Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
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Kommentar
Glossar
Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Nr. 2774
Der Kosmoglobus
Vorstoß in die Weltenblase – sie enthüllen ein Geheimnis des Atopischen Tribunals
Hubert Haensel
Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt
Seit die Menschheit ins All aufgebrochen ist, hat sie eine wechselvolle Geschichte hinter sich: Längst sind die Terraner in ferne Sterneninseln vorgestoßen, wo sie auf raumfahrende Zivilisationen und auf die Spur kosmischer Mächte getroffen sind, die das Geschehen im Universum beeinflussen.
Mittlerweile schreiben wir das Jahr 1517 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ). Die Milchstraße steht weitgehend unter dem Einfluss des Atopischen Tribunals. Dessen Richter behaupten, nur sie könnten den Weltenbrand aufhalten, der sonst unweigerlich die Galaxis zerstören würde. Auf diese Weise zementiert das Tribunal in der Milchstraße seinen Machtanspruch, während der Widerstand dagegen stärker wird.
Perry Rhodan und die Besatzung des Fernraumschiffes RAS TSCHUBAI haben in der fernen Galaxis Larhatoon in Erfahrung gebracht, dass das eigentliche Reich der Richter die Jenzeitigen Lande seien. Um dorthin zu gelangen, braucht es aber Atlan als Piloten und ein Richterschiff als Transportmittel.
Ein solches zu besorgen, ist die aktuelle Mission des Terraners. Bei seinen Nachforschungen entdeckt er ein Konstrukt, das eng mit dem Atopischen Tribunal zusammenzuhängen scheint: Es ist DER KOSMOGLOBUS ...
Perry Rhodan – Der Terraner nutzt die Gunst der Stunde.
Gucky – Der Ilt entdeckt die Geheimnisse des Kosmoglobus.
Velleshy Pattoshar – Die Kommandantin der Domänenwacht erhält eine neue Aufgabe.
Bruce Cattai, Benner und Tacitus Drake – Das Venus-Team kämpft um Baucis Fenders Freiheit.
Loitmahd – Der Spochane erhält einen Ernteauftrag.
RAS TSCHUBAI
Perry Rhodan schreckte schweißgebadet auf. Einen Herzschlag lang fürchtete er sich davor, die Augen zu öffnen, dann tat er es doch.
Dunkelheit umfing ihn.
Sein Puls raste, deshalb zwang er sich, tief und gleichmäßig zu atmen. Ringsum war alles ruhig. Vorbei das entsetzliche Gefühl, haltlos in ewige Tiefe zu stürzen, vorbei auch der Würgegriff lähmender Panik.
Auf den Ellbogen stemmte Rhodan sich hoch. Den Oberkörper leicht schräg, verharrte er angespannt. Endlich spürte er die belebenden Impulse des Aktivatorchips unter dem linken Schlüsselbein. Nachdenklich saugte er an der Unterlippe, das leichte Jucken am Nasenflügel ignorierte er.
»Licht!«
Der Servo reagierte mit gedämpfter Helligkeit. Trotzdem fühlte Rhodan sich kurzzeitig geblendet; zwei Tränen quollen aus seinen Augenwinkeln und rannen an der Nase abwärts. Ihm wurde bewusst, dass er schlecht geträumt hatte.
Wie jemand, der vor Kommendem zurückschreckte und deshalb zögerte, verharrte er angespannt auf den Unterarmen.
»Bildwand! Zeig mir Impressionen aus dem Solsystem!«
Seine Stimme klang kratzig, aber allmählich löste sich die innere Verkrampfung. Das aufleuchtende Holo füllte eine Seitenwand des Quartiers und zeigte die Erde. Tief atmete er ein. Terra von einer Position innerhalb der Mondumlaufbahn aus betrachtet, war ein unvergesslich schöner Anblick.
Zu sehen waren der halb von Wolken verhüllte amerikanische Kontinent, die azurblaue Weite des Pazifiks und hoch im Norden eine schwach irrlichternde Aurora. Erleichtert ließ Rhodan sich zurücksinken. Das Gefühl, die Heimat vielleicht für immer verloren zu haben, das seit dem jähen Aufwachen wie ein erstickender Schleier über ihm lag, wich neuer Ruhe. Über kurz oder lang würde er die Erde wiedersehen; das war immer so gewesen, weshalb sollte es diesmal anders sein? Die Entfernung zwischen der Larengalaxis Larhatoon und der Milchstraße war nur ein kosmischer Katzensprung. Es gab Schlimmeres.
