Der SCM-Verlag ist eine Gesellschaft der Stiftung Christliche Medien, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.
Dieses E-Book darf ausschließlich auf einem Endgerät (Computer, E-Reader) des jeweiligen Kunden verwendet werden, der das E-Book selbst, im von uns autorisierten E-Book-Shop, gekauft hat.
Jede Weitergabe an andere Personen entspricht nicht mehr der von uns erlaubten Nutzung, ist strafbar und schadet dem Autor und dem Verlagswesen.
ISBN 978-3-417-22742-0 (E-Book)
ISBN 978-3-417-26612-2 (lieferbare Buchausgabe)
Datenkonvertierung E-Book:
CPI – Ebner & Spiegel, Ulm
Internet: www.scmedien.de · E-Mail: info@scm-brockhaus.de
Neues Leben. Die Bibel, © 2002 und 2006 SCM R.Brockhaus im SCM-Verlag GmbH & Co. KG, Witten
Hoffnung für alle®, Copyright © 1983, 1996, 2002 by Biblica US, Inc., Verwendet mit freundlicher Genehmigung des Verlags. (HFA)
Lutherbibel, revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung 2006, © 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart. (LUT)
Titelbild: fotolia © XK und fotolia © orangeberry
Innenillustrationen: fotolia © orangeberry
Satz: Riswane Abdurachmanov, Dortmund
Einleitung
1 Vor allem anderen: Erst mal Frau werden
Berufung braucht eine stabile Basis
2 Was eine Berufung ist
Berufung sucht einen konkreten Platz
3 Sei es dir wert: Lern dich sehr genau kennen
Berufung baut auf Selbsterkenntnis
4 Wenn Gott reinredet: Verlass dich drauf
Berufung ist der Ruf Gottes
5 Dein Lebensstand passt
Auch Beziehungen haben mit Berufung zu tun
6 Leben mit ganzer Kraft: Für das, was du einzigartig kannst
Berufung braucht Vision, Mut und Einsatz
7 Jetzt ist deine Zeit: Jetzt!
Berufung sollte man nicht auf später verschieben
8 Durchhalten, statt aufgeben: Wie du ausdauernd leben kannst
Berufung kann anstrengend sein
9 Das hätte ich nie geahnt: Ein zweiter oder dritter Anfang
Berufung kann sich wandeln
10 Das und nichts anderes: Vom Glück, am richtigen Platz zu sein
Berufung ist Lebenserfüllung
Danke
Anmerkungen
Literaturverzeichnis
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
„Wir haben einfach gemerkt, dass es so nicht weitergehen kann“, sagt sie, „unsere Ehe hat zu sehr darunter gelitten.“ Quicklebendige Augen funkeln mich an. Sie gehören zu einer Ehefrau, die ganz bewusst aus dem Schuldienst ausgestiegen ist. Ihr Mann ist Pastor, sie Lehrerin – über Jahre ständig zeitversetzt zu leben, wollten sie irgendwann einfach nicht mehr. Wenn er abends nach langen Sitzungen heimkam und endlich abschalten wollte, lag sie bereits im Bett. Ihr Alltag begann früh am nächsten Morgen. Das hat sie beide zerrissen. Deshalb ist sie ausgestiegen. Nun sind sie als Ehepaar gerade umgezogen – und jetzt? „Jetzt will ich hören, was Gott noch mit mir vorhat!“, sagt sie zu mir.
Hut ab vor dieser Frau! Sie hat durch ihre Entscheidung einiges aufgegeben an finanzieller Sicherheit und emotionaler Heimat. Dennoch spüre ich jede Menge Mut und Schaffensfreude in ihr, als sie mir ihre Geschichte nach einem Frauenfrühstück erzählt. Sie wird ihren Weg finden. Da bin ich mir sicher. Und das mit Anfang 50!
„Das Foto ist völlig überbelichtet. Ach, und am Hintergrund muss man dringend was machen.“ So meine (achtzehnjährige) Tochter Lisanne über ein Foto, das ich einfach nur schön finde. Ich habe aber auch keine Ahnung von Fotos. Sie schon. Sie hat einen Blick für Motive und immer mehr auch das Know-how, das Beste aus ihnen herauszuholen. Mittlerweile kennt sie sich auch mit Bildbearbeitung am PC aus. Hat sich selbst einiges beigebracht und von anderen gelernt. Liest Fachzeitschriften.
