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Die Hauptpersonen des Romans
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PERRY RHODAN – die Serie
Nr. 2778
Der Weg nach Wanderer
In der Heimat der Superintelligenz ES – Bully trifft auf eine alte Freundin
Michael Marcus Thurner
Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt
Seit die Menschheit ins All aufgebrochen ist, hat sie eine wechselvolle Geschichte hinter sich: Längst sind die Terraner in ferne Sterneninseln vorgestoßen, wo sie auf raumfahrende Zivilisationen und auf die Spur kosmischer Mächte getroffen sind, die das Geschehen im Universum beeinflussen.
Mittlerweile schreiben wir das Jahr 1517 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ). Die Milchstraße steht weitgehend unter dem Einfluss des Atopischen Tribunals. Dessen Richter behaupten, nur sie könnten den Weltenbrand aufhalten, der sonst unweigerlich die Galaxis zerstören würde. Auf diese Weise zementiert das Tribunal in der Milchstraße seinen Machtanspruch, während der Widerstand dagegen massiv aufrüstet.
Perry Rhodan und die Besatzung des Fernraumschiffes RAS TSCHUBAI haben in der fernen Galaxis Larhatoon in Erfahrung gebracht, dass das eigentliche Reich der Richter die Jenzeitigen Lande seien. Um dorthin zu gelangen, braucht es aber Atlan als Piloten und ein Richterschiff als Transportmittel.
Atlan befindet sich aller Wahrscheinlichkeit nach auf Wanderer, der Kunstwelt der Superintelligenz ES. Diese aufzuspüren, Atlan zu treffen und zur Mithilfe zu bewegen, ist Reginald Bulls Aufgabe. Doch zuvor wartet DER WEG NACH WANDERER ...
Reginald Bull – Der Terraner muss ein Opfer bringen, um Wanderer zu betreten.
Toio Zindher – Die Tefroderin betrachtet sich selbst keineswegs als Opfer.
Quick Silver – Der Androide ist bereit, andere für seine Ziele zu opfern.
Toidha Zyonaro – Der Archäologe muss seine eigentliche Berufung für eine Jagd opfern.
Omwayd – Für den gerissenen Apukamuy sind Opfer immer das, was andere erbringen müssen.
»Der Weg ist bereitet, Toidha Zyonaro«, sagte Nakem Orhuat. »Wir haben die Spur aufgenommen. Die Brevizone wartet auf dich und deine Leute.«
»Die Ausrüstung ist bereitgestellt, das Mini-Kog versandfertig?«
»Ja, Jäger.«
»Das Flügelgeschwader wach und auf Einsatzdrogen gesetzt?«
»Ja, Jäger.«
»Mein Techno-Anzug aufgeladen?«
»Selbstverständlich, Herr.«
»Mein Rechtsoben erwartet mich?«
»So, wie du es wolltest, Jäger.«
Er ließ den Luftschwall abschalten, der ihm während des Erholungsschlafs das Gefühl gegeben hatte, im Aufwind dahinzutreiben. Die virtuelle Landschaft unter ihm verblasste. Wolkenformationen fielen in sich zusammen, die Bodenstrukturen lösten sich auf. Übrig blieb eine großzügige Liegestatt. Er setzte sanft mit dem Bauch auf, streckte die Glieder und erhob sich dann langsam.
»Pha Gashapar ist alles«, sagte er.
»Pha Gashapar ist alles«, wiederholte der Diener und wedelte mit dem Drachenschwanz zum Zeichen seiner Ehrerbietung.
»Und aus diesem Grund werde ich mich nun um die Feinde der Stadt kümmern. Wie heißt noch mal die Breviatur, die wir besuchen müssen?«
»Sie liegt auf der Welt Tann in einer Sternenballung, die manche Wesen Andro-Gamma nennen, Toidha Zyonaro.«
Er ließ sich den Techno-Anzug reichen und schlüpfte hinein. Das Kleidungsstück schloss sich eng um seinen Körper und bewirkte, dass er sich wohlfühlte. Dass er Kraft und Zuversicht spürte.