Rhodan drehte sich auf die Seite und zog die Beine an. Als Kind, entsann er sich, hatte er gern so gelegen, vor allem, wenn eine Nacht kein Ende nehmen wollte.
Sein Blick streifte die vom Servo eingeblendete Zeitanzeige.
Es war der 18. März 1517 NGZ Standardzeit, kurz nach zwei Uhr morgens.
Der unter seiner dünnen Lufthülle so verletzlich wirkende Planet drehte sich im Holo sehr viel schneller, als es der Realität entsprach. Als müsse Terra sich dem Betrachter in aller Pracht beweisen. Wolken und ihre Schatten schwammen über dem Pazifik, der Terminator spie sie aus.
Rhodan fielen die Augen zu.
Sekunden später lag er wieder in einem leichten und unruhigen Schlaf.
*
Etwas war anders.
Er fühlte sich eingesperrt. Die Wände umschlossen ihn so eng wie eine Eischale und wurden zum undurchdringlichen Hindernis.
Im Unterbewusstsein erkannte er, dass der für wenige Minuten unterbrochene Albtraum nahtlos weiterging. Oder war dies kein Traum?
Er wollte die Augen schließen und konnte es nicht. Ebenso unmöglich war es ihm, den Kopf zur Seite zu drehen, geschweige denn, sich mit aller Kraft gegen das seltsame Gefängnis zu stemmen. Arme und Beine gehorchten ihm nicht, er schaffte es nicht einmal, an sich entlang zu sehen. Seine Wahrnehmung erkannte nur die Wand, als bildete sie einen hautengen Behälter.
Stimmen wisperten. Sie wurden lauter, redeten in einer fremden Sprache. Erst nach einer Weile verstand er sie.
Andere teilten also sein Schicksal – oder er das ihre. Gedankenschnell schaltete er um. Akzeptierte, dass ihm der Körper geraubt worden war und er nur mehr ein nacktes, schutzloses Gehirn war. Dass er in einem engen Behälter schwamm und über unzählige Nervenenden mit fremder Technik verbunden war.
Wenigstens lebte er. Was wollte er mehr?
Wo bin ich?
Die Antwort darauf würde sein erster Schritt auf dem Weg zurück sein. Ein mühsamer und qualvoller Weg, das ahnte er sofort. Wer immer für seinen Zustand verantwortlich war, hatte ihm keineswegs den Körper genommen ...
... jener Unbekannte hatte sein Gehirn gestohlen!
Die anderen in der Nähe nannten ihn einen »Ceynach«, das bedeutete so viel wie »entführtes Gehirn«.
»Wir sind hier auf Yaanzar«, beantwortete sein unmittelbarer Nachbar die Frage nach dem Ort. »Yaanzar ist der vierte von zehn Planeten des Zoornom-Systems, und Zoornom liegt in der Galaxis Naupaum. Hast du die Erinnerung verloren?«
»Ich bin Rhodan«, antwortete er ohne Zögern. »Perry Rhodan.«
»Dann entsinnst du dich auch, dass Yaanzar so viel bedeutet wie ›der Gebende und der Nehmende‹? Yaanzar ist der ›Markt der Gehirne‹. Alle warten darauf, von einem Käufer erworben und zum Bestandteil eines fremden Gehirns zu werden.«
Ein schriller, vibrierender Ton zerriss die Szenerie, spaltete sie wie ein Blitz einen morschen Baum. Für Sekunden hatte Rhodan das unerträgliche Gefühl, in Flammen zu stehen ...
... gleichzeitig bemerkte er, dass er stocksteif auf dem Bett saß, beide Hände neben sich aufgestützt, die Finger im Laken verkrallt.
Alarm heulte durchs Schiff.
Er stieß sich ab und kam federnd auf die Beine, zog sich eilig an.
»Wo bleibt die Bildübermittlung aus der Zentrale?«
»Es gibt keine«, antwortete der Servo. Rhodan stand da schon vor dem aufgleitenden Türschott.
Ein schneller Blick zurück. Die Bildwand zeigte 5.13 Uhr. Zu glauben, dass er noch einmal gut drei Stunden geschlafen hatte – geschlafen und von seiner Odyssee in Naupaum geträumt –, fiel ihm schwer. Wie lange lagen jene Ereignisse mittlerweile zurück? Über eineinhalb Jahrtausende.