Ob sie später beruflich etwas in dieser Richtung machen wird? Das kann gut sein. Ich spüre jede Menge Interesse und Power in ihr. Auch wenn Fotografie nur ihr Hobby bleiben sollte: Sie wird ihren Weg finden. Mit noch nicht mal 20 Jahren!
Frauen haben’s in sich!
Das steht außer Frage. Es ist der Grund dafür, dass viele von uns sich unabhängig ihres Alters sehr bewusst fragen:
Was kann ich mit meinem Leben tun? Wo liegen meine Begabungen?
Bin ich zu etwas berufen?
Was ist jetzt in dieser Zeit für mich dran?
Wir wollen nicht nur einfach irgendetwas in unserem Leben machen und im Gegenzug ein wenig Geld oder Ehre einkassieren. Wir wollen etwas tun, das wir als zutiefst sinnvoll und als so wertvoll empfinden, dass wir unsere Kraft und Zeit dafür einsetzen. Viele von uns wollen etwas tun, das dazu beiträgt, unsere schöne Welt und ihre Menschen zu erhalten, zu bewahren und positiv zu prägen. Deshalb fragen wir: Was kann ich mit meinem Leben tun?
Frauen haben’s in sich – das, was Gott in Sie und mich hineingelegt hat! Das ist zunächst einmal ein gerütteltes Maß an Liebe für Sie! Bedingungslos und umfassend. Keiner liebt uns so wie er!
Und außerdem hat er Begabungen in Sie hineingelegt. Das mögen viele verschiedene sein: Sie können gut zuhören, schmackhaft kochen, zwei Instrumente spielen, Menschen das Gefühl des Angenommen-Seins vermitteln oder Ihre Wohnung ansprechend gestalten. Möglicherweise haben Sie auch eine ganz spezielle Begabung: Ihre Welt besteht aus Zahlen.
Jedenfalls haben Sie es in sich – das, was hinaus soll! Ihr Potential, dass Sie ausschöpfen können – familiär, ehrenamtlich oder beruflich. Oder sogar in allen drei Bereichen. Es lohnt sich, danach zu suchen. Damit Sie glücklich sind. Und damit andere durch Ihr Sein und Tun glücklich werden.
Dieses Buch möge Ihnen ein wenig dabei helfen, das zu finden, was Sie in sich haben. Außerdem möge es Ihnen helfen, es auch zu leben. Vielleicht sind Sie in diesem Bereich unsicher und fragend? Vielleicht haben Sie deshalb angefangen zu lesen? Vielleicht sind Sie frustriert und haben bereits eine falsche Entscheidung hinter sich? Das Gefühl kenne ich nur zu gut.
Ganz egal! Jetzt ist Ihre Zeit! Eine Zeit, in der Sie das leben können, was Sie können! Sie sind von Gott zärtlich und umfassend geliebt, Sie sind begabt und Sie sind berufen! Das ist ein enormes Potential!
Sie werden in diesem Buch vielen Frauen begegnen. Es sind zum größten Teil keine Fantasiegestalten, die an meinem Schreibtisch in Wetter an der Ruhr geformt und zu Papier gebracht wurden. Nein, es sind Frauen (und Männer), die ich zum Teil schon viele Jahre kenne. Frauen, mit denen ich das Leben teile. Frauen, die ich ermutige und trage oder die es bei mir tun. Ich bin diesen Schätzen dankbar dafür, dass sie nun auch ihr Leben mit Ihnen, meinen Leserinnen, teilen wollen. Das ist nicht selbstverständlich. Jede von ihnen habe ich gefragt, ob sie dazu bereit ist; einiges habe ich verfremdet, anderes ist ganz authentisch. Möglicherweise fällt Ihnen auf, dass hier viele Frauen aus helfenden Berufen auftauchen: Da ist so manche Krankenschwester, Ärztin, Theologin und Beraterin unter meinen Freundinnen. Lassen Sie sich davon bitte nicht irritieren. Damit will ich auf keinen Fall andere Berufe abwerten.
In jedem Fall werden Sie ehrliche und spannende Geschichten lesen. So viel kann ich Ihnen versprechen. Außerdem erzähle ich aus meinem eigenen Leben, von den glücksspendenden Highlights und auch den tiefen Abgründen.
Viel Freude und gute Inspiration wünsche ich Ihnen!
