Susanna Carr, Leslie Kelly, Elizabeth Power, Sarah Mayberry
JULIA EXTRA BAND 385
IMPRESSUM
JULIA EXTRA erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH
Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: kundenservice@cora.de |
Geschäftsführung: | Thomas Beckmann |
Redaktionsleitung: | Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.) |
Produktion: | Christel Borges |
Grafik: | Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto) |
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRA
Band 385 - 2014 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg
© 2014 by Susanna Carr
Originaltitel: „A Deal With Benefits“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: MODERN ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Katharina Illmer
© 2009 by Leslie Kelly
Originaltitel: „Propositioned“
erschienen bei: Harlequin Books, Toronto
in der Reihe: ANTHOLOGY
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Birgit Hannemann
© 2013 by Elizabeth Power
Originaltitel: „A Greek Escape“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: MODERN ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Kai Lautner
© 2011 Small Cow Productions Pty Ltd.
Originaltitel: „All Our Todays“
erschienen bei: Harlequin Books, Toronto
in der Reihe: ANTHOLOGY
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Katharina Illmer
Abbildungen: Caroline von Tuempling / Getty Images, Blendimages / Thinkstock, alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 07/2014 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733706395
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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„Ashley, unser Gast ist schon da. Oh, das ist vielleicht ein schönes Boot“, rief Clea, die Haushälterin, begeistert. „Du hättest sehen sollen, wie schnell Louis unten am Steg war, um es sich anzuschauen.“
„Dann muss es ja wirklich ein tolles Boot sein“, erwiderte Ashley. Auf Inez Key war alles entspannt, niemand hatte es besonders eilig und schon gar nicht Cleas Ehemann Louis. Ihre Familien lebten bereits seit Generationen hier und hatten sich dem gemütlichen Rhythmus des Insellebens angepasst.
Ashley trat nach draußen und starrte auf das scharlachrote schnittige Boot. Sie blinzelte, als sie mitbekam, dass nur eine Person auf dem Boot war. „Verdammt“, murmelte sie, „er ist allein.“
Beruhigend tätschelte Clea Ashleys Arm. „Ich bin sicher, er wird nicht viel Arbeit machen. Soll ich ihn begrüßen, während du dich umziehst?“, fragte sie.
„Danke, aber ich putze mich nicht mehr für zahlende Gäste heraus. Nicht nach dem Basketballspieler, der dachte, ich gehöre zum gebuchten Wochenendpaket.“
Clea blieb stehen. „Und was wird dieser Mann denken, wenn er dich so sieht?“
Ashley musterte ihr leuchtend gelbes Tanktop, das nicht ganz bis zum Bund ihrer ausgefransten Shorts reichte. Ihre Sandalen waren alt und bequem, und ihr langes Haar hatte sie zu einem lockeren Pferdeschwanz zusammengebunden. Make-up und Schmuck trug sie nur zu besonderen Gelegenheiten, und ein Mann fiel eindeutig nicht in diese Kategorie. „Dass wir hier ziemlich leger sind.“
„Du weißt nicht viel über Männer, oder?“ Clea warf einen bedeutungsvollen Blick auf Ashleys lange, gebräunte Beine.
„Mehr als ich je wissen wollte“, entgegnete Ashley. Dafür hatte schon ihr Vater Donald Jones gesorgt, wenn er außerhalb der Tennissaison hier gewesen war – er und sein Gefolge.
Letztendlich hatte sie dieses Wissen eingesetzt, um einen großzügigen Kredit von Raymond Casillas zu bekommen. Es war ein großes Risiko gewesen. Sie traute dem alternden Playboy nicht und wusste, er würde einen Weg suchen, um sie mit Sex dafür bezahlen zu lassen. Und das musste sie verhindern.
Leider war sie mit ihrer Rückzahlung im Verzug und konnte sich keinen weiteren Monat Verzögerung leisten. Eiskalte Angst lief ihr über den Rücken, als sie die Konsequenzen bedachte. Nur noch ein paar reiche Prominente, die sich auf ihrer Insel erholen wollten – gut, vielleicht ein paar mehr –, dann wäre sie diese Bedrohung los.
Entschlossen ging Ashley den Hügel hinunter, den massiven, hölzernen Anlegesteg entlang und schirmte ihre Augen mit der Hand gegen die Sonne ab, um ihren Gast besser sehen zu können – Sebastian Esteban.
Plötzlich begann ihr Herz schneller zu schlagen. Der Wind spielte mit seinem schwarzen Haar, und das T-Shirt spannte über seiner breiten Brust. Seine kräftigen Beine steckten in ausgeblichenen Jeans. Als sie den attraktiven Fremden musterte, spürte sie ein unbekanntes Ziehen im Bauch.
„Irgendwie kommt er mir bekannt vor“, meinte Clea, die neben Ashley ging.
„Ist er berühmt? Ein Schauspieler?“ Sofort schob Ashley diesen Gedanken beiseite. Obwohl er gut aussah, wirkte Sebastian Esteban nicht so, als würde er aus seinen markanten, maskulinen Gesichtszügen Profit schlagen.
„Kann ich nicht genau sagen“, antwortete Clea. „Ich werde das Gefühl nicht los, dass ich ihn schon mal gesehen habe.“
Egal womit er seine Brötchen verdiente, entschied Ashley. Davon würde sie sich nicht beeindrucken lassen. Schließlich hatte sie sich nach dem Tod ihrer Eltern vor fünf Jahren bewusst von der Welt zurückgezogen. Sie erkannte vielleicht den einen oder anderen Superstar, aber mit den aktuellen Stars und Sternchen hatte sie nichts am Hut.
„Mr Esteban?“, fragte Ashley und streckte ihm die Hand entgegen. Als sich ihre Blicke trafen, rauschte ihr das Blut in den Ohren, und als Sebastian ihre Hand berührte, war sie wie vom Blitz getroffen.
Sie wollte schon zurückzucken, aber er hielt ihre Hand fest. Sie war wie erstarrt.
„Bitte nennen Sie mich Sebastian.“
Bei seiner rauen, tiefen Stimme erschauerte sie. „Ich bin Ashley“, erwiderte sie. Das Sprechen fiel ihr schwer, weil ihre Kehle wie zugeschnürt war. „Willkommen auf Inez Key. Ich hoffe, Sie genießen Ihren Aufenthalt.“
Begehren flackerte in seinen Augen auf, als er widerstrebend ihre Hand losließ. „Danke, das werde ich.“
Während sie ihm Clea und Louis vorstellte, bemerkte sie, wie groß und durchtrainiert Sebastian war.
Verstohlen musterte sie ihn, als er Louis’ Hilfe ablehnte und seinen Rucksack selbst trug. Wer war dieser Mann? Er war reich genug, um dieses Boot zu besitzen und ein exklusives Wochenende in ihrem Haus zu verbringen, trug aber weder Designerkleidung, noch kam er mit Unmengen von Gepäck.
