirk Douglas, dem es schließlich doch noch gelang, seinen eigenen Weg zu finden.

Anmerkungen

[1] Ko-Regisseur Ethan Coen blieb im Abspann unerwähnt.

[2] Einer flog über das Kuckucksnest räumte die ›Big Four‹ ab: Bester Film; Bester Hauptdarsteller (Jack Nicholson); Beste Regie (Milos Forman); Beste Hauptdarstellerin (Louise Fletcher). Es war das erste Mal seit Frank Capras Screwball-Komödie Es geschah in einer Nacht (1934), dass ein Film die vier wichtigsten Auszeichnungen gewann. Er wurde außerdem mit einem Oscar in der Kategorie Bestes adaptiertes Drehbuch (Lawrence Hauben und Bo Goldman) prämiert.