Mariposa Verlag (Hrsg.)
HUNDE JAHRBUCH VIER
Geschichten von Hunden und ihren Menschen
Cover
Titel
Angsthund
Herzsprung
Helga Franziska Noack
Besitzstandswahrung
Die Couch
Christa Burow
Charmeur
Lucky
Gisela Gersch-Gernoth
Dogdancing
Dogdancing einmal anders: Wer tanzt mit wem?
Anke Höhl-Kayser
Erkenntnix
Die kleine Wolke – oder der Fluch der Schönheit
Erika Schrenk
Fundhund
Naxia
Petra Wilfert
Genießer
Königin der Diebe
Petra Braig/ Olaf Reger
Hunde(v)erziehung
Timo
Iris Engels
Idealgewicht
Herr von Podengo und der leere Napf
Severine Martens
Jahreswechsel
Warum gute Vorsätze für Hunde keinen Sinn machen
Nicole Pfeiffer
Kotbeutel
Anrüchiges
Karin Hutter
Lecker(ge)bissen
Luna
Jutta Könenkamp
Mantelträger
Schneeberge laufen
Simone Kunde
Neugier
Der Streuner
Hannelore Nics
Ordnungsamt
Das letzte Mal
Wessna Brück
Pfoten(ab)druck
Sieben Leben hat die Katz – oder der Hund?
Andrea Feder
Querulant
Was die Rassebeschreibung uns verschweigt
Sabine Nölke
Rockerrüde
Freundschaft auf Umwegen
Bettina Haubold
Spaßbremse
Wenn’s knallt, nicht einen Meter...
Elisabeth Wupper
Taschendieb
Gelernt ist gelernt
Ute Dissemond
Urinstinkte
Wimpern klimpern
Anna Wöltjen
Verliebt
Sommerliebe
Marion Trost
Wasserspiele
Ein ganz normaler Sonntagsspaziergang
Luci Fuhrmann
X für ein U
Die Kröte
Karin Oehl
Yesterday
Zeitlos im Herzen
Elke Parker
Zecken
Cody – oder wie eine Zecke zum Schicksal wurde
Petra Deyringer-Kühnle
Die Autorinnen und Autoren
Bildnachweis
Die Reihe HUNDE JAHRBUCH (Anthologie)
Impressum
Helga Franziska Noack
Normalerweise schenkt ein Hund euch seine Loyalität schon für eine Handvoll Futter und er gibt alles, was ihr Menschen von einem Freund erwartet: Treue, Verschwiegenheit, Anhänglichkeit und zuhören können. Jemand hat sogar einmal gesagt: Hunde sind die besseren Menschen. Ihr wisst jedoch nicht, wie es in manchen Hundeherzen aussieht. Und ihr wisst auch nicht, wie nachhaltig so ein Herz verletzt werden kann. Ich aber weiß, wovon ich rede. Es gibt Menschen, die mit frostiger Faust und harten Füßen auf uns einschlagen, und dadurch erstarrt das Vertrauen in euch Zweibeiner. Wisst ihr, wie das ist, wenn man nur getreten und misshandelt wird? Was es heißt, zu hungern und vom Stückchen trockenen Brotes vertrieben zu werden? Ihr kennt Hunger ja nur von eurer Frühjahrsdiät, Angst nur vor dem Finanzamt und Frieren vom Anstellen am Lift. Was versteht ihr schon vom wirklichen Leben und erst vom Kampf ums Überleben?
Gestörtes Vertrauen erzeugt Misstrauen. So wirft auch meine Vergangenheit beharrlich ihren extrem langen Schatten. Und immer dann, wenn ich über ihn springen will, spüre ich, dass er viel größer ist, als ich ihn in Erinnerung habe. „Seltsames Verhalten“, stellt ihr dann ein wenig enttäuscht fest, wenn ich noch immer nicht so zutraulich bin wie eure Lilis, Ricos und Winnies. Glaubt mir, das sind die Reste der Anpassung an meine frühere Umgebung. Dort gab es nur Herzen aus dem Steinbruch. Diese Erlebnisse kleben unsichtbar, aber hartnäckig wie ein Paketband in meinem Kopf. Sie sind in meinem Gedächtnis gespeichert wie die Daten auf euren Computern. Ihr aber ward trotzdem geduldig mit mir, der kleinen Podengo-Portugues-Hündin. Ihr habt mir Futter, einen Namen und eure Zuneigung gegeben, damals im Frühling unseres Kennenlernens. Seitdem wanderten für mich die Tage unbeschwert über die Insel.
