Cover
Vorspann
Nr. 1 – Das Ewige Leben der Garbyor
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
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Nr. 2 – Der letzte Kampf der ERYSGAN
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Die Hauptpersonen des Romans
Prolog
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Epilog
Nr. 3 – Im Zeichen des Bösen
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Die Hauptpersonen des Romans
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Zwischenspiel
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Nr. 4 – Kontakt auf Alarna
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Die Hauptpersonen des Romans
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Nr. 5 – AMENSOON in Not
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Die Hauptpersonen des Romans
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Nr. 6 – Die Varganen von Cramar
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Die Hauptpersonen des Romans
1/a
1/b
2/a
2/b
3/a
3/b
4/a
4/b
5/a
Querverweis I
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Querverweis II
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Querverweis III
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Querverweis IV
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Nachspiel
Nr. 7 – Angriff der Togronen
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Die Hauptpersonen des Romans
Prolog
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Nr. 8 – Fluchtpunkt Craddyn
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Die Hauptpersonen des Romans
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Nr. 9 – Im Bann des Dunkelsterns
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Die Hauptpersonen des Romans
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Nr. 10 – Vorstoß nach Kopaar
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Die Hauptpersonen des Romans
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Epilog
Nr. 11 – Chaos im Miniaturuniversum
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Die Hauptpersonen des Romans
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Nr. 12 – Endstation Anaksa
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Prolog
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Impressum
ATLAN – die klassische Serie
Wir schreiben das Jahr 1225 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Atlan, der unsterbliche Arkonide, ergründet mit der Varganin Kythara das größte Geheimnis der Galaxis Dwingeloo: eine planetenlose blauweiße Riesensonne, die weit ins All vordringt, während hyperenergetische Entladungen die Ausläufer des Dunkelsterns durchziehen und Strukturerschütterungen verursachen. Als Atlan und Kythara mit einem Kommandounternehmen der Cappins in die ferne Galaxis vorstoßen, stechen sie in ein Wespennest, in dem die Lordrichter von Garb sie bereits erwarten ...
Nr. 1
Das Ewige Leben der Garbyor
von Hans Kneifel
Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt
Wir schreiben das Jahr 1225 NGZ. Atlan ist gemeinsam mit der geheimnisvollen Varganin Kythara auf die Fährte der »Lordrichter von Garb« gestoßen, die mit riesigen Armeen und geraubter varganischer Technologie verdeckt in der Southside der Milchstraße agieren; ihr Hauptaugenmerk gilt allerdings der Galaxis Gruelfin, der Heimat der Cappins.
Atlan und Kythara haben – gemeinsam mit dem Daorghor Gorgh-12 und dem Saqsurmaa Emion – einen »Kardenmogher« als Raumfahrzeug und mächtige Waffe in ihre Hände gebracht. Damit schafften sie es, die Psi-Quelle Murloth auszuschalten, doch der Sieg war nur ein Etappensieg: denn ein Teil der Energie wurde vorher weitergeleitet zu einem anderen Projekt der Lordrichter ...
Als Kythara ihren schlafenden Geliebten Kalarthras erweckt, müssen sie sich erneut den Truppen der Lordrichter stellen. Dabei werden sie mit dem EWIGEN LEBEN DER GARBYOR konfrontiert ...
Atlan – Der Arkonide überdenkt die Entwicklungen des letzten Monats.
Kythara – Die Varganin sucht ihren Geliebten.
Gorgh-12 – Der Daorghor erhält Handlungskompetenz an Bord der AMENSOON.
Gratnar – Ein Held der Zaqoor.
Darscheva – Ein unwillkommener Gast entdeckt die Pläne der Lordrichter.
Die Philosophie der Zaqoor
31. Mai 1225 NGZ
Draußen, in der tintigen Schwärze, die diesem Ort Schutz bot, rotierte langsam, gefangen und festgehalten durch die vier Speichen eines riesigen Dysonrings, ein Mond.
Mond! Gratnar lachte stumm, dass es seinen muskulösen Körper durchschüttelte. Mond! Dies hier war längst kein einfacher Mond mehr, dies hier war VARXODON: ein dreitausend Kilometer durchmessender Himmelskörper, in rund dreitausend Kilometern Radius umgeben von einem fünfhundert Kilometer dicken metallenen Ring, auf dessen Innenseite eine Ökosphäre ausgebildet war.
VARXODON! Ein Ort des Friedens und der Sicherheit für das Volk der Varganen hatte die Sternenstadt sein sollen. Was für eine lächerliche – wunderbare – Vorstellung. Mittlerweile beherrschte die Streitmacht der Lordrichter das uralte Gebilde und würde es einer würdigen Bestimmung zuführen.
Während der Gleiter tiefer sank, der Außenseite des Rings entgegen, und VARXODON die Finsternis immer weiter ausblendete, schloss der Marquis die Augen und atmete tief durch. Der Kommandeur des Ersten Einsatzgeschwaders fühlte etwas, ein unbestimmbares Etwas, das an seinem Verstand zupfte, ganz leise nur, und von dem manchmal merkwürdige – hilfreiche – Gedanken aufstiegen. Gedanken, die er nicht wünschte, weil sie wie ein Zerrspiegel auf die Realität wirkten, und die ihm dennoch manchmal halfen, schneller und besser zu reagieren. Majestätisch landete der Autopilot den Patrouillengleiter auf dem kreisrunden Parkbereich des gut 250 Kilometer durchmessenden Gleiterhafens.
»Statusmeldung liegt vor«, verkündete der Bordrechner, kalt und leidenschaftslos, wie es sein musste.
Gratnar schlug die Augen auf. Langsam wechselte das linke die Farbe, nahm einen bläulichen Schimmer an. Das rechte Auge blieb dunkelbraun, beinahe schwarz. Die Statusmeldungen klangen beruhigend: Die Elite-Einheiten waren in Stellung gegangen zwischen ihren Robotern, Fahrzeugen, Schwebeplattformen und Geschützlafetten. Viel zu lange waren sie eingesperrt gewesen in ihren Unterkünften an Bord der fünfundzwanzig Raumer. Erst im Kampf lebten sie, spürten sie, was es bedeutete, Garbyor zu sein.
Zischend öffnete sich die Schleuse seines Gleiters, und er stieg aus, ließ seinen stolzen Blick über die kleine Armee wandern, die sich hier eingefunden hatte.
Im diffusen Licht schimmerten die Raumkampfanzüge silbern, ebenso wie sein eigener auf Hochglanz poliert. Niemand bewegte sich, solange das Kommando nicht gegeben wurde. Aber wenn es so weit war, würde die gesamte schreckliche und zugleich wunderbare Maschinerie anlaufen. Auf sein Volk – die Zaqoor – konnte das Schwert der Ordnung sich bedingungslos verlassen. Abgesehen von den Lordrichtern waren sie die Leibgarde, die Einzigen unter allen Garbyor, die würdig waren.
Es gibt keinen Tod, es gibt nur Trodar. Es gibt kein Leben, es gibt nur Trodar. Es gibt keine Angst, es gibt nur Trodar. Es gibt keine Freude, außer in Trodar.
Gratnar dachte an sein Todesimpuls-Implantat, den letzten Ausweg. Er hoffte, diesen »Notausgang« nach Trodar niemals benutzen zu müssen. Nicht er, der Beste.