Vor dem Ende sprach Rabbi Sussja:
In der kommenden Welt wird man mich nicht fragen:
„Warum bist du nicht Mose gewesen?“
Man wird mich fragen:
„Warum bist du nicht Sussja gewesen?“
Rabbi Sussja1
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
Um die eigene Berufung zu finden, braucht man eine stabile Basis: das Bewusstsein weiblicher Identität. Einblick in meine „schiefe“ Berufungsgeschichte und ihre Folgen. Kurzcheck weibliche Identität für Frauen.
Ich mag mein Zuhause! Ich fühle mich rundum wohl in unserem Häuschen, geborgen und gut aufgehoben. Deshalb stehe ich gern und meistens fröhlich auf. Natürlich nervt mich die ein oder andere unaufgeräumte Ecke, aber insgesamt fühle ich mich hier richtig wohl. Ich liebe es, in meinem Gartenstuhl zu sitzen und einen kleinen Wasserfall sprudeln zu hören; ich mag meine Sofaecke, von der aus ich das Feuer im Kamin am besten lodern sehen kann. Ich bin gern allein zu Haus, ebenso genieße ich manche Mahlzeit mit unserer Familie oder mit Gästen, die zu uns kommen. Mein Zuhause ist so etwas wie meine persönliche Basis. Weil die gut und fest steht, fahre ich auch gern weg: zu Freunden, Verwandten oder auch zu beruflichen Terminen wie zum Beispiel einem Frühstück für Frauen, wo ich einen Vortrag halte. Spätestens wenn ich wieder im Auto oder im Zug auf der Rückfahrt sitze, fällt mir mein Zuhause ein. Meine Basis! Mein Rückzugsort! Stabil und liebenswert! Ich freue mich drauf. Bald bin ich wieder zu Hause!
Wenn wir als Frauen danach fragen, was wir können und tun sollen, dann brauchen wir genau so eine stabile Basis, von der aus wir das tun! Nur liegt die in diesem Fall nicht außerhalb von uns, wie etwa ein schönes Reihenhäuschen am Stadtrand oder eine tolle Altbauwohnung in der Innenstadt.
Die eigene Berufung zu finden, geht müheloser, wenn unsere Identität als Frau stabil ist. Sie liegt innerhalb von uns. Es ist die Gewissheit, als Frau richtig zu sein. Unsere Basis ist unsere persönliche Identität, die sich, wenn alles gut ging, in unserer Jugendzeit glücklich entwickelt haben sollte. Dann steht uns im wahrsten Sinn des Wortes die Welt offen. Wir können das verwirklichen, was Gott in uns hineingelegt hat. Ist diese Entwicklung nicht günstig verlaufen, dann gibt es auch in Sachen Berufung Probleme. Mein Leben mag das verdeutlichen.
Ich habe mir während meiner letzten Schuljahre viele Gedanken rund um Studium und Ausbildung gemacht, viel gelesen, nachgedacht und gebetet. Trotzdem ist mein erster beruflicher Weg sehr schwierig verlaufen.
Nach vielem Hin und Her entschloss ich mich 1984, Deutsch und Musik für das Lehramt der Sekundarstufe 1 zu studieren. Das Studium passte zu mir und bereitete mir sehr viel Freude. Es waren ja schon viele Jahre meine Lieblingsfächer in der Schule gewesen und nun konnte ich mich diesen beiden guten „Freunden“ widmen, ohne noch Schulfächer wie Mathe oder Physik mitschleppen zu müssen, was für mich eine echte Herausforderung gewesen wäre. Es lief also alles bestens – wenn da nur nicht die Gedanken an die künftige Berufszeit gewesen wären, die sich ab und an quälend in meinem Hinterkopf bemerkbar machten. Aber das war ja alles noch in weiter Ferne. Deshalb schob ich die Berufstätigkeit schön weit weg von mir.
Doch dann rückte sie näher. Unerwartet früh bekam ich in Hamburg eine Stelle, ein halbes Jahr nach meinem Umzug dorthin. Ich war dankbar, das muss man ja sein, wenn man so eine tolle Chance bekommt, allerdings auch ein wenig zögerlich. Tief im Inneren hatte ich nämlich Angst, was auf mich zukommen würde. Große Angst, von der ich nichts wusste. Im Frühjahr 1991 begann meine aktive Zeit als Lehrerin – sie brachte mir jede Menge Glück und Leid.