„Sie wohnen hier im Haupthaus“, erklärte Clea ihm, als sie ihn den Hügel hinauf zu dem weißen Anwesen begleiteten.
Sebastian blieb stehen und betrachtete das Herrenhaus. Sein Gesichtsausdruck verriet nichts, aber Ashley spürte seine Anspannung.
Was er wohl von ihrem Haus hielt? Die meisten Gäste bestaunten die Vorkriegsarchitektur mit den klaren Linien und massiven Säulen. Es erinnerte an eine längst vergessene, elegante Welt.
Doch niemandem fiel auf, dass ihr Zuhause langsam verfiel. Man konnte letztendlich mit etwas Farbe, einem sorgfältig platzierten Tisch oder einem frischen Blumenstrauß nicht alles verstecken. Die antiken Möbel, die Gemälde – alles Wertvolle – war bereits vor Jahren verkauft worden.
Als sie die große Halle betraten, schaute Ashley sich nervös um und hoffte, nichts übersehen zu haben. Sebastian Esteban sollte die gewundene Treppe bemerken und wie sich das Sonnenlicht in den Kristallleuchtern brach, aber auf keinen Fall die verblasste Tapete. Doch so, wie er den Raum musterte, ahnte sie, dass ihm nichts entging.
Hastig unterdrückte Ashley ein Keuchen, als ihr Clea den Ellbogen in die Seite stieß. „Miss Ashley, warum zeigen Sie Mr Sebastian nicht sein Zimmer, während ich die Getränke hole?“
„Natürlich. Hier entlang, bitte.“ Mit gesenktem Kopf ging Ashley auf die Treppe zu. Sie wollte mit diesem Mann nicht allein sein. Auch wenn sie keine Angst vor Sebastian Esteban hatte, war ihr ihre Reaktion auf ihn unangenehm. Denn das passte so gar nicht zu ihr.
Ihre Haut prickelte, als sie vor ihm die Treppe hochstieg, und plötzlich kamen ihr ihre abgeschnittenen Shorts zu kurz vor, als sie seinen heißen Blick auf ihren nackten Beinen zu spüren glaubte. Sie hätte auf Clea hören und sich umziehen sollen.
Tief durchatmend ging sie schneller. Ashley wünschte, sie könnte diese heftige Anziehung ignorieren. Was war schon dabei, dass sie Sebastian sexy fand? Jeder anderen Frau würde es genauso gehen.
Ohne ihn anzusehen, öffnete Ashley die Tür zur Mastersuite und ließ ihn eintreten. „Das ist Ihr Zimmer“, verkündete sie. „Der begehbare Kleiderschrank und das Bad befinden sich hinter dieser Tür.“
Er betrat den Raum, und Ashley wusste, er würde mit seiner Unterkunft zufrieden sein. Es war das größte Zimmer mit einem fantastischen Ausblick. Hier standen ihre besten Möbel, und das Himmelbett aus geschnitztem Mahagoni war groß genug, sodass er mit ausgebreiteten Armen in der Mitte liegen konnte.
Ashley schloss die Augen, als unerwartete Hitze sie durchflutete. Warum musste sie sich auch vorstellen, wie er in zerwühlten Laken lag, nackt und verschwitzt, und seine kräftigen Arme nach ihr ausstreckte?
„Vertreibe ich Sie aus Ihrem Bett?“, erkundigte sich Sebastian.
„Wie bitte?“, fragte sie heiser. Vor ihrem inneren Auge sah sie sich neben ihm in diesem Himmelbett liegen. Schnell schüttelte sie den Kopf, um das Bild zu vertreiben. „Nein, ich wohne nicht hier.“
Er warf den Rucksack auf das Bett. „Warum nicht? Das ist doch die Mastersuite, oder?“
„Ja.“ Nervös fuhr sie sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. Sie konnte es ihm nicht erklären. Denn dieser Raum, dieses Bett waren der Mittelpunkt der zerstörerischen Beziehung ihrer Eltern gewesen. Die Affäre zwischen Donald Jones, ihrem Vater, und ihrer Mutter, seiner langjährigen Geliebten Linda Valdez, war von Eifersucht, Untreue und sexueller Besessenheit bestimmt gewesen. „Wenn Sie irgendetwas brauchen, lassen Sie es mich wissen“, bat sie und ging langsam zur Tür.
Als er sich zu ihr umwandte, bemerkte sie Trauer, Verlust und Wut in seinen Augen. Doch dann blinzelte Sebastian, und nichts davon war mehr zu sehen.
Stumm nickte er und begleitete sie zur Tür. Seine Hand lag auf ihrem Rücken, als sie über die Schwelle trat. Dabei streiften seine Finger ihre nackte Haut, und ihre Muskeln spannten sich an. Dann ließ er die Hand sinken, aber noch immer spürte sie seine Berührung.
Ashley atmete tief durch und eilte davon, ohne sich noch einmal umzuschauen. Diese Gefühle zu deuten, traute sie sich nicht, und sie war es nicht gewohnt, hier auf Inez Key in Versuchung zu geraten. Jahrelang hatte sie sich versteckt, sich absichtlich zurückgezogen, ruhig und geborgen gelebt. Keiner der Gäste, die in ihr Haus kamen, interessierte sie, aber dieser Mann … er erinnerte sie daran, was sie vermisste.
Und plötzlich war sie nicht sicher, ob sie sich noch weiter verstecken wollte …
Ein Monat später
„Sir? Da ist eine Frau, die mit Ihnen sprechen möchte.“
Sebastian Cruz sah nicht einmal auf und unterschrieb weiter Dokumente. „Schicken Sie sie weg.“ Er duldete während der Arbeit keinerlei Unterbrechungen. Wahrscheinlich war es nur eine ehemalige Geliebte, die dachte, sie bekäme auf diese Weise seine Aufmerksamkeit. Normalerweise regelten seine Angestellten das, und er fragte sich, wie es die Frau geschafft hatte, in die Vorstandsetage vorzudringen.