Dann kam der Sommer. Und mit ihm auch die Zeit, in der euer Fressnapf nicht mehr der alleinige Ort meiner Sinne war. Die Natur rief. In meinem Gefühls-Tsunami vergaß ich meine Dankbarkeit. Gut genährt und paarungsbereit machte ich mich auf die Suche. Mein Duft bestellte viele Freier, zog sie magisch an. Anderen wiederum kam ich gelegentlich auf halbem Weg entgegen. Ein Caballero legte ein besonderes Feuer in mein Herz. Mit ihm machte ich lange Streifzüge durch die Gegend. Doch er und alle anderen waren eines Tages so schnell wieder untergetaucht, wie sie aufgetaucht waren. Und ich stand allein da. Ganz so allein allerdings nicht, wie sich bald herausstellte. Ja, für das volle, wuchtige Leben muss man zahlen. Leider immer erst hinterher.
Als der Herbst kam, war ich alleinerziehende Mutter von vier kleinen Kindern unterschiedlichster Gene. Das war ein hoher Preis. Zum Glück hatte ich euren Futternapf, den ich in der kurzen Zeit, die mir blieb, täglich aufsuchen konnte. Aber ich musste auch immer wieder ein sicheres Versteck für die Kleinen finden. Ich spürte, dass ihr sie unbedingt finden wolltet. Und der Dorn des Misstrauens nistete sich wieder bei mir ein.
Mein Riecher konnte euch lange an der Nase herumführen. So lange, bis Chica, mein neugieriges Mädchen, das Versteck verraten hat. Auf diese Weise habt ihr auch Toni, Pepe und Domingo entdeckt. Als ich sah, wie die Kleinen auf eurem Arm gestreichelt und verwöhnt wurden, war das natürlich ein schwerer Schock für mich. Mittlerweile verstehe ich: Sollen meine Kinder in eurer Welt leben, müssen sie sich frühzeitig an euch Menschen gewöhnen und eure Normen lernen. Ich aber musste mich erst daran gewöhnen, sie jetzt bei euch zu besuchen. Heute freue ich mich, dass meine Kinder von euch all das bekommen, was ich nicht hatte. Jetzt sind die Kleinen fort, in guten Händen, wie ihr gesagt habt. Trotzdem fehlen sie mir noch sehr. Ich weiß: Loslassen können ist etwas Entscheidendes im Leben und es kostet weniger Kraft als das Festhalten, dennoch ist es viel schwieriger. Wie einfach trennt sich dagegen im Herbst der Feigenbaum von seinen Blättern, weil er spürt, dass in ihm bereits die neuen angelegt sind.
Neues Leben wird aus mir nicht mehr entstehen. Dafür habt ihr in eurer menschlichen Voraussicht gesorgt. Ihr habt aber auch dafür gesorgt, dass es meinen Kindern gut geht.
Manchmal strecken sich meine Gedanken noch nach der kleinen Krawalltruppe aus. Meine Sehnsucht kommt und geht wie eine unstete Brise. Mal warm, mal kalt, mal sanft, mal stürmisch. Doch eines Tages werde ich sie ablegen wie einen lang getragenen Mantel. Irgendwann macht mein Herz einen großen Sprung über die Vergangenheit und die Angst hinweg. Meine Liebe und mein Zutrauen werden dann nur noch euch gehören. Habt Geduld.
Anmerkung: Nach langer Zeit ist Lucy über ihren Schatten gesprungen. Heute hat sie nicht nur einen festen Platz im Herzen ihrer Menschen, sondern auch auf deren Sofa. Für sie trifft das chinesische Sprichwort wirklich zu: Mit Geduld und Zeit wird ein Maulbeerblatt zum Seidenkleid.
