144 Seiten mit 61 Abbildungen
Titelbild: Pula. Amphitheater (oben: Blick auf Fassadenmauer vom Inneren der Arena, unten: Durchblick)
Abb. S. 4: Motovun. Impression am Abend
Abb. S. 10: Pula. Das Amphitheater bei Nacht. Blick vom Hafen
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet
über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2014 by Nünnerich-Asmus Verlag & Media, Mainz am Rhein
ISBN 9783943904857
Gestaltung: Noch & Noch GbR Satz- und Reprotechnik
Lektorat: Frauke Itzerott
Gestaltung des Titelbildes: Manuela Wirtz, Kommunikationsdesign
Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf fotomechanischem Wege (Fotokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen oder unter Verwendung elektronischer Systeme zu verarbeiten und zu verbreiten.
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2014
Weitere Titel aus unserem Verlagsprogramm finden Sie unter:
www.na-verlag.de
Cover
Titel
Impressum
Vorwort
Istrien – ein geografischer Überblick
Historischer Überblick
Die Westküste Istriens
01 Triest – eine Metropole mit besonderem Charme
02 Muggia – eine Kleinstadt, die einst Waffenschmiede war
03 Koper (Capo d’Istria) – das Verwaltungszentrum der Venezianer in Istrien
04 Izola (Isola) – ein romantischer Ort an der Küste Sloweniens
05 Piran (Pirano) – eine Perle der Adria
06 Savudrija (Salvore) – der älteste Leuchtturm Kroatiens
07 Umag (Umago) – eine Kleinstadt mit Tradition
08 Novigrad (Cittanova) – wo Franken und Venezianer ihre Spuren hinterlassen haben
09 Lorun – war vielleicht auch Nero hier?
10 Červar Porat – ein moderner Badeort mit antiker Tradition
11 Poreč (Parenzo) – das Leben mit einem Weltkulturerbe
12 Vrsar (Osera) – auch Casanova liebte es
13 Sveti Lovreč (San Lorenzo del Pasenatico) – eine Reise in das Mittelalter
14 Dvigrad (Duecastelli) – beeindruckende Ruinen und ein Piratenschatz?
15 Rovinj (Rovigno) – eine Stadt ganz im Zeichen einer Heiligen
16 Monkodonja – ein Mykene Istriens
17 Karaštak – eine bedeutende vorgeschichtliche Höhensiedlung
18 Maklavun – Luxus für das Leben nach dem Tod
19 Bale (Valle) – Oliven, Wein und mehr
20 Peroj – fast nur eine Randnotiz
21 Vodnjan (Dignano) – Mumien und Reliquien
22 Betiga – römische Villen und frühes Christentum
23 Pula (Pola) – Leben in eindrucksvoller Kulisse
24 Brijuni (Brioni) – Insulae Pullariae: Luxus-Resorts der Antike
25 Barbariga – Sonnenstrand und antiker Wohlstand
26 Nesactium – die archäologische Ausgrabung Istriens
Die Ostküste Istriens
27 Medulin (Medolino) – vom Fischerdorf zur Touristenhochburg
28 Vižula (Isola del Vescovo) – wo ein römischer Kaiser residierte
29 Mutvoran (Momarano) – eine Stadt im Zeichen der Renaissance
30 Plomin (Fianona) – die verwunschene Stadt
31 Labin (Albona) – eine Perle Istriens
32 Lovran (Laurana) – Leben im Lorbeer
Das istrische Binnenland
33 Buje (Buie d’Istria) – die größte Stadt im Nordwesten Istriens
34 Buzet (Pinguente) – eine wehrhafte Stadt
35 Oprtalj (Portole) – ein beschaulicher Ort im Mirna-Tal
36 Motovun (Montona) – eine Stadt bekannt für Trüffel
37–38 Hum und Roč – Zentren altslawischer Kultur
39 Beram (Vermo) – Meisterwerke mittelalterlicher Malerei
40 Pazin (Pisino) – eine Schlucht und die heutige Politik
Glossar
Abbildungsnachweis
Weitere Bücher
Denkt man heute an Istrien, so verbindet man diese Region am Adriatischen Meer fast automatisch mit deren kroatischem Teil. Über Jahrzehnte hinweg war es neben anderen Küstenabschnitten an der Adria ein überaus beliebtes Ziel für deutsche Touristen, die Sonne, Strand und unberührte Natur, aber auch die Gastfreundschaft der Einheimischen zu schätzen wussten. Viele werden schöne Erinnerungen an unbeschwerte Urlaubstage haben. Diese Traumwelt ging kurzfristig unter, als Jugoslawien, zu dem Istrien nach dem Zweiten Weltkrieg weitgehend gehörte, zerbrach.
