Jürgen Möller
Kriegsende
an
Saale und Unstrut
1945
Wappen des V. US Corps
Umschlaggestaltung: Harald Rockstuhl, Bad Langensalza
Titelbild:
Panzer der 9th US Armored Division überqueren die Hennebrücke in Naumburg. Foto: Photo Signal Corps, National Archives
Umschlagrückseite:
Deutsche Kriegsgefangene warten auf dem Naumburger Ostbahnhof auf den Abtransport in die großen Kriegsgefangenenlager.
Foto: Photo Signal Corps, National Archives
1. Auflage 2013 im Verlag Rockstuhl
ISBN 978-3-86777-456-7, gedruckte Ausgabe
1. E-Bookauflage 2013
ISBN 978-3-86777-641-7, E-Book [ePUb]
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2014
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Inhaber: Harald Rockstuhl
Mitglied des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels e. V.
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Telefon: 03603/812246 Telefax: 03603/812247
www.verlag-rockstuhl.de
Cover
Titel
Impressum
Dank
Zitat
Vorwort
Die militärische Lageentwicklung in Mitteldeutschland Anfang April 1945
Anmerkungen
Im Fadenkreuz der alliierten Bomber
Anmerkungen
Der Vorstoß der amerikanischen Verbände zur Saale und Unstrut
Anmerkungen
Der Übergang des V. US Corps über die Saale und Unstrut und die Besetzung von Naumburg
Anmerkungen
Der amerikanische Vormarsch südlich von Naumburg
Anmerkungen
Die vollständige Besetzung der Region zwischen Querfurt und Naumburg
Anmerkungen
Epilog
Anmerkungen
Anlagen
Abkürzungen
Quellenverzeichnis
Bildanhang
Die Gliederung der 1st US Army während der Besetzung Mitteldeutschlands
Die Gliederung der 3rd US Army während der Besetzung Mitteldeutschlands
Karte: Der Vormarsch des XX. US Corps südlich von Naumburg am 12. April 1945
Karte: Der amerikanische Vorstoß zur Saale und Unstrut am 12./13. April 1945
Karte: Die Stationierungsbereiche der US Army im Zeitraum 11. Mai bis 1. Juli 1945
Zum Autor
Mein Dank gilt an dieser Stelle:
The Fighting 69th Infantry Division Ass. Inc.
Mr. Joseph Lipsius, Norcross, Georgia, U.S.A.
741st Tank Bn, 2nd US Infantry Division, Littleton,
Mr. Al Heintzleman, Colombia, U.S.A. †
Stadtmuseum Naumburg
Herrn Dr. Siegfried Wagner
Museum Burg Querfurt – Bauernmuseum
Herrn Heiko Einecke
Museum Schloss Neu-Augustusburg Weißenfels
Herrn Martin Schmager und Herrn Mike Sachse
Verein für Heimatkunde, Geschichte und Schutz von Artern e. V.
Heimatverein Eckartsberga e. V.
Heimatverein Roßleben e. V.
Kreisarchiv Sömmerda, Herr Hildebrandt
Stadtarchiv Freyburg/Unstrut, Frau Markus
Stadtarchiv Naumburg, Frau Kröner
Friedhofsverwaltung Naumburg
Stadtarchiv Nebra, Frau Hartmann
Stadtarchiv Laucha, Frau Fitzner
Stadtarchiv Querfurt, Frau Semmling
Evangelisches Pfarramt Reinsdorf
Luftbilddatenbank Dr. Carls GmbH, Würzburg-Estenfeld
Herrn Dr. Hans-Georg Carls und Wolfgang Müller
Ulrich Koch, athene-tv Berlin
sowie in Deutschland
Sylvia Bahn, Halle; Johannes Beck, Weimar; Uwe Becker, Camburg; Barbara Gottsche, Eckartsberga; Elke Oelsner, Naumburg; Karl Denke, Bachra; Walter Dittmar, Lossa; Dr. Klaus-Dieter Fichtner, Bad Kösen; Karl-Heinz Giesecke, Bad Kösen; Heinz Gläser, Lossa; Dr. Walter Häcker, Winterbach; Hans-Joachim Hantsche, Querfurt †; Gerhard Heinrich, Sangerhausen; Holger Hoppe, Lossa; Karl Hörich, Bad Bibra; Hans Irrgang, Berlin; Karl-Heinz Kamm, Lossa; Gerhard Kaufmann, Naumburg; Friedrich Kilian, Heiligenstadt; Matthias Koch, Mücheln; Günter Krebs, Freyburg; Manfred Kresse, Buttstädt; Heinz Kubatz, Wiehe; Dr. Jürgen Kürschner, Sollstedt OT Rehungen; Rainer Lautenschläger, Barnstädt; Heinz Mattkay, Strausberg; Ernst Müller, Bad Bibra; Joachim Mundstock, Haardorf/Waldau; Jürgen Nägler, Wohlmirstedt; Rainer Nette, Naumburg; Torsten Philipp, Naumburg; Eugen Pomplitz, Rothenberga; Max Rademacher, Naumburg; Erich Röder, Bucha; Karl-Horst Schilling, Ziegelroda; Roland Schlag, Leipzig; Medizinalrat Dr. med. Ulrich Schlegelberger, Zscheiplitz; Manfred Schmidt, Löbitz; Hans Schneider, Nordhausen; Manfred Seifert, Berlin; Hans Sommerburg, Roßleben; Kurt Spielberg, Mansfeld; Manfred Spielberg, Lossa; Dipl. Geol. Dietmar Staude, Dr. Erwin Weßling GmbH Gera; Heinz Wick, Camburg; Rudolf Tomaszewski, Burgscheidungen; Dipl. Ing. Thilo Ziegler, Sangerhausen
in den USA
R. Keith Ostrum, Co. D, 87th Cml Mort Bn; Edgar A. Parson, Chapel Hill, North Carolina †
Ein besonderer Dank gilt meiner Frau
die in unendlicher Geduld meine Forschungsarbeiten über die ganzen Jahre hinweg unterstützt.
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das Recht der mechanischen, elektronischen oder fotografischen Vervielfältigung, der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, des Nachdrucks in Zeitschriften oder Zeitungen, des öffentlichen Vortrags, der Verfilmung oder Dramatisierung, der Übertragung durch Rundfunk, Fernsehen oder Video, der Darstellung im Internet, auch einzelner Bild- und Textteile.