Christa Burow
Gestatten, dass ich mich zunächst kurz vorstelle? Ich heiße Jaska und bin eine „Malahusk-Hündin“. Im Rasselexikon findet man diesen Begriff allerdings nicht. Er ist nur ein Wortmix aus Malamute und Husky, denn das sind meine Vorfahren. Und von diesen beiden nordischen Rassen habe ich einige ausgeprägte Eigenschaften geerbt, die sich zudem auch noch decken. Dummerweise, wie meine Menschen finden. Fantastischerweise, wie ich meine. Denn diese Eigenschaften wie z. B. Jagdleidenschaft oder Eigenständigkeit (meine Menschen sagen meistens Sturheit dazu) im Doppelpack, das hat schon was für sich. Zum Ausgleich besitze ich aber auch die doppelte Menge der den Menschen genehmen Eigenarten. Das versöhnt sie dann wieder. Seit acht Monaten lebe ich bei meinem Husky-Kumpel Ronny und unseren Zweibeinern Ronald (auch kurz Boss genannt) und Christa.
An dieser Stelle möchte ich unbedingt betonen, dass ich meinen Lebensabschnittsgefährten wirklich mag. Doch – ich mag ihn sogar sehr. Aber manchmal kann er mir auch den letzten Nerv rauben. Da ist zum Beispiel die Geschichte mit meiner Couch. Jawohl, ich besitze eine eigene (!) Couch. Die habe ich damals, als ich hier einzog, einfach in Beschlag genommen. Der Boss und Christa haben sie mir dann – wenn auch nicht gerade freudig– überlassen, damit ich mich wohlfühlen und schneller einleben sollte. Ist auch prima gelungen! Auf dieser Couch verbringe ich einen Teil des Tages und der Nacht. Sie ist ziemlich bequem und ich kann wunderbar darauf entspannen. Inzwischen habe ich verschiedene Liegetechniken entwickelt. Besonders erholsam ist diese:
Anfangs hat Christa noch eine Decke über die Couch gelegt. Die habe ich jedes Mal wieder heruntergezogen. So lange, bis unsere Zweibeinerin endlich begriffen hat, dass ich einfach keine Decke möchte.
Diese Couch war also immer die meine und keiner hat sie mir in der Zeit, die ich jetzt hier lebe, je streitig gemacht. Ronny erst recht nicht, der geht nie auf irgendwelche Möbel. Nun liegt unsereiner aber nicht nur auf der Couch. Nein, da gibt es auch noch verschiedene andere Ruheplätze in der Wohnung. Und ab und zu müssen selbige mal inspiziert werden, damit alles seine Ordnung hat.
Aber gestern ist etwas Ungeheuerliches geschehen! Als ich mich nach solch einem Kontrollgang wieder zu meinem Lieblingsplatz begeben wollte, war dieser besetzt!!! Und kein anderer als Ronny grinste mich an: Weggegangen – Platz vergangen … Ich dachte, ich sehe und höre nicht richtig. Zwar kann ich manchmal auch ziemlich albern sein, aber was meine Couch betrifft, bin ich sehr empfindlich.
Zum Glück funktionieren meine kleinen grauen Zellen noch sehr gut, auch wenn ich nicht mehr die Jüngste bin. Ich brauchte nur ganz kurz zu überlegen, dann wusste ich, was zu tun war. Mitspielen durfte ich auf keinen Fall und schon gar nicht Ronny zeigen, dass ich mich ärgerte. Das hätte er dann immer wieder bei Bedarf ausgenutzt. Ich kenne meinen Kumpel da inzwischen sehr gut. Ganz spontan fiel mir der Korb ein, den die Unbepelzten zu Anfang für mich gekauft hatten. Doris, mein Pflegefrauchen, hatte ihnen nämlich erzählt, dass ich einen solchen heiß und innig lieben würde. Das traf damals bei Doris auch zu. Ihr Rüde Cosmo ist nämlich ein Gentleman. Als ich dort ankam, hat er mir sofort sein Körbchen zur Verfügung gestellt. Na ja, kann sein, dass ich ihn ein wenig dazu genötigt habe … Jedenfalls hat er den Korb nie zurückverlangt und ich habe mich sehr wohl darin gefühlt.
Aber was ist schon ein Korb, wenn man als Alternative eine ganze Couch zur Verfügung hat! Folglich wurde er hier auch nicht weiter beachtet und stand eigentlich nur im Weg herum. Denn auch Ronny zeigte keinerlei Interesse daran. Jetzt jedoch kam das Teil mir wie gerufen. Ich wandte mich also von Ronny und meiner Couch ab, schlenderte betont gleichgültig zum Korb, kletterte hinein, drehte mich einige Male um mich selbst und ließ mich wohlig hineinplumpsen. Und was soll ich sagen: Ich empfand das Liegen darin wirklich als sehr angenehm. Je mehr ich darüber nachdachte, umso müder wurde ich. Und schon war ich eingeschlummert.