„Sie besteht aber darauf, Sie zu sehen, und wartet schon den ganzen Tag im Empfangsbereich“, fuhr sein Assistent fort, diesmal war deutlich ein Anflug von Mitleid mit dem ungebetenen Gast aus seiner Stimme zu hören. „Sie meint, es wäre dringend.“
Das sagen sie alle, dachte Sebastian genervt, als er einen weiteren Brief überflog, bevor er ihn unterschrieb. Allerdings fühlte er sich nicht im Geringsten geschmeichelt. Er verstand nicht, warum Frauen eine öffentliche Szene veranstalteten, wenn die Beziehung doch eindeutig vorbei war. „Die Sicherheitsleute sollen sie aus den Geschäftsräumen entfernen.“
Der junge Mann räusperte sich und strich nervös seine Krawatte glatt. „Daran dachte ich auch schon, sie behauptet jedoch, dass Sie etwas haben, was ihr gehört. Sie wollte mir nicht verraten, worum es geht, aber sie ist hier, um es zurückzubekommen.“
Mit gerunzelter Stirn setzte Sebastian seinen Namen unter ein weiteres Dokument. „Wissen Sie, wie sie heißt?“
Bei seinem eisigen Tonfall musste der Assistent schlucken. „Jones“, antwortete er hastig. „Ashley Jones.“
Sebastian erstarrte. Die Buchstaben auf dem Papier verschwammen vor seinen Augen, als ihn Erinnerungen an Ashley Jones überfluteten – ihr weiches braunes Haar, das ihr über die nackten Schultern fiel, ihre grenzenlose Hingabe und ihr Lachen. Sein Körper spannte sich erregt an, als er an ihre sonnengebräunte Haut und ihren Mund dachte.
Diese Frau hatte während des letzten Monats seine Träume heimgesucht. Obwohl er versucht hatte, Ashley aus seinen Gedanken zu verbannen, sich mit Arbeit und Frauen abzulenken, konnte er ihre ungezügelte Reaktion nicht vergessen – oder ihre hochmütige Zurückweisung.
An jenen Morgen konnte sich Sebastian noch lebhaft erinnern. Sie hatte nackt im Bett gelegen, als sie ihm klarmachte, dass sie nur einen One-Night-Stand wollte. In dieser Nacht hatte sie mehr als nur ihren Körper mit ihm geteilt, und jetzt war er nicht mehr gut genug, um ihre Luft zu atmen. Ihre Lippen waren noch immer geschwollen gewesen von seinen Küssen, aber sie schaute ihm nicht in die Augen.
Ashley wusste nicht, dass er der interessanteste Junggeselle Miamis war, ein Millionär mit unglaublichem Einfluss, dem die Frauen nachliefen. Das Ghetto hatte er schon vor Jahren hinter sich gelassen und gehörte jetzt zur glitzernden Welt der High Society. Doch sie hatte ihn einfach zurückgewiesen, als wäre sie etwas Besseres. Wer dachte sie eigentlich, wer sie ist?
„Ich glaube, sie ist die Tochter dieser Tennislegende“, flüsterte sein Assistent aufgeregt. „Sie wissen schon, das war vor ein paar Jahren groß in den Schlagzeilen.“
Donald Jones. Sebastians Nasenflügel bebten, als er mühsam die aufsteigende Wut zurückdrängte. Er wusste alles über den Tennisspieler und seine Familie, hatte alles über Ashley in Erfahrung gebracht.
Es hatte einige Überraschungen gegeben, als er sie dann traf, aber sein erster Eindruck hatte gestimmt. Sie war eine verwöhnte Erbin, die im Paradies lebte. Was es bedeutete, gerade so über die Runden zu kommen, zu leiden oder zu überleben, wusste sie nicht. Frauen wie Ashley Jones kriegten immer alles, was sie wollten.
Bis jetzt. Er wusste, warum sie hier war. Sie wollte herausfinden, wie er an ihre geliebte Insel gekommen war und wie sie sie wieder zurückerhalten konnte.
Jetzt, wo er etwas hatte, was sie wollte, würde sie ihn nicht so schnell zurückweisen. Das war seine Chance zu sehen, wie sie zu Kreuze kroch. Sebastian wollte den Spieß umdrehen und dieser Frau ihren Stolz und ihren Status nehmen, sie für eine Nacht in sein Bett holen, die außergewöhnliche Lust erleben, die selbst den zynischsten Liebhaber an Schicksal glauben ließ, und sie dann links liegen lassen.
„Schicken Sie sie bitte herein“, sagte Sebastian gelassen, obwohl sein Herz erwartungsvoll klopfte, „und dann können Sie Feierabend machen.“
Unsicher saß Ashley auf der Kante des weißen Lederstuhls und sah, wie die Sonne über der Skyline von Miami unterging. Heimweh überfiel sie. Umgeben von Stahl, Glas, Lärm und Menschen fühlte sie sich nicht wohl. Wie gern würde sie jetzt allein von ihrem Lieblingsplatz in der Bucht ihrer Insel zuschauen, wie die Sonne im türkisfarbenen Meer versank.
Aber vielleicht sah sie das nie wieder. Angst schnürte ihr die Kehle zu, und sie umklammerte ihre weiße Clutch. Ihr wurde übel, wenn sie an den Räumungsbescheid dachte. Noch immer spürte sie das quälende Entsetzen, als sie herausgefunden hatte, dass ein Sebastian Cruz ihren Kredit aufgekauft hatte und nun die Insel ihrer Familie besaß, weil sie zwei Raten nicht hatte zahlen können.
Ashley presste die Lippen zusammen und betete, dass sie Mr Cruz treffen konnte und ihre Insel sofort zurückbekam. Aber was sollte sie tun, wenn dieser Mann kein Einsehen hatte?
Daran durfte sie nicht einmal denken. Langsam atmete Ashley aus und wünschte, die Panik, die in ihr hochstieg, würde nachlassen. Aufgeben war keine Option, sie musste einen Weg finden.
Sie sah sich im Empfangsbereich um, der so einschüchternd wirkte wie das ganze Gebäude. Es hatte sie mehr Mut gekostet, als ihr lieb war, den Tag über hier sitzen zu bleiben, obwohl sie sich klein und unscheinbar fühlte.
Sie schaute auf, als sie entschlossene Schritte auf dem glänzenden schwarzen Boden hörte. Der große Mann im Designeranzug und mit der Krawatte einer namhaften Universität kam auf sie zu. „Miss Jones? Mr Cruz erwartet Sie jetzt.“
Angst schnürte ihr die Kehle zu, doch Ashley nickte. Ihre Hände waren plötzlich eiskalt. Sie stand auf und folgte dem Mann ziemlich unsicher auf den geborgten High Heels.
Du kannst das in Ordnung bringen, dachte sie und strich sich nervös über die Haare. Es hatte ewig gedauert, ihre wilde Mähne in einen eleganten Haarknoten zu bändigen.
Auch wenn sie nicht wusste, wie dieser Sebastian Cruz in den Besitz von Inez Key gekommen war, war ihr doch klar, dass es ein Fehler sein musste. Warum sollte jemand, der so reich war, eine heruntergewirtschaftete Insel haben wollen?
Jetzt bedauerte sie, nicht über den Mann recherchiert zu haben, der den Cruz-Konzern besaß. Wenn sie nach der Vorstandsetage ging, schätzte sie Sebastian Cruz als älteren, förmlichen Gentleman ein, der auf Status und Anstand bedacht war.