„Denn von sich aus ist wohl kein Mensch so töricht,
den Krieg dem Frieden vorzuziehen;
in dem einen begraben die Kinder ihre Väter,
in dem anderen die Väter ihre Kinder“
Herodot, Kroisos auf dem Scheiterhaufen
Als im Jahr 2007 als vierter Band der Grünen Reihe des Arps-Verlag Weißenfels in den Räumen des Bundessprachenamtes in Naumburg – der alten „Kadette“ – das Buch „Der Vorstoß des V. US Corps zur Saale und Unstrut und die Besetzung von Naumburg im April 1945“ vorgestellt wurde, löste dies, wie bei den Bänden zuvor, großes Interesse bei Chronisten, Hobbyforschern und Geschichtsinteressierten aus. War das Buch doch alleine deswegen entstanden, um die Reihe der bisherigen Bücher, die sich im Schwerpunkt mit dem V. US Corps zwischen Saale und Mulde beschäftigten, mit der Darstellung des vorangegangenen Vorstoßes zur Saale und Unstrut im Abschnitt zwischen Querfurt und Naumburg abzurunden. Diese Phase war zwar in den bisherigen Bänden angeschnitten, aber nicht umfassend behandelt worden.
Und wie bei den Büchern zuvor waren die Reaktionen darauf, trotz der trockenen militärwissenschaftlichen Aufarbeitung des Themas, die die Bücher nicht gerade zu einer leicht lesbaren Kost macht, durchweg positiv. Anfragen zur regional übergreifenden Fortsetzung der Reihe wurden immer lauter. Damit wurde endgültig klar, dass beim Thema „Amerikanische Besetzung Mitteldeutschlands“ erheblicher Nachholbedarf besteht. Es wurde aber auch klar, dass die Fortsetzung dieser Buchreihe den Rahmen des regional agierenden Arps-Verlages sprengen würde.
An dieser Stelle gelang es, den Verlag Rockstuhl Bad Langensalza mit ins Boot zu holen, der sich auf mitteldeutsche Geschichte spezialisiert hat. So, wie Herr Hartwig Arps es erst ermöglicht hatte, dass es überhaupt zu diesen Publikationen kommen konnte, so machte Herr Harald Rockstuhl es jetzt möglich, dass die Reihe unter dem neuen Titel „Kriegsende in Mitteldeutschland 1945“ zum Verlag Rockstuhl wechseln konnte. In der Zwischenzeit ist die Reihe auf sechs neue bzw. überarbeitete Bände angewachsen.
Somit war es nur folgerichtig, dass auch das Buch „Der Vorstoß des V. US Corps zur Saale und Unstrut und die Besetzung von Naumburg im April 1945“ eine Überarbeitung erfuhr, um ergänzt durch die vielen neuen Erkenntnisse aus den Forschungen in den amerikanischen und deutschen Archiven, den vielfältigen Wortmeldungen der Leser und neuer Zeitzeugenberichte aus den letzten Jahren, unter neuem Titel zu erscheinen.
Und die neuen Informationen waren nicht wenige. Erneut hat sich hier die Verwendung von nicht eindeutig belegten, aber klar gekennzeichneten, Informationen bewährt, durch die die Leser zu Reaktionen angeregt werden sollten. Diese provokante und unkonventionelle Methode hat zu mehr Informationen geführt, als sie vorher zur Verfügung standen. Und es konnten Fehler korrigiert werden, die sich unbewusst oder auf Grund fehlender Informationen eingeschlichen hatten. An dieser Stelle sei angemerkt, das bei den Forschungen zum Thema „Amerikanische Besetzung“ häufig auch auf Material aus unklaren Quellen zurückgegriffen werden muss, das aus dem Besitz von Heimat- und Hobbyforschern stammt. Um eine grobe Zuordnung zu gewährleisten erscheint es in der Quellenangabe dann oft unter dem Begriff „Sammlung“. Sollten dadurch unbewusst Persönlichkeitsrechte verletzt worden sein, so bitte ich an dieser Stelle um Entschuldigung und bitte um die entsprechenden Hinweise, damit dies später korrigiert werden kann. Sind jemanden die richtigen Quellen bekannt, so fordere ich Sie auf, mir diese mitzuteilen.
Unabhängig von allen Überarbeitungen sind dennoch nachwievor viele Fragen offen. Insbesondere die Thematik der amerikanischen Besatzungszeit von April bis Juli 1945 bedarf weiter einer intensiven Aufbereitung. Daher fordere ich den Leser an dieser Stelle erneut auf – Nutzen wir die, uns jetzt bekannten, Informationen, sichern wir noch vorhandenes Wissen, erschließen wir neue Quellen und füllen somit die weißen Flecken in unseren Geschichtsbüchern aus. Nur so ist gewährleistet, dass die nachfolgenden Generationen die Möglichkeit haben, unsere Geschichte zu begreifen und aus den Fehlern der Vergangenheit die richtigen Lehren zu ziehen.
Für Anregungen, Ergänzungen und Korrekturen wenden sie sich bitte an:
Jürgen Möller
E-Mail: juemoehistory@yahoo.de
oder
Verlag Rockstuhl Bad Langensalza
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Ende März 1945 liegt das Dritte Reich in seinen letzten Zügen. Im Osten beginnen die russischen Verbände mit dem Sprung aus den eroberten Oder-Brückenköpfen Richtung Berlin. Im Westen haben die Alliierten nach der Überschreitung des Rheins mit dem Stoß ins Herz des Reiches begonnen. Am 23. März 1945 beginnen die 21st (brit.) Army Group mit ihrem Großangriff am Niederrhein und die Truppen der 2nd brit. Army und der 9th US Army beginnen mit der Einschließung des Ruhrgebietes von Norden. Südlich des Abschnittes der 9th US Army drängen die Kräfte von Lt. Gen. Courtney H. Hodges 1st US Army der 12th US Army Group im Siegerland gegen den Südrand des Ruhrgebietes.1
Am 28. März 1945 fällt die Entscheidung des Oberkommandos der westalliierten Streitkräfte unter Dwight D. Eisenhower über die Fortsetzung der Gesamtoffensive westlich des Rheins. Strategisches Ziel ist es, nach der Zerschlagung des Ruhrkessels mit der 12th US Army Group unter General Omar N. Bradley im Zentrum den Hauptstoß über Kassel und Erfurt auf Leipzig und weiter nach Dresden zu führen, das Reichsgebiet in zwei Teile zu spalten und das wichtige mitteldeutsche Industriegebiet Halle – Merseburg – Leipzig zu besetzen. Das Endziel Dresden wird später korrigiert und als Haltelinie für den Vorstoß die Mulde-Linie festgelegt. Die im Norden angreifende 21st (brit.) Army Group des Field Marshal Bernhard Law Montgomery soll bis zu den norddeutschen Häfen vordringen und die 6th US Army Group unter General Jacob „Jake“ Loucks Devers soll nach Süddeutschland vorstoßen und im Donautal den Kontakt zu den Russen herstellen.
Diese Entscheidung fällt gegen massiven Widerstand der Briten, die Eisenhowers Strategie in Frage stellen. Der britische Field Marshal Brooke wirft Eisenhower die „planmäßige Verzettelung“ seiner Kräfte vor. Hintergrund sind die britischen Befürchtungen, dass die angloamerikanischen Verbände bei der Zerschlagung des „Ruhrkessels“ zu lange gebunden sein würden. Sie plädieren für einen starken Vorstoß auf der gesamten Frontbreite und einem gezielten Angriff von Kräften Montgomery’s auf Berlin. Churchill ist sich sicher, Berlin vor den Russen zu erreichen. Ungeachtet der Vereinbarungen erhofft er sich, Berlin als Faustpfand für zukünftige Verhandlungen mit Stalin einsetzen zu können.