Toidha Zyonaro. Das war er. Der Jäger, der gleichzeitig Archäologe war. Der Yothoy, vor dem sich jedermann fürchtete, der Arges im Sinn hatte.
Reginald Bull
Reginald Bull und seine Begleiter ließen die Botschaft der Liga Freier Terraner hinter sich. Bull raste im Schutz der Deflektoren vorneweg Richtung Süden, kehrte dann in weitem Bogen zurück, umrundete die Stadt und näherte sich dem Raumhafen von Westen her.
»Es ist schrecklich!«, sagte Toio Zindher über Funk.
Bull wusste, was die Tefroderin meinte. Sie hatten während der wenigen Minuten ihres Fluges mehrere Frontlinien überquert. Gräben, an denen sich Feinde gegenüberstanden und einander in einem Stellungskrieg belauerten. Da und dort waren dunkle Rauchwolken zu sehen gewesen. Flammenherde, die erbitterte Kämpfe vermuten ließen. Dann war da noch der scharfe Geruch nach Schießpulver – und das Dröhnen schwerer Kanonen.
Sie begegneten einem Zeppelin, dessen aufgeblähter Leib in der Mitte eine Einschnürung aufwies. Bull hielt an und beobachtete.
Stinkende und knatternde Aggregate trieben das Gefährt an, meterlange Propellerarme flappten durch die Luft. Laameres zogen fußballgroße Kugelkörper aus riesigen Holzverschlägen und wuchteten sie aus den Fenstern der vergleichsweise winzigen Transportkabinen. Sie stürzten mit irrwitziger Geschwindigkeit in die Tiefe und rissen dort, wo sie den Boden berührten und explodierten, tiefe Narben. Erdreich und Fels spritzten fontänenartig hoch. Mitunter erwischte es auch Soldaten.
»Wir müssen weiter!«, mahnte Quick Silver.
Bull wollte etwas sagen, schaffte es aber nicht. Durfte er stumm bleiben und zusehen, während sich dort unten Tefroder gegenseitig vernichteten? Er musste eingreifen, verdammt noch mal! Leben schützen! Hilfe leisten!
Er fühlte eine sachte Berührung am Ärmel seines SERUNS. »Tu es nicht«, sagte Zindher leise. »Wir können hier und jetzt nichts ändern. Du kannst nur dann etwas bewirken, wenn wir überleben. Dann kannst du einen Hilfskonvoi hierher in Bewegung setzen und dafür sorgen, dass diesem Wahnsinn ein Ende bereitet wird.«
»Wo liegt der Unterschied zwischen dem, was sich auf Tann abspielt und dem stillen Krieg zwischen Tefrodern sowie Terranern in der Milchstraße?« Bull riss sich los. Eben kullerten drei weitere Sprengkugeln über die Reling des Zeppelins.
»Es gibt keinen. Der Wahnsinn ist derselbe.«
»... sagt ausgerechnet die Frau, die Mitschuld am Tod Roland Tekeners trägt, eines meiner besten Freunde. Weil sie sich auf die Gesetze des Krieges berief.«
Die Kugeln berührten den Erdboden. Zwei explodierten in einem Stellungsgraben. Sie rissen meterlange Holzstützen um und brachten Trägerteile zum Zersplittern. Die dritte Kugel landete irgendwo im feuchten Unterholz. Der Blindgänger würde liegen bleiben und mit etwas Pech jahrzehntelang eine latente Gefahr für die Bewohner des Landes darstellen.
»Möchtest du jetzt mit mir über die Probleme zwischen unseren beiden Völkern diskutieren? Oder lieber doch von hier entkommen?«
Zindher blieb erstaunlich ruhig und ließ sich nicht aus der Reserve locken. Obwohl Bull zündelte, obwohl er sie verbal attackierte.
Er gab dem SERUN Anweisungen, wieder auf Kurs Richtung Raumhafen zu gehen. Unter ihm nahmen die Kampfhandlungen an Intensität zu, doch er sah nicht mehr hin. Irgendwann ermüdete auch ein Unsterblicher. Er konnte und wollte nicht mehr dabei zusehen, wie sich die Laameres gegenseitig umbrachten.