Angespannt zupfte sie an dem klassischen weißen Kleid, das einmal ihrer Mutter gehört hatte, und war froh, dass sie sich dafür entschieden hatte. Es war altmodisch, und sie fühlte sich eingeengt, aber sie wusste, dass sie darin süß und unschuldig aussah.
Jetzt musste sie sich nur noch daran erinnern, wie eine Lady sprach. Ashley blieb vor der großen schwarzen Tür stehen, die zu Mr Cruz’ Büro führte. Plötzlich lief alles wie in Zeitlupe ab, als der Assistent anklopfte und die Tür öffnete. Pass einfach auf, was du sagst. Ashley fuhr sich mit der Zungenspitze über die trockenen Lippen. Sie wusste schließlich genau, wie ein unbedachtes Wort alles zerstören konnte …
Ihr Herz klopfte so laut, dass sie kaum hörte, wie der Assistent sie ankündigte. Sie setzte ein höfliches Lächeln auf, streckte die Hand aus und erstarrte, als sie Sebastian Cruz erblickte.
„Du!“, platzte sie heraus und zog instinktiv die Hand zurück. Das war Sebastian Cruz? Dieser Mann hatte vor einem Monat ihr Leben auf den Kopf gestellt, all ihre Schutzmauern eingerissen und sie in die verheißungsvolle Welt der Lust eingeführt.
Fassungslos rang Ashley nach Atem, während sie sich anspannte, bereit zu fliehen. Was ging hier vor? Das konnte nicht Sebastian Cruz sein! Das war Sebastian Esteban. Ein Name, der sich ihr unauslöschlich eingebrannt hatte, denn keine Frau vergaß ihren ersten Liebhaber.
Nur sah dieser Mann ganz anders aus als der mysteriöse Gast, der vor einem Monat für ein Wochenende nach Inez Key gekommen war. Die verwaschenen Jeans waren gegen einen Anzug getauscht und das wissende Lächeln einem ernsten Gesicht gewichen. Ihr Blick wanderte von seinem kurzen schwarzen Haar zu seinen braunen Augen und dem markanten Kinn. Er war attraktiv, wirkte aber abweisend, regelrecht bedrohlich.
Als er lächelte, lief es ihr kalt den Rücken herunter. Diesmal schlug ihr Herz keine Purzelbäume, denn seine weißen Zähne erinnerten sie an die eines kaltblütigen Raubtiers.
Unsicher wich Ashley einen Schritt zurück.
„Ashley“, sagte er weich und deutete auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. Er schien nicht überrascht, sie zu sehen. „Setz dich doch bitte.“
Sie fühlte sich benommen und verletzlich, aber sie durfte ihm keine Angriffsfläche bieten. „Ich verstehe das nicht, er hat dich Mr Cruz genannt“, sagte sie verwirrt.
„Weil das mein Name ist“, erwiderte er und nahm hinter dem Schreibtisch Platz.
„Seit wann?“ Ihre Stimme klang so schrill, dass sie zusammenzuckte. Verzweifelt versuchte Ashley, sich zu beruhigen. „Mir hast du dich als Sebastian Esteban vorgestellt.“
„Das ist ein Teil meines Namens. Esteban ist der Familienname meiner Mutter.“ Er musterte sie eingehend, als sollte ihr der Name irgendetwas sagen. „Ich bin Sebastian Esteban Cruz.“
Das war seine Entschuldigung? Fassungslos starrte sie ihn an, wartete auf eine Erklärung. Er beobachtete sie jedoch nur ungeduldig und würde sich für nichts entschuldigen.
„Warum hast du mich belogen?“ Eine Frau musste Sebastian Cruz nur ansehen, um zu wissen, dass er ein Herzensbrecher war. Sie hatte gedacht, wenn sie ihre Begegnung auf einen One-Night-Stand beschränkte, passierte ihr nichts. Doch da hatte sie sich geirrt.
An diesem sinnlichen Wochenende war sie einem Impuls gefolgt und in seinem Bett gelandet.
Dabei hätte sie es besser wissen müssen. Schließlich war sie bei einem Vater aufgewachsen, der ein ausgemachter Frauenheld war, und hatte Sebastians Spiel durchschaut. Nur hätte sie sich auch daran erinnern sollen, dass dem Versprechen vom Paradies oft ein tiefer Fall folgte.
„Wenn man reich ist und etwas erwerben will, hat man großes Interesse daran, nicht zu enthüllen, wer man ist“, entgegnete er. „Sonst steigt der Verkaufspreis.“
„Inez Key stand aber nicht zum Verkauf“, protestierte sie heiser. Wut stieg in ihr auf. Jetzt verstand sie, warum er auf ihre Insel gekommen war. Er hatte von Anfang an vorgehabt, sie ihr wegzunehmen.
„Wie du immer wieder gesagt hast.“ Er zuckte abweisend mit den Schultern. „Mehrere meiner Angestellten haben dich in meinem Auftrag kontaktiert, erhielten aber immer dieselbe Antwort. Darum bin ich persönlich gekommen, weil ich hoffte, dich so zum Verkauf bewegen zu können.“
Irgendwie war es ihr schon seltsam erschienen, dass ein Mann wie Sebastian sich auf ihrer Insel hatte entspannen wollen. „Stattdessen hast du sie mir gestohlen“, flüsterte sie, während sich ihr der Magen umdrehte. „Jetzt ergibt das alles einen Sinn.“
„Ich habe sie nicht gestohlen“, widersprach er. „Du konntest deinen Kredit nicht zurückzahlen. Und nun gehört Inez Key mir.“
Der Triumph in seiner Stimme gefiel Ashley gar nicht. Sie umklammerte die Handtasche fester und schluckte ihre Wut herunter. „Der Kredit geht dich gar nichts an! Das war eine private Vereinbarung zwischen Raymond Casillas und mir.“
„Und ich habe ihn von Casillas gekauft. Du hättest deine Insel eben nicht als Sicherheit einsetzen sollen.“ Spöttisch schüttelte er den Kopf.
„Ich hatte keine große Wahl“, verteidigte sie sich heftig. Wie konnte dieser Mann es wagen, ihre Entscheidung infrage zu stellen? Die Finanzen ihres Vaters waren bei seinem Tod ein einziges Chaos gewesen. Sebastian hatte ja keine Ahnung, was sie alles getan und geopfert hatte, um Inez Key behalten zu können. „Die Insel war das einzig Wertvolle, was ich besitze.“
Er begegnete ihrem Blick. „War das so?“, fragte er zurück.