Die Frage, warum er sich ausgerechnet daran erinnerte, wischte Rhodan achtlos beiseite. Sie war überflüssig. Hieß es nicht salopp, dass der Mensch auch von seinen Erinnerungen lebte? Wenn das schon für Normalsterbliche galt, wie viel mehr dann für einen potenziell Unsterblichen wie ihn?
Er trat auf den breiten Korridor und wandte sich in Richtung der Hauptzentrale. Der Alarm war schnell wieder verstummt, nun herrschte gefühlte Totenstille.
Niemand hielt sich in seiner Nähe auf. Rhodan drehte sich kurz um. Beim Anblick des Roboters lächelte er grimmig. Der TARA-IX-I – das »I« stand für »Inside« – folgte ihm mit wenigen Metern Abstand, jedoch anhänglich wie eine Klette. Sobald er sein neues Quartier verließ, war der kegelstumpfförmige Kampfroboter da. Eigentlich hätte er sich darüber ärgern müssen, aber das wollte er nicht.
Er sah den Aufpasser als Zeichen der Resignation der Schiffsführung. Keiner war in der Lage, den falschen Rhodan zu identifizieren, der aus dem Schwarzen Bacctou entstanden war. Also verdächtigte man beide, die Kopie zu sein.
Im Gehen winkte er dem Roboter freundlich zu.
Über kurz oder lang erübrigte sich diese Farce hoffentlich. Dann musste jeder an Bord erkennen, wer der richtige Rhodan war.
*
Die RAS TSCHUBAI beendete ihre letzte größere Überlichtetappe auf dem Flug ins Herz der Domäne Shyoricc. Im Schutz des Paros-Schattenschirms, ohne schon wieder zu beschleunigen, fiel der dreitausend Meter durchmessende terranische ZbV-Raumer durch den Raum. Knapp ein viertel Lichtjahr voraus stand eine mittelgroße weiße Sonne im Sternenmeer.
In der Zentrale herrschte gelassene Anspannung.
Routine. – Wer das behauptete, hatte recht. Nur hielten es manche Besatzungsmitglieder des Fernraumschiffs für zu früh, schon von Routine an Bord zu sprechen. Das Schiff war perfekt, die Mannschaft sorgfältig ausgewählt, aber die RAS TSCHUBAI flog in Larhatoon ihren ersten Einsatz. Zudem war sie in einigen Bereichen noch Baustelle.
»Das sieht aus, als stünde unsere Feuertaufe bevor«, orakelte Cascard Holonder.
Holonder, der Dritte Pilot, war eine wuchtige Erscheinung, ein Ertruser, dem zudem niemand sein wahres Alter ansah. Mit Riesenschritten, pflegte er leicht sarkastisch zu behaupten, näherte er sich seinem zweihundertsten Geburtstag, danach wolle er erst richtig loslegen und unerforschte Bereiche der Milchstraße auf eigene Faust erkunden. Die magische Zweihundert – in siebenundzwanzig Jahren würde er sie erreicht haben.
Der Erste und der Zweite Offizier flankierten den Platz des Piloten. Keiner von beiden ging auf Holonders Bemerkung ein. Sie widmeten sich der anschwellenden Datenflut und den optischen Puzzleteilen des Hologlobus. Gewaltige siebzehn Meter durchmaß die kugelförmige Holo-Matrix. In einem vier Meter hohen umlaufenden Bereich kombinierte die Bordpositronik die Ergebnisse der überlichtschnellen Ortung und Tastung mit normaloptischen Außenaufnahmen zum umfassenden Eindruck. Die übrige Fläche des Globus – eigentlich sein »Volumen« – diente als Projektionsbereich für bedarfsabhängige Darstellungen.
»Gut erkannt, Cascard«, lobte Jawna Togoya. »Deine Bewertung kam keine Sekunde nach meiner eigenen Feststellung. Im Khochd-System wimmelt es allem Anschein von Raumschiffen.«
»Breit gestreute, sehr intensive Hyperechos und eine eindeutige Signatur«, bestätigte Holonder. »Die Onryonen haben starke Kräfte massiert.«
Mit der Linken, die Finger leicht gespreizt, fuhr Holonder sich über den Schädel, als müsse er den ertrusischen Sichelhaarkamm in Form bringen. Auf seinem Kopf spross allerdings kein einziges Haar; er war kahl wie eine Billardkugel, was so gar nicht zum Klischee eines Ertrusers passte.