Bei einer internationalen Tagung zur Provinzialrömischen Archäologie, die 2003 in Zagreb stattfand, lernte der Autor das reiche archäologische und historische Erbe Istriens kennen. Im Laufe der Jahre – nachdem schon 2005 eine Monografie zum römischen Pula entstanden war – kam der Gedanke, sich erneut mit der Geschichte und Kultur dieser eindrucksvollen Landschaft zu beschäftigen. Eine darüber hinausgehende Publikation wäre zu umfassend geworden, um einem Reisenden als „Lesebuch“ und als „Führer“ zu dienen. Selbst in Istrien musste eine Auswahl getroffen und einige Orte recht knapp beschrieben werden, während andere Stätten doch erheblich umfangreicher zu behandeln waren. Dies mag zu einem Teil an den Neigungen des Autors liegen, zum anderen aber auch daran, dass es oft kleine Orte sind, in denen nur wenige, aber dann wichtige Denkmäler existieren. Den einen oder anderen Ort wird der Leser vielleicht vermissen, den er aus anderer Reiseliteratur oder aus den touristischen Angeboten kennt. Dies liegt daran, dass diese Orte insgesamt sehr modern sind und so kaum etwas an archäologischen Stätten oder historischer Bedeutung bieten.
Während des Schreibens stellte sich immer wieder heraus, dass es in der Forschung hinsichtlich der Datierungs- und Deutungsfragen Unterschiede gibt. Wie diese zustande gekommen sind, lässt sich heute oft nicht mehr nachvollziehen. An dieser Stelle ist es weder gewollt noch möglich, wissenschaftliche Diskussionen anzustoßen oder diese darzustellen, zumal es bei Veröffentlichungen dieser Art üblich ist, auf einen kritischen Apparat zu verzichten. Die Literaturangaben versuchen aber demjenigen Leser, der in die Tiefe gehen möchte, die Möglichkeit zu bieten, selbst etwas zu dem einen oder anderen Thema nachzulesen. Oft stößt man hier an Grenzen, weil wichtige Ausgrabungen und Denkmäler nur in der jeweiligen Landessprache veröffentlicht sind.
Bedenkt man, dass Istrien eine Region ist, so liegt es nahe, einen Überblick über Geografie und Geschichte zu geben. Besonders im Bereich der Geschichte wiederholen sich Grunddaten an einzelnen Orten immer wieder. Ein ständiges Repetieren von Fakten würde den Leser nur langweilen. Daher werden bei den behandelten Stätten vor allem die wichtigen lokalen Daten erwähnt. Liegen keine weiteren Angaben vor, oder sind diese knapp gehalten, so greift immer die regionale Geschichte.
Aufgrund historischer Ereignisse gibt es zwischen Istrien und Italien eine intensive kulturelle Verbindung. Für viele Orte und Regionen haben sich daher sowohl die slowenischen bzw. kroatischen als auch die italienischen Namen eingebürgert. Die angegebenen Anschriften und Telefonnummern folgen den Angaben auf den Websites der entsprechenden Museen oder Kommunen, weil diese den jeweils aktuellen Stand widergeben. Darüber hinaus sind dort auch die genauen Öffnungszeiten zu finden.
An dieser Stelle sei auch J. Eingartner (Augsburg) und M. Sprungala (Dortmund) gedankt, die in Gesprächen Anregungen gaben und großzügig Bildmaterial zur Verfügung stellten.
Geografisch gesehen ragt die Istrische Halbinsel, deren Name sich vom Volk der Istroi oder Histri ableitet, in der Form eines Dreiecks weit in das Adriatische Meer hinein. Im Westen wird sie begrenzt durch den Golf von Triest; im Osten bildet die Kvarner Bucht (Quanero) die Grenze. Ein Blick auf die Karte, welche die moderne Staatenwelt zeigt, verdeutlicht, dass sich Istrien heute im Wesentlichen auf die Territorien Sloweniens und Kroatiens erstreckt, aber auch Italien einen Anteil daran aufweist. Streng genommen bildet der Rio Ospo die genaue geografische Grenze Istriens, sodass die Stadt Triest nicht mehr dazu zählen würde. Aber die historischen Umstände sprechen für eine entsprechende Zuordnung, weil das Territorium des antiken Tergeste bis tief nach Istrien hinein reichte. Darüber hinaus gelangte die Zone um Triest erst in den 50er-Jahren des letzten Jhs. nach einem Teilungsabkommen zu Jugoslawien. Daher wäre es fahrlässig, wollten wir uns nur mit dem kroatischen Teil beschäftigen, auch wenn sich hier der weitaus größte Teil der behandelten historischen und archäologischen Stätten befindet. (Karte S. 8).