*
Die Zaqoor bewegten sich im gesamten System der Sternenstadt mit vorsichtiger Leichtigkeit. Dank der geringen Gravitation – auf ihrer Heimatwelt herrschten 2,2 Gravos – kamen ihre körperlichen Vorzüge noch besser zur Geltung als sonst, jede ihrer Gesten strotzte nur so von kraftvoller Lässigkeit. Die hellbraunhäutigen Zaqoor bildeten die Elite-Mannschaften der Kugelraumer und die Leibgarde des Lordrichters. Jeder lieferte absolut perfekte Leistung.
Und ich ganz besonders, dachte Gratnar und grinste kalt. Der Kommandeur des Ersten Einsatzgeschwaders maß etwas mehr als zweieinhalb Meter vom kurz geschorenen tiefschwarzen Haupthaar bis zu den Sohlen seiner gepanzerten Stiefel aus grauem Formchitin; er galt als der bestqualifizierte Anführer der schlagkräftigsten Kommandoeinheiten.
Die glühende Iris Gratnars hatte die Farbe eisigen Blaus angenommen und begann ins Grüne zu wechseln. Ausschnitt-Vergrößerungen bauten sich in den Holoprojektionen auf, aber der Marquis bevorzugte stets technisch unmanipulierte eigene Eindrücke.
»Wir werden es allen zeigen«, knurrte er. »Erzherzog Garbfandogh wird hoch zufrieden sein.«
Auf sein Kommando hin legte sich ein leichter Prallschirm über die Werft- und Fabrikareale rings um den Raumhafen. Sie waren Sperrgebiet, Kollateralschäden daran ausdrücklich untersagt. Das Einsatzgebiet der Truppen hatte sich auf den Raumhafen und den leeren Raum außerhalb des Dysonringes zu beschränken. Auch die Innenseite des Rings war tabu, schließlich lag dort, dem Raumhafen exakt gegenüber, die größte Stadt des Sektors, VAR-III.
Das normal optische Bild flimmerte leicht.
Ein Fingertippen genügte, und der Truppenverbandssender am rechten Unterarm wurde aktiviert. »Tor-1 bereit. Klarmeldungen.«
Schnell, präzise und dennoch ruhig liefen die Funksprüche der Subkommandanten ein.
Gratnar hörte es mit Wohlgefallen. Nachdem auch Tor-125 seine Meldung abgeliefert hatte, gab der Kommandant das Zeichen.
Und die Hölle brach los.
*
Mit Maximalwerten hoben die Raumer ab, die auf dem weitläufigen Gelände geparkt waren. Zum Glück für die Zaqoor benutzten sie dazu anfangs ausschließlich ihre Antigraveinheiten; dem glutheißen Plasmastrom der Impulstriebwerke wäre wohl kaum einer entkommen.
Viel gefährlicher in den ersten Sekunden war etwas ganz anderes: die unvermittelt sich aufblähenden Schutzschirme; wer es nicht rechtzeitig schaffte, sich mit einem beherzten Sprung aus der Reichweite zu retten, wurde zur Seite geschleudert und zerbrach damit die Disziplin der Garde.
»Aufwärts«, signalisierte Kanaar, sein Stellvertreter unter dem Einsatzkürzel Tor-2, Anführer der Gruppe Attacke, seinen Leuten. 2500 Zaqoor schalteten ihre Gravopulsantriebe ein und wurden emporgerissen wie Spielzeug im Sog der gewaltigen Schiffe.
Zufrieden beobachtete der Marquis, wie Immot alias Tor-3 sofort die Verfolgung einleitete: Er durfte nicht zulassen, dass der Abstand zwischen Attacke und Defens groß genug für den effizienten Einsatz von Strahlwaffen wurde. Defens würde ansonsten abgeschlachtet werden, es sei denn ...
»Kode Sar-001-9877-Phi«, wies er die Flotte an. Sofort setzte ungezieltes Sperrfeuer der soeben gestarteten Raumschiffe an und hielt die Leute von Tor-1 auf Abstand.
»Abschüsse 102 Attacke, 87 Defens«, lief eine rote Leuchtschrift an der Innenseite seines Helms entlang. »Trefferquote 50 Prozent Attacke, 67 Prozent Defens. Simulierte Ausfälle: 185, letale Ausfälle 4.«
Gratnar ließ sich die tödlichen Ausfälle genauer aufschlüsseln. Fast zwei Prozent waren signifikant zu viel. Technische Versager führten zu höchstens einem Prozent Ausfallquote, nie mehr. Meist ließ sie sich auf unter 0,3 Prozent drücken, von daher waren die Zahlen der ersten 30 Sekunden mehr als beunruhigend.
Es war, wie er es sich gedacht hatte. Nur ein technischer Ausfall, eine der Waffen war explodiert und hatte dabei die Systeme des Raumanzugs zum Absturz gebracht. So etwas kam vor und würde den Krieger trotzdem dank Trodar sicher ins Reich der Großen Horde bringen. Die restlichen drei aber ... es war beschämend. Ihre Tötungsbereitschaft war unter 80 Prozent gesunken, sie hatten mehrfach nicht auf ein erreichbares Ziel gefeuert. Wie war das möglich? Bedeutete ihnen Trodar gar nichts mehr? Sanken sie jetzt schon herab auf das Niveau anderer Garbyor?
Nein!, gab sich Gratnar selbst die Antwort. Leider! Ehe sie sich so weit vergaßen, erhielten sie Hilfe durch ihr Implantat. Ihm vor allen Dingen war es zu verdanken, dass niemand Trodar verraten würde. Es gab keinerlei erkennbare Querverbindung zwischen den drei Ausfällen, zwei gehörten zu Attacke, nur einer zu Defens, sie waren auf unterschiedlichen Schiffen stationiert und unterstanden jeder einem anderen Subkommandanten, darunter auch ein Veteran wie Tor-76, Tarkyn.
Scheinwerferstrahlen blitzten auf dem metallenen Belag des kleinen Landefeldes. Laserblitze zuckten hin und her. In die Kommunikation der Kampfgruppen hatte sich der Marquis bewusst nicht eingeschaltet. Noch nicht.
Doch die Truppe wartete auf ihn, den Verantwortlichen, auf die Nummer eins.
Gratnar drückte eine Kurzwahltaste seines Unterarmgeräts. Auf dem Bildschirm erschien Scanibis Gesicht. Als sie ihn erkannte, lächelte sie.
»Wir stehen kurz vor dem Angriff, Scani«, sagte er und zwinkerte mit dem rechten Auge. »Nach 36 Stunden haben wir Zeit für uns.«
Scanibi, weiblicher Erster Offizier der Nachrichtenabteilung seines Schlachtschiffs, nickte langsam. Die Angehörigen der übrigen Garbyor-Truppen behaupteten leichtfertig, dass sich die weiblichen Zaqoor nicht von den Männern unterschieden. Scanibi und Gratnar kannten die subtilen Unterschiede seit Jahren sehr genau, spätestens seit sie die erotischen Möglichkeiten in weit geringerer Gravitation lustvoll, ja triebhaft entdeckt hatten.
»Du kommst nach dem Einsatz ins Schiff zurück. Die Mannschaft in der Zentrale wartet. Ich kenne die Befehle«, antwortete sie. »Bei mir, in meiner Kabine, werde ich alles vorbereitet haben.«
»Ich werde dir vom Sieg meiner Kommandoeinheiten viel zu erzählen haben. Es eilt, Scanibi.«
Sie nickte. »Wir werden an Bord auf jede Information warten.«
Sie schaltete ab, ihr lächelndes Bild machte einer grauen Fläche Platz. Ihr fiel das zuversichtliche Lächeln ebenso leicht wie ihm, denn er war noch niemals ernsthaft verletzt worden. Auch während einer scharfen Übung war er stets mit leichten Verletzungen davongekommen.
Außerdem wusste er: Kein Krieger starb jemals wirklich, denn der Tod im Kampf führte augenblicklich in die Gemeinschaft der Großen Horde. Trodar.
Der eigene Rang dort in der Ewigkeit würde sich ergeben aus der Anzahl der Kämpfe und dem Niveau seines Todes. Gratnar hatte vor, noch sehr viele Kämpfe siegreich zu bestehen und schließlich in einem Sturm aus Vernichtung sein Leben auszuhauchen. Mehr konnte niemand verlangen, mehr Ehre konnte er der Philosophie aller Garbyor nicht erweisen.
Eine leichte Bewegung genügte, und die Antigravfelder seines Raumanzugs stießen ihn ins All, sofort schalteten sich die Gravopulsgeneratoren zu, und der Marquis schoss förmlich ins Getümmel seiner Leute.
»Tor-1 an Tor-2.« Er lachte schneidend, während er zwischen den Truppen von Tor-3 hindurchraste und die Front von hinten aufrollte; seine Waffen spien Feuer. »Achtet auf mögliche Wachen und Posten! Das All ist voller Fremdkörper.«
»Bereits erledigt«, knirschte die Stimme seines Stellvertreters. Kanaar war ein hervorragender Offizier, konnte es aber nicht ausstehen, wenn sein Vorgesetzter sich allzu aktiv in die eigenen Entscheidungen einmischte.
Gratnar ignorierte das.
»Los!«, rief er. »Tor-2, lass deine Truppen fächerförmig ausschwärmen – und dann mach sie fertig!«
»Verstanden, Marquis.« Kanaar war seinem Tonfall zufolge zu Recht ärgerlich.
Ein sonnenheißer Energiestrahl jagte über Gratnars Kopf hinweg und ließ den Energieschirm grell aufleuchten.
Gratnar stürzte sich in den Kampf.
*
Darscheva konnte sich kaum zurückhalten.
Ich hasse ihn, dachte er düster. Ihn und alles, wofür er steht. Ihn und alles, was er tut: kämpfen, fressen, Sex. Es wäre so leicht, ihn jetzt und hier zu töten ... eine einzige Bewegung, ein Fingertippen nur ... und es ist vorbei.
Doch Darscheva wusste, dass damit sehr wahrscheinlich auch sein eigenes Ende besiegelt wäre. Und das durfte nicht sein. Viel wichtiger als der Tod des Zaqoor waren die Informationen, die dieser besaß.
Der Zaqoor – und Darscheva.
Ein fast perfektes Manöver
1. Juni 1225 NGZ
Gratnar betrachtete nachdenklich die Auswertung des Manövers, dann ließ er von der Positronik noch einmal das Holo vom Ende der Übung vorspielen. Er lächelte zufrieden, als er seine Truppen in perfekten Reihen senkrecht nach oben fliegen und in den Hangarbuchten der Raumschiffe verschwinden sah, die wie große, zernarbte Bälle über dem Raumlandefeld hingen. Wie eine große, perfekte Maschine spielte sich alles ab, kein Zögern, keine Unsicherheit.
Die Bilanz der Übung war zufrieden stellend, mit letztlich akzeptablen Verlusten; die Ausfälle während der Anfangsphase waren die einzigen geblieben. Die Gruppe Defens hatte gewonnen, hatte effizienter gearbeitet als Attacke, mit einem besseren Verhältnis zwischen eigenen und gegnerischen Verlusten. Rein von den Abschüssen her hätte Attacke gewinnen müssen, doch bei einer derart hochkarätig besetzten Kampftruppe unter dem Oberbefehl des Erzherzogs Garbfandogh war es nicht die Abschussquote, die den Ausschlag gab. Töten konnte auch das Fußvolk, konnten auch Bomben, Strahlwaffen und Energiefelder. Nein: Die Zaqoor waren keineswegs nur Schläger fürs Grobe, sondern sie waren ein hoch spezialisiertes, geradezu chirurgisches Instrument und damit unermesslich wertvoll für alle künftigen Operationen.
Gratnar selbst hatte 25 Abschüsse erzielt und selbst nicht einmal einen Streifschuss abbekommen. Damit war seine Position als Champion wieder einmal gesichert – und sein Ansehen unter den Truppen so gewaltig wie nie. Wenn erst einmal ganz VARXODON gesichert wäre ...
Das Schwert der Ordnung hatte endlich die Sternenstadt erobert. Allerdings war die Eroberung unvollständig: Noch besaßen die Lordrichter längst nicht die volle Kontrolle über die riesige Anlage.
Die prächtigste der Versunkenen Welten der Varganen, zugleich die »Überwältigende«, war zu ausgedehnt und die technischen Hinterlassenschaften zu raffiniert und geradezu unerschöpflich; selbst die Anwesenheit Lordrichter Sarkahans änderte daran nichts. VARXODON war in vielerlei Hinsicht gut geschützt, angefangen bei der stellarkartografischen Lage: Aus einigen Lichtjahren Entfernung betrachtet, etwa aus der Nähe des auffälligen roten Riesensterns, breitete sich die Dunkelwolke aus, geformt wie eine Hand mit acht ungleich langen und dünnen Fingern und einem größten Durchmesser von rund 14 Lichtjahren. Im Kernbereich, der »Handfläche«, rund 60 Kubiklichtjahre groß, verbarg sich VARXODON – bis vor kurzer Zeit erfolgreich.
Staubwolken, Gasschleier, Filamente und Jets, geschwungene und verdrehte Materiebrücken, 17 stark strahlende junge Sterne, einige Globulen mit eingebetteten Sternen im Protostadium, heftige Emissionen im gesamten Spektralbereich und hyperphysikalische Wirbel und Sturmzentren, Schrecken eines jeden Raumschiffskapitäns, hatten über Jahrhunderttausende hinweg die Entdeckung des fast staublosen Hohlraums verhindert. In dieser Blase, im aufregenden Halbdunkel aus Schwärze, Lichterscheinungen, glimmenden Energieauswüchsen und scheinbar massiven Finsterniszonen, rund zwei Milliarden Kilometer im Durchmesser, schwebte die varganische Sternenstadt.
Uralt, voller Geheimnisse – nicht nur technischer Natur.
Diese zu lösen oder, wo dies nicht möglich war, zu blocken oder letztlich auch zu vernichten war Gratnars Auftrag. VARXODON musste sicher sein. Jeder Bereich der Stadt musste für die neuen Herrscher erkennbar und beherrschbar sein. Das schiere Ausmaß dieser Anweisung wäre geeignet gewesen, weniger gläubige Anhänger des Schwerts der Ordnung verzagen zu lassen, nicht so Gratnar. Kein einziger Zaqoor würde sich den Notwendigkeiten verschließen. Sie würden alles tun, was notwendig war, oder sogar ein wenig mehr.
Was konnte ihnen schon geschehen?
Es gibt keinen Tod, es gibt nur Trodar.
Entsprechend unberührt ließ die Leibgarde die permanente Bedrohung durch die Todesimpuls-Implantate. Sie waren nur einer von unzähligen Wegen in die Ewigkeit der Großen Horde, manchmal sogar der letzte gangbare.
So etwas kam vor.
Es gibt keine Angst, es gibt nur Trodar.
– Der Tod ist das Ende. –
Gratnar grunzte, als ihm diese Worte durch den Kopf schossen. Was ist nur los mit mir?, dachte er besorgt. Dann fiel ihm aber wieder ein, wer auf ihn wartete, und er vergaß die blasphemischen Worte wieder. Der Stress. Das ist es. Ich brauche Scanibi, das ist alles. Damit ich fit bin für die nächsten Manöver.
»Komm zurück ins Bett«, flüsterte Scanibi aus dem Nebenraum, als habe sie seine Gedanken gelesen. Ihre Stimme klang dunkel und rau, und obwohl er sie momentan nicht sehen konnte, konnte er sie sich in jeder Einzelheit vorstellen.
»Gleich«, erwiderte er, setzte seine digitale Signatur unter den Bericht und schickte ihn an den Erzherzog.
»Das Rad ist sicher«, kam Scanibis Stimme, diesmal drängender, dabei gurrte sie regelrecht. »Gönn uns die kurze Zeit. So viel Spaß wie hier haben wir selbst in der Großen Horde nicht.«
Gratnar sprang so schnell auf, dass er sich ein Knie an der Kante des Terminals rammte. »Sag das nie wieder! Nichts wird besser und größer sein als unser Dasein in der Großen Horde, das weißt du genau. So, wie du ebenfalls genau weißt, dass kein wahrer Zaqoor ...«
Scanibi trat in die Türöffnung, ihr Körper war pure Verlockung, kaum bekleidet, straff und noch immer leicht glänzend vom Schweiß der vergangenen Stunden. »Dachte ich mir doch, dass dich das erregen würde«, unterbrach sie ihn. »Und jetzt, da du schon einmal stehst ...«
Der Marquis spürte, wie sein Hals eng wurde. Sein Herz und sein Gehirn standen plötzlich wieder in Flammen, er kannte nur noch ein Ziel: Scanibi.
»Dringende Order von der ETHATIRIS«, meldete die Positronik.
Jetzt?
»Inhalt?«, erkundigte sich Gratnar, ohne dass er es wollte.
»Übungssequenz planetar, Kode P/5«, kam prompt die Antwort.
Verdammt! Zurück zum ... Vergnügen. Gratnar grunzte unwillig und wandte sich endlich dem zu, was er schon die ganze Zeit über hatte haben wollen.
*
Das Übungsgelände lag unweit des Raumhafens, auf und über dem die erste Übung stattgefunden hatte. Dieses Mal war die Gruppe Defens nur aus jungen Kämpfern zusammengestellt worden und hatte eine hervorragend befestigte Stellung erhalten. Kanaar führte sie an.
Die Gruppe Attacke bestand demgegenüber aus mehrfach kampferprobten Leibgardisten, die neben ihren Raumanzügen nur über Raumboote verfügten. Ihr hatte sich Gratnar zugesellt. Im Augenblick erhielten alle Angreifer Basisdaten über die Monitore ihrer Boote zugestellt:
Die Kampfzone begann am Rand des Raumhafens und umfasste eine grob dreieckige, lang gezogene Fläche, deren breiteste Stelle in die Hallen und Türme der Randbebauung mündete. Bebaut war das Areal mit vielerlei Gebäudetypen, zwischen denen schmale Straßenschluchten freiblieben und einen dreidimensionalen Irrgarten bildeten. Besonders auffällig waren die wuchtigen, teilweise zu blasigen Konstruktionen miteinander verschmolzenen Kuppelgebäude mit bis zu fünf Kilometern Durchmesser. Sie erschienen völlig unregelmäßig verteilt, waren aber durchaus zahlreich und beherbergten Ortungseinrichtungen, Bunker und Geschützstellungen.
Die Taktikplaner reagierten bereits und übermittelten den restlichen Booten ein angepasstes Kampfmuster zur Zielmarkierung. Typ Garb Drei. Sehr gut.
»Achtung – Beginn!«
Gratnar schaffte es, seiner Stimme einen ruhigen, leidenschaftslosen Ton zu verleihen, obwohl ihn alles danach drängte, den Angriff zu eröffnen.
Aus einem Winkel zwischen den Gebäuden zuckte ein fadendünner Spürstrahl durch die Schwärze und traf das Abwehrfeld eines antriebslos dahinschwebenden Einmann-Späherbootes.
Praktisch sofort erwachten die energetisch toten Systeme der kleinen Flottille zum Leben. Perfekt!
»Variante P/5 von Programm Garb Drei«, sagte Gratnar ruhig.
Die Flugboote katapultierten sich in vollendeter Formation näher an das Zielgebiet: Zwei Drittel des bogenförmigen Kurses waren durchflogen, ehe die Verteidiger reagierten. Wütendes Abwehrfeuer schlug Attacke entgegen. Sofort teilte sich die Flotte: Die Hälfte der Boote wurde bekämpft und stürzte sich ihrerseits auf die Geschützstellungen. Die andere Hälfte entfernte sich in scheinbar wirren Kursen und jagte zwischen metallenen Türmen und Säulen, Silos und Würfeln, entlang architektonischen Riesenverzierungen, vor Luken und geschlossenen Hangars, in den schmalen Klüften zwischen den nachtdunklen Gebäudefronten und, zufälligen Strahlen ausweichend, in rasender Schnelligkeit durch die stählernen Cañons auf die festgelegten Ziele zu.
Der Angriff hatte begonnen.
Sämtliche Teams griffen gleichzeitig in der metallenen Wildnis der Gebäude an; ihr lautloses Vorgehen ähnelte einem positronisch erzeugten, virtuellen Dschungelkampf in einer Szenerie, die nur aus kubischen Hohlräumen, nachtschwarzen Schluchten und mathematisch verformten Verstecken bestand.
Wir werden siegen – für Trodar.
Oder sterben.
Oder sterben – das macht keinen Unterschied.
*
Gratnar drückte eine breite, rot blinkende Taste und sagte im Befehlston: »Denkt daran: Der Einsatz wurde nicht für einen Attacke-Sieg programmiert. Doch wir sind die Leibgarde und werden siegen, Trodar zur Ehre.«
»Unsere Körper sind nichts, Trodar ist alles«, ertönte der Kampfruf für Mission DEF-2, der den ultimativen Glauben der Garbyor bekräftigte. Dann begann der eigentliche Einsatz.
Schattengleich drangen die Teams des Marquis an etwa 50 Stellen in die Gebäude ein. Winzige Schwarzlichtmarkierungen kennzeichneten an vielen Waagerechten und Senkrechten die Kanten und Begrenzungen der Hangars, Hallen und Magazine und bildeten ein seltsames Gitterwerk in der Finsternis der gewaltigen Bauwerke. Die Strahlen und die Zielpunkte der haarfeinen Laserstrahlen zuckten durch die Dunkelheit und glitten über die riesigen dunkelgrauen und schwarzen Flächen.
Die Geschütze feuerten. An den Flächen der Luken und Hangartore detonierten Haftladungen mit sonnenhellen Blitzen. Ihre Störstrahlung löste die positronischen Öffnungskodes; die Irisblenden öffneten sich langsam.
Schwere Detonationen erschütterten die Luftschleusen. Gezieltes Feuer schlug den eindringenden Teams entgegen. Der Lärm setzte sich durch die massiven Stahlwände fort und verebbte in der luftleeren Umgebung.
Die Energie der Kampfstrahlen zerfloss blendend auf den Schutzschirmen. Farbschleier breiteten sich aus. Positronische Schranken flammten grell auf, als die Boote in wilden Kurven vorwärts schwebten und sich in die Schwärze der Gebäudefronten stürzten. In unregelmäßigen Abständen zuckten lautlos die Blitze der Einschläge auf. Im Funknetz waren noch immer nur kurze Kommandos und wenige Warnrufe zu hören.
Gratnars Kampfboot schoss vorwärts, zwischen einer Gruppe eskortierender halbrobotischer Geschütze hindurch auf ein rundes Hangartor zu, dessen Segmente sich langsam auseinander zogen. Die Haftminen verströmten ihr flackerndes, vielfarbiges Leuchten. Im Licht, das aus dem Inneren des Hangars drang, sah der Marquis zwischen den Maschinen, Ausrüstungsstapeln und Raumbooten die Stellungen der Verteidiger. Sie hatten sich hinter Mauern aus Containern verschanzt und wehrten sich verbissen.
Kabel, Leitungen und Funkstrecken, umhergeisternde Laserstrahlen und Abwehrschirm-Projektoren waren an vielen Stellen im Scheinwerferlicht zu erkennen. Kämpfer rannten und schwebten umher, griffen einander an, wurden getroffen oder durch Energieschirme geschützt. Als sich die gewaltigen Irisblenden eines Tores geschlossen hatten und riesige Gasmassen ins Kurzzeit-Vakuum einströmten, begann ein Heulen, dessen Lautstärke sich steigerte, bis es vom Lärmen der Schüsse, Detonationen und Energieüberschläge übertönt wurde.
Die ersten Teams hatten die Innenräume jenseits der Hauptschleusen erreicht, wie einige Dutzend winziger Robotkameras dokumentierten. Die Phase, während der sich Gratnars Kommandoeinheiten die Eingänge freisprengten, dauerte länger als eine halbe Stunde – dann zersplitterte die Aktion in ein halbes Hundert einzelner Kämpfe.
Die Verteidiger waren hervorragend organisiert und wehrten sich wie die Rasenden. Die Kapazität der Energiewaffen war einreguliert worden, sodass wenig wirkliche Schäden eintraten. Aber sämtliche Schock-, Lähm- und Paralysewaffen arbeiteten mit voller Kapazität. Wer getroffen wurde, blieb für 24 Stunden bewegungsunfähig liegen.
Geschützplattformen schwebten im Licht von Scheinwerferbatterien durch Korridore und Gänge. Schott um Schott glitt auf, von den Positronik-Spezialisten gewaltsam geöffnet. Luftgefüllte Areale wechselten einander mit Hallen und Magazinen ab, aus denen die Atmosphäre ins All entwichen war. An einigen Stellen gelang das weitere Eindringen in kurzer Zeit, an anderen wurden einzelne Stationen oft länger als eine Stunde umkämpft. Niemand sollte sterben, aber die Kämpfe waren erbarmungslos.
Jede Partei wollte gewinnen. Die versteckte Besatzung – Team Defens-2 – hatte einen Teil der varganischen Technik entschlüsselt und bediente sich ihrer ebenso wie der Lordrichter-Technologie. Erst nach 90 Minuten befand sich der erste Riesenhangar in der Hand der Marquis-Truppen.
Die Innenbeleuchtung flammte auf. Tausend Scheinwerfer beleuchteten die verwüsteten Kampfstätten. An Stellen, wo die Kämpfe entschieden waren, sammelten Medorobots und die Mitglieder einiger medizinischer Teams die Bewusstlosen und die Paralysierten beider Parteien ein und versorgten sie.
Die Kämpfe setzten sich in Korridoren und Mannschaftsquartieren, in Steuerzentralen und Logistikräumen, innerhalb geparkter Raumgleiter und Maschinen für den Containerbetrieb fort. Die Außenbezirke der Sternenstadt waren zwar noch wenig erforscht, aber sie enthielten offensichtlich keine Vorräte und nur wenige Anlagen, die eine varganische Besatzung brauchte.
Aber nahezu jeder Raum war voller varganischer Technik in allen ihren Erscheinungsformen. Schritt um Schritt kämpfte sich das Attacke-Team vorwärts, dicht gefolgt von Mannschaftstransportern, Geschützen, Minenträgern und Munitionsversorgern.
Drei Stunden nach dem ersten Schuss war Gratnar fast überzeugt, dass die Raumbootsbesatzungen die Sieger dieser Übung waren. Die Abwehrgefechte schienen ernsthaft schwächer geworden, der Geländegewinn für Attacke größer zu sein.
Weit hinter Marquis Gratnar begannen die Medo-Teams, unterschiedslos die »Gefallenen« beider Truppen in die Lazarette zu bringen, die im Fuß der Speiche untergebracht waren.
Mannschaften und junge Raumfahrer aus den Golfballraumern versahen den technischen Dienst. Sie versorgten die Kampfanzüge, kümmerten sich um die Waffen und begannen die Schäden an den Raumfahrzeugen mit Bordmitteln auszubessern.
Fünf Stunden und 47 Minuten nach dem ersten Befehl waren sämtliche Stellungen von Team Defens erobert, alle Kommandoeinheiten ausgeschaltet. Die Verluste ließen die Härte der Kämpfe erkennen:
87 Prozent der Zaqoor-Verteidiger waren »ausgeschaltet«. Acht Prozent hatten sich in aussichtsloser Lage ergeben. Fünf Prozent waren während der Kämpfe »gefangen genommen« worden. Die Angreifer hatten mit 69 Prozent »Totalverlusten« einen hohen Zoll entrichtet; nur 29 Prozent, die von keinem Paralysestrahl getroffen worden waren, würden in den Messen und Kantinen der Raumschiffe den Sieg feiern können, und zwei Prozent erlebten die Feier in Hospitalbetten mit, umsorgt von Medorobots. Der Sieg, teuer erkauft, war eindeutig.
Gedanken an Bord der AMENSOON
1. Juni 1225 NGZ
Meine Fingerkuppen strichen über die matt goldfarbene Haut von Kytharas Schulter. Sie hatte die Augen geschlossen und atmete tief und empfindsam, in der Erwartung meiner zärtlich zunehmenden Leidenschaft und der Steigerung ihres eigenen Begehrens.
Diese erregende seidenglatte Goldhaut, dachte ich halb begeistert, halb verwundert, war in Wirklichkeit älter als die Evolutionsgeschichte so mancher Planetenvölker. Abstrus viel älter als die der Terraner, und ich war immerhin der zuverlässigste Zeuge für rund zwölf Jahrtausende von deren Entwicklung.
Die winzigen Hautporen! Die weichen, kurzen, goldfarbenen Härchen! Die seidige Glätte der Epidermis! Wie oft war wohl dieser Körper im Lauf der Jahrtausende verletzt worden?! Schnitte, Prellungen, Risse, Abschürfungen oder Verbrennungen? Verätzungen und die Folgen irgendwelcher Strahlungen – mein Blick suchte silberfarbene Pünktchen auf goldfarbener Haut, wie flirrende Sterne eines Kosmos aus glänzendem Edelmetall? Wie oft hatten sich die obersten Hautschichten erneuert?
Diese drei oder vier Handbreit varganischer Göttinnen-Haut waren für mich wie Folien, von denen jeder Quadratmillimeter die Erlebnisse vieler Stunden, Tage, Monate, Jahre, Jahrzehnte, Jahrhunderte und Jahrtausende unauflöslich und unveränderlich speicherte. Jede Berührung meiner Fingerspitzen würde mir ein Universum fremder Erlebnisse eröffnen. Wenn Kythara die Augen öffnete, überblickte ich in ihrem wissenden Blick die unglaubliche Zeitspanne von fast einer Million Jahren.
Welch eine Frau! Ihre Leidenschaft würde Vulkane kalt erscheinen lassen. Weißes Magma der Erregung, rote Lava der Lust, weiß dampfende pyroklastische Wolken der Erschlaffung – ich würde die Liebesnacht nicht überleben!
Trotzdem wagte ich es, mit meinen Fingern über Kytharas Körper zu streichen, sie zu streicheln und zu versuchen, unsere Beziehung zu einem Verhältnis werden zu lassen; die gegenseitige, oft strapazierte Hochachtung in eine erotische Verbindung zwischen Unsterblichen zu machen.
Kythara stöhnte leise und wisperte Worte, zwischen denen ich meinen Namen zu erkennen glaubte. Mein Extrasinn schwieg. Im bernsteinfarbenen Halbdunkel meiner Kabine in dem goldenen Doppelpyramidenschiff, das sich wieder im Anflug auf diesen verfluchten Mond Vassantor befand, war Kytharas warmer, hüllenloser Körper eine Herausforderung, ein Bild untadeliger Schönheit und ...
Irgendwelche Geräusche störten uns nachhaltig. Ein Summer, schwebende Glockenklänge, das Knistern verschiedener Rufe des insektoiden Wissenschaftlers Gorgh-12 und ein Fiepen und Knarren, das wohl eine Äußerung des Saqsurmaa darstellte. Emion? Unmöglich. Er war verschwunden.
Wache auf, Arkonide! Dein gieriger Traum hat nichts zu bedeuten! Eine Hand voll Tage nach dem virtuellen Treffen mit Ischtar verlierst du dich in erotischen Sehnsuchtsträumen! Auf die Füße! Vassantor voraus!
Die Beleuchtung meiner Kabine flammte auf und riss mich jäh aus dem Schlaf und aus allen meinen Träumen.
Kythara? Verschwunden. Nicht einmal ein goldenes Haar auf dem Laken meiner breiten Liege. Nur ein Traum!
Goldene Haut? Küsse? Leidenschaft?
Mein Unbewusstes hatte aus den vielen Tagen, Nächten und Lichtjahren in der unmittelbaren Nähe der Varganin eine Wunsch-Projektion erschaffen, die im hellen Licht blitzschnell und zwangsläufig zerstob. Vergiss es, Arkonide! Ein Gedanke zuckte durch meinen Verstand, der sich langsam mit der realen Umgebung beschäftigte und wie auf einer schiefen Ebene in die prosaische Wirklichkeit glitt: Hatte Kythara möglicherweise einen ebensolchen, ähnlichen oder ganz anderen Traum geträumt? Womöglich schlaft ihr in einem Jahrtausend oder so tatsächlich miteinander statt nebeneinander!, maßregelte mich der Logiksektor mit beißender Ironie. Aber wenn du jetzt nicht aufpasst, schläfst du bald ewig und mit niemandem mehr. Ihr befindet euch im Anflug auf Vassantor. Du weißt schon: der Mond, auf dem du vor wenigen Tagen nur dank Kytharas Hilfe überlebt hast! Denke daran, Arkonide!
Ich stieß einen Fluch in uralten, spätbabylonischen Worten aus und richtete mich auf.
Natürlich! Ich war allein. Und wie sich nach einem Dutzend Atemzügen herausstellte, ausgeschlafen, gestärkt und unternehmungslustig. Trotz der Erinnerungen an Vassantor, und jede einzelne davon hing als schauerliche, todgefährliche Sequenz in meiner Naherinnerung.
Ich stand auf, duschte lange heiß und kalt, ließ mich massieren und zog mich an. Die Vorstellungen von Kytharas unverletzter Haut und ihrem auf mich gerichteten Begehren wichen, schnell schwächer und bedeutungsloser werdend, wie Kunstgestalten in den Hintergrund der Helligkeit zurück und lösten sich völlig auf.
Der Traum war zerstoben – schneller als die Erinnerungen an die Visionen von Vassantor. Wo das Saqsurmaa sich befand, war kaum zu ahnen. Ich stellte mir Emion mitunter als Bestandteil einer fast endlosen Kette hastig kriechender Raupen mit segmentierten Körpern vor. Prozessionsspinner! Jede Raupe, den Kopf am Hinterteil der Vorgängerin, die auf hundert Stummelbeinen lief, ihrerseits die Sinnesorgane am letzten Segment der Raupe vor ihr, und so weiter und so fort, bis der Anfang der lautlosen Prozession im Riss zwischen den Sternen und einer titanischen Psi-Detonation verschwand.
»Verdammte Varganen!«, murmelte ich und fügte einen ausgesucht obszönen Fluch hinzu, den ich noch aus meiner arkonidischen Jugend her kannte – genauer: aus dem Studium mittelarkonidischer Schriften mit ihren teilweise recht derben Sprachbildern.
Sieben Tage und Nächte nachdem mich Kythara vor dem Tod in den wahnwitzigen Visionen des Mondes Vassantor gerettet hatte, waren wir wieder auf dem Flug dorthin.
Ich schlüpfte in die weichen Bordstiefel und ging ohne Eile in die Hauptzentrale der AMENSOON. Es war noch zu früh, eine umfassende Erklärung aller Vorfälle finden zu können. Ich wusste, dass sämtliche technischen Ortungsschutz-Möglichkeiten aktiviert waren, über die das Varganen-Raumschiff verfügte. Die Generatoren und Projektoren der oberen Doppelpyramide arbeiteten mit hohen Leistungswerten.
Meine Kabine lag in gleicher Höhe mit der Zentrale. Ich ging durch den von blaustichigem Licht ausgeleuchteten Hauptkorridor und war sicher, Kythara und Gorgh in der Zentrale anzutreffen. Der Kardenmogher, während seines Einsatzes schwer beschädigt, hatte sich in eine Hand voll einzelner Module zerlegt und befand sich in einer Lagerhalle nahe der Kante der beiden Oktaederhälften. Einer unserer goldfarbenen Servorobots, die acht Tentakelarme angelegt, schwebte auf seinem Prallfeld lautlos an mir vorbei. Ich sah ihm nach, bis er hinter einem Schott nach links abbog.
Eine Gruppe der AMENSOON-Roboter arbeitete an den beschädigten Modulen des Kardenmoghers.
Wenn man es recht betrachtete, war es heller Wahnsinn, was ich in weniger als einem Monat alles erlebt hatte: Am 5. Mai 1225 Neuer Galaktischer Zeitrechnung war Kythara und mir der sterbende Cappin Carscann begegnet. Vor seinem Tod hatte er mich förmlich angefleht, seinem Volk und seiner gesamten Heimatgalaxis zu helfen. Angeblich drohte Gruelfin eine tödliche Gefahr: Schreckliche Kriege würden dort wüten, das Schwert der Ordnung warte darauf, die »Ernte einfahren zu können«. Wenn die »Lordrichter von Garb« erst erschienen, wären alle Cappins verloren! Außerdem solle die »Quelle« pervertiert werden – und das war es auch schon.
Ich kannte die Cappins, die schon lange in Freundschaft und Treue der Milchstraße verbunden waren, und daher war es für mich selbstverständlich, ihnen beizustehen. Ehe wir aber entsprechend agieren konnten, verschlug uns ein furchtbarer Unfall auf eine merkwürdige Welt: Murloth. Dort befand sich eine der alten varganischen Psi-Quellen, doch diese war pervertiert worden. Ohne dass es uns anfangs so richtig bewusst wurde, waren wir mitten hinein in die Pläne der Lordrichter gestolpert. Und diese bliesen zum Halali auf uns: Mich schienen sie zu kennen – ohne dass ich im Gegenzug etwas über sie gewusst hätte –, und Kythara fürchteten sie, weil sie eine ranghohe Varganin war: denn die Lordrichter schienen in der Milchstraße, besonders in der Southside, tätig zu sein und nach und nach sämtliche varganischen Artefakte, Stationen und Einrichtungen unter ihre Kontrolle zu bringen. Kythara und ich hetzten von Varganenwelt zu Varganenwelt, um die einzige uns bekannte wirkungsvolle Waffe gegen eine Psi-Quelle in die Hände zu bekommen: einen varganischen Kardenmogher. Dabei schlossen sich uns der insektoide Wissenschaftler Gorgh-12, ein abtrünniger Diener der Lordrichter, und das rätselhafte, wurmähnliche Wesen Emion an. Letztlich fanden wir einen Kardenmogher nicht in der wunderbaren Sternenstadt VARXODON – diese war von den Lordrichtern erobert worden –, sondern auf einer in die Primitivität zurückgefallenen Varganenwelt. Auf Vassantor, einer Mondwelt, zu der wir derzeit zurückkehrten, hatten wir einen »Hegnudger« aufgespürt, ohne den der Kardenmogher nicht funktionierte, und uns danach an die Ausschaltung der Psi-Quelle gemacht. Nicht alles war dabei glatt gegangen: Emion war verschwunden und der Kardenmogher schwer beschädigt – und die Macht der Lordrichter war kaum gemindert worden.
Was dabei das Schlimmste war: Wir kannten von unseren Gegnern kaum mehr als Namen. Die beiden Lordrichter Sarkahan und Yirputna hielten sich bei VARXODON auf – und mehr wussten wir nicht.
Wir hatten zwar die Psi-Quelle zerstört, wussten aber nicht viel mehr. Es war, als hätten wir einige Mosaiksteinchen betrachtet; solche, die zusammen ein riesiges, verwirrendes Bild ergeben würden – den eigentlichen Plan der Lordrichter oder des Schwerts der Ordnung.
Ein Gesamtbild von überwältigend kosmisch-geschichtlicher Größe, kommentierte mein Logiksektor. Es ist denkbar, dass Kalarthras zur Erklärung beitragen kann!
Ich verdrängte den Namen sofort und wandte mich unserem Hauptproblem zu: Wer oder was aber waren diese Lordrichter von Garb? Manchmal assoziierte ich mit diesem Begriff Namen aus der Vergangenheit: Garbeschianer beispielsweise. Freilich war das kaum mehr als ein Gedankenspiel: Garb – Garbesch – Garbeschianer. Diese Option war nicht vollkommen unwahrscheinlich, wie mir der Extrasinn bestätigte, aber es gab nichts außer der ähnlichen Lautung, was sie bestätigt hätte. Zumal ihr Auftauchen unmotiviert erschien: Die Garbeschianer waren ein Konglomerat von Hilfsvölkern der negativen Superintelligenz Seth-Apophis gewesen und von dieser vor rund eineinhalb Millionen Jahren erstmals gegen die Milchstraße geschickt worden. Allerdings hatte unserem Wissen nach lediglich das Garbesch-Volk der Laboris in der Milchstraße überlebt, und diese Gefahr war schon vor Beginn der Neuen Galaktischen Zeitrechnung ausgeschaltet worden, ebenso wie vor mittlerweile fast 800 Jahren Seth-Apophis selbst sich aufgelöst hatte. Die Garbesch-Hypothese war also aller Wahrscheinlichkeit nach eine Sackgasse. Was aber konnte sonst hinter den Lordrichtern stecken? Was – welches verdammte Detail – hatte ich übersehen? Hatte ich überhaupt etwas übersehen?
Ich zermarterte mir den Kopf, doch mir wollte partout nichts einfallen.
Vielleicht blockiert dich auch die Angst vor Kalarthras, spöttelte mein Extrasinn. Schließlich hilfst du nicht jeden Tag einem Objekt deiner Lustträume unter Beibehaltung keuscher Verhaltensweisen dazu, seinen Exgeliebten zurückzuholen. Solche Konkurrenz bist du nicht mehr gewohnt, mein Alterchen.
Ich verzichtete darauf, dem Logiksektor eine geharnischte mentale Antwort zukommen zu lassen. Kalarthras!
Was hatte er, das ich nicht hatte? Kythara war fest entschlossen, ihren einstigen Geliebten aus seinem Tiefschlaf aufzuwecken.
Das Problem dabei: Kalarthras »schlief« irgendwo in den varganischen Kavernen Vassantors.
Dort, wo die tödlichen Visionen lauern!, flüsterte der Extrasinn.
Vielleicht lauerte auch das Schwert der Ordnung dort, um mich zu fangen und lebend dem Obersten Lordrichter auszuliefern. Oder die Lordrichter mit ihren Truppen warteten, um Kythara und mich dem Schwert der Ordnung als Beute zu präsentieren. So oder so: Ich war noch immer dagegen, auf Vassantor zu landen.
Gorgh-12 wandte den Kopf, als ich die Zentrale betrat. Seine blicklosen Facettenaugen spiegelten das überscharfe Licht über den Schaltpulten ebenso wie die Farben der Holos. Die Spitzen seiner Klauen-Endglieder tickten auf Schaltfeldern oder betätigten über den Pulten die Schieberegler. Kythara saß im Pilotensessel und nickte mir zu.
»Ich weiß, dass unser Ortungsschutz ein wahres varganisches Wunderwerk ist«, sagte ich, setzte mich und sah mich um. Wir hatten etwa in dem Augenblick, als mein Traum sich in der kühlen Kabinenluft auflöste, den Hyperraum verlassen. »Trotzdem: Wie viele Schiffe der Lordrichter erwarten uns?«
Gorgh antwortete an Kytharas Stelle: »Wir haben nicht ein einziges Wachschiff orten können.«
»Ich kann nicht glauben«, sagte ich und betrachtete die Einzelheiten des riesigen Ortungsholos, »dass die Lordrichter keine Falle aufgebaut haben sollen.«
»Ich auch nicht. Aber wir nehmen sie zumindest nicht als solche wahr. Wir bleiben allerdings misstrauisch und werden uns Vassantor nur mit größter Vorsicht nähern, Atlan«, erklärte Kythara, die wachsam im Pilotensitz saß und sich über das umfangreiche Schaltpult beugte.
Sie war ebenso unruhig wie Gorgh und ich. Niemand erwartete, dass die Bergung Kalarthras', der nach Meinung Kytharas tatsächlich innerhalb oder unterhalb der Kraterruinen seit Urzeiten in Stasis lag, mit einem schnellen, problemlosen Vorstoß durchzuführen war.
Das Holo und die Panoramagalerie zeigten in einigen Lichtminuten Entfernung die kleine weiße Sonne. Die riesige Bahnellipse, auf der sich der Mond Vassantor bewegte, war eingeblendet. Vassantor hatte sich seit unserer Flucht vor sechs Tagen ein Stück näher an die Sonne heranbewegt.
»Auch wenn uns noch keine Armada erwartet, ist und bleibt es ein gefährliches Unterfangen«, sagte Gorgh. Seine Mandibeln bewegten sich aufgeregt. Die Endgelenke der Klauen zuckten und raschelten.
»Ich weiß«, sagte Kythara. »Ich arbeite gerade mit dem Massetaster.«
Sie beugte sich zu mir herüber und legte ihre Finger auf mein Handgelenk. Es sollte eine beruhigende Geste sein, aber von ihren Fingerspitzen schienen winzige elektrische Entladungen zu züngeln. Ich holte tief Luft und verdrängte jeden Gedanken an meinen Traum. Die Station auf Vassantor schien unbeschädigt zu sein, wie die Ortung bewies. Ich setzte mich zurecht, lehnte mich zurück und lockerte meine Verkrampfung. Schweigend wartete ich Kytharas nächste Untersuchungen ab. Unsere Unruhe war kein Beweis für eine Falle, aber selbst der Logiksektor hielt die Anwesenheit von Suchschiffen für höchst wahrscheinlich.
Schließlich wandte sich Kythara völlig zu mir um und sagte: »Ich habe noch keinen Kontakt zum Zentralrechner schaffen können. Die Ergebnisse der Massetaster sind klar. Kein Irrtum möglich; weder in der Fernnoch in der Nahortung. Ich kann auch keine Beschädigungen der Mondoberfläche erkennen. Aber ich werde mein Vorhaben durchführen.«
»Du weißt, dass ich davon nichts halte«, erwiderte ich und merkte, dass meine Stimme einen Ausdruck der Gereiztheit angenommen hatte. »Du solltest zumindest keine Eile zeigen.«
»Ich habe keine Eile.«
Auch sie war aufgeregt, aber hatte ihre Reaktionen völlig unter Kontrolle. Aber ich bemerkte die Schatten, die über ihr schmales Gesicht huschten. Ich deutete auf die Panoramagalerie, dann auf das Ortungshologramm vor uns. Kythara nickte.
Ich sagte scharf: »Rundum-Ortung bitte! Und nichts vom eigenen Anti-Ortungsfeld aufgeben.«
»Ich bin kein Anfänger!« Die Finger der Varganin huschten über Tasten und Kontaktfelder. »Und ich gehe kein Risiko ein, wenn wir Kalarthras befreien!«
»Wir? Kalarthras? Befreien?«, fragte ich sarkastisch. Sie lächelte sehr kühl.
»Ja. Du, Atlan, und ich, Kythara, werden Kalarthras aus seinem endlosen Schlafzyklus befreien. Er wird ein überaus nützlicher Verbündeter sein.«
Verbündeter, wiederholte der Extrasinn süffisant. Wenn du das auch nur eine Sekunde lang als ihr Hauptmotiv annimmst, bist du ein noch weitaus größerer Narr, als ich jemals befürchtet habe.
Ich knurrte nur, was Kythara offensichtlich als Zustimmung interpretierte. »Wir nehmen ein paar wirkungsvolle Waffen mit, keine Sorge. Hier sind die Ergebnisse der Rundum-Ortung ...«
Schweigend musterten wir die Holoprojektionen. Wir sahen nichts anderes als die kosmische Umgebung in vielfältiger, wechselnder Wiedergabe. Aber weder in der Nähe des winzigen Mondes noch entlang seiner Bahn, weder im Ortungsschutz der Sonne noch im leeren Raum gab es einen anmessbaren Fremdkörper. Weder Taster noch Orter lieferten ein Indiz auf das Vorhandensein eines Raumschiffs. Langsam setzte sich der varganische Oktaeder-Raumer wieder in Bewegung. Die Impulstriebwerke liefen wispernd an. Kythara setzte die Leistung der Generatoren herauf: Nach wie vor befanden wir uns im vollen Schutz der Anti-Ortungs- und der Tarnfelder.
Der Kurs stand fest: Vassantor.
Seit das Saqsurmaa Emion spurlos verschwunden war, sich buchstäblich entmaterialisiert hatte, nachdem es die Energien des Psi-Potenzials aufgesogen hatte, stellten wir drei die gesamte lebende Besatzung des Varganen-Raumers dar. Zwar genügte eine Person, um die AMENSOON zu steuern, aber weder Gorgh noch ich vermochten das Schiff so souverän zu lenken wie Kythara.
Nachricht der Lordrichter
1. Juni 1225 NGZ
Im ersten Licht der Kunstsonne, knapp zehn Stunden nachdem Gratnar den Transmitter betreten hatte, verließ er das Gerät, das noch im Schatten der Wohngebäude lag. Er hatte jedem »Überlebenden« mit kurzen Worten seinen Stolz ausgesprochen und versichert, dass bei den Siegern, aber auch den Verlierern etliche Dutzend Beförderungen anstanden. Er sah dem davonschwirrenden Gleiter nach und benutzte das Gerät, das ihn in seinen Arbeitsraum zurücktransportierte.
Stille, Halbdunkel und kühle Luft empfingen ihn.
Er ließ sich von zwei Robotern aus dem verschwitzten Raumanzug helfen. Die Energiereserven des Kampfanzugs pendelten vor der Null-Marke; Gratnar fühlte seine Erschöpfung und brauchte Ruhe und Schlaf – und Scanibis sanfte Hände. Seine Waffenmagazine waren leer. Er dehnte die Muskeln, ignorierte die Müdigkeit und kontrollierte eine Stunde lang den Zustand der Kampfplätze und des Waffenmaterials, bevor er nacheinander die Holos, Anzeigen und Bildschirme des Kommandoraums abschaltete.
Ächzend stand er auf. Flüchtig dachte er wieder an Scanibi. In seinem Kopf schienen noch immer zwei Armeen miteinander zu kämpfen. Bohrende Schmerzen pochten hinter den Schläfen. Ein schweres Schott vor seinen Privaträumen, mit unentzifferbaren varganischen Mustern verziert, öffnete sich und schloss sich hinter ihm.
Stille. Kühle. Private Umgebung, nur auf ihn abgestimmt. Gratnar setzte sich, streckte die Beine aus und befahl einem Servo, ihn mit einem Becher Aufbaugetränk und einem großen Glas Würzalkohol zu versorgen. Während er abwechselnd aus dem einen und dem anderen Gefäß trank, wanderten seine Blicke über die karge Dekoration des halbdunklen Raumes.