Das Glück bestand darin, dass ich mich schnell einlebte, fachlich und menschlich gut klar kam, ja sogar erfolgreich war. Das Leid aber bestand darin, dass sich schon nach kurzer Zeit diverse gesundheitliche Probleme einstellten, mit denen ich mich herumschlagen musste.
Meine ohnehin schon vorhandenen Rücken- und Kopfschmerzen verschlimmerten sich, ich wurde sehr infektanfällig, bekam sogar Herzschmerzen. Das alles brachte mich schnell in eine Art Erschöpfungszustand. Ich selbst dachte damals: Das ist eben so! Da kann man nichts machen. Mich trifft es halt öfter als andere. Im Leben wird einem nichts geschenkt. Einfach weitermachen … Und ich machte weiter.
Jahre später kam dann für mich die Zeit, mich mit mir und meinen Problemen auseinanderzusetzen. Unsere beiden Kinder waren mittlerweile geboren und aus dem Allergröbsten heraus. Ich war seit ihrer Geburt zu Hause. Während manche Freundin sich erneut ihrer Berufstätigkeit näherte und überlegte, wie sie in Teilzeit oder Vollzeit wieder einsteigen könnte, dachte ich mit Schrecken daran. Die größte Herausforderung war mein allgemeiner gesundheitlicher Zustand. Der war schlicht und ergreifend zu dem Zeitpunkt so, dass an eine Arbeit als Lehrerin auch in Teilzeit überhaupt nicht zu denken war. Ich war in keiner Weise in der Lage, diesen Platz wieder einzunehmen. Das zu bemerken, war traurig und bitter.
Die andere Herausforderung bestand darin, meinem Zaudern, meinem Unwillen, meiner Zukunftsangst nachzugehen. Jetzt wieder zurück in die Schule? Bloß das nicht! Ich verstand mich selbst nicht mehr. War das denn nicht mein Traumberuf? Meine Berufung? War ich nicht erfolgreich gewesen? Warum um Himmels willen wollte ich um keinen Preis wieder zurück in die Schule, selbst wenn es mir gesundheitlich besser gegangen wäre?
Mitten in diesen heimlichen Gedanken, die nun langsam an die Oberfläche kamen, erlebte ich einen inneren Absturz. Ich begann eine Psychotherapie auf Anraten meiner Ärztin, damit man mir in Sachen Rückenschmerzen besser helfen könnte. Und dort, in diesen wöchentlichen Gesprächen, kam nach und nach ans Licht: Ich habe keine Basis! Ich habe noch keine Identität als Frau, geschweige denn als Mutter aufgebaut! Was für ein Schreck!
Es begann ein zunächst steiniger, später schöner Weg, auf dem ich alles das nachholte, was mir fehlte. In der Lebensmitte hatte ich viele Jahre lang gut zu tun, meine Basis aufzubauen. Das war eine Arbeit an mir selbst, die mit vielen Tränen verbunden war. In einem anderen Buch habe ich bereits eingehender davon berichtet.2
Einige Jahre später war ich dann dort, wo ich besser schon früher gewesen wäre: Ich fühlte mich glücklich als Frau! Da war kein Vakuum mehr in mir, sondern Freude, Erfüllung, Gewissheit, Glück. Von dieser Basis aus konnte ich nun ehrlich feststellen, warum es mit mir in der Schule nicht gut geklappt hatte, warum ich zwar sehr erfolgreich, aber nicht glücklich gewesen war (auch abgesehen von den gesundheitlichen Problemen). Ich konnte jetzt endlich, endlich benennen, was ich wollte.
Ja, die Fächer Deutsch und Musik waren stimmig für mich. Aber nie war mir aufgefallen, wie seltsam es war, dass ausgerechnet ich mit 10- bis 16-Jährigen arbeiten wollte. Ich hatte nie großes Interesse für diese Altersgruppe gezeigt, nur sehr kurz einmal den Kindergottesdienst geleitet. Kein Gedanke daran, etwa in der Jungschar- oder Pfadfinderarbeit mitzuhelfen!
Es gibt kein „Zu spät“, die eigene Identität zu suchen und zu finden. Vielmehr hatte ich mich immer gern für ältere Jugendliche und Erwachsene engagiert. Dort lag mein eigentliches Interesse, dort lagen auch meine Begabungen. Ich hatte das in der Schule mit den Teens zwar hinbekommen, hatte mich aber innerlich dabei verbogen, und das hatte mich enorm viel Kraft gekostet. Jetzt aber konnte ich ehrlich benennen: Ich will und kann gar nicht täglich mit Teens zusammen sein. Es entspricht mir nicht.