Die Fläche der Istrischen Halbinsel wird in der Literatur mit erheblichen Unterschieden angegeben: Sie schwankt von 3.160 km2 bis 4.437 km2. Um dies in eine Relation zu setzen: Das Saarland und Berlin weisen zusammen eine Fläche von rund 3.421 km2 auf. Die abweichenden Flächenangaben lassen sich wohl durch die unterschiedliche Interpretation Istriens erklären. Man kann von Istrien als geografische Bezeichnung oder im Sinne einer historischen Region sprechen, die dann eine größere Fläche meint. Spricht man hingegen von einem politischen Istrien, so ist damit nur das kroatische Komitat dieses Namens gemeint.
Die niedrige Felsküste ist durch zahlreiche geschützte Buchten gegliedert, die in ihrem Erscheinungsbild durchaus verschieden sein können: So gibt es breitere Buchten wie die von Muggia oder von Koper. Andere Buchten hingegen muten wie nordische Fjorde an, ohne es aber zu sein, weil ein Fjord durch Gletscher in die Landschaft eingetieft und dann erst überflutet wurde. Die Buchten an der istrischen Küste sind z. T. auf eine andere Art entstanden. Als Beispiel lässt sich der zwischen Vrsar und Rovinj gelegene 12 km lange und bis zu 30 m tiefe Limski-Kanal (Limski zaljev) mit seinen steilen, von dichter Vegetation bedeckten Wänden anführen (Abb. 1). Hier handelt es sich um den Unterlauf des Fojba-Trockentals, das nach der letzten Eiszeit (vor rund 20.000 Jahren) aufgrund des gestiegenen Meeresspiegels überflutet wurde. Dazu kommt, dass sich die Westküste um 1 mm pro Jahr absenkt. Genauer betrachtet ergibt dies eine Absenkung von 1 m in 1.000 Jahren. Daher sind viele antike Denkmäler, die ursprünglich unmittelbar an der Küste lagen, heute im Meer verschwunden. Dank der modernen Unterwasserarchäologie können sie aber erforscht werden und der Besucher kann die Ruinen oft im glasklaren Wasser der Adria vom Ufer aus sehen. Mit den zahlreichen vorgelagerten Inseln hat sich die Küstenregion zu einem Zentrum des Tourismus entwickelt, auch wenn die Strände von Feinkies und Felsen geprägt sind.
Geologisch ist Istrien in drei Zonen gegliedert, die in der Region um Pazin (s. S. 136) aufeinander treffen. Der nördliche Teil der Halbinsel besteht aus Kalkstein. Seinem Erscheinungsbild in der Landschaft verdankt die Region den Namen „Weißes Istrien“. Diesem Teil Istriens wird ein felsiges Hochplateau mit dem Namen Ćićarija zugerechnet. Der Name leitet sich von dem einer istrorumänischen Bevölkerungsgruppe ab, die auf Kroatisch Ćići genannt wird. Auf dem Hochplateau findet sich nur eine karge Vegetation.
Eine grundlegend andere Struktur als der nördliche Teil Istriens zeigt der zentrale Bereich der Halbinsel, der von einer hügeligen Landschaft bestimmt und von den Flüssen Rižna (Formio), Dragonja (Dragogna) und Raša (Arsa) durchzogen wird. Die geologische Grundlage bilden Mergel und Tonschiefer mit Sandsteineinlagerungen. Diesen Materialien verdankt die Region den Namen„Graues Istrien“.
Zwischen dem„Grauen Istrien“ und der Westküste liegt der letzte Teil der Halbinsel, der sich geologisch deutlich von den anderen Teilen abhebt. Die hier vorkommende Erde, bei der es sich um die Verwitterungskrume des anstehenden Gesteins handelt, zeigt eine rote Farbe, die zu einer analogen Namensgebung als„Rotes Istrien“ geführt hat und den größten Teil der istrischen Halbinsel ausmacht. Die höchste Erhebung in dieser Zone ist im Učka-Gebirge der Vojak mit einer Höhe von 1.401 m.