Eisenhower hingegen ist gegen die Einnahme von Berlin. Als kühl kalkulierender Militär ist er sich des Preises für die Einnahme der Hauptstadt des Deutschen Reiches bewusst. Dabei orientiert er sich an seinem erfahrenen Heerführer Omar Bradley, den er selbst als „größten Frontbefehlshaber, dem ich in diesem Krieg begegnet bin“ bezeichnete. Dieser hatte die möglichen Verluste mit 100 000 Mann beziffert. Bradley schreibt in seinem Buch “A soldier’s story of the Allied Campaigns from Tunis to the Elbe”: „Ein ganz schön hoher Preis für ein Prestigeziel.“ Dass seine Schätzungen durchaus berechtigt sind, zeigt sich daran, dass die Rote Armee beim Sturm auf Berlin über 100 000 Tote hinnehmen muss. Und auch, wenn Stalin den Angloamerikanern vorwirft, dass „sich ihnen ganze Großstädte kampflos ergaben, während an der Ostfront um jede Bahnstation gerungen würde“, so ist es falsch anzunehmen, dass die Deutschen ihre Hauptstadt kampflos aufgegeben würden. Hinzu kommt, dass sich die Russen zu diesem Zeitpunkt näher an Berlin befanden als die Westalliierten.
Eisenhower wird in seiner Entscheidung durch General Marshall als Vertreter der Combined Chiefs of Staff gestärkt. In dieser Phase schaltet sich Roosevelt in die Debatte ein und erteilt dem britischen Premier Churchill das letzte Mal eine Absage zu dessen Plänen. Roosevelt will ein gemeinsames Vorgehen mit den Russen. Churchill muss klein beigeben. Montgomery erhält den Befehl, nicht in Richtung Berlin anzugreifen. Alle weiteren Entscheidungen Eisenhowers wurden von dieser Entscheidung geprägt. Ab jetzt agiert nicht mehr der Politiker, sondern der Militär Eisenhower. Und für den ist das Ziel klar – die vollständige Zerschlagung der Wehrmacht. Dem ordnet er die militärischen Planungen unter. Ihm ist klar – der Feind muss zerschlagen werden, wo er angetroffen wird. Als Feldherr weiß er aber, dass er die Kampfmoral seiner Truppen und die Entschlossenheit seiner militärischen Führer nur aufrechterhalten kann, indem er ihnen mit dem Siegeslorbeer winkt. Und der ist nun einmal Berlin. Deshalb ist er sich mit Bradley einig, dass selbst seine Armeeoberbefehlshaber nicht erfahren dürfen, dass Berlin nicht mehr als Ziel in Frage kommt.
Bradley, dessen Armeen die Hauptaufgabe bei dieser letzten Offensive zukommt, war für diesen Auftrag nicht ohne Grund ausgewählt worden. Neben der Würdigung seiner bisherigen Leistungen sind sich Eisenhower und Marshall sicher, dass Bradley der einzig richtige und vor allem loyale Mann dafür ist. Die Amerikaner würden nicht glücklich sein, wenn man Montgomery diese Aufgabe gegeben hätte, denn der würde jede Möglichkeit, Berlin zu nehmen, mit Sicherheit nutzen und die Briten würden dann den ungewollten Ruhm einstreichen. Während hinter der Bühne die politischen Rangeleien über Macht und Nachkriegsordnung weitergehen, beginnen die Vorbereitungen zur letzten großen Offensive im Westen.
Am 29. März 1945 erreichen die Spitzen des VII. US Corps der 1st US Army den Raum Marburg und das V. Corps den Raum Limburg. Frankfurt/Main wird durch das XX. US Corps von Lt. Gen. George S. Patton’s 3rd US Army genommen. Sein XII. US Corps erreicht an der Spitze der 3rd US Army das Gebiet südlich von Lauterbach/Hessen.
Die, auf breiter Front geführte, alliierte Großoffensive im Westen zerreißt die ohnehin schwache deutsche Westfront auf ihrer gesamten Breite. Nach dem Übergang der Alliierten über den Rhein bei Wesel am 23. März 1945 wird im Norden die H.Gr. H unter Gen. Obst. Johannes Blaskowitz im Zentrum aufgespalten. Durch die entstandene Lücke schiebt sich die 9th US Army auf den Nordrand des Ruhrgebietes und in Richtung Teutoburger Wald vor, während die 2nd (brit.) Army nach Norden drückt. Bei der H.Gr. B, die entlang der Rhein-Linie zwischen Düsseldorf und Koblenz steht, stößt die 1st US Army aus dem Brückenkopf bei Remagen, südlich von Bonn, mit Beginn der Großoffensive durch das Siegerland nach Nordosten vor. Wie eine gewaltige Zange umfasst die 9th und 1st US Army das Ruhrgebiet. Am 1. April 1945 treffen sich die Spitzen der 9th und 1st US Army südlich von Lippstadt, die H.Gr. B ist „zwischen Rhein, Ruhr und Sieg“2 eingekesselt. Auch die Front der südlich anschließenden H.Gr. G wird an mehreren Stellen durchbrochen. General Patton’s 3rd US Army stößt über Frankfurt/Main Richtung Kassel und in Richtung Thüringen. Der Stoß dehnt die entstandene Lücke zwischen der H.Gr. B und G weiter aus.
Die deutsche Westfront befindet sich damit Ende März 1945 in der Auflösung. Insbesondere die Einkesselung der H.Gr. B reißt eine riesige Lücke in die deutsche Front, durch welche die amerikanischen Verbände nunmehr fast ungehindert in den mitteldeutschen Raum hineinströmen. Dem hat das deutsche Oberkommando nur noch wenig entgegenzusetzen. Lediglich Adolf Hitler ist nachwievor der Überzeugung, dass das Halten der Front für einen Zeitraum von drei bis vier Wochen reichen wird, um die neuen Strahlenjäger zum Einsatz zu bringen und damit die Situation zu Gunsten des Reiches zu verändern.3 Wunderwaffen und neue Armeen sollen das Deutsche Reich retten. Doch selbst der Hauptpropagandist des Deutsches Reiches, Joseph Goebbels, hatte bereits am 8. März 1945 in sein Tagebuch geschrieben: „Den feindlichen Luftarmaden haben wir nichts Nennenswertes entgegenzusetzen.“4
Am 1. April 1945 treffen sich die Verbände der 1st US Army unter General Hodges mit den Truppen der 9th US Army von Lt. Gen. Simpson im Raum zwischen Bielefeld und Paderborn. Die Reste der H.Gr. B des Generalfeldmarschalls Model mit der 15. Armee des Gen.d. Inf. von Zangen und der 5. Panzerarmee sind im „Ruhrkessel“ eingeschlossen.