Im Verlauf meiner „Ich werde Kerstin Wendel“-Phase erkannte ich zudem, dass ich gar nicht so extrovertiert und dominant war, wie es für ein Schulleben nötig ist. Ständig vorne zu stehen und zu sagen, wo es lang geht, ist nicht mein Ding. Ja, ich habe Leitungsgaben, aber ich musste auch feststellen, dass ich sehr viele introvertierte Anteile in mir trage. Ich bin gern allein, ich brauche die Zeiten des Alleinseins sogar, um mich stabil und gut fühlen zu können. Da war ich nun in der Schule völlig fehl am Platz: Hier war es laut und lebendig. Selbst auf der Toilette begleitete mich eine kleine Geräuschkulisse. Ständig reagieren zu müssen und angesprochen zu werden, Streit zu schlichten und für Ruhe zu sorgen – das war für mich ein Riesenstress. Und genau dieser tägliche Riesenstress hatte für meine häufigen Infekte und einen Teil meiner Schmerzen und Beschwerden gesorgt.
Keiner hatte im Verlauf meiner Ausbildung bemerkt, dass ich in dieser Hinsicht für den angestrebten Beruf überhaupt nicht begabt war. Und ich selbst habe es erst in der Lebensmitte entdeckt. Eine Weile konnte ich mich bemühen, dem Beruf trotzdem gerecht zu werden, aber es war ein ständiges Ankämpfen gegen mich selbst! Sehr spät erkannte ich, dass ich eigentlich „anders“ war. Gott sei Dank war es nicht zu spät!
Zu allem Überfluss stellte ich fest, dass ich hochsensibel bin. Das ist keine Krankheit, sondern eine Eigenschaft, die ca. 15 bis 20 Prozent der Menschheit in sich tragen. Hinter ihr verbirgt sich eine Fülle an Begabungen. So kann ich zum Beispiel sehr viel gleichzeitig wahrnehmen, wenn ich mit Menschen zusammen bin. Auch Unausgesprochenes und unterschwellige Stimmungen fallen mir auf. Auf der anderen Seite gehören zu dieser Fähigkeit auch Eigenschaften, die wieder einmal überhaupt nicht zu Schule und Schulleben passen: Hochsensible können mit Lärm und Reizüberflutung nicht gut umgehen. Es ist eine riesige Belastung für sie. Ich fühlte mich eigentlich schon nach zwei Unterrichtsstunden völlig reizüberflutet. Das habe ich aber erst herausgefunden, als ich schon über 40 Jahre alt war.
Und es gab weitere Punkte, die zeigten, dass etwas schieflag: In der aktiven Zeit als Lehrerin bekam ich jede Menge Lob zu hören, natürlich aber auch Kritik. Denn keiner ist fehlerlos. Mein Problem war: Weil meine Basis nicht stimmte, konnte ich damit nicht angemessen locker umgehen. Ständig grübelte ich darüber nach, wenn ich kritisiert wurde, musste mich innerlich rechtfertigen, fühlte mich unglücklich und abgelehnt. Ich war nicht in der Lage, die Kritik aufzunehmen, umzusetzen und einfach fröhlich weiterzumachen. Dieses Problem wäre mir auch in anderen Berufen begegnet. Erst, als meine Basis stimmte und ich über ein gesundes Selbstwertgefühl verfügte, konnte ich angemessener mit Kritik umgehen.
Wenn ich meinen Kalender damals ehrlich betrachtet hätte, so hätte ich außerdem ganz klar erkennen können, dass sich meine gesundheitlichen Probleme im Schulalltag grundsätzlich verschlechterten. Das wirkte dann hinein in die Zeit, wenn der Druck nachließ, also zu Ferienbeginn. Folglich gab es nur wenige Zeiten, in denen es mir richtig gut ging.
Ein typisches Kennzeichen von Menschen, deren Basis als Mann oder Frau noch nicht stimmt, sind zudem Ängste, die den Alltag bestimmen. Ich hatte zum Beispiel tief sitzende Ängste vor Schülern! Die zeigte ich natürlich nicht. Sie waren mir selbst ja auch nicht bewusst. Vielmehr überspielte ich sie mit scheinbarer Ruhe und Gelassenheit. In meinem Inneren aber spielte sich ein einziger Kampf ab: Was ist, wenn die laut werden? Wenn die mich fertigmachen? Was ist, wenn ich dem Geschehen in der Klasse nicht gewachsen bin?