In steter Folge erschienen neue Auswertungen. ANANSI traf die Vorauswahl und unterdrückte in der Projektion alle nebensächlichen Informationen. Auf den Plätzen Ortung und Funk zur Linken des Kommandopults, ebenso im Bereich der Kosmonautik und der Navigation an Steuerbord, wurden jedoch die zusätzlichen Details kommuniziert.
Die Kommandantin blätterte sich gedankenschnell durch eine Fülle von Holos, erfasste, speicherte ab, kombinierte. In Momenten wie diesen war Jawna Togoya Posbi, nur äußerlich Mensch. Niemand sah der schlanken Frau mit den dunkelbraunen Augen und dem schulterlangen pechschwarzen Haar an, dass ihr biopositronisches Gehirn einer hochwertigen Positronik gleichkam. Das, verbunden mit dem intuitiven, schöpferischen Bewusstsein der organischen Intelligenz, machte sie zur Ausnahmeerscheinung.
»Kurs beibehalten?«, fragte der Pilot.
Anflug auf das Khochd-System und den Planeten Shyor wie vorgesehen? Selbst im Schattenmodus, für fremde Ortungen eigentlich nicht anzumessen, erschien das plötzlich als gewagtes Unternehmen.
»Koko-Interpretation für die Annäherung an Shyor!« Mit einem schnellen Blick hatte Togoya die Schaltung zur Verbindungsstation in den Vordergrund geholt. ANANSIS Koko-Segment rechnete permanent unter Annahme konträrer Voraussetzungen, zweifelte grundsätzlich jedes Vorgehen an. Wenn Jawna Togoya einem Laien diese Funktion erklärte, sprach sie generell davon, dass der Koko schon den Testlauf eines Hilfstriebwerks zunächst als extreme Gefährdung sah, die das komplette Schiff zerstören konnte.
Knapp zwei Minuten waren seit dem Ende des Linearmanövers vergangen. Die Ortungen schaufelten weiterhin eine Fülle neuer Daten heran.
»Shyor ist zweifellos das Zentrum der Onryonen in Larhatoon«, kommentierte der Erste Offizier. »Aber was haben sie zu fürchten außer einer Handvoll Rebellen? Diese massive Flottenpräsenz ist ungewöhnlich.«
Die Darstellung im Hologlobus hatte eine Intensität erreicht, die Hunderte umfangreicher Cluster aus Onryonenschiffen erwarten ließ.
»Keine weitere Annäherung!«, mahnte der Koko-Interpreter. »Der Anflug auf Shyor ist tabu!«
»... behauptet das Koko-Segment, das die vollständige Vernichtung des Schiffes voraussieht?« Jawna Togoya nahm es beiläufig zur Kenntnis.
»Zehn Prozent Überlebenschance bei Einsatz sämtlicher Defensivsysteme«, fuhr der Koko-Interpreter fort. »Eine bessere Quote kann ich momentan nicht herauskitzeln.«
Togoya schenkte dem Mann einen knappen Augenaufschlag. Weniger als drei Lichtmonate voraus, mit einer Steuerbordabweichung von drei Bogengrad, stand die weiße Sonne. Nach wie vor zeigte die Erfassung keine Planeten. Zwischen der Sonne und Khochd lagen weitere sieben Lichtmonate. In diesem Sektor, rund 1120 Lichtjahre vom Zentrum Larhatoons entfernt, war die Population schon sehr dicht. Die Sternenfülle erschien wie eine Wand aus Licht, bizarr durchbrochen von aufgerissenen Nebelschleiern und der Schwärze einiger Dunkelwolken.
»Fokus auf die nahe weiße Sonne!«, verlangte Togoya von der Ortung. »Gibt es dort Kleinplaneten, Asteroiden, eventuell Stationen?«
Die Entscheidung war klar. Mit der RAS TSCHUBAI in den Ortungsschutz des Sterns gehen und zunächst beobachten. Perry Rhodan und sein Team konnten Shyor noch nicht erreicht haben. Aber sie würden kommen, davon war die Posbi überzeugt.