Am gleichen Tag erreicht die aus dem Rhein-Main-Gebiet vorstoßende 3rd US Army unter General George S. Patton thüringischen Boden. Sein XX. US Corps attackiert nach Nordosten und während seine 80th US InfDiv den Raum Kassel erreicht, schwenken die Hauptkräfte nach Osten und gehen auf Mühlhausen vor. Das XII. US Corps, das sich bei seinem Vorstoß nach Nordosten weit vom XX. und vom benachbarten XV. US Corps der 7th US Army absetzt, erreicht mit seinem nördlichen Angriffskeil die Werra westlich von Eisenach. Die Panzerspitzen seines südlichen Angriffskeiles rollen durch die Rhön in Richtung Thüringer Wald.
Während die Kräfte der 1st US Army bis zum 4. April 1945 bei den Kämpfen um den „Ruhrkessel“ gebunden sind, entwickelt die 3rd US Army ihre Offensive weiter in Richtung Osten. Das XX. US Corps beendet die Einnahme von Kassel und erreicht mit seinen Angriffsspitzen Mühlhausen. Das VIII. US Corps, welches aus dem Raum westlich von Frankfurt/M. herangeführt wurde, beginnt mit seinem Angriff durch das XX. und XII. US Corps hindurch nach Osten. Dabei werden Teile des XII. US Corps unter das Kommando des VIII. US Corps gestellt. Das XII. US Corps setzt seinen Vormarsch Richtung Kamm des Thüringer Waldes fort.
Am 5. April 1945 werden das VII. und V. US Corps der 1st US Army von ihrem Auftrag bei der Zerschlagung des „Ruhrkessels“ entbunden und beginnen ihren Angriff Richtung Osten. Elemente des V. US Corps entlasten dabei das XX. US Corps der 3rd US Army bei Kassel. Das XX. US Corps besetzt Mühlhausen und schwenkt mit Teilen nach Südosten auf Langensalza. Die bei Kassel von ihrem Auftrag entbundenen Teile des Corps marschieren nach Osten und erreichen Eschwege. Die Grenzen des in die Angriffsfront der 3rd US Army eingeführten VIII. US Corps werden verändert und dem Corps die frühere Zone des XII. US Corps übertragen. Somit übernimmt das VIII. US die Verantwortung für den Raum Eisenach – Langensalza – Gotha. Teile des VIII. US Corps gehen in Vorbereitung des weiteren Angriffs nach Nordosten bis zur Linie Mühlhausen – Langensalza vor. An der rechten Flanke der 3rd US Army beginnt das XII. US Corps in Vorbereitung auf den Angriff seiner Panzerkräfte Richtung Südosten, auf Coburg, mit der Umgruppierung.
Am 6. April 1945 besetzen Einheiten des VIII. US Corps im Zusammenwirken mit dem XX. US Corps Langensalza. Somit haben alle Kräfte der 3rd US Army die Haltelinie der 12th Army Group Mühlhausen – Langensalza – Gotha – Oberhof erreicht.
Bis zum 8. April 1945 erreicht das VII. US Corps der 1st US Army die südwestlichen Harzränder und die Verbände des V. US Corps stoßen durch das Eichsfeld auf Sondershausen vor. Bei der 3rd US Army steht das XX. US Corps im Raum Eschwege – Mühlhausen – Langensalza. Das VIII. US Corps hält seine Positionen und setzt die Säuberung des Thüringer Waldes fort. Das XII. US Corps hat die Räumung seiner Haltelinie für den Angriff auf Coburg beendet, während sich andere Teile des Corps auf den weiteren Angriff durch den südlichen Thüringer Wald nach Osten vorbereiten.
Am 10. April 1945 haben auch die Verbände der 1st US Army die Ausgangslinie für den letzten großen Stoß nach Osten erreicht. Das VII. US Corps von Lt. Gen. J. Lawton Collins steht westlich von Nordhausen und das V. US Corps von Maj. Gen. Clearence R. Huebner auf einer Linie westlich von Sondershausen bis Ebeleben, nordöstlich von Mühlhausen.
Am 11. April 1945 beginnt der Großangriff der 1st und 3rd US Army in das industrielle Herz Mitteldeutschlands und zur alliierten Haltelinie entlang der Elbe und Mulde.
Wer aber stellt sich dieser übermächtigen Streitmacht entgegen? Der Oberbefehlshaber der H.Gr. G, Gen.d. Inf. Friedrich Schulz, welcher am 3. April 1945 das Kommando über die H.Gr. von SS-Obstgruf. und Gen. Obst. der Waffen-SS Hausser übernommen hat, beschreibt in einem Brief aus dem Jahr 1946 die damalige Situation nüchtern:
„In dieser Front zwischen Harz und Oberrhein waren zahlreiche Lücken in der Besatzung vorhanden. So waren in dem Raum zwischen Harz und Gotha so gut wie keine eigenen Truppen. Die zahlreichen Divisionen, die in der Lagekarte von Hitler eingezeichnet waren, waren wohl ihrer Nummer nach vorhanden. …. Die Kampfstärke dieser Divisionen war nicht höher als die eines Bataillons, teilweise waren nur noch die Stäbe vorhanden …. Der Volkssturm war kaum ernst zunehmen für die Kampftruppe. Für den Kampf mit einem modern ausgestatteten Gegner völlig unzureichend bewaffnet (meist nur mit Gewehren mit wenig Munition), überaltert und ohne Kampferfahrung, wodurch er für die Kampftruppe oft eine Belastung, wenn nicht eine Gefahr war …. Die Front entbehrte jeder Tiefe. Reserven der mittleren und oberen Führung waren nicht mehr vorhanden und auch nicht zu erwarten …. Die Zahl der noch verfügbaren Panzer und Sturmgeschütze fiel gegenüber der feindlichen Panzerüberlegenheit überhaupt nicht ins Gewicht. Außerdem waren sie infolge Spritmangel örtlich gebunden und konnten nicht an andere Frontabschnitte verschoben werden. Die eigne Luftwaffe trat fast gar nicht mehr in Erscheinung.“5
In dieser Situation erteilt das Oberkommando der Wehrmacht den Befehl zur Neuaufstellung der 11. Armee im Raum zwischen Weser und Harz und der 12. Armee im Raum Fläming – Dessau – Wittenberg – Halle – Merseburg.
Sie sollen die Lücke in der Front schließen und die deutschen Truppen im „Ruhrkessel“ durch einen Gegenstoß entsetzen. Von letzterem Auftrag werden sie jedoch bereits am 4. April 1945 entbunden. Während der Gen.d. Pz. Tr. Walter Wenck nach der Genesung von einem Autounfall direkt durch den Führer beauftragt wird, aus den letzten deutschen Reserven, Ausbildungseinheiten der Kriegsschulen, RAD-Einheiten und Hitlerjungen, einen neuen Großverband, die 12. Armee, zu bilden, erfolgt die Aufstellung der 11. Armee im Harz und Nordthüringen aus den Resten der, dem „Ruhrkessel“ entkommenen, Einheiten der 15. Armee und Ersatzeinheiten der W.Kr. IX Kassel und VI Münster.