Außerdem hatte ich Angst vor neuen Situationen, vor neuen Schülern, Klassenfahrten an unbekannte Orte, fachfremdem Unterricht. Nun, als meine Basis später stimmig war und ich gut und gerne als Frau leben konnte, da lösten sich viele meiner Ängste auf. Oder sie verkleinerten sich zu annehmbaren Herausforderungen. Das allein wäre kein Grund gewesen, den Beruf wechseln zu müssen.
Dennoch führten die anderen Beobachtungen dazu, dass ich irgendwann die schmerzhafte Erkenntnis an mich heranlassen konnte: Ich kann zur Zeit nicht in die Schule zurückgehen! Natürlich könnte ich es, aber zu welchem Preis? Ich würde mich ganz darauf konzentrieren müssen, mich irgendwie zu regenerieren. Für meine Familie hätte ich keine Kraft mehr übrig. Irgendwann wäre meine Gesundheit komplett ruiniert, ich wäre dann vielleicht ein unheilbarer Burnout-Fall und damit eine Last für mich, meine Familie und die Gesellschaft. Ich gestand mir ein, dass ich eine Fehlentscheidung getroffen hatte. Ich hatte es nicht besser gewusst, mich nicht besser gekannt. Aber nun, wo ich endlich mit stabiler Basis lebte, wollte ich einen Beruf wählen, der mir entsprach und mit dem ich gut leben konnte.
Das alles war natürlich bitter. Ich hatte ja zig Materialien angeschafft, für die ich nun keine Verwendung mehr hatte. Natürlich hatte es auch jede Menge schöner Erlebnisse, guter Erinnerungen, positiver Beziehungen zu Kollegen und Schülern gegeben. Dies alles würde ich hinter mir lassen müssen, aber ich wusste, dass es für mich keinen Weg zurück gab. Es würde nur noch einen neuen Weg nach vorn geben. Wie ich diesen Weg gesucht und gefunden habe, davon werde ich in diesem Buch noch erzählen.
Wir haben gesehen: Ohne stabile Basis als Frau oder Mann kann es auch im Berufsleben zu echten, großen Schwierigkeiten kommen. Man trifft vielleicht grundsätzlich die falsche Entscheidung, wählt den falschen Beruf. Oder aber die Beziehungen am Arbeitsplatz überfordern. Man kann gesundheitliche Probleme bekommen. Oder man ist generell unerfüllt und unzufrieden mit der Tätigkeit. In irgendeiner Form können wir uns und anderen im Weg stehen. Das ist für keinen der Beteiligten schön. Für uns als betroffene Hauptperson nicht, aber auch nicht für unsere Familie und die Arbeitskollegen. Deshalb ist es wichtig, einen Basis-Check zu machen!
Ich habe von mir berichtet, von einer sorgenvollen Zeit meines Lebens, in der ich meine Basis erst finden musste. Wie sieht es mit Ihrer Basis aus?
Leben Sie gern als Frau? Konnten Sie sich mit Ihren Gaben und Fähigkeiten ausreichend kennenlernen und entwickeln?
Wenn Sie das fröhlich abnicken können und wissen: Ja, so und so bin ich – dann freue ich mich sehr mit Ihnen mit, obwohl ich Sie nicht persönlich kenne. Es ist einfach klasse, wenn man gern als Frau leben mag.
Andere Leserinnen sind vielleicht unsicher und fragen: Woran kann ich denn erkennen, ob meine Basis stimmt? Wenn Sie sich das sehr bewusst oder ein wenig zögerlich fragen, dann möchte ich Sie bitten, kurz dranzubleiben …
Nein, ich frage Sie jetzt nicht, ob Sie auch einen Lippenstift in der Handtasche mit sich herumtragen, mindestens fünfzehn Paar Schuhe im Schrank stehen haben und eine Modezeitschrift abonnieren. Als ob das die Erkennungszeichen von Frauen wären! Nein, so ist es natürlich nicht.
Stattdessen möchte ich Ihnen einige typische Gefühle und Verhaltensweisen vorstellen. Frauen ohne echte Basis, ohne Identitätsgefühl, leben und empfinden oft so. Welche der folgenden Punkte würden Sie bejahen?
O Ich habe öfter Angst (vor neuen Situationen, vor Entscheidungen,
O vor der Verantwortung mit einem Kind oder im Beruf).