Ashley versteifte sich. Wie viel wusste er? Ihre Beine zitterten, trotzdem zwang sie sich dazu stehen zu bleiben. „Inez Key hat beim Hurrikan große Schäden erlitten, und die Versicherung wollte nicht für alles aufkommen.“
Gleichgültig zuckte er mit den Schultern. „Das interessiert mich nicht.“
Der gelangweilte Ausdruck auf seinem Gesicht ließ Wut in ihr aufsteigen. Ashley presste ihre Fingernägel in die Handflächen, weil sie spürte, dass ihr Temperament mit ihr durchzugehen drohte. Sie war ein Risiko eingegangen, als sie den Kredit angenommen hatte. Und es war nicht leicht gewesen, das Geld für die Raten aufzutreiben, aber so durfte es nicht enden. Sie musste Inez Key zurückbekommen.
„Raymond hat verstanden, warum ich Schwierigkeiten hatte, die Raten zu tilgen“, erklärte sie mit zitternder Stimme. „Er hat mir mehr Zeit gegeben, weil er ein guter Freund meines Vaters war.“
„Ich bin sicher, er war der Inbegriff von Verständnis und Mitgefühl, aber es war clever von dir, die Banken aus dieser Vereinbarung herauszuhalten, sonst hätte ich es eher herausgefunden.“
Dachte er, das war lustig? Hier stand ihre Zukunft auf dem Spiel. „Dann hättest du nicht mit mir zu schlafen brauchen, um an diese Information zu kommen“, schoss sie zurück.
Langsam glitt Sebastians Blick über ihren Körper und verweilte kurz auf ihren sanften Kurven. „Deswegen bin ich nicht mit dir ins Bett gegangen.“
Ihre Haut schien zu brennen. Sie konnte nicht verhindern, dass sie sich an seinen heißen, männlichen Duft und den Geschmack seiner Haut erinnerte. Hitze stieg ihr in die Wangen.
Abrupt wandte Ashley den Blick ab. Sie musste meist in den ungünstigsten Momenten an diese Nacht denken. Ihr Herz klopfte heftig. „Du hattest also nicht vor, mich zu verführen, als du nach Inez Key gekommen bist?“, hakte sie nach. „Irgendwie glaube ich das nicht.“
„Ich konnte ja nicht wissen, dass du nach dem Sex zu Bettgeflüster neigst“, antwortete er und lehnte sich zurück. „Ich hatte nicht damit gerechnet, dass du deine Vereinbarung mit Casillas verrätst, und musste das einfach zum meinem Vorteil nutzen.“
Ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Wie konnte er so gefühllos von diesem intimen Moment sprechen? War ihm nicht klar, dass sie sich sonst niemandem anvertraute? Bei ihm hatte sie sich sicher genug gefühlt, um ihm ihre Sorgen zu beichten.
Irgendwie hatte sie geahnt, dass sie das noch verfolgen würde. „Ich lasse nicht zu, dass du mir die Insel wegnimmst!“
Ihr Ausbruch ließ ihn völlig kalt. „Es ist zu spät.“
„Warum bist du so unvernünftig?“ Ihre Stimme hallte ihr in den Ohren nach. Obwohl es ihr nicht leichtfiel, versuchte sie es erneut. „Warum kannst du mir keine zweite Chance geben?“
Ihre Frage schien ihn ehrlich zu überraschen, als wäre sie naiver, als er gedacht hätte. „Und warum sollte ich?“
Ashley sah, wie sich seine Augen verdunkelten. Misstrauisch verschränkte sie die Arme. „Geht es darum, dass ich dich am nächsten Morgen aus dem Bett geschubst habe?“
Am liebsten hätte sie sich sofort auf die Zunge gebissen. Dabei wusste sie doch, dass sie mit ihren Worten vorsichtig sein musste. Sie zuckte zusammen, als sie sein heiseres Lachen hörte.
„Bild dir nur nichts darauf ein.“
Ashley wusste, es hatte ihn überrascht, dass sie die Beziehung nicht hatte weiterführen wollen. Sebastian würde nie erfahren, wie sehr sie der Vorschlag gefreut und wie viel Angst er ihr gleichzeitig eingejagt hatte. Darum hatte ihre Antwort kalt und gefühllos geklungen.
Immer wieder hatte sie sich gewünscht, sie hätte freundlicher abgelehnt oder den Mut gehabt, sein Angebot anzunehmen.
Aber nach nur einer fantastischen Nacht mit ihm lief sie Gefahr, zu der Art Frau zu werden, die sie hasste – eine Frau, die von ihren Gefühlen und Bedürfnissen gelenkt wurde. Um sich selbst zu schützen, hatte sie sich zurückgezogen.
„Ich denke einfach, dass es hier um etwas Persönliches geht“, erwiderte sie und musterte ihn finster.
Mit gehobener Augenbraue sah er sie an. „Wie soll das möglich sein, wenn wir uns erst auf Inez Key kennengelernt haben?“
Ashley hatte das Gefühl, etwas nicht zu verstehen. Sie wusste, dass sie sich noch nie vorher begegnet waren, doch selbst ein flüchtiges Treffen mit Sebastian Cruz konnte man nicht vergessen. „Du bist mit Hintergedanken und unter falschem Namen auf meine Insel gekommen und hast mich verführt. Es war ganz richtig, dass ich meinem Instinkt gefolgt und dich losgeworden bin.“
„Und ich folge meinem Instinkt und entferne dich sofort von der Insel“, erklärte Sebastian und wandte sich seinem Computer zu, als wäre das Gespräch beendet.
Sofort? Panik ergriff sie. Bevor sie sein Büro betreten hatte, waren ihr zwei Wochen Zeit geblieben, die Insel zu verlassen. Sie machte alles nur noch schlimmer. „Inez Key ist alles, was ich besitze“, sagte sie verzweifelt. „Ohne die Insel habe ich kein Zuhause, kein Geld …“
Er sah nicht einmal auf. „Das ist nicht mein Problem.“
Schnell ging sie auf seinen Schreibtisch zu und stützte sich auf der Kante ab. „Wie kannst du nur so grausam sein?“, fragte sie.
Jetzt hob er den Blick. „Grausam? Du kennst nicht einmal die Bedeutung dieses Wortes.“
Sie beugte sich vor. „Ich darf Inez Key nicht verlieren. Die Insel ist mein Zuhause und meine Lebensgrundlage.“
„Lebensgrundlage?“, höhnte er. „Du hast noch keinen einzigen Tag in deinem Leben gearbeitet, sondern vermietest gelegentlich dein Haus für ein Wochenende an reiche Leute.“
Ashley schwieg. Vielleicht hatte sie keinen typischen Job, aber deswegen arbeitete sie trotzdem hart, um alles zu behalten, was ihr wichtig war. „Sie bezahlen für ungestörte Privatsphäre gutes Geld. Du hast es auch getan. Warum denkst du, dass das nicht auch andere tun würden?“
Er griff nach seinem Füller und schraubte die Kappe ab. „Es gibt nicht genug reiche Promis, die sich nach Ruhe sehnen, damit du deinen Kredit zurückzahlen kannst.“
„Ich habe das noch nicht lange genug gemacht“, behauptete sie, weil sie unbedingt etwas Zeit schinden musste. „Raymond hat das verstanden.“
Sebastian schüttelte den Kopf. „Raymond Casillas wusste, dass du den Kredit nie zurückzahlen kannst. Warum, denkst du, hat er ihn dir überhaupt angeboten?“
Ashley richtete sich auf und trat vom Schreibtisch zurück. „Ich weiß es nicht“, gab sie zu. Darüber wollte sie nicht sprechen.