*
Sie erreichten die beiden Landefelder. Auf einem von ihnen hatte ein walzenförmiges Objekt aufgesetzt, mehr hoch als breit, mit schnittiger und aerodynamischer Form, etwa 150 Meter lang. Es reizte damit die Kapazitäten des kleinen Raumhafens zur Gänze aus.
»Was ist mit unseren Verfolgern?«, fragte Bull, während er auf dem Erdboden Tanns aufsetzte.
»Ich messe sie etwa zwei Kilometer südöstlich von hier an«, antwortete Quick Silver.
»Das ist alles? Mehr kannst du mir nicht sagen?«
»Es handelt sich wohl um Yothoy. Mehr zeigen meine internen Ortungsinstrumente nicht an.«
»Dann werde ich einige Spionsonden absetzen.«
»Das würde ich bleiben lassen. Diese Yothoy sind Jäger. Sie verfügen über eine ausgezeichnete Antiortung. Wir müssen dankbar sein, dass das eben gelandete Schiff der Apukamuy mit seinen Emissionen unsere Spuren überdeckt.«
»Aber wir müssen damit rechnen, dass die Yothoy zuerst hierherkommen, nicht wahr?«
»Richtig. Wir können bloß darauf hoffen, dass sie einige Stunden benötigen, um die hiesige politische Situation zu durchschauen. Sie werden vorsichtig vorgehen und keinesfalls den Anschein erwecken, als wären sie auf der Jagd nach uns. Die Jäger des Protokolls Defensive sind angewiesen, niemals auf die Existenz Pha Gashapars aufmerksam zu machen.«
»Wie lange haben wir also Zeit, um die Apukamuy zu überzeugen, uns an Bord ihres Schiffs zu nehmen und von hier zu verschwinden?«
»Zwei Stunden, vielleicht drei. Wobei wir damit rechnen müssen, dass schon recht bald Sonden der Yothoy ankommen werden.«
»Wie können wir den Spionen entkommen?«
»Auf ähnliche Weise wie in der Stadt Allerorten: Ich täusche sie mithilfe von Tarnmurmeln. Überlass diese Angelegenheit mir und kümmere dich lieber um die Apukamuy.«
Quick Silver wartete nicht ab, was Bull zu sagen hatte. Er ging Richtung Süden davon, ohne sich noch einmal umzublicken. Dorthin, wo das Artefakt hochragte. Der ehemalige Tower des Raumhafens, der nun als Breviatur der Stadt Pha Gashapar fungierte.
»Magst du ihn?«, fragte Toio Zindher unvermutet.
»Bei dieser Reise schiebe ich alle persönlichen Ressentiments hintenan«, sagte Bull und starrte an der Tefroderin vorbei. »Mir sind einzig und allein die Resultate wichtig: Wir müssen Wanderer finden und Atlan mit uns zu Perry Rhodan bringen.«
»Ich verstehe.« Zindher presste die Lippen fest aufeinander.
Er ließ sie stehen und machte sich auf den Weg, den schmalen Trampelpfad abwärts, der in die Senke der Landefelder führte. Schafsähnliche Tiere, hager und von Insekten geplagt, rupften lustlos an trockenem Gras. Sie kümmerten sich nicht weiter um ihn. Sie hatten sich an die Gegenwart von Zweibeinern gewöhnt und schreckten nicht einmal hoch, als in der Ferne eine weitere Granate explodierte.
»Erzähl mir, was du über die Apukamuy weißt!«, forderte Bull die Positronik des SERUNS auf.
»Es gibt nicht sonderlich viele Informationen über sie. Sie gelten als geschickte Händler und haben es verstanden, in Andro-Gamma über die Jahrtausende hinweg die Zügel fest in der Hand zu behalten. Trotz der Meister der Insel und aller anderen, die das hätten ändern wollen. Man kann sie in ihrem Geschick und ihrer Skrupellosigkeit mit den Mehandor vergleichen.«
Der SERUN blendete in rascher Folge Bilder in das Helmdisplay. Sie zeigten Gruppen von Apukamuy. Vierbeinige Wesen, deren Hufe unrhythmisch über festen Boden klapperten. Die dreigelenkigen Arme waren während des Laufs eng an den Oberkörper angezogen, der wiederum dem einer zu groß geratenen Schabe ähnelte. Der Kopf wirkte ebenfalls insektoid. Augenfühler stachen daraus hervor, ebenso bewegliche und sensibel wirkende Barthärchen oberhalb der breiten Mundpartie, die sich wie tastend in alle Richtungen bewegten. Aus dem Hinterkopf stachen antennenähnliche Wahrnehmungsorgane, die ebenfalls unruhig umhertasteten.