Als die 3rd US Army Anfang April thüringischen Boden betritt, stehen ihr anfangs nur schwache Verbände der 7. Armee des Gen.d. Inf. v. Obstfelder der H.Gr. G zwischen Eisenach und Schweinfurt/Unterfranken gegenüber.
Bis Ende März 1945 haben die vor den anstürmenden amerikanischen Verbänden zurückweichenden Reste der 7. Armee die hessisch-thüringische Landesgrenze erreicht. Die Masse ihrer Kräfte werden im Raum Frankfurt/Main eingekesselt. Der Stab des Stellv. XII. AK W.Kr. Wiesbaden unter Gen.d. Art. Herbert Osterkamp entkommt dem Kessel einsatzbereit, dem Stab des LXXXV. AK gelingt die Flucht lediglich zu Fuß. Von der 7. Armee erhält Gen.d. Pz. Tr. Frhr. Smilo v. Lüttwitz den Auftrag, aus dem Rest des LXXXV. AK im Raum Eisenach das Korps neu aufzustellen. Ab dem 1. April 1945 übernimmt er den Befehl über den Werra-Abschnitt beiderseits von Eisenach mit dem Schwerpunkt entlang der RAB 4. Das Stellv. XII. AK steht am Abend des 31. März 1945 auf der Linie Fulda – Hünfeld – Vacha und hat dort losen Anschluss zum LXXXV. AK. Der Auftrag der beiden Korps ist es, den Thüringer Wald um jeden Preis halten, denn dort befinden sich die für die Oberste Deutsche Führung wichtigen Rüstungszentren Suhl und Zella-Mehlis.
Am linken Flügel der 7. Armee hält das LXXXII. AK des Gen.d. Inf. Walther Hahm den Abschnitt von Bad Neustadt über Schweinfurt bis Volkach am Main. Sein Auftrag ist es, den Raum Schweinfurt unbedingt zu halten, um die dortige deutsche Kugellagerproduktion zu sichern.
Am rechten Flügel der 7. Armee ist mit der Organisation der Abwehrfront im Raum Mühlhausen – Gotha Gen. Lt. Horst Frhr v. Uckermann mit Gefechtsstand in Süßenborn bei Weimar beauftragt. Uckermann führt seit Ende März 1945 das Kommando über zwei Divisionsgruppen und hatte bereits mit Ausbildungseinheiten die Verteidigung nach Osten an der Saale vorbereitet. Diese Kräfte drehen nun ihre Front nach Westen auf die Linie Schlotheim – Langensalza – Gotha. Zu ihnen gehört der Divisionsverband des Kdr.d. Pz. Tr. im W.Kr. IX, Gen. Maj. Gustav Feller, aus Teilen des Pz. Gren. Ers.u. Ausb. Rgt. 71, Erfurt, und der Pz. Ausb. Abt. 1, Erfurt, welcher den Stamm der im Raum Erfurt – Weimar in der Aufstellung befindlichen 9. PzDiv6 bilden sollte, sowie die K.Kdt. Gotha und Erfurt. Die schwachen Sicherungen der als Korps. Gr. Uckermann bezeichneten Kräfte können im Zusammenwirken mit dem LXXXV. AK das Vordringen der Amerikaner in den Raum Mühlhausen – Gotha jedoch nur kurzzeitig an der Werra-Linie verzögern, aber nicht verhindern.
Nördlich der Linie Mühlhausen – Heldrungen – Querfurt schließt sich ab dem 4. April 1945 die 11. Armee des Gen.d. Art. Walther Lucht mit seinem LXVII. AK unter Gen.d. Inf. Otto Hitzfeld an die 7. Armee an. Hitzfeld, der bis zum 8. April 1945 mit der Führung der neu aufgestellten 11. Armee beauftragt war, stehen zwischen der Armee-Trennungslinie und dem Südharz lediglich die K.Gr. Gen. Maj. Heydenreich im Raum Sondershausen und die K.Gr. Oberst Ettner der Nachrichtenschule Halle im Raum zwischen Sömmerda und Artern zur Verfügung.
Hinter dem Abschnitt der 11. Armee, entlang der Saale-Linie von Halle über Merseburg bis nördlich von Weißenfels, liegt ab dem 12. April 1945 der Abschnitt des XXXXVIII. PzK der 12. Armee unter Gen.d. Pz. Tr. Maximilian Reichsfreiherr v. Edelsheim, dessen Stab von Graditz, vier Kilometer südostwärts von Torgau, aus das Kommando über den Abschnitt zwischen Halle und Riesa übernimmt. Der Korpsstab hatte erst am Abend des 10. April 1945 von Görlitz kommend das Kommando über den Kampfraum übernommen. Seine Hauptfeuerkraft bilden die mehr als 1000 Flakgeschütze aller Kaliber der 14. Flak. Div. Leipzig des Gen. Maj. Adolf Gerlach und der 21. Flak. Brig. Bad Lauchstädt. Sie bilden den bei den alliierten Bomberpiloten als „Flakhölle“ bezeichneten berüchtigten Flakgürtel um die Industriezentren Bitterfeld – Halle – Schkopau – Merseburg – Leuna – Böhlen – Leipzig. Dieser Gürtel zieht sich mit dem Zentrum Leipzig von Bitterfeld über Halle – Merseburg – Weißenfels – Zeitz bis Borna. Das Zentrum der Verteidigung bildet die Eisenbahnstrecke Halle – Weißenfels.
Weiterhin unterstehen dem XXXXVIII. PzK der K.Kdt. Halle, Gen. Lt. Anton Radtke, und der K.Kdt. Leipzig, Oberst Hans v. Poncet, der erst kurz zuvor Gen. Maj. v. Ziegesar abgelöst hat. Die Trennungslinie zwischen den Abschnitten der Kampfkommandanten bildet die verlängerte Linie Querfurt – Eilenburg – Torgau. Auf Grund fehlender Verstärkungsmöglichkeiten und der Tatsache, dass die amerikanischen Truppen bereits unmittelbar vor deren Stellungen stehen, bildet der Abschnitt der Flak und der beiden Kampfkommandanten lediglich die „Vorgeschobene Verteidigungsstellung“ der Korps.