So unterschiedlich sich die Landschaft Istriens geologisch darstellt, so unterschiedlich ist auch die Vegetation. In der Antike war Istrien dicht bewaldet. Im Laufe der Jahrhunderte wurde der Wald jedoch abgeholzt, weil das Holz ein unentbehrlicher Rohstoff für den Bau von Häusern und Schiffen war. In einigen Regionen haben sich jedoch größere Waldbestände mit Buchen, Kastanien oder Eichen erhalten. Bei den Küstenregionen und den Tälern handelt es sich heute um Kulturland, auf dem Landwirtschaft betrieben werden kann. Von Bedeutung ist dabei die Produktion von Olivenöl und Wein – Produkte, die schon in der Antike von Bedeutung waren (Abb. 2). In den höheren Lagen ist bestenfalls noch Viehwirtschaft möglich.
Blickt man auf das Klima Istriens, so zeigt sich, dass dieses zweigeteilt ist. An der Küste kann man es als mildes, mediterranes bezeichnen; im Gegensatz dazu herrscht im Landesinneren, in den höheren Lagen, ein raues, submediterranes Klima vor.
Zur Geografie gehört auch die Frage nach der Besiedlung Istriens. Für den kroatischen Teil, der im Komitat Istrien zusammengefasst ist, liegen verlässliche Daten vor, während für die anderen Teile Istriens verschiedene regionale Zuordnungen existieren, die Aussagen zur Besiedlung erschweren.
Im kroatischen Teil Istriens gibt es insgesamt zehn Städte, 31 Gemeinden und 656 Siedlungen. Wie schon in der Antike liegen die meisten Städte und größeren Gemeinden an der Küste, bei denen der Hafen das Erscheinungsbild des Ortes prägt. Im Landesinneren hingegen bilden die zahlreichen Bergstädtchen eine einzigartige Kulturlandschaft.
Sicher lässt sich das Land mit der reizvollen Landschaft und romantischen kleinen Städten gut mit dem Auto erkunden. Die kurzen Strecken, die in Istrien bewältigt werden müssen, erlauben es, von einem Standort aus zahlreiche sehenswerte Städte zu erreichen.
Aber weil die bedeutendsten Orte der Halbinsel über Jahrhunderte hinweg von der See aus zu erreichen waren, ist es immer wieder ein Erlebnis, diesen althergebrachten Weg zu wählen und sich so in längst vergangene Zeiten zurückzuversetzen. Wer das Abenteuer einer Segeltour – dazu sollte man auch einigermaßen seefest sein – nicht wagen möchte, kann immer noch mit einer Fähre zahlreiche Häfen erreichen. So ist man etwa in wenigen Stunden von Triest aus in Pula.
M. Zaninović, Küste, Gebirge und Binnenland – ein Leben in geographischen Gegensätzen, in: M. Sanader (Hrsg.), Kroatien in der Antike (2007) 11 – 15; DNP V (1998) 644, s. v. Histria. Histri (M. Šašel Kos); D. Alberi, Istria. Storia, arte, cultura (1997) 109 – 114.
Bei der Betrachtung der wechselvollen Geschichte Istriens wird man immer wieder feststellen können, dass es sich um Geschichte handelt, die weit über die Region hinausreicht. Die meisten Leser wissen um die Herrschaft der Donaumonarchie über Istrien und Oberitalien. Was aber heute in den Schulen kaum noch vermittelt wird, betrifft etwa die Rolle der römisch-deutschen Könige und Kaiser in Istrien. So wird ein Blick auf dessen Geschichte auch ein Blick auf unsere eigene Vergangenheit.
Istriens spannende Geschichte beginnt dort, wo man eigentlich noch nicht von Geschichte sprechen kann. Die ältesten menschlichen Spuren stammen nämlich aus dem Paläolithikum, der Altsteinzeit, also einer Phase, die wir der Vor- und Frühgeschichte zurechnen.
Das Paläolithikum spiegelt sich in mehreren bedeutenden Fundplätzen auf der Istrischen Halbinsel wider. Unter den vielen geheimnisvollen Höhlen Istriens, die als Naturdenkmäler bezeichnet werden können, nehmen zwei eine wichtige Rolle ein. Dabei handelt es sich um die Romuald-Höhle am Limski-Kanal und die Šandalija-Höhle, ganz in der Nähe Pulas gelegen. In der Romuald-Höhle, die in Gruppen besichtigt werden kann und heute aufgrund ihrer Fledermauspopulation unter Naturschutz steht, fanden sich Werkzeuge aus Feuerstein und Knochen von mehr als 40 Tierarten, die gejagt wurden. Der Šandalija-Höhle kommt aber vielleicht noch eine größere Bedeutung zu, weil hier neben vergleichbaren Funden zur Romuald-Höhle auch menschliche Überreste aufgedeckt wurden, die mit naturwissenschaftlichen Methoden datiert werden konnten. Das Knochenmaterial aus der tieferen, also älteren Schicht weist ein Alter von 28.000 Jahren auf, während die Knochen aus der höheren, jüngeren Schicht nur 12.320 Jahre alt sind.
