Lieber Leser, lieber Bruder,
kürzlich schrieb mir ein guter Freund, dass er beim Lesen einer von mir verfassten Abhandlung viele Grammatik- und Ausdrucksfehler gefunden habe. Das saß zunächst einmal! Denn in solch einem Moment steigt unweigerlich Unbehagen auf. Schließlich übte hier jemand Kritik, und die tat weh. Beim Weiterlesen wurde mir jedoch sehr bald klar, dass der Schreiber es nur gut mit mir meinte, indem er mir die zwar deutliche, aber ebenso lieb gemeinte Stellungnahme geschrieben hatte.
Warum erwähne ich das? Warum dieser Einstieg in diese Broschüre?
Ganz einfach: Niemand ist erfreut, wenn er auf Fehler aufmerksam gemacht wird. In dem von mir geschilderten Fall hat jedoch jemand aus Sorge um den Freund gehandelt. Dafür war und bin ich ihm letztendlich sehr dankbar, denn es stellte sich heraus, dass der Verlag tatsächlich bei Drucklegung noch nicht redigierte Manuskripte verwendet und ich es nicht bemerkt hatte.
Damit sind wir bei dem Thema dieser Broschüre, die Sie in Ihren Händen halten. Sie möchte Ihr Freund und ein persönlicher Ratgeber sein. Die Inhalte habe ich zusammengetragen, weil ich meine, beide Seiten zu kennen. Zum einen, weil ich selbst Amtsträger war und deshalb so manche Sorge verstehe, kenne und teile, die ihn in der Vorbereitung oder während eines Gottesdienstes beschleichen kann: Wie sage ich das, was der Geist Gottes erweckt, der Gemeinde? Wie drücke ich mich aus? Zum anderen bin ich heute Teil der Gemeinde, die durch die Predigt erhoben werden möchte, herangeführt an das Erleben der Nähe Gottes.
Beruflich wie privat kann es vorkommen, dass jemand zu einem bestimmten Thema einen Vortrag oder eine Ansprache halten soll. Darauf kann man sich entsprechend seines Fachwissens oder der bekannten Hintergründe vorbereiten. Im Gottesdienst ist das etwas anders: Es gibt zwar die Leitgedanken, die seit dem 1. Dezember 2007 neu strukturiert und inhaltlich übersichtlicher aufgebaut sind, jedoch wirkt im Gottesdienst nach wie vor der Geist Gottes. Dem den passenden und zu Herzen gehenden Ausdruck zu geben, das ist die Aufgabe der Amtsträger. Dafür gilt es, alle unsere Gaben und Fähigkeiten so gut wie möglich einzusetzen.
Dem Amtsbruder, der einen Gottesdienst hält, möchte ich daher noch einmal deutlich sagen: Die Ratschläge und Hinweise dieser Broschüre setzen in keiner Weise an der Stelle an, was gesagt werden soll, sondern sie möchten wie ein guter Freund beratend und hinweisend helfen, Unsicherheiten abzubauen. Dieses Buch beschreibt nicht das „Was“, sondern das „Wie“. In sieben Kapiteln werden dazu vier Aufgaben dargestellt und beleuchtet.
Ich hoffe, dass ich jetzt Ihr Interesse geweckt habe, sich mit dem Inhalt dieser Broschüre zu befassen und sie so zu verstehen, wie sie gemeint ist: Als freundschaftlicher Ratgeber und Beistand in Situationen, in denen frei gesprochen werden muss. Sie will keinesfalls ein Werk sein, das mit erhobenem Zeigefinger schulmeisternd auf Missstände hinweist.
In diesem Sinne wünsche ich viel Freude beim Lesen.
Ihr Oliver Groß
In erster Linie für Sie, liebe Amtsträger, die Ihren Dienst am Altar verrichten. Natürlich sind die Ausgangssituationen unterschiedlich, was ich versucht habe zu berücksichtigen. Vielleicht nutzen Sie bereits, bewusst oder unbewusst, die Wege, die ich als Impulse niedergeschrieben habe. Sie entdecken unter Umständen, dass Sie es schon immer so gemacht haben. Dann wird Sie diese Broschüre in Ihrem Tun bestätigen, und Sie schöpfen zusätzliche Kraft daraus. Machen Sie sich Ihr bisheriges Handeln bewusst und erfreuen Sie sich an den Gedanken.
Ich habe diese Impulse jedoch auch für diejenigen von Ihnen geschrieben, die neu ins Amt gesetzt wurden. Ihnen fehlt vielleicht Sicherheit und Sie sehen mit Sorge Ihrem ersten Gottesdienst – Ihren ersten Gottesdiensten – oder dem ersten Mitwirken entgegen. Diese Broschüre soll Ihnen Sicherheit geben und Sie unterstützen, damit Sie einen Weg finden, in Ihrer neuen Aufgabe Freude geben zu können und selbst Freude daran zu haben.
Ich habe auch an Sie gedacht, die schon immer mit großen Sorge und weichen Knien an Ihre Aufgabe denken, ob Sie nun Gottesdienst halten oder zum Mitdienen aufgerufen werden. Ihnen möchte ich diese Angst nehmen, Sie bestärken und Ihnen Mut machen, damit Sie Ihre Kraft und Ihr Vermögen richtig entfalten können.