Als Hauptverteidigungslinie erfolgt der Ausbau der Stellungen an der Mulde und Elbe. Hierzu wird der Kampfabschnitt Mulde dem Korpsartilleriekommandeur Oberst Köhler unterstellt und der Kampfabschnitt Elbe dem Höheren Pionierkommandeur Torgau, Gen. Maj. Hermann. Der Kampfabschnitt Mulde mit dem Gefechtsstand in Schildau verfügt über die Truppen des Standortes Delitzsch mit einer Art. Ers. Abt. ohne Geschütze und Ersatztruppen der Standorte Düben, Eilenburg, Grimma und Schildau. Diese Truppen haben am Ostufer der Mulde mit dem Ausbau der Verteidigung begonnen und verfügen bei Eilenburg über einen Brückenkopf am Westufer. Der Kampfabschnitt Elbe mit Gefechtsstand. in Torgau verfügt über Ersatztruppen in Torgau und Riesa. Seine Truppen beginnen jetzt mit dem Ausbau der Verteidigung nach Westen. Als Reserve verfügt das Korps über je eine Kampfgruppe in Bataillonsstärke in Torgau, Riesa, Schildau sowie ein Pi. Btl. in Oschatz. Zusätzlich erfolgt die Aufstellung eines Regimentsführungsstabes in Torgau. Die Reit- und Fahrschule IV Oschatz wird eingegliedert. Die Standorte Grimma, Oschatz und Wurzen werden außerdem angewiesen, sich auf eine Verteidigung nach Süden hin einzurichten. Die rückwärtige Grenze des Korpsraumes bildet die Schwarze Elster, deren Orte ebenfalls zum Korps gehören.
Hauptaufgabe dieser völlig irreführend als Panzerkorps bezeichneten Gruppierung ist es, durch die starke Verteidigung des Südabschnittes des Korps, die linke Flanke der 12. Armee unter allen Umständen zu schützen. Die Bezeichnung dürfte wohl lediglich propagandistischen Zwecken dienen, denn über Panzertruppen verfügt dieses Korps nicht.7
In den Unterlagen der Historical Division der US Army vom 12. Juli 1946 beschreibt v. Edelsheim den Auftrag seines Korps folgendermaßen: „Der Befehl lautete, den Sektor durch das Halten von Halle und Leipzig zu verteidigen. Die Sektoren an Mulde und Elbe waren für die westwärts gerichtete Verteidigung vorzubereiten. Von großer Bedeutung war der Schutz des Südflügels sowie der Südflanke der 12. Armee, die sich im Gebiet Dessau sammelte. Nach der Beendigung dieser Sammlung sollte die Armee so bald wie möglich mit dem Angriff in Richtung Westen beginnen.“8
Südlich angrenzend an das XXXXVIII. PzK beginnt nordöstlich von Weißenfels der Abschnitt der Saale-Verteidigung des „Befehlshabers Thüringen Ost“, Gen. Obst. a. D. Hoth, welche der 7. Armee unterstellt ist und aus Garnisonstruppen und Volkssturmeinheiten besteht. Hoth’s Abschnitt verläuft entlang der Saale bis zur thüringisch-fränkischen Landesgrenze. Diese Kräfte werden ab dem 13. April 1945 in die Korps eingegliedert. Die 11. und 12. Armee unterstehen direkt dem OB West, Generalfeldmarschall Kesselring. Am 10. April 1945 wechselt die 7. Armee von der Unterstellung unter die H.Gr. G unter die direkte Befehlsgewalt des OB West.
Im Abschnitt der 1st US Army nimmt am Morgen des 11. April 1945 das V. und VII. US Corps der 1st US Army den Angriff wieder auf. Während die Masse der 3rd US AD des VII. US Corps Nordhausen einnimmt, führen andere Teile den Kampf zur Säuberung der südlichen und südwestlichen Harzränder und des Harzvorlandes.
Südlich des VII. US Corps stößt im Verlauf des Tages die 9th US AD des V. US Corps, dicht gefolgt von der 2nd und 69th US InfDiv, aus dem Abschnitt Sondershausen – Ebeleben heraus nach Osten vor. Das CCB der 9th US AD erreicht bis zum Abend den Raum Ringleben. Das CCA im Zentrum erreicht den Raum Sachsenburg und das CCR an der Linken den Raum Rothenberga – Hardisleben.
Im Abschnitt südlich von Sangerhausen bis Kölleda weichen die K.Gr. Heydenreich und Ettner des LXVII. AK vor diesem Angriff nach Osten zurück.
Im Abschnitt der 3rd US Army geht das XX. US Corps mit seinen Panzerkräften durch die Linien der Infanteriedivisionen und fährt schnell Richtung Saale. Entlang der Reichsautobahn 4 stößt die 4th US AD des XX. US Corps bis zur Saale bei Jena vor, wo die Brücken zerstört sind. Die 6th US AD des gleichen Corps marschiert ohne großen Widerstand durch den Raum nördlich Erfurt – Weimar und erreicht noch am gleichen Tag die Saale bei Bad Kösen und Camburg, wo sie als erste amerikanische Division mit der Errichtung von Brückenköpfen am Ostufer beginnt.
Die im Raum zwischen Erfurt – Weimar und Weißensee – Rastenberg stehenden Kräfte des Div. Vbd. Feller der 7. Armee werden beim Vorstoß der Panzer zersprengt und Teile weichen nach Norden in den Bereich der 11. Armee aus.9
Sowohl für die 7. deutsche Armee als auch für die 11. Armee verdeutlicht sich im Tagesverlauf immer mehr, dass es nicht möglich ist, eine geschlossene Frontlinie aufzubauen. Selbst der Versuch des 4. Generalstabsoffiziers der 7. Armee, persönlich Kontakt mit dem Stab der 11. Armee aufzunehmen, scheitert. Über sein weiteres Schicksal ist nichts bekannt.
In Süßenborn bei Weimar übernimmt das frisch eingetroffene Gen. Kdo. XC. AK unter Gen.d. Inf. Erich Petersen das Kommando über die Reste der Korps. Gr. Uckermann der 7. Armee. Dem Gen. Kdo. gelingt es jedoch in den folgenden Tagen nicht, Einfluss auf die Lageentwicklung zu gewinnen.
Die im Raum Erfurt – Weimar kämpfenden Kräfte, welche seit dem 9. April 1945 unter dem Kommando von General Theilacker stehen, erhalten gegen Mittag den Rückzugsbefehl und weichen mit der Besatzung des K.Kdt. Weimar hinter die Saale aus. Das Herausziehen der Besatzung aus Erfurt ist zu dieser Zeit nicht mehr möglich, da die Stadt bereits eingeschlossen ist. General Petersen verlegt mit seinem Stab nach Frauenprießnitz, südlich von Schkölen. Nach der Eingliederung der im Abschnitt befindlichen Truppen der Saale-Verteidigung übernimmt das XC. AK die Verantwortung für den nordöstlich von Weißenfels beginnenden Abschnitt, der über Naumburg und Camburg bis südlich von Jena verläuft.
Eine wirkliche Führung über die deutschen Truppen, welche am Abend des 11. April 1945 an der Saale stehen, gibt es außer im Abschnitt der Flak nicht. Bereits am nächsten Tag haben die Verbände der 3rd US Army und Teile der 1st US Army die Saale überschritten oder stehen im Kampf um die Flussübergänge.