„Er hat gehofft, dass du deine Schulden auf andere Art zurückzahlst. Und ich glaube, das wusstest du. Deswegen hast du auch auf dem Vertrag bestanden. Normalerweise wäre das clever gewesen.“
„Und es hat mir auch so viel genutzt“, entgegnete sie ironisch. So war sie direkt in den Händen des skrupellosen Sebastian Cruz gelandet.
„Du wolltest keine Missverständnisse aufkommen lassen und hast deshalb als Sicherheit Inez Key und nicht deinen Körper eingesetzt.“ Sebastian hielt kurz inne. „Oder deine Jungfräulichkeit.“
Ashley wurde knallrot und wich seinem Blick aus. „Du wusstest es?“, flüsterte sie. Dabei hatte sie alles getan, um zu überspielen, wie unerfahren sie war, aus Stolz und zum Schutz. Aber woher hatte er es gewusst? Wie hatte sie sich verraten?
Er legte seinen Stift beiseite. „Du hättest es mir sagen sollen.“ Jetzt klang er beinahe sanft.
Ashley wünschte, sie könnte dieses Büro einfach verlassen, aber die ungewohnten High Heels fühlten sich bleischwer an ihren Füßen an. „Ich hatte dir schon zu viel erzählt. Und woher hast du gewusst, dass Raymond …“ Sie schluckte schwer und verstummte.
„Casillas ist bekannt dafür, dass er unschuldige Mädchen mag“, erklärte er angewidert und lehnte sich zurück. „Und sobald er wusste, dass wir zusammen gewesen waren, hatte er kein Interesse mehr daran, dir zu helfen.“
Gedemütigt schloss Ashley die Augen. Sebastian hatte Raymond von ihrem privaten Moment erzählt? Er war genau wie ihr Vater und seine Saufkumpane. Enttäuschung machte sich in ihr breit. „Du bist widerlich“, schleuderte sie ihm entgegen.
„Ich tue einfach, was nötig ist, um zu gewinnen.“
„Das ist noch nicht vorbei. Ich sehe dich vor Gericht“, verkündete sie und ging zur Tür.
„Viel Glück dabei“, rief er ihr nach. „Du kannst dir keine Rechtsberatung leisten, und jeder gute Anwalt wird dir sagen, dass du keine Chance hast.“
„Unterschätz mich nicht!“, warnte sie ihn.
„Wie dringend willst du Inez Key?“, hakte er nach, als sie nach der Türklinke griff.
Sie senkte den Kopf. Wie könnte sie es ihm erklären? Inez Key war mehr als ihr Zuhause, denn mehr war von ihrer Familie nicht übrig. Die Insel war ihr Zufluchtsort, aber auch ihr Gefängnis. Sie war sowohl Verwalterin als auch Gefangene, und sie war entschlossen, dort zu leben, bis sie ihre Dämonen vertrieben hatte. „Wahrscheinlich genauso sehr, wie du es wolltest.“
Amüsiert lachte er auf. „Das hättest du mir nicht verraten sollen.“
Widerwillig drehte sie sich um. Ruhig und beherrscht saß er auf seinem Stuhl und sah sie belustigt an. „Was willst du, Cruz?“
Bei seinem Lächeln lief es ihr eiskalt den Rücken herunter. „Dich.“
Sebastian bemerkte, wie Ashley zusammenzuckte. Er wusste, dass sein Geständnis sie nicht überraschte. In ihren Augen flackerte Interesse auf, und Röte stieg ihr in die Wangen. Auch wenn sie ihre Reaktion zu verbergen suchte, verriet ihr Körper sie. Den hektischen Puls an ihrem Hals konnte sie nicht verstecken. Ashley wollte ihn immer noch, aber sie würde es nicht zugeben.
„Das hast du deutlich gezeigt“, entgegnete Ashley.
„Dafür schäme ich mich nicht.“ Er sah sein Verlangen nach Ashley nicht als Schwäche. Es war eher ein Problem, eine Ablenkung und eine wachsende Besessenheit. Aber sie schämte sich für die Anziehung, die sie verband.
„Ich stehe nicht zum Verkauf“, verkündete sie.
Sein Mundwinkel hob sich ein wenig. „Das hast du auch über Inez Key gesagt, und du siehst ja, was daraus geworden ist.“
Ashley biss die Zähne zusammen. „Ich meine das ernst, Cruz“, gab sie heftig zurück.
Wäre es ihr ernst, dann hätte sie ihm zu seinem unmoralischen Angebot ein paar deutliche Worte gesagt und ihm eine Ohrfeige verpasst, stattdessen umklammerte sie die Türklinke. Sie schwankte zwischen Entsetzen und Begeisterung, und wenn er es richtig anstellte, könnte er Ashley länger als eine Nacht in seinem Bett haben.
„Ich bin sicher, wir kommen zu einer Übereinkunft“, sagte er mit weicher Stimme, obwohl seine Erregung wuchs. Wochenlang hatte er sich nach ihr gesehnt, und das verstärkte sich jetzt, wo er wusste, dass er nicht mehr lange warten musste.
„Du bist auch nicht besser als Raymond“, zischte sie.
Sebastian grinste. Ihr Kommentar zeigte lediglich, wie unschuldig und weltfremd sie wirklich war. Hatte sie noch nicht bemerkt, dass er viel, viel schlimmer war?
„Im Gegenteil, Casillas hat dir eine Falle gestellt, aber ich sage ehrlich, was ich will.“ Und er wollte Ashley mehr als alles andere. Das ergab einfach keinen Sinn, schließlich war sie wie bisher keine andere Frau in seinem Leben. Sie war ungezähmt und unerfahren, ein Ärgernis, eine Unannehmlichkeit und eine Herausforderung.
Er sollte sie rausschmeißen. Schließlich ließ er sie auf keinen Fall wieder auf die Insel. Er würde kein Versprechen brechen, nur weil es dieser verwöhnten Prinzessin gefallen würde, aber er war neugierig, was ihren Preis anging.