Aufgrund der überregionalen Bedeutung sind die meisten dieser Funde in das Geologisch-Paläontologische Institut der Kroatischen Akademie der Wissenschaften nach Zagreb gebracht worden. Im Archäologischen Museum Istriens in Pula (s. S. 94) können heute nur wenige Objekte gezeigt werden, wie die dortigen Kollegen bedauern.
Vom Paläolithikum zum Neolithikum ist ein großer zeitlicher Sprung; das Neolithikum wird in die Zeit von 6000 – 2000 v. Chr. datiert. Für die Menschheitsgeschichte ist diese Phase von großer Bedeutung, weil hier der Übergang von der Existenz des Jägers und Sammlers zum Ackerbauern und Viehzüchter stattfand. Gerne spricht man daher auch von der „Neolithischen Revolution“, auch wenn der Begriff den Kulturwandel nicht ganz trifft. Eine Revolution setzt einen radikalen und plötzlichen Umbruch voraus. Der neolithische Mensch veränderte eher durch das Beobachten der Natur und die daraus entstehenden Erkenntnisse seine Umwelt. Begleitet wurde dieser Prozess durch erhebliche Verbesserung der Handwerkskunst. So entstanden etwa fein polierte Äxte und Hämmer aus Stein.
Aber auch Keramik, häufig durch Ornamente geschmückt, wurde in größerem Umfang angefertigt. Vergleicht man diese Art von Keramik, die bei einer Reihe von Fundstätten (z. B. Medulin, Vižula oder Verudica) gefunden wurde, mit solcher von anderen Fundplätzen im Mittelmeerraum, so lässt sich erkennen, dass es schon im Neolithikum einen Kulturaustausch gab.
Zwischen dem Neolithikum und der Bronzezeit hat die Forschung eine Übergangsphase erkannt, die als Äneolithikum bezeichnet wird. Für Istrien kennzeichnend ist dabei das Vorkommen von Keramik aus dem dalmatischen Raum; daneben findet sich aber auch eine neue Keramikart, die bis nach Oberitalien nachgewiesen ist.
Zu den Lebenswelten der Menschen in Istrien während des Äneolithikums ergibt sich ein durchaus erstaunliches Bild: In einer Reihe von Höhlen – etwa Cingarela, Vešanska Peć oder Pečine – gab es Spuren, die auf eine dauerhafte Nutzung als Wohnraum hindeuten. Daneben existierten aber auch Grubenhäuser, Bauten, die teilweise in den Boden eingetieft waren.
Ein grundlegender kultureller Wandel sollte sich zu Beginn des 2. Jts. v. Chr. vollziehen. Von Kleinasien aus wanderten indoeuropäische Völker in die Balkanregion ein. Sie brachten ein Material mit, das der Epoche ihren Namen geben sollte: die Bronze. Mit ihrer Ankunft erreichte aber auch neues, sich in vielfältiger Weise zeigendes Gedankengut Istrien und die angrenzenden Gebiete.
Prägend für die Kultur der Bronzezeit (1800 – 1000 v. Chr.) war im gesamten istrischen Raum die Siedlungsform. Auf Hügeln, die strategisch günstig lagen, entstanden Siedlungen, die als Castelliere oder Gradine bezeichnet werden. In Istrien konnten bislang rund 400 dieser Orte nachgewiesen werden. Viele der heutigen Städte stehen auf solchen Siedlungsplätzen. Die Antwort auf die Frage, ob sich aus dieser Zahl eine hohe Siedlungs- oder Bevölkerungsdichte erschließen lässt, darf als problematisch bezeichnet werden, weil zwei Aspekte berücksichtigt werden müssen. Grundsätzlich ist einmal zu fragen, ob alle Castelliere überhaupt zeitgleich bestanden. Zum anderen muss dem Umstand Rechnung getragen werden, dass eine Reihe dieser Orte lediglich als Fluchtburgen diente, während andere dauerhaft bewohnt waren. Sicher eine der am besten untersuchten Castelliere ist die Siedlung von Monkodonja (s. S. 71), die nie überbaut wurde und so ihren prähistorischen Zustand zeigt.
Ein wichtiges architektonisches Element der Castelliere ist die Befestigung. Diese konnte recht unterschiedlich ausfallen: In der Siedlung Gradine auf Brijuni (s. S. 96) konnten etwa mehrere Ringmauern beobachtet werden, während sich in Marzula nur eine Verteidigungslinie fand. Daneben gab es aber auch Siedlungen, die nur durch Abschnittsbefestigungen geschützt waren.