»Genug gesehen«, sagte Bull und sorgte dafür, dass die Bilder verschwanden.
Er hatte wieder das einzelne Raumschiff der Apukamuy im Blick. Es ruhte auf eingeknickten Stelzbeinen. Aus dem Bug führte eine formenergetische Rampe ins Freie. Davor warteten zwei der Fremdwesen. Sie drehten sich immer wieder im Kreis, nervös und aufgeregt.
So hat es zumindest den Anschein, dachte Bull, der längst gelernt hatte, menschliche Verhaltensmuster nicht auf Aliens zu übertragen.
Er näherte sich auf eine Entfernung von etwa zwanzig Metern. Als die Apukamuy die Vorderhufe ruckartig hoben und gegeneinander krachen ließen, blieb er abwartend stehen.
»Du bist nicht der Botschaftssekretär«, sagte das eine Wesen. »Du bist mir unbekannt.«
»Ich habe Dokumente, die beweisen, dass ich im Auftrag Gaizka Arribacheas hier bin«, sagte Bull rasch und zog eine Schreibfolie aus dem Tornister des SERUNS. »Du bist Omwayd?«
»Omwayd der Herrliche. Kommandant der RYTRALL. Herrscher über den Geschlechtergral der Nurbohem, deren All-Eins, deren Vermehrer und Verführer. Aber lassen wir den Pomp beiseite. Die Liste meiner Ehrentitel ist so lang, dass wir morgen noch dastünden, wollte ich sie alle aufzählen. Und du bist ...?«
»Der neue Botschaftssekretär ehrenhalber, von Gaizka Arribachea ernannt und bevollmächtigt, mit den edlen Apukamuy Handel zu treiben.«
»Edel? Ich habe viele Tugenden, doch ein derartiger Begriff kommt in meinem Wortschatz nicht vor. Brr!« Omwayd schüttelte seinen Körper, von den Flanken spritzte weißer Schleim. »Schließlich bin ich Geschäftemacher.«
Bull sah sich um. Nah beim Schiff lagerten Berge von Waren. Sie waren während der letzten Stunden hierher transportiert worden, weitere sollten folgen. Eine Karawane mit schwer beladenen Reittieren tauchte am Horizont auf. Sie passierte den Tower in einer Entfernung von wenigen hundert Metern. Unzählige Laameres folgten den Karawanenführern. Sie trugen nur wenig Gepäck bei sich. Waren dies etwa Wächter?
»Du bist ein wenig zu früh auf Tann gelandet, Omwayd. Ein Teil deiner Ladung befindet sich erst auf dem Weg hierher. Ich bitte um Vergebung. Mein Name ist Reginald Bull und ...«
»Es sind immer dieselben Schwierigkeiten mit immer denselben Lieferanten«, unterbrach ihn der Apukamuy. »Gaizka weiß sehr gut, dass mein Reiseplan oftmals Improvisationen erfordert. Manchmal treffe ich später, manchmal etwas früher ein. Ihr sollt euch an diese Gegebenheiten anpassen, rückständiges Volk! Ich habe eure Behäbigkeit satt, so satt! Ich reise ab, jetzt gleich! Ihr könnt euer Gerümpel behalten.«
»Das wirst du nicht.«
»Wie bitte?«
Bull trat auf den Berg an Kisten zu und öffnete willkürlich eine davon. Uhren in Dreiecksform kamen zum Vorschein. Sie waren in schmieriges Butterbrotpapier verpackt. Die Armbänder waren metallen und handgeschmiedet, das Uhrwerk offen. Federn und Zahnräder bewegten sich unter hauchdünnem Glas, mehrere Zeiger krochen über das Zifferblatt.