Ein Augenmerk habe ich auch auf Sie gerichtet, wenn Sie bisher der Meinung waren, Sie müssen einen Gottesdienst halten oder mitdienen und sich die Frage stellen: Warum gerade ich? Vielleicht denken Sie, es gibt viel geschicktere Brüder oder andere sind begabter, sicherer, wortgewandter, gebildeter und haben einfach mehr Übung. Ich möchte Ihnen zeigen, dass der liebe Gott Sie gebrauchen kann und dass es richtig war, Sie zu beauftragen. Sie werden entdecken, dass Sie viele Ihrer Vorbehalte über Bord werfen können und Ihre Aufgabe mit ganz anderen Augen sehen, dass auch Sie Fähigkeiten haben, die es zu entfalten gilt.
Nicht zuletzt sind alle angesprochen, die einfach nur neugierig sind, sich neue Impulse holen möchten oder schlicht wissen möchten, welche vielseitigen Möglichkeiten es gibt.
Ein Patient klagt in der Sprechstunde über heftige Schmerzen am ganzen Körper. „Wenn ich mit dem Finger meinen Kopf berühre, habe ich Schmerzen, berühre ich meinen Hals, habe ich Schmerzen, berühre ich meinen Bauch, habe ich Schmerzen, sogar wenn ich meinen Fuß berühre, komme ich vor Schmerzen fast um. Was soll ich nur machen, Herr Doktor? Ich hoffe, Sie können mir helfen!“ Der Arzt untersuchte ihn sorgfältig. Dann sah er seinen Patienten mit ernster Miene an und sagte: Ja, mein Lieber, dein Körper ist gesund. Aber dein Finger ist gebrochen.“
Wie diese kleine Geschichte zeigt, sind es oft kleine Ursachen, die eine große Wirkung zeigen.
Wenn ich den Begriff „gehaltvolle Predigt“ in den Mittelpunkt stelle, spreche ich über die Ausführung in der Predigt. Vor ca. zehn Jahren stellte ich mir die Frage: „Welche Aufgabe hat eigentlich ein Sprecher?“ Schnell bemerkte ich, dass sich diese Frage einerseits noch niemand so konkret gestellt hatte und andererseits, dass die Antwort darauf so einfach wie logisch ist.
Der Sprecher hat vier Aufgaben zu erfüllen:
1. Der Zuhörer muss Lust bekommen zuzuhören
2. Der Zuhörer muss verstehen
3. Der Zuhörer muss nachvollziehen und behalten
4. Der Zuhörer muss das Gehörte nutzen und umsetzen
Kommen wir zurück auf die „gehaltvolle Predigt.“ Ist das auch für Sie als Amtsträger und für die Predigt relevant? Ich denke ja! Formulieren Sie es für sich und Ihren Amtsauftrag um:
1. Die Gemeinde muss Lust bekommen zuzuhören
2. Die Gemeinde muss das Gesagte verstehen
3. Die Gemeinde will es nachvollziehen und behalten
4. Die Gemeinde will das Gehörte für sich nutzen und umsetzen
Das klingt vielleicht zunächst überraschend, doch stellen Sie sich einen Gottesdienst, eine Predigt vor, in dem eines davon fehlen würde. Was ist das trostvolle Wort oder die kraftvolle Botschaft wert, wenn die Gemeinde nicht zuhört oder nichts von alledem versteht?
Aber selbst, wenn die Gemeinde zuhören und verstehen würde, sie muss auch die Möglichkeit haben, durch einen roten Faden die Botschaft und das Wort behalten zu können. Doch alles wäre Theorie, wenn Schwester und Bruder nicht wüssten, wie sie das Gesagte aus dem Gottesdienst im Alltag umsetzen - oder anders gesagt, wenn sie das Wort nicht erfüllen könnten.
Betrachtet man sich die vier Aufgaben, wird sehr schnell klar, warum dies mit der gehaltvollen Predigt nicht nur vereinbar ist, sondern die Grundlage dazu bildet. Stellen Sie sich vor, Sie sind in der Lage, das zu erfüllen - ist das nicht schon ein Segen für die Gemeinde? Lassen Sie es sich zur Aufgabe werden, die Gemeinde abzuholen und dafür zu sorgen, dass das Wort in offene Herzen gelangt.
Ein Sprichwort aus dem Orient sagt:
1. Kapitel
Die Gemeinde muss Lust bekommen zuzuhören
2. Kapitel
Die Gemeinde muss das Gesagte verstehen
3. Kapitel
Die Gemeinde will nachvollziehen und behalten
4. Kapitel
Die Gemeinde will das Gehörte für sich nutzen und umsetzen
5. Kapitel
Vorbereitung auf den Gottesdienst
6. Kapitel
Lampenfieber, Störung und Blackout
7. Kapitel
Predigt und Rhetorik
Schlusswort
Impressum
Etwas Grundsätzliches
Die Schüler hatten gelernt, dass die Bedeutung hinter den Worten liegt. In der Stunde der Unterweisung sagten sie darum zum Gelehrten:„Wenn es so ist, dass die Worte nur ein Hilfsmittel sind, gelangen wir nie zur Wahrheit. Zeige uns doch den Weg, ohne Worte zu gebrauchen.“ „Gerne!“ sagte der Gelehrte. „Dann fragt mich bitte, ohne Worte zu gebrauchen.“
Nichts geht ohne Worte in einer Predigt, sie kommt durch Worte überhaupt erst zustande. Und auch die Gemeinde ist nötig. Wenn sie nicht anwesend wäre, würde Predigt ein Selbstgespräch sein. Das Gegenteil von anwesend ist abwesend. Jeder hat sicherlich schon erlebt, dass es möglich ist, mit dem Körper anwesend, aber mit dem Geist abwesend zu sein. Wäre die Gemeinde geistig abwesend, würde die Predigt ihren Sinn verlieren, und es würde auch niemand bemerken, wenn sie gehaltvoll ist.