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Alle Angaben beruhen im Wesentlichen auf dem Buch “United States Army in World War II – Chronology 1941 – 1945” von Mary H. Williams, Office of Military History, Department of the Army, Washington D.C. 1960.
NARA, B-606, Oberst Günther Reichhelm.
BA-MA, ZA 1/1056, Oberst i. G. Wilutzky.
„Joseph Goebbels Tagebücher“, S. 127.
BA-MA, Gen.d. Inf. Schulz, RH 19 XII N 318/1.
G-2 Unterlagen der 3rd US Army – hier erbeutete Dokumente – nennen die geplante Aufstellung.
„Die Armee Wenck“ v. Gellermann.
NARA, B-219, Gen.d. Pz. Tr. Maximilian Reichsfreiherr v. Edelsheim.
BA-MA, ZA 1/144, Gen. Maj. Frhr. v. Gersdorff, Chef des Gen. Stabes der 7. Armee.
Noch bevor sich die Verbände des V. US Corps der 1st US Army auf ihrem Vormarsch nach Osten der Linie Querfurt – Naumburg nähern, hat der Krieg die Region längst erreicht.
Neben den wenigen verbliebenen strategischen Luftzielen geraten ab Anfang April 1945 auch immer mehr industriell und verkehrstechnisch weniger bedeutsame mitteldeutsche Städte im Rahmen der taktischen Operationen der alliierten Luftstreitkräfte in das Fadenkreuz leichter und mittlerer Bomberverbände. Deren Auftrag besteht in der Endphase des Krieges darin, neben der unmittelbaren Unterstützung der Bodentruppen durch gezielte Angriffe auf feindliche Truppenkonzentrationen, Nachrichtenzentralen und der Zerstörung von Brücken und Verkehrswegen zur Unterbrechung des Nachschubes, die Versorgungseinrichtungen, wie Material- und Fahrzeugdepots sowie Munitionsproduktionsstätten, zu zerschlagen. Im Gegensatz zu den strategischen Luftzielen, wie dem mitteldeutschen Chemiezentrum Schkopau – Merseburg–Leuna, liegen diese ohne jeglichen Schutz durch Flak und Jagdflieger vor den Bomberverbänden.
So auch die altehrwürdige Domstadt Naumburg an der Saale, die mit wenigen Unterbrechungen seit der Stationierung einer Batterie des Königlich-Preußischen Magdeburgischen Feldartillerieregiments Nr. 4 im Jahr 1841 und der damit verbundenen Errichtung von Kasernen Garnisonsstadt ist.1 Doch trotz der zahlreichen Kasernen, die nach dem 1. Weltkrieg erstmals wieder seit 1934 Soldaten der Deutschen Wehrmacht beherbergen, und verschiedenen anderen militärischen Einrichtungen war die Stadt bisher von direkten Kriegseinwirkungen und Zerstörungen weitestgehend verschont geblieben. Lediglich am 16. August 1944 hatten Bomber des 8th Bomber Command der USAAF 31,3 Tonnen Sprengbomben über der Stadt abgeworfen, um das Heereszeugamt zu zerstören.2 Doch nachdem sich Anfang April 1945 kaum noch Soldaten in der Stadt befinden, wähnt sich die Bevölkerung in gewisser Weise sicher.
Wohin aber sind die Soldaten? Die Masse der, vor Kriegsbeginn in der Stadt stationierten, Soldaten hatte im Rahmen der 14. InfDiv 1938/1939 an der Besetzung des Sudetengebietes und am Polenfeldzug teilgenommen. Dazu gehört das Art. Rgt. 14, das als „Art. Rgt. Naumburg“ als erster Verband der Wehrmacht am 1. Oktober 1934 in der Stadt aufgestellt und am 15. Oktober 1935 in Art. Rgt. 14 umbenannt wurde.
Die Unterkünfte der Abteilungen des Regimentes befanden sich in der Barbara-, Bismarck- und Hindenburg-Kaserne sowie in der Nordstraße. Auch das, im Südwesten der Stadt in der Hubertus- und Lüttich-Kaserne stationierte, InfRgt 53, dessen III. Bataillon am 15. Oktober 1935 nach Naumburg verlegt und dessen II./53 im November 1938 in Naumburg aufgestellt wurde, war zusammen mit dem I./53 aus Weißenfels abgerückt. Aus dem Regiment wird im Oktober 1942 das Gren. Rgt. 53. Während diese Verbände in Vorbereitung des Westfeldzugs 1940 direkt von Polen kommend an die Westgrenze des Reiches verlegt werden, beherbergen die Naumburger Kasernen nun andere Verbände der Wehrmacht.
Die meisten von ihnen Ersatz- und Ausbildungseinheiten, die den, im Kriegsverlauf ständig steigenden, Bedarf an Personal für die Front liefern sollen. So das Inf. Ers. Btl. 53, das am 26. August 1939 aufgestellt wird und den Ersatz für die 14. InfDiv stellt. Aus ihm entsteht im Dezember 1940 durch Umbenennung das Inf. Ers. Btl. 465, das im August 1941 in das Protektorat Böhmen und Mähren verlegt. Durch Teilung des Inf. Ers. Btl. 465 in ein Inf. Ers. Btl. und ein Res. Inf. Btl. entsteht im September 1942 in Naumburg ein neues Inf. Ers. Btl. 465, das der Div. Nr. 464 unterstellt wird. Das, ebenfalls in Naumburg aus dem Inf. Ers. Btl. 53 am 26. August 1939 aufgestellte, Lds. Schtz. Btl. XVI/IV bleibt nur kurz in der Stadt und verlegt nach seiner Umbenennung in Lds. Schtz. Btl. 366 im Mai 1940 nach Norwegen.
Die Art. Ers. Abt. 255, die am 27. August 1939 als leichte Abteilung aufgestellt wird, wird bereits am 1. Oktober 1939 wieder aufgelöst und verschmilzt mit der Art. Ers. Abt. 14. Diese, am 28. August 1939 in Naumburg aufgestellte, leichte Art. Abt. wird 1940 der Div. Nr. 174 unterstellt und im September 1942 in eine Art. Ers. Abt. und eine Res. Art. Abt. getrennt. Die, in Naumburg verbleibende, Art. Ers. Abt. 14 wird der Div. Nr. 464 unterstellt.
Als weitere leichte Art. Ers. Abt. entsteht am 7. September 1939 die Art. Ers. Abt. 209, die im Dezember 1939 als leichte Art. Abt. 220 zur 169. InfDiv geht. Im Februar 1940 erfolgt dann in Naumburg die Aufstellung des Art. Rgt. 294, das der 294. InfDiv unterstellt wird.