»Dies sind Kunstwerke, wie die Apukamuy sie nirgendwo sonst in Andro-Gamma kaufen können. Sie finden reißenden Absatz, nicht wahr? Ihr erwerbt sie hier für wenig Geld und erzielt einen fünf- bis zehnfachen Gewinn.«
»... und wir tragen das kaufmännische Risiko«, fiel Omwayd in seine improvisierte Rede ein. »Wer garantiert uns, dass die Waren der Laameres tatsächlich halten, was sie versprechen?«
»Seid ihr etwa schon mal enttäuscht worden? Die Bewohner Tanns verstehen sich auf zwei Dinge: aufs Kriegführen und auf das Handwerk. Sei ehrlich und sag, was du von der Arbeit der Laameres hältst.«
»Ehrlichkeit steht mir schlecht zu Gesicht, Mensch. Sie schadet dem Geschäft.«
»Dann werde ich dir sagen, was ich mir denke: Du wärst längst eingestiegen und hättest die RYTRALL wieder auf Kurs gebracht, wenn du kein Interesse an unserer Handelsware hättest. Ich behaupte, dass du bloß hier stehst und mit mir streitest, weil du die Preise drücken möchtest.«
Omwayd schwieg. Seine Antennenohren lagen nun eng am Kopf an. Es war dem seltsam starren Gesicht nicht zu entnehmen, was der Apukamuy von Bulls Vorwürfen hielt.
»Lassen wir für dieses eine Mal die Spielchen und kommen direkt zum Abschluss«, fuhr Bull fort. »Unsere Waren werden zu einem fixen Preis verkauft. Der Botschafter gewährt dir allerdings einen Abzug von fünf Prozent, wenn du gewährleistest, dass in den nächsten vier Wochen ein weiteres Schiff der Spediteure hier landet. Wir wollen den Export ankurbeln.«
»Um Kriegshändel zu forcieren?«
»Ganz im Gegenteil. Es ist ein planetenweiter Friedensplan in Ausarbeitung«, log Bull. »Was wiederum bedeutet, dass mehr Ware gefertigt und in Andro-Gamma angeboten werden kann.«
»Der Markt wird irgendwann gesättigt sein, Mensch.«
»Ach ja? Bei mehr als dreitausend bewohnten Welten, von denen geschätzt fünf Prozent der Bewohner Interesse an Handwerkskunst hat und sie sich auch leisten kann? – Muss ich dir denn dein Geschäft erklären, Omwayd?«
»Man sieht dir an, dass du keinerlei Ahnung vom Handel hast. Du kennst die Mechanismen nicht, kennst nicht die Sorgen und Probleme meines Volkes ...«
»Sie haben mich auch nicht zu interessieren. Du vergisst, dass wir in der Botschaft über ein funktionierendes Hyperfunkgerät verfügen und jederzeit mit anderen Händlern Kontakt aufnehmen können.« Der SERUN lieferte Bull den Namen eines beliebigen Volkes. »Was, wenn wir mit den Tatabaren sprächen? Man sagte mir, dass deren Vertreter ehrgeizig seien und nach neuen Absatzwegen suchten. Dass sie bloß auf die Chance warteten, Handelsbasare in Andro-Gamma zu errichten. Oder was ist mit den N'duque? Oder soll ich eine Mehandor-Sippe einladen, hier Fuß zu fassen? Die Galaktischen Händler der Milchstraße warten nur darauf, dass wir die Vereinbarungen lockern, die sie an die Nachbargalaxis ketten.«
Der Apukamuy ließ seine Arme wie Windmühlenflügel kreisen, womöglich als Zeichen von Nervosität. »Mach dich nicht lächerlich, Reginald Bull! Wir Spediteure verfügen über ein besseres logistisches System als alle anderen.«
»Das mag schon sein. Aber weder seid ihr verlässlich, noch zahlt ihr faire Preise. Ich denke, es wäre an der Zeit, etwas Neues auszuprobieren.«