»Cascard, ein kurzes Linearmanöver vorbereiten!«
»Kurs auf den weißen Stern!«, bestätigte der Ertruser. »Die Berechnung liegt schon vor. Keine nennenswerten Protuberanzen. Geringe Eintauchtiefe?«
Togoya antwortete nicht mehr, denn urplötzlich waren sie da: zehn große kugelförmige Raumschiffe. Sie kamen so nahe bei der RAS TSCHUBAI aus dem Linearraum, dass längstens drei Sekunden vergingen, bis das schimmernde Rot der Kolosse von der optischen Erfassung wiedergegeben wurde.
Raumväter! Jedes dieser Schiffe durchmaß über zweitausend Meter.
In einer zweiten Welle, einige Millionen Kilometer querab, erschien ein größenmäßig gemischtes Rudel.
Schrill heulte der Alarm durch die RAS TSCHUBAI.
*
Kaum jemand in der Zentrale starrte nicht auf den Hologlobus. Binnen Minutenfrist waren im nahen Umfeld 67 tiefrote Kugelraumer erschienen, die typisch onryonischen Konstruktionen mit der von Pol zu Pol umlaufenden kegelförmigen Antriebseinheit. Wie Blutstropfen aus dem Nichts muteten sie an.
»Es scheinen keine weiteren Schiffe mehr zu kommen«, erklang es zögernd von der Ortungsstation.
Die aktive Tastung und Ortung waren auf Befehl der Kommandantin eingestellt. Im Passivmodus wurde das Raumrudel dennoch hinreichend erfasst.
»Wenn sie uns angreifen wollten, hätten sie das Rudel zur Halbschale aufgefächert«, stellte der Zweite Offizier fest. »Andererseits liegen sie nahezu auf Parallelkurs ...«
Im Interface erschien das Signet der Funkabteilung, aus den Akustikfeldern erklang die Stimme eines Onryonen. Was er sagte, blieb eine unverständliche Aneinanderreihung sinnlos anmutender Begriffe.
»Eine Bestätigung, vielleicht eine Rückfrage bei vorgesetzter Stelle ... Oder es hat mit uns zu tun. Jedenfalls fürs Khochd-System bestimmt.« Allistair Woltera, Leiter der Funk- und Ortungsabteilung, hob unschlüssig die Schultern. »Mehr als diesen Kode empfangen wir bislang nicht.«
»Sie wissen nichts von uns – zumindest nicht, wo wir uns befinden«, sagte Togoya. »Die Begegnung ist Zufall.«
Woltera schüttelte den Kopf. Mit beiden Händen wühlte er durch sein Kraushaar. »Zufall? Gut und schön, aber solche Zufälle gibt es nicht. Traut einer von uns den Onryonen über den Weg? Sie provozieren, warten darauf, dass wir etwas tun, was ihnen nicht gefällt, und dann ...«
»Unlogisch!«, unterbrach die Kommandantin. »Die Onryonen hätten sofort das Wirkungsfeuer eröffnen können.«
»Sie wussten und wissen nicht, dass wir hier sind«, mischte sich eine markante Stimme vom Steuerbordzugang her ein. »Die taktischen Grafiken würden sonst andere Konstellationen zeigen.«
Es war Rhodans Stimme. Die Kommandantin schaute auf und wandte sich dem Mann zu, der eben erst die Zentrale betreten hatte. Togoyas biologisches Ich war versucht zu glauben, der Aktivatorträger sei von seinem Einsatz zurück und mit seinen Begleitern über Transmitter an Bord gelangt. Ihre egopositronische Komponente spekulierte nicht, sondern identifizierte den Terraner, der auf den oberen beiden Stufen neben den Plätzen der Energieverteilung stehen geblieben war, eindeutig als Perry Rhodan. Allerdings registrierte die Positronik ebenso den wenige Meter entfernt schwebenden robotischen Aufpasser.
Der Mann war Rhodan, in jeder Hinsicht – und war es trotzdem nicht. Zellschwingung, Körperhaltung, selbst der kleinste Pigmentfleck, alles identisch und nicht vom Original zu unterscheiden. Lediglich der Mausbiber Gucky konnte das auf seine spezielle telepathische Weise; er hatte den Hauch eines Wesens-Rohlings geespert und den Doppelgänger als Pseudo-Rhodan bezeichnet.