Die Höhenlage brachte für die Siedlungen aber noch ein anderes Charakteristikum mit sich: Abhänge in ihrer natürlichen Form ließen sich nur schlecht bebauen. So musste man durch intensive Arbeiten Terrassen schaffen. Ein Nebeneffekt dieser Maßnahmen war, dass mit dem abgetragenen Steinmaterial zugleich auch das Baumaterial für die Befestigungen und für Gebäudefundamente gewonnen wurde. Aus der Verteilung der Castelliere lässt sich aber auch etwas zur Gesellschaftsstruktur der Bronzezeit ablesen. Es existierten wohl Zentralsiedlungen, die als Mittelpunkte von Stammesgesellschaften verstanden werden könnten.
Bei den meisten dieser Siedlungen wurden auch die Nekropolen nachgewiesen, in denen man die Toten als Körperbestattungen mit verschiedenen Beigaben in Tumuli beisetzte. Dabei handelte es sich um Einzel- oder Familiengräber. Dass es durchaus aufwendige Gräber sein konnten, zeigt etwa das „Tholos-Grab“ auf dem Maklavun (s. S. 75), das zugleich auch auf wirtschaftliche und kulturelle Verbindungen zu den Metropolen der damaligen Zeit – etwa Mykene mit seinen gewaltigen Mauern und dem berühmten Löwentor – hinweist.
Eine weitere gravierende Veränderung sollte am Ende des 2. Jts./Anfang des 1. Jts. v. Chr. erfolgen. Von Osten her drangen erneut fremde Völker in die Region ein. Die Periode wird als Eisenzeit bezeichnet, die sich in zwei Phasen unterscheiden lässt. Sie beginnt mit der älteren Eisenzeit, die von 1000 – 400 v. Chr. datiert werden kann. Entsprechend wird die jüngere Eisenzeit ab dem 4. Jh. v. Chr. bis zur römischen Besetzung Istriens angesetzt.
Der Prozess der Landnahme in der älteren Eisenzeit ist recht schwierig zu deuten, weil offenbar eine Reihe von Höhensiedlungen, die die Kultur der Bronzezeit geprägt hatten, zerstört wurde, während andere Siedlungen fortbestanden. Erschwert wird die Beurteilung dieses Bruches durch das geringe Vorkommen von Funden aus Bronze, Eisen oder Schmuck. Dies lässt sich aber damit erklären, dass Gegenstände aus Metall, wenn sie defekt waren oder nicht mehr gebraucht wurden, eingeschmolzen und zu neuen Gegenständen verarbeitet wurden.
Die größte Veränderung, die sich beobachten lässt, betrifft die Friedhöfe oder eher die Bestattungsbräuche. Gab es in der Bronzezeit überwiegend Körperbestattungen, so wurden nun Brandbestattungen zur Regel. Die Nekropolen waren innerhalb der Höhensiedlungen angelegt. Exemplarisch sei auf Limski gradina verwiesen: Hier wurden 74 Urnengräber freigelegt. Ein anderes Bild zeigt die Nekropole von Nesactium (s. S. 104). Neben Urnengräbern gab es auch einfache Brandschüttungsgräber, d. h. die Asche wurde ohne Urne in das Grab gegeben.
Dass es während der Eisenzeit insgesamt intensive Verbindungen zur Mittelmeerwelt gab, belegen die zahleichen Funde von Keramik, die aus dem unteritalischen Bereich (Apulien) oder sogar aus dem griechischen Mutterland (etwa Athen) stammen. Ein Prunkstück ist z. B. eine schwarzfigurige attische Oinochoe, die um 490 v. Chr. datiert wird. Die Vase, heute im Archäologischen Museum in Pula, zeigt einen Krieger auf einer Quadriga.
Die jüngere Eisenzeit in Istrien lässt sich mit der Latène-Zeit gleichsetzen, die ihren Namen von dem Fundort Latène am schweizerischen Neuenburger See herleitet. Kulturträger waren dabei die Kelten, die in der antiken Überlieferung als unzivilisierte, ja zivilisationsfeindliche Barbaren gesehen wurden. Wann genau die Kelten auf der Istrischen Halbinsel siedelten, kann aufgrund der Funde bisher nicht sicher bestimmt werden. In der Diskussion stehen das 4. oder 3. Jh. v. Chr.
Die keltische Präsenz spiegelt sich aber sicher wider in typisch keltischen Fibeln, von denen nur relativ wenige gefunden wurden, und Keramik. Daneben sind es vor allem aber Ortsnamen und Namensinschriften mit keltischen Wurzeln, die sich auch noch auf römischen Denkmälern finden.