Noch einmal wird Naumburg zur „großen Garnison“, als Ende September 1940 das Art. Rgt. 14 mit der Bahn aus Frankreich nach Naumburg zurückkommt, wo die Motorisierung des, bis dahin pferdebespannten, Regimentes erfolgt. Doch mit Beginn des Russland-Feldzuges leeren sich dann die Kasernen erneut, die Masse der Soldaten rückt „mit klingendem Spiel“ in Richtung Osten ab.
Im September 1942 erfolgt in Naumburg die Aufstellung des Res. Inf. Btl. 173, das durch Teilung in ein Inf. Ers. Btl. und ein Res. Inf. Btl. aus dem bisherigen Inf. Ers. Btl 173, Weißenfels, hervorgeht. Das Res. Inf. Btl. wird der 174. Res. Div. unterstellt und verlegt in das Generalgouvernement. Im Oktober 1942 erfolgt im Austausch gegen das Inf. Ers. Btl. 465 die Verlegung des Inf. Ers. Btl. 173 von Weißenfels nach Naumburg.
Am 31. August 1943 wird das, im November 1942 in Gren. Ers. Btl. 173 umbenannte, Bataillon aufgelöst und zur Aufstellung des Gren. Ers. Btl. 53 herangezogen.
Anfang des Jahres 1945 sind nur noch wenige Ersatz- und Ausbildungseinheiten des Ersatzheeres in der Stadt verblieben, die alle der Div. Nr. 464, Chemnitz, des W.Kr. IV, Dresden, unterstehen. Als auch sie im März 1945 die Stadt verlassen, bestehen sie aus den „letzten“ Reserven der Wehrmacht, den Rekruten der Jahrgänge 1927/28, bisher eingeschränkt Wehrtauglichen und Genesenden aus den Lazaretten. Als Erstes verlässt die Art. Ers.u. Ausb. Abt. 14, die zum Art. Ers.u. Ausb. Rgt. 24, Altenburg, gehört, die Stadt. Gemäß einem Eintrag im Tagebuch des Wehrmachtbefehlshabers Dänemark sollte die Abteilung zur Aufstellung der 328. InfDiv „Seeland“ aus Naumburg nach Dänemark zugeführt werden. Über ihren Verbleib ist nichts bekannt. Die Division „Seeland“ befindet sich zum Kriegsende noch immer in der Aufstellung.3
Das Gren. Ers. Btl. 53 wird als Gren. Ausb. Btl 53 am 26. März 1945 mit der Div. Nr. 464 (A) unter Führung von Gen. Lt. Rudolf Pilz im Rahmen der Aktion „Leuthen“, der Mobilmachung der Verbände des Ersatzheeres, im Raum Torgau mobil gemacht und Mitte April als Reserve der 4. PzArmee der H.Gr. Mitte im Raum Dresden in die Korpsgruppe Moser eingegliedert.4 Das Bataillon war im Dezember 1940 als neues Inf. Ers. Btl. 53 in Wittenberg aufgestellt und 1943 in Naumburg stationiert worden, bevor es im September 1943 das Gren. Ers.u. Ausb. Btl. 53 des Gren. Ers.u. Ausb. Rgt. 14, Leipzig bildet.
Mit der, als „Ostgoten-Bewegung“ bezeichneten, Verlegung von Ausbildungstruppenteilen an die Ostfront erfolgt die Verlegung der Div. Nr. 464 (A) zum PzK „Großdeutschland“ in den Raum Cottbus.5 Die Heeresunteroffiziersschule 6 für Infanterie Naumburg bildet im März 1945 das Gren. (Führernachwuchs) Rgt. 1247, welches später als Gren. Rgt. 575 zur 304. InfDiv geht.
Der verbliebene Rest wird in der neuaufzustellenden Div. z.b. V. 464, auch als Div. Nr. 464 (E) bezeichnet, mobil gemacht. Diese Division, die nach dem Abmarsch der Div. Nr. 464 (A) an die Ostfront unter Führung von Oberst Victor Freitag aus Stamm-, Genesenen- und Marscheinheiten des Gen.d. Pz. Tr. IV, Dresden, und Ersatzeinheiten aufgestellt wird, soll ab dem 13. April 1945 unter dem Kommando des aus Thüringen nach Osten zurückweichenden XC. AK der 7. Armee der H.Gr. G an der Mulde-Linie zum Einsatz kommen.6
Jetzt sind in der Stadt nur noch wenige Soldaten der Standort. Kp. Naumburg, Nachkommandos der Ersatz- und Ausbildungseinheiten und die Soldaten und Beamten der verschiedenen Behörden und Einrichtungen der Wehrmacht. Dabei handelt es sich um das Wehrbezirkskommando in der Kanonierstraße, die Heeresfachschule in der Körnerstraße, das Heeresbauamt in der Luisenstraße, das Wehrmeldeamt an der Nordstraße, die Heeresstandortverwaltung in der Lepsiusstraße, das Heeresverpflegungsamt in der Grochlitzer Straße und als größte verbliebene Einrichtung der Wehrmacht, das Heereszeugamt in der Kroppentalstraße.7 Auf ihrem Gelände befindet sich außerdem die Technische Kompanie für Panzerwagen, die das sogenannte Panzerzeugamt bildet.8 Eine, gemäß Verfügung des OB West vom 19. August 1944, kurzzeitig nach Naumburg verlegte, Lehr- und Versuchsbatterie für Sonderwaffen der Heeres-Küstenartillerie war bereits am 17. Oktober 1944 nach Swinemünde abgerückt.9
Die meisten Soldaten befinden sich als Verwundete und Genesende in den Naumburger Krankenhäuser und den zum Reservelazarett Naumburg I und II gehörenden Einrichtungen, die sich u. a. in der Nordstraße, in der Marienschule und Walter-Flex-Schule10 befinden.
Selbst als es ab Anfang April 1945 zu verstärkten Aktivitäten amerikanischer Tiefflieger kommt und die Abstände zwischen den Fliegeralarmen und dem Einfliegen der amerikanischen Jagdbomber immer kürzer werden, hoffen die meisten Einwohner noch immer, dass die Stadt glimpflich davonkommt. Doch nicht nur sie, sondern auch die Flüchtlinge und Umsiedler aus den Ostgebieten des Reiches, die seit Februar in immer größerer Zahl die Stadt erreichen, und die ausländischen Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen in den Lagern der Stadt, die zwar die Ankunft ihrer Befreier sehnsüchtig erwarten, sich aber gleichzeitig der Gefahr bewusst sind. Durch sie ist die Einwohnerzahl von 36 200 im Jahr 1939 auf bis zu 55 000 Menschen im Frühjahr 1945 angestiegen.11
Am 8. April 1945 kommt es bei einem Tieffliegerangriff auf einen Personenzug auf der Eisenbahnstrecke Halle – Bebra zwischen dem Bahnhof Leißling und dem Abzweig Goseck zu zivilen Verlusten. Drei Jagdbomber der 9th USAAF hatten gegen 09.00 RAD-Maid1213