„Ehrlich?“, fragte sie. „Das behauptest du, nachdem du dich mit einem falschen Namen bei mir vorgestellt hast, weil du mir die Insel abspenstig machen wolltest?“
Langsam stand er auf und ging auf sie zu. Diesmal war sie zu wütend, um vorsichtig zu sein, und bemerkte die Gefahr nicht. Ihre braunen Augen blitzten, und sie reckte das Kinn.
Sebastian fragte sich, warum sie versuchte, sich hinter diesem formlosen weißen Kleid zu verstecken. Ihm juckte es in den Fingern, ihre Haare aus dem Knoten zu lösen, nur um zu sehen, wie sie ihr über die Schultern fielen. Am liebsten würde er ihr das blasse Make-up abwischen, um das Inselmädchen darunter zu finden, das er kannte.
„Du bist diejenige, die nicht ehrlich ist“, konterte Sebastian, als er vor ihr stand und mitbekam, wie heftig sich ihre Brust hob und senkte. „Du wusstest, was Casillas wirklich wollte, und hast ihn in dem Glauben gelassen, er würde es bekommen, weil du das Geld brauchtest.“
„Ich hatte es bei verschiedenen Banken probiert, aber …“
„Casillas widert dich an. Meinst du nicht, dass er das wusste? War dir klar, dass du für ihn dadurch noch begehrenswerter warst?“, gab Sebastian zurück. „Du hast versucht, damit zu spielen und dir die Finger verbrannt.“
Ashley hob eine Augenbraue. „Ist dir in den Sinn gekommen, dass ich in deinem Bett gelandet bin, weil ich Raymond entkommen wollte?“
Sebastian zuckte zurück. Das hatte er nicht bedacht, und die Möglichkeit machte ihm zu schaffen.
Fest umfasste er ihr Kinn, damit sie stillhielt. Dabei spürte er die Anspannung unter ihrer weichen, seidigen Haut. „War es so?“, fragte er gefährlich leise.
In ihren Augen blitzte es trotzig. „Jetzt bist du dir nicht mehr so sicher, oder?“
Ungewohnte Gefühle tobten in seiner Brust, als er sie eingehend betrachtete. Mit ihrer natürlichen Schönheit und ihrem freien Geist hätte Ashley Jones jeden Mann haben können. Er wusste nicht, warum sie mit ihrem ersten Mal gewartet hatte. Um ihre Jungfräulichkeit loszuwerden, hätte sie sich einen unkomplizierten Mann aussuchen können, den sie kontrollieren konnte.
Mit dem Daumen strich er ihr über das Kinn und versuchte seine Gefühle im Zaum zu halten. „Ich denke, du hast mit mir geschlafen, weil du es genauso wolltest wie ich“, sagte er heiser. Sie wollte ihn, auch wenn es bedeutete, dass sie nachgeben musste. „Casillas hatte damit gar nichts zu tun. In meinem Bett hattest du ihn völlig vergessen.“
Sie versuchte, seine Hand wegzuschieben. „Träum weiter!“
Und er konnte gar nicht anders, als von Ashley zu träumen und der Nacht, die sie zusammen verbracht hatten. Er erinnerte sich an jede Berührung, jeden Kuss, jedes Keuchen und Stöhnen. Nichts davon hatte sie vorgetäuscht. „Du willst mich so sehr, dass es dir Angst macht. Nur deshalb hast du mich abgewiesen.“
„Nein, ich wollte nur keine Affäre mit dir“, protestierte sie. „Du hattest deinen Zweck erfüllt, und Playboys interessieren mich nicht.“
Sebastian ließ seine Hand sinken. Seinen Zweck erfüllt? Er wusste, sie wollte damit nur überspielen, dass er immer eine wichtige Rolle in ihrem Liebesleben spielen würde, aber für diese Worte würde sie bezahlen. „Ich bin kein Playboy!“
„Ha!“, erwiderte sie bitter. „Auf Inez Key hast du versucht, es zu kaschieren, aber ich bin unter Frauenhelden aufgewachsen und weiß genau, was für ein Mann du bist. Du köderst eine Frau mit ihrem Zuhause, aber wir wissen beide, dass du es nicht zurückgeben wirst.“
Sebastian musste sich ein Lächeln verkneifen. Ashley Jones hielt sehr viel von sich. Dachte sie wirklich, er würde seinen Schatz aufgeben, um noch einmal das zu bekommen, was sie geteilt hatten? „Ich habe nie gesagt, dass ich es dir zurückgebe.“
Sie erstarrte und runzelte die Stirn. „Ich verstehe nicht ganz. Du hast mich gefragt …“
„Wie sehr du Inez Key haben willst“, beendete er den Satz, kam näher und sog ihren Duft ein. „Die Insel steht nicht zur Debatte, ich behalte, was mir gehört, und werde es mir nicht wieder wegschnappen lassen.“
Ashley wurde blass und lehnte sich gegen die Tür. „Ich habe mich jahrelang um die Insel gekümmert“, flüsterte sie. „Sie hat mich meine Liebe, Schweiß und Tränen gekostet. Ich habe alles dafür geopfert.“
„Warum?“ Die Insel war nichts Besonderes, dort gab es weder Bodenschätze, noch hatte sie eine historische Bedeutung, darum war er auch der einzige Kaufinteressent gewesen.
„Warum?“, wiederholte sie. „Sie ist mein Zuhause.“
Sebastian ahnte, dass sie ihm etwas verschwieg und es auch nicht verraten würde.
Während dieses Wochenendes war Ashley offen und spontan gewesen, doch jetzt war sie misstrauisch. Überrascht stellte er fest, dass er es bedauerte, doch er ignorierte es. Schließlich war es höchste Zeit, dass sie lernte, wie es in der realen Welt zuging. Er hatte ihr eine wertvolle Lektion erteilt. „Deine Verbundenheit zu Inez Key ergibt keinen Sinn.“
„Was ist mit dir?“, konterte sie. „Nicht viele Leute würden solche Anstrengungen unternehmen, um jemandem sein Zuhause zu stehlen.“
„Ich habe es nicht gestohlen“, widersprach er leicht ungeduldig. „Du konntest deinen Kredit nicht mehr bedienen, also gehört die Insel jetzt mir.“
„Was hast du damit vor?“, fragte sie, als würde allein schon die Vorstellung schmerzen, dass er Veränderungen vornehmen würde. „Ich kann mir kaum vorstellen, dass du dort wohnen willst.“
„Mach dir darüber mal keine Gedanken“, antwortete er, als er nach der Türklinke griff. Es war Zeit, sie zu einer Entscheidung zu zwingen. „Inez Key ist jetzt meine Sorge.“
Ashley starrte auf die geöffnete Tür und biss sich auf die Unterlippe. „Cruz.“
„Mein Name ist Sebastian“, erinnerte er sie. In dieser einen Nacht hatte sie ihn oft gesagt, verwundert und erregt, sehnsüchtig und befriedigt. Und heute Abend würde sein Name das letzte Wort sein, was sie sagte, bevor sie einschlief.