O Ich fühle mich oft unsicher (weiß nicht richtig, was ich will).
O Ich kann mich nicht gut spüren (kann meine Gefühle nicht richtig wahrnehmen).
O Ich reagiere kindlich (brause auf, wenn es nicht nach meinem Willen geht, laufe in Konflikten innerlich oder äußerlich weg).
O Ich kann mich oft nicht ertragen (nicht nur kurz vor der Periode, sondern häufig bestimmen mich negative Gedanken über mich selbst).
O Ich lege keinen Wert auf mein Äußeres (verstecke mich gern in weiten Oberteilen, zeige nichts von mir richtig gern, pflege mich nicht).
O Ich pflege mich zu sehr (meine Zeiten im Badezimmer sprengen jeden Rahmen, nicht nur kurz vor dem Restaurantbesuch).
O Ich fühle mich oft benachteiligt oder zu kurz gekommen (da wuchert jede Menge Neid in mir).
O Ich mache mich gern von anderen abhängig (die Meinung meiner guten Freundin ist mir wichtiger als meine eigene).
O Ich finde das Leben schwer, belastend und nicht durchschaubar.
O Ich habe Probleme in Beziehungen (Misstrauen, Kälte oder Angst belasten meine Kontakte, ich bin oft unzufrieden, fühle mich nicht anerkannt).
O Ich denke manchmal, dass mit mir etwas nicht stimmt (andere scheinen ihr Leben anders anpacken zu können).
O Ich fühle mich oft isoliert (während andere sich zugehörig fühlen).
O Ich erlebe mich anders, als andere mich erleben (Rückmeldungen von Freundinnen stimmen nicht mit meiner eigenen Meinung über mich überein).
O Ich kann keine Grenzen setzen (mit dem Neinsagen stehe ich auf Kriegsfuß).
O Ich lebe manchmal in einer Traumwelt (die ich mir durch Filme oder Bücher vorgeben lasse).
O Ich vertröste mich, anstatt mich meinen Problemen zu stellen („Eigentlich habe ich es doch gut, mit Hobbys und Häuschen“).
O Ich opfere mich für andere auf (ich investiere übermäßig viel Geld, Zeit, Arbeit, Interesse, Mühe in andere Menschen).
O Ich denke manchmal, dass mit meinem Glauben etwas nicht stimmt (alles bleibt irgendwie im Kopf stecken und sackt nicht ins Herz).
Dieser Kurzcheck ist nun nicht dazu gedacht, uns Frauen zu deprimieren. Selbstverständlich hat jede von uns an der einen oder anderen Stelle noch Wachstumsbedarf. Und das wird auch so bleiben. Das ganze Leben lang.
Ich zum Beispiel kämpfe immer wieder mit Ängsten. Zu meiner Erleichterung aber ist es längst nicht mehr so schlimm wie früher. Mittlerweile gehe ich ohne Angst in viele neue Situationen, aber als ich jetzt zum ersten Mal länger ins Krankenhaus musste, da war das für mich auch nicht so ohne. Ich war ganz schön aufgeregt. Immer noch kämpfe ich also, wenn es um Ängste geht.
Ihre Baustellen sehen vermutlich anders aus als meine. Sie haben vielleicht ganz gut gelernt, auch mal „Nein“ zu sagen, aber es rumort doch immer tüchtig in Ihnen, wenn Sie Aufforderungen von Angehörigen und Freunden hören. Oder es fällt Ihnen schwer, wenn andere Frauen öffentlich gelobt werden. Oder Sie kommen ins Rudern, wenn Sie …
Sie sind also bestimmt einigen Baustellen im Check begegnet. Das ist kein Grund zu übermäßigem Frust, Selbstmitleid oder Schrecken. Gott sucht nicht die Superfrau, die fehlerlos, kraftvoll, fertig mit sich und der Welt ist. Er sucht Frauen, die bereit sind, zu wachsen! Dieser Kurzcheck ist deshalb als Wegweiser zu unseren persönlichen Wachstumsherausforderungen gedacht.
Denn es gibt Unterschiede: Die einen von uns haben schon eine recht stabile Basis, brauchen sich nur um die eine oder andere Baustelle zu kümmern. Die anderen können noch ein wenig mehr nachbessern. Wieder andere haben sich bisher noch gar nicht mit diesen Fragen beschäftigt und müssen ihre Identität als Frau erst noch finden.