Für den Verlauf der weiteren Geschichte Istriens müssen wir aber noch einmal kurz auf die ältere Eisenzeit zurückblicken. Bislang war recht anonym von der Bevölkerung gesprochen worden. Aber seit dem 6. Jh. v. Chr. kann man hier von den Istroi oder Histri sprechen. Die älteste Erwähnung stammt von Hekataios von Milet (ca. 560 – 480 v. Chr.), dessen historische und geografische Werke in zahlreichen Fragmenten erhalten sind.
Begrenzt war das histrische Siedlungsgebiet im Norden durch die Veneti, den Iapodes im Nordosten und den Liburni im Süden und Südwesten. Nach Norden hin waren außerdem Grenzen durch die keltischen Carni gesetzt. Zentren der Histrier waren Nesactium (s. S. 104), Mutila (s. S. 110) und Faveria, ein Ort, der bis heute nicht lokalisiert werden konnte.
Der Name Histrier, wie er heute allgemein gebräuchlich ist, muss aber als Sammelname für eine Reihe von Stämmen verstanden werden, die der ältere Plinius (23/4 – 79 n. Chr.) erwähnt. Lokalisiert werden können etwa die Fecusses im Hinterland von Pula und die Rundictes im Norden.
Die Histrier, die vorzugsweise an der Küste lebten, sahen auch in der Piraterie einen überaus lukrativen Erwerbszweig, der vor allem die römischen Seewege bedrohte. So kam es von römischer Seite schon 221 v. Chr. zu den ersten militärischen Operationen.
Der Zweite Punische Krieg (221 – 201 v. Chr.), der für die Römer nicht immer glücklich verlief, band deren Kräfte im Konflikt mit Hannibal. Wichtige Positionen in Oberitalien gingen in dieser Zeit verloren, sodass Rom sich erneut in den ersten zwei Jahrzehnten des 2. Jhs. v. Chr. auf die oberitalischen Regionen konzentrieren musste.
Ein wichtiger Baustein in der römischen Politik war die Anlage von Kolonien. Besonders die Gründung Aquileias im Jahr 181 v. Chr. darf dahin gehend verstanden werden, dass man von hier aus Einfluss auf das heutige Istrien, das damalige Illyricum, nehmen wollte. Es galt nach wie vor, der Piraterie Einhalt zu gebieten. In den Jahren 178 – 177 v. Chr. kam es zu dem aus römischer Sicht unvermeidbaren Krieg gegen die Histrier, der mit dem Sieg Roms endete. Als Siegesprämie kassierte Rom etwa ein Drittel der Istrischen Halbinsel. Dabei handelte es sich vorzugsweise um die Küstenregion und die fruchtbaren Täler. Die einheimische Bevölkerung wurde in das Hochland abgedrängt.
Nach der Niederschlagung eines histrischen Aufstandes im Jahr 129 v. Chr. setzte eine nachhaltige Romanisierung ein. Die endgültige Befriedung Istriens sollte aber noch bis in die Regierungszeit des Augustus (27 v. Chr.–14 n. Chr.) dauern. In der spätrepublikanischen Zeit gehörte Istrien zur Provinz Illyricum, die zusammen mit der Provinz Gallia Cisalpina verwaltet wurde.
Diese Zuordnung sollte für die Provinz unruhige Zeiten bringen. Ab 58 v. Chr. unterstanden Gallia Transalpina, Gallia Cisalpina und Illyricum nämlich C. Julius Caesar (100 – 44 v. Chr.) in seiner Funktion als Prokonsul. Aufgrund der damit verbundenen Amtsgewalt konnte er in Gallien einen Eroberungskrieg führen, der allerdings vom Prokonsul der römischen Öffentlichkeit zunächst als Schutz gegen barbarische Invasionen deklariert wurde. Der Senat fürchtete aber, Caesar könne durch seine militärischen Erfolge innenpolitisch zu mächtig werden. Daher betrieb man eine Politik, die im Jahr 49 v. Chr. zum Bürgerkrieg führte. Die Provinz Illyricum war zwischen den Anhängern Caesars und der Senatspartei, vertreten durch Cn. Pompejus Magnus (106 – 48 v. Chr.), zweigeteilt. Daher wurde auch Istrien zum Schlachtfeld der Bürgerkriegsparteien. Nach dem Ende des Konfliktes, der Caesar als Sieger sah, wurde Istrien noch ein Stück römischer: Eine Reihe der vom Krieg getroffenen Orte wurde zu coloniae, so z. B. Pula (s. S. 84).