Als ich aufwachte, hatte ich einen Riesendurst. Also ging ich erst einmal in die Diele zu unserem Wassernapf und trank eine große Portion. Dabei überlegte ich mir, dass ich den Korb doch eigentlich öfter benutzen könne. Ich wollte es gleich noch einmal probieren, lief wieder ins Wohnzimmer – und was musste ich sehen?! Ronny, diese Wuchtbrumme, hatte sich in meinen Korb gezwängt und tat so, als würde er schlafen. Dabei sah ich doch ganz genau, wie er feixte. Aber ich blieb ganz cool, zumindest äußerlich. In mir brodelte es allerdings gewaltig. Doch meine Überlegung war, dass Ronny diese Position nicht lange würde durchhalten können. Der Korb passt nämlich nicht so recht zu seinen Körpermaßen. Und ich hatte wirklich recht. Nach ein paar Minuten kletterte er (unter erheblicher Anstrengung übrigens) wieder heraus, warf mir einen schiefen Blick zu, wie ich aus den Augenwinkeln bemerkte, und trottete zu seinem Platz unter dem Tisch. Damit war Ronnys Versuch einer feindlichen Übernahme gescheitert und Couch und Korb befanden sich wieder in meinem alleinigen Besitz.
Diese Geschichte zeigt einmal mehr, dass das Älterwerden doch tatsächlich auch gewisse Vorteile haben kann. Zwar bin ich von der allseits gerühmten Altersweisheit noch weit entfernt, aber immerhin bin ich schon um einiges abgeklärter und löse manche Probleme anders als früher. Denn da wäre ich dem dreisten Burschen sofort an den Kragen gegangen. Was jetzt aber nicht heißen soll, dass ich mich nicht doch maßlos über den unverschämten Kerl geärgert habe …
Gisela Gersch-Gernoth
Der Winter will und will nicht weichen. Seit meine Hündin Paula vor drei Jahren verstorben ist, gehe ich eher selten spazieren. Jeder Weg lässt Erinnerungen wach werden und füllt mein Herz mit Trauer. In der warmen Jahreszeit benutze ich nun lieber das Fahrrad, um mich zu bewegen – aber bei Kälte? Der Winterspeck wächst und wächst. Die Bequemlichkeit flüstert mir verführerische Worte ins Ohr und ich lasse mich zu gern überzeugen. Doch jetzt reicht’s. Ein Ruck geht durch meinen Körper, der Vorsatz ist gefasst. Und als die Temperaturen wieder aus dem Minusbereich geklettert sind, ziehe ich meine Joggingschuhe an und greife zu den Nordic-Walking-Stöcken. Es ist ja nicht so, als gäbe es sie nicht. Ordentlich hängen sie in der Garage an einem Haken, stets griffbereit.
Nachdem ich den Wald verlassen habe, der immer durchquert werden muss, will man sich von unserem Hof aus nach Norden entfernen, wähle ich einen Weg, der über kleine Straßen führt und mir auf diese Weise ein wenig Abwechselung bietet, mich aber dennoch später an diesen Ausgangspunkt zurückbringen wird. Ich komme an einzelnen Häusern und Höfen vorbei und entdecke immer etwas Neues: hier ein frisch gestrichener Zaun, dort eine Forsythienhecke, deren Blüten das nahe Öffnen andeuten. Die Unterstände auf einer Pferdeweide werden ausgebessert.