Sebastian. Nein, so würde Ashley ihn nicht nennen. Sebastian war ein mysteriöser Fremder, dessen Männlichkeit in ihr ein heftiges sexuelles Verlangen ausgelöst hatte, von dem sie nicht einmal gewusst hatte, dass es überhaupt existierte.
Dieser arrogante Mann, der jetzt vor ihr stand, war berechnend und einschüchternd, allerdings auch so atemberaubend, dass sie den Blick nicht von ihm wenden konnte. Nur war er nicht der Sebastian, an den sie sich erinnerte.
Vielleicht war das auch das Problem. Hatte sie diese eine magische Nacht in ihren Gedanken verklärt? Alles war so neu für sie gewesen. Jetzt wäre sie nicht mehr so überwältigt, wenn sie noch einmal mit ihm schlief. Allerdings bekam sie noch immer weiche Knie, wenn sie daran dachte, mit Sebastian ein Bett zu teilen.
„Wenn du nicht vorhast, mir mein Zuhause zurückzugeben“, fragte sie vorsichtig nach, „was bietest du mir dann an?“
„Du wärst die Verwalterin und würdest in dem Cottage hinter dem Haupthaus wohnen.“
Hastig unterdrückte Ashley die aufsteigende Wut. Sie war die Hausherrin gewesen, hatte freie Hand auf der Insel gehabt, und jetzt bot er ihr die Rolle der Verwalterin an, als wäre das ein Geschenk? „Nicht gut genug.“
Er legte ihr einen Finger auf den Mund. „Vorsichtig, mi vida“, sagte er weich. Seine Augen blitzten gefährlich. „Ich kann dir den Zutritt zur Insel auch verwehren, und ich muss auch sonst niemanden weiterhin dort wohnen lassen.“
Bei seiner unverhohlenen Drohung stöhnte Ashley entsetzt auf. „Nein! Das hat nichts mit den anderen Familien auf Inez Key zu tun. Sie leben dort schon seit Generationen.“
„Du setzt dich für die anderen ein?“, spottete er. „Wie großherzig!“
Sie dachte an die fünf Familien, die auf der kleinen Insel lebten und immer für sie da gewesen waren. Seitdem hatte sie für sie gesorgt und sie beschützt. Und sie würde sie auch jetzt nicht im Stich lassen. „Misch dich nicht in ihr Leben ein“, drohte sie. „Das alles betrifft nur dich und mich.“
„Stimmt“, bestätigte er und schloss die Tür. Dann stützte er sich mit der Hand über ihrem Kopf am Türrahmen ab. Er war zu nah, und sie fühlte sich gefangen, in die Ecke gedrängt.
Ihr fiel es nicht leicht stillzuhalten und seinem Blick zu begegnen. „Was willst du von mir?“
„Zwei Wochen in meinem Bett.“
Ashley wurde knallrot, und ihr blieb der Mund offen stehen. „Ich würde nicht mal zwei Minuten in deinem Bett bleiben, ganz zu schweigen von …“
„Dann eben drei“, unterbrach er sie kühl.
Mit großen Augen sah sie ihn an. „Du Mistkerl!“, fauchte sie.
„Und jetzt sind es vier“, entgegnete er völlig emotionslos. „Willst du fünf daraus machen?“
Ein ganzer Monat mit Sebastian? Bereits eine Nacht hatte ihren Schutzwall völlig zerstört, was würde dann nach vier Wochen in seinem Bett mit ihr passieren?
Wenn sich jetzt nur die Erregung, die sich in ihr aufbaute, legen würde. Aber sie würde nicht zulassen, dass dieses sexuelle Verlangen ihre Gedanken und Entscheidungen bestimmte. Sie war anders als ihre Eltern.
„Ashley, ein Monat wird für dich nicht reichen“, versprach er.
Stur presste sie die Lippen zusammen. Sie hätte sich von ihm nicht reizen lassen dürfen. Ihre wütenden Worte zogen immer Konsequenzen nach sich.
„Vielleicht dauert es auch gar nicht so lange“, fuhr er fort. „Bei Frauen habe ich eine sehr kurze Aufmerksamkeitsspanne, aber du wirst mich anbetteln zu bleiben.“
Und genau davor hatte sie Angst. Bis sie Sebastian Cruz kennengelernt hatte, war sie stolz darauf gewesen, keine leidenschaftliche Frau zu sein. Ein Blick auf ihn hatte genügt, und diese Gefühle waren erwacht. Ihre Reaktion auf seine Berührung hatte sie erschreckt. Dieser Mann besaß eine Macht über sie wie niemand sonst.
Sie musste diesen Zauber brechen und das Verlangen nach Sebastian Cruz auslöschen. Wenn dieser Monat vorüber war, würde kein Mann sie je wieder so in der Hand haben.
„Nur damit ich das richtig verstehe“, meinte sie. „Ich werde also auf der Insel ein Zuhause haben, wenn ich einen Monat lang mit dir das Bett teile?“
„Korrekt“, antwortete er mit einem teuflischen Glanz in den Augen.
Wo war der Haken? Gut, es war für ihn von Vorteil, einen Verwalter zu haben, der Inez Key bereits kannte. Aber dachte er, dieses Arrangement dauerte so lange, wie er das wollte? „Und woher weiß ich, dass du mich nicht rauswirfst?“
„Du bekommst einen Vertrag wie meine anderen Angestellten auch“, erklärte er, ohne den Blick von ihrem Mund zu lösen.
Ihre Lippen prickelten, und es fiel ihr schwer, nicht nervös darüber zu lecken. „Und wie lange habe ich Zeit, mich zu entscheiden?“
Er kam noch näher, sodass Ashley seinen warmen Atem auf der Haut spürte. „Du musst dich sofort entscheiden.“
Panik breitete sich in ihr aus. „Jetzt? Das ist nicht fair!“ Was sagte sie da? Sebastian spielte nicht fair, um zu gewinnen.
„Nimm es an oder lass es“, entgegnete er.
Sie wollte den Blick abwenden, eine andere Möglichkeit finden. So gern Ashley auch auf Inez Key bleiben wollte, sie glaubte nicht, dass sie stark genug war, ihr Verlangen nach Sebastian zu unterdrücken. Aber sie konnte auch nicht einfach gehen. „Ich nehme dein Angebot an“, flüsterte sie.
Leidenschaftlich küsste Sebastian sie. Und auch wenn sie ihm widerstehen wollte, entschlossen war, nicht zu reagieren, öffnete sie den Mund und kam ihm entgegen, als er den Kuss vertiefte. Ihre Zungen spielten miteinander, als er sie noch näher an sich zog. Sein Verlangen überwältigte sie, darum gab sie nach.
Was ist nur los mit mir?