»Das werden wir zu verhindern wissen.« Der Apukamuy rückte bedrohlich nahe. Nun, da er sich auf allen vieren bewegte, überragte er Bull immer noch um einen Kopf. »Deine Drohungen verfangen nicht. Wir sind die Herren von Andro-Gamma. Ihr kommt nicht um uns herum. Wir haben unsere Arme überall. Wir betrügen und bestechen, sollte es notwendig sein. Und wir greifen zu noch drastischeren Mitteln, sollte uns jemand in die Quere kommen.«
Der Körpergeruch des Apukamuy war abscheulich, und Bull war versucht, einen Schritt zurückzuweichen. Doch er wollte keine Schwäche zeigen, nicht jetzt. »Ich habe verstanden. Und ich nehme deinen ... Hinweis ernst. Und nun akzeptier du, dass eine langfristige Handelspartnerschaft auf Geben und Nehmen basiert. Lass uns zu einer Grundsatzeinigung kommen, indem du einen fairen Preis für unsere Waren bezahlst. Damit wir wieder Freunde sein können.«
»Ich werde niemals der Freund eines Zweibeiners sein!« Flüssigkeit troff aus dem schmalen Mund des Apukamuy. »Aber ich bin um der Geschäfte willen bereit, auf deine Vorschläge für die Dauer eines Planetenjahres einzugehen. Danach wird evaluiert, ob sich der Aufwand für uns lohnt. Wenn nicht, kehren wir zu den alten Bedingungen zurück.« Der Kopf ruckte noch tiefer, die Barthaare berührten Bulls Gesicht. »Das ist alles, was ich dir anbieten werde.«
»Einverstanden«, sagte er und atmete möglichst flach. Es stank nach Senkgrube, nach gegorenem Essig und nach Schimmel.
»Dann sag mir nun, wie viele Stück der Sonderware wir diesmal erwarten können.«
»Sonderware?«
»Eben hast du dir ein klein wenig Respekt erarbeitet.« Omwayd wich zurück. »Willst du ihn gleich wieder verlieren, indem du behauptest, du wüsstest nicht, welche Art von Sonderware der Botschafter uns überlässt?« Er deutete an Bull vorbei. In Richtung der Warenkarawane, hinter der unzählige Laameres dahintrotteten. »Muss ich die Sklaven, die ihr uns überlasst, denn höchstpersönlich zählen?«
*
Sklavenhandel. Bull hatte gute Lust, in die LFT-Botschaft zurückzukehren und Gaizka Arribachea für dieses Verbrechen zur Verantwortung zu ziehen, und zwar auf möglichst drastische Weise.
»Lass es bleiben!«, flüsterte Zindher ihm zu, die seine Gedanken zu erraten schien. »Du kannst die Zustände auf dieser Welt nicht binnen weniger Stunden so verändern, dass sie den moralischen Vorstellungen der Terraner entsprechen.«
»Ich weiß«, sagte Bull zähneknirschend. »Aber hier werden bald Köpfe rollen. Und wenn es nach mir geht, dann nicht nur im übertragenen Sinne.«
»Entdeckt da etwa jemand seine dunkle Seite?«
»Spar dir deinen Zynismus, Toio! Diese Sache ist viel zu ernst.«
»Nun? Wie lange willst du mich warten lassen?«, mischte sich Omwayd in die leise geführte Unterhaltung ein.
»Dies ist unsere einzige Chance, von hier zu verschwinden und Wanderers Spur aufzunehmen, Reginald«, sagte Toio eindringlich. »Du musst akzeptieren, was du zumindest nicht sofort ändern kannst.«
Bull wandte sich wieder der Karawane zu. Etwa fünfzig Reittiere brachten Waren heran, dahinter folgten zusammengebundene Laameres. Einige Mitglieder der hiesigen LFT-Botschaft bewachten sie mit Waffen im Anschlag.