Nach dem Überqueren einer stillgelegten kleinen Eisenbahnlinie empfängt mich ein lärmendes Hundegebell, das das „Klack, Klack“ meiner Stöcke auf dem Asphalt übertönt. Ich höre die Stimmen zweier Hunde, die lauter werden, als ich am ersten Hof linker Hand vorbei gehe. Doch sie selbst bleiben unsichtbar. Auf dem angrenzenden Grundstück sitzt ein Border Collie am Zaun, völlig unbeeindruckt von den Nachbarhunden und von mir. Er bleibt ganz ruhig. „Hallo, guten Morgen, du Schöner, “ begrüße ich ihn. Sein Blick folgt mir. Kurze Zeit später höre ich ein müdes „Wuff“. Der alte Schäferhund vom Hof auf der rechten Seite liegt auf der Bank neben der Haustür, hebt seinen grauen Kopf und blinzelt mich an. „Ja, bleib nur ruhig liegen, ich will dich gar nicht stören, “ rufe ich ihm zu. „Bis zum nächsten Mal.“
Ich folge der Straße noch einige Meter und biege links in einen Anliegerweg, an dessen Ende dann mein Rückweg beginnen wird. Die Häuser hier haben wunderschöne Gärten, in denen die Frühlingsboten Scilla, Krokus und Traubenhyazinthe mit ihren unterschiedlichen Blautönen meinen Blick einfangen. Auch eine schmale Weide zieht sich am Weg entlang, auf der ein kleiner Holzstall Zwergschafen Schutz bietet. Ich unterhalte mich mit ihnen, während sie mich hinter dem Zaun ein Stück begleiten. Sie rufen „Määh“ und ich antworte in ihrer Sprache, wieder und wieder. Und sie schicken mir noch den ein oder anderen Ruf hinterher, als ich schon fast die letzte Etappe meines Weges erreicht habe. Hier hat unser örtlicher Dachdecker seinen Betrieb. An der Hofzufahrt zeigt das Firmenschild den Oberkörper eines Mannes, der durch eine Lupe auf ein Dach schaut. Die Ähnlichkeit mit Sherlock Holmes ist nicht zu verkennen – eine gute Werbung, denn bei den großen Dachflächen auf Scheunen und Ställen ist Detektivarbeit von Nöten, um ein Leck zu finden.
Weiter geht’s „Klack, Klack“ zum Hof mit der Hausnummer 22, die in einen großen Findling eingemeißelt ist. An diesem Stein haben Ben, der dort lebende Schäferhund, und Paula einander Botschaften hinterlassen, wenn die beiden sich nicht begegneten. Bei dieser Erinnerung muss ich seufzen. Wie alt mag Ben jetzt sein? In Gedanken versunken ziehe ich weiter, an kleineren Häusern vorbei, bis die Kreuzung auftaucht, hinter der der Wald beginnt. Plötzlich überholt mich ein junger Schäferhund, etwa fünf Monate alt. Freudig springt er an mir hoch. Ich bin überrascht und bleibe stehen. „Na sag mal, wer bist du denn?“, erwidere ich seine Begrüßung, die gar nicht aufhört, und löse einen Stock aus der Schlaufe, damit ich ihn streicheln kann. Das gefällt ihm und er drückt sich gegen meine Beine. „Wo kommst du denn her?“ Natürlich bekomme ich keine Antwort, aber ein lang anhaltendes Juchzen. Nun löse ich den zweiten Stock, beuge mich zu dem Hund hinunter und kraule ihn ausgiebig. Er vollzieht Drehungen, lässt die Vorderläufe auf den Boden nieder, streckt mir seinen Hals entgegen und scheint gar nicht genug zu kriegen von meinen Liebkosungen. Weiter, weiter, bloß nicht aufhören, signalisiert er. „Jetzt ist aber gut und du gehst nach Haus!“ Wo mag er wohl hingehören?
Als ich weitermarschiere – „Klack, Klack“ –, begleitet mich der junge Hund. Er denkt gar nicht daran, die Richtung zu nehmen, aus der er kam. Fröhlich läuft er neben mir her, verlässt nur kurz die Straße, um im Graben zu schnüffeln, dann ist er wieder da. Ich ändere meine Route, laufe zurück, vielleicht zeigt er mir ja sein Zuhause. Doch der Hund bleibt an der Stelle sitzen, an der ich umgekehrt bin. Ich gehe noch weiter in die andere Richtung, doch er bleibt sitzen. Wenn ich mich umdrehe, schaut er mich ganz ruhig an. „Na, komm schon“, scheint er sagen zu wollen und ich folge seinem Wunsch. Wieder werde ich stürmisch begrüßt und er begleitet mich weiter auf dem Weg durch den Wald. Immer wieder macht er einen kleinen Ausflug ins Unterholz, doch schnell ist er zurück, strahlt mich an und zeigt mir deutlich, dass er wieder gekrault werden möchte. Ich ziehe erneut die Stöcke aus der Schlaufe und beginne von vorn. „Du bist mir ja einer, du Strahlemann – Lucky nenne ich dich, du bist mein Lucky.“