Mittlerweile, argwöhnte die Posbi-Frau, war dieser Rohling womöglich soweit eingeschliffen, dass selbst der Ilt Schwierigkeiten bei der Unterscheidung haben mochte. Es wäre sinnvoll gewesen, einen entsprechenden Versuch zu starten, aber vorerst war das schlicht unmöglich. Dieses Vorhaben musste warten, bis Gucky sich wieder auf der RAS TSCHUBAI befand.
»Ein Zufall, dass die Onryonen geradezu auf Tuchfühlung ihren Anflug auf Shyor unterbrochen haben«, kommentierte Rhodan – der Pseudo-Rhodan. »Ebenso ein Zufall, dass es keine größere Annäherung, geschweige denn eine Durchdringung gab.« Sekundenlang lauschte er in sich hinein, markante Grübchen erschienen neben seinen Mundwinkeln. »Bully würde sagen, dass es Momente gibt, da könnte man sich den Finger im ...« Er verstummte kurz und schüttelte den Kopf. »Eine uralte Redensart. Ich weiß nicht, warum sie mir urplötzlich in den Sinn kam, sie gehört jedenfalls nicht hierher. – Aber eins halte ich für sicher: Es gibt solche Zufälle.«
Rhodan trat vollends auf das COMMAND-Podest. Er blieb neben dem Platz der Kommandantin stehen und deutete auf die Parameter der Schiffskontrolle im Hologlobus.
Die RAS TSCHUBAI flog mit Restgeschwindigkeit. Der modifizierte Paratronschirm bewirkte die halbstoffliche Entrückung, Eigenemissionen wurden über Mikro-Aufrisse der Paratronblase in den Hyperraum abgeleitet. Was die Anwesenheit des Schiffes verraten konnte, also Sendeleistung sowohl im Normal- als auch im Hyperfrequenzbereich und ebenso alle aktiven Ortungen, war blockiert.
»Gut«, stellte Rhodan fest. »Um jedes Risiko zu vermeiden, behalten wir den aktuellen Status bei. Das Rudel wird sein Orientierungsmanöver hoffentlich bald beenden und nach Shyor weiterfliegen.«
Er stutzte, zog den rechten Unterarm quer vor den Körper, stützte den linken Ellbogen auf das rechte Handgelenk und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand den Nasenrücken. Sein Blick wurde nachdenklich, die graublauen Augen fixierten die Kommandantin.
»Ich habe nicht alle Informationen, Jawna. Deshalb gehe ich davon aus, dass mein Doppelgänger auf Shyor ist. Planst du eine Rettungsmission?«
Togoya schwieg.
Rhodan seufzte. »Wer ist dieser Schwarze Bacctou? Ich zerbreche mir den Kopf darüber, finde aber keinen konkreten Anhaltspunkt. Ich hoffe, ihr habt ihn unter Kontrolle. Falls mein Doppel auf Shyor oder den anderen Planeten ...« Er verschränkte die Arme. »Eigentlich sollte ich verärgert sein, doch seltsamerweise verstehe ich das Dilemma. Mir behagt es nur nicht, tatenlos zu warten, bis irgendwie die Wahrheit ans Licht kommt.«
»Ich weiß«, entgegnete die Posbi.
Sie sagte nicht: »Ich weiß, Perry.« Natürlich achtete Pseudo-Rhodan auf jedes Wort, das war ihm anzusehen. Ein Hauch von Ärger huschte über sein Gesicht.
»Ich habe nichts dagegen, wenn Gucky bis in meine innersten Gehirnwindungen espert. Die Mentalstabilisierung kann ich leider nicht aufheben, aber ich werde versuchen, es ihm so leicht wie möglich ... Das ist ein Vorschlag, Jawna. Falls du ihn nicht als ausreichend sicher ansiehst, vergessen wir die Sache.«
Nachdenklich schaute er wieder auf den Hologlobus. Einige Onryonenschiffe näherten sich mittlerweile einander an. Trotz der hohen Geschwindigkeit trennten sie nur noch wenige Dutzend Meter.
»Sie wollen andocken«, stellte die Kommandantin fest.
»Clusterbildung«, bestätigte Rhodan. »Offenbar werden sie doch nicht rasch weiterfliegen. – Jawna, welche Aktion auch mit meinem Doppelgänger abläuft, die RAS TSCHUBAI ist für alle unersetzlich. Lass dir kein Manöver aufzwingen, das unsere Entdeckung zur Folge haben könnte.«