»Du bekommst die Zahlen so schnell wie möglich«¸ sagte Bull gepresst. »Für mich kommt die Größe der ... Sonderware ebenfalls überraschend. Gaizka Arribachea hat mich leider nicht über alle Details unseres Handels ausreichend aufgeklärt.«
»Dann erledige deine Arbeit rasch, Terraner. Und sag den Sklaven, dass sie beim Einladen helfen sollen. Es wäre schade, würden wir unsere Roboter beanspruchen, wenn doch genügsameres Arbeitsmaterial zur Verfügung steht.«
»Ich habe noch einen Vorschlag, Omwayd. Besser gesagt: eine Bitte.«
»Das Wort Bitte erzeugt eine allergische Reaktion in meinen Gestanksnüstern. Ich kaufe und verkaufe, aber ich habe nichts zu verschenken.«
»Dann lass es mich so formulieren: Meine Begleiter und ich möchten die Reise an Bord der RYTRALL mitmachen.«
»Ihr möchtet euch selbst als Sklaven verkaufen? Das ist nicht unüblich, angesichts der Situation auf Tann.«
»Als Passagiere«, verbesserte Bull den Apukamuy.
»Dann werdet ihr dafür bezahlen müssen. Der Preis erhöht sich selbstverständlich angesichts der Impertinenz, mit der du mir gegenüber gefeilscht hast. Und ich rieche eine ... hm ... ungewöhnliche Situation, die ich nur zu gerne ausnützen möchte. Ein Händler, der bereits nach dem ersten abgeschlossenen Geschäft das Weite sucht, stinkt nach Ärger.«
»Es ist ...«
»Ich frage nicht nach«, unterbrach Omwayd Bull, »und es interessiert mich auch nicht, was euch bewegt. Aber ich verlange eine angemessene Entlohnung für mein Entgegenkommen.«
»Wir bezahlen mit Wissen. Mit Know-how. Die Anzüge, die wir tragen, bieten Technologien, die in Andro-Gamma unbekannt sind.«
»Reden wir von aktiven oder passiven Waffentechniken?«
»Besser. Es geht um Funk- und Ortungsanlagen. Um Weiterentwicklungen der Positroniktechnologie. Um verbesserte Leistungsdaten bei verringertem energetischem Aufkommen.«
»Das ist interessant, aber nicht interessant genug. Ich schlage dir vor, den Weg als Handelssklave einzuschlagen. Dein Geschick ist für einen Zweibeiner bemerkenswert. Auf einer Vielzahl von Welten, die wir besuchen, könntest du dir in kurzer Zeit einen guten Ruf als Ratgeber erringen. Und das Weiblein an deiner Seite – nun, es gibt Häuser, die eine wie sie gut gebrauchen könnten. Selbst auf Schiffen der Apukamuy gibt es Reisende, die an dieser besonderen Form der Exotik interessiert sind.«
Bull fühlte, wie ihm das Blut in den Kopf stieg. Er würde diesem dreckigen Kerl zeigen, was er vom Angebot Omwayds hielt. Er würde ...
»Dieses Angebot interessiert uns nicht«, sagte Zindher neben ihm, kühl und gelassen. »Abgesehen davon glaube ich kaum, dass Apukamuy mit dem zurechtkommen würden, was ich anzubieten habe. Ihr seid mir nicht gewachsen.«
Bull musste ein Lachen unterdrücken, als er sah, wie die Barthaare des Fremdwesens nach unten fielen und jegliche Spannung verloren.
Es dauerte einige Sekunden, bis Omwayd wieder den Mund aufbrachte. »Damit ist dieser Handel geplatzt. Ihr müsst hierbleiben. Seht zu, dass die Waren und die Sklaven an Bord geschafft werden! Zeit ist Geld. Ich möchte diesen widerlichen Drecksplaneten so rasch wie möglich wieder verlassen.« Er gab ein Geräusch von sich, das sich wie tiefes Räuspern anhörte und womöglich ein Lachen darstellen sollte. »Ohne euch.«
»Moment.« Quick Silver kam heran, mit langen und raumgreifenden Schritten. »Ich hätte dir ein weiteres Angebot zu machen, Apukamuy.«
»Ich verhandle nicht mit Androiden.«
»Dann entgeht dir womöglich ein gutes Geschäft. Lass uns unter vier Augen weiterreden.«
Omwayd zögerte kurz. Dann bat er Quick Silver mit einer einladenden Handbewegungen, ihm zu folgen.
Bull hielt den Androiden am Arm fest. »Was ist mit unseren Verfolgern?«