Es hat mir große Freude bereitet, diesen Roman zu schreiben, aber es war auch eine Herausforderung. Freude hat es mir gemacht, weil ich hoffe, dass die Charaktere die Tapferkeit und Integrität derer widerspiegeln, die beim Militär dienen, und eine Herausforderung war es, weil … na ja, um ganz ehrlich zu sein, ich empfinde es immer als Herausforderung, einen Roman zu schreiben. Doch es gibt Menschen, die es mir erleichtern, und denen möchte ich hier ohne weitere Umschweife danken. Mein Dank geht an:
Was ist wahre Liebe?
Ich denke wieder über diese Frage nach, während ich hier auf dem Hügel sitze und beobachte, wie Savannah zwischen den Pferden hin und her geht. Einen Moment lang sehe ich den Abend vor mir, als ich nach dem Tod meines Vater plötzlich auf der Farm erschien … aber dieser Besuch, der jetzt ein Jahr zurückliegt, kommt mir heute vor wie ein Traum.
Ich verkaufte die Münzen unter Wert und wusste, dass viele von ihnen bei Leuten landen würden, die sie nie mit der gleichen Hingabe pflegen würden wie Dad. Nur den Buffalo-Nickel behielt ich – den Gedanken, ihn wegzugeben, konnte ich einfach nicht ertragen. Außer dem Foto ist diese Münze das Einzige, was mir von meinem Vater geblieben ist, und ich trage sie immer bei mir. Sie ist eine Art Talisman, der all meine Erinnerungen an meinen Dad in sich birgt. Hin und wieder hole ich den Nickel aus der Tasche und betrachte ihn. Ich streiche mit den Fingern über die Plastikhülle, und plötzlich sehe ich Dad vor mir, wie er an seinem Schreibtisch sitzt und das Greysheet liest, oder ich rieche den Speck, der in der Küche brutzelt. Die Erinnerung zaubert immer ein Lächeln auf mein Gesicht, und einen Moment lang fühle ich mich nicht mehr so einsam.
Aber ich bin allein, und ein Teil von mir weiß, dass es immer so bleiben wird. In der Ferne sehe ich jetzt Savannah und Tim, die Hand in Hand zum Haus gehen; ihre Berührung drückt die tiefe Zuneigung aus, die sie verbindet. Sie sind ein schönes Paar, das muss ich zugeben. Tim ruft Alans Namen, Alan gesellt sich zu den beiden, und gemeinsam betreten sie das Haus. Ich wüsste gern, worüber sie sich unterhalten, denn mich interessiert jedes Detail ihres Lebens, aber ich weiß natürlich, dass es mich nichts angeht. Immerhin habe ich herausgefunden, dass Tim keine Behandlung mehr braucht und dass die meisten Leute in der Stadt glauben, er wird wieder ganz gesund.
Ich habe das von dem Anwalt gehört, den ich mir bei meinem letzten Besuch in Lenoir genommen hatte. Ich ging mit einem Scheck in seine Kanzlei und bat ihn, das Geld auf das Konto einzuzahlen, das für Tims Behandlung eingerichtet worden war. Ich wusste Bescheid über die Schweigepflicht – der Anwalt würde niemandem in der Stadt etwas davon sagen. Ich wollte auf keinen Fall, dass Savannah herausfand, was ich getan hatte. In einer Ehe ist immer nur Platz für zwei Menschen.
Allerdings bat ich den Anwalt, mich auf dem Laufenden zu halten, und im vergangenen Jahr habe ich ihn mehrmals von Deutschland aus angerufen. Er berichtete, er habe Savannah mitgeteilt, dass ein Klient eine anonyme Spende gemacht habe, aber auch über Tims Befinden informiert werden wolle, und als er ihr die Summe nannte, sei sie zusammengebrochen und habe geweint. Innerhalb einer Woche habe sie Tim in das MD Anderson