Nachdem Caesar im Jahr 44 v. Chr. ermordet worden war, brach erneut ein Bürgerkrieg aus. Dieser Konflikt, der zwischen wechselnden Parteien ausgetragen wurde, endete schließlich im Jahr 30 v. Chr. mit dem Sieg Octavians, des späteren Augustus.
Einige Jahre nach seinem Sieg führte Augustus eine Verwaltungsreform durch, die Italien in zehn Regionen gliederte. Istrien kam dabei zur Regio × Venetia et Histria. Mit dieser Zuweisung boten sich der Region Entwicklungsmöglichkeiten, die in den Provinzen nicht vorhanden waren.
Vor allem die Nachbarschaft zu Aquileia war es, die das Wirtschaftsleben Istriens beeinflusste. Aber es entstanden auch zahlreiche Häfen, die die Region mit dem Handelsnetz des Imperiums verknüpften. Dazu zählen das heute in Italien liegende Triest (s. S. 24), das slowenische Koper (s. S. 33) oder die kroatischen Orte Umag (s. S. 42), Novigrad (s. S. 44) und Rovinj (s. S. 67). Es entwickelte sich einiger Wohlstand, der vor allem auf der Landwirtschaft beruhte. Die wichtigsten Produkte waren dabei Wein und Öl. Deren Rolle wird heute in einer eigenen Ausstellung in den Substruktionen des Amphitheaters von Pula dargestellt.
Die Quellen überliefern für Istrien große Landgüter der römischen Oberschicht bis hin zur kaiserlichen Familie, so etwa die Güter des aus dem illyrisch-dalmatischen Raum stammenden M. Vipsanius Agrippa (64/63 – 12 v. Chr.), der nicht nur Freund, sondern auch Schwiegersohn des Augustus war, und dessen Vertrauten Maecenas (um 70 – 8 v. Chr.). Die Bedeutung Istriens für die Reichen Roms lässt sich besonders an der Zahl der gefundenen villae maritimae verdeutlichen. Allein am kroatischen Teil der Westküste wurden sechs Fundstellen mit teilweise mehreren Villenanlagen ausgegraben (s. S. 98).
Im Laufe der Kaiserzeit durchlebte Istrien die gleichen kleinen und großen Katastrophen, aber auch die glücklichen Zeiten Italiens. Die veränderte Weltlage hatte schon im 3. Jh. n. Chr. zeitweise dazu geführt, dass das Imperium zugunsten einer besseren militärischen und zivilen Verwaltung geteilt wurde. Auch Kaiser Theodosius I. (reg. 379 – 395 n. Chr.) regierte ein Reich, das sowohl innen- als auch außenpolitisch vor großen Problemen stand. Aus diesem Grund teilte er auf seinem Sterbebett das Imperium unter seinen Söhnen Arcadius und Honorius auf. Die Grenzlinie durchzog das Mittelmeer westlich der Kyrenaika in Afrika und durchschnitt die Balkanprovinzen. Istrien verblieb zunächst unter der Herrschaft des weströmischen Kaisers, beginnend mit Honorius. Später geriet es in den Einflussbereich Ostroms. Damit war das Ende der Antike eingeleitet.
Das 5. Jh. n. Chr. war eine Zeit des Umbruchs. Alte Traditionen mussten aufgegeben werden: Rom verlor seinen Status als Regierungssitz; Ravenna wurde 404 n. Chr. zur Hauptstadt.
Großen Anteil am Umbruch der antiken Welt hatte die „Völkerwanderung“. Unter den „barbarischen Völkern“ fanden sich auch die Ostgoten, die nach 453 n. Chr. in Pannonien, also in unmittelbarer Nachbarschaft zur oströmischen Provinz Dacia, siedelten und so zur unmittelbaren Gefahr für Ostrom werden sollten. Schon bald plünderten sie unter der Führung Theoderichs den Balkan.
Ein ganz anderes Problem hatte sich in Italien entwickelt. Im Jahr 476 n. Chr. hatte Odoaker, ein germanischer Heerführer, den letzten weströmischen Kaiser, Romulus Augustulus, abgesetzt und sich zum Herrn Italiens aufgeschwungen.
Beide Probleme konnte man in Konstantinopel nicht tolerieren und suchte nach einer Lösung. Kaiser Zenon (reg. 474 – 475, 476 – 491 n. Chr.) ging nach der Devise vor, den Feind seines Feindes zum Freund zu machen: Theoderich wurde 488 n. Chr. zum magister militium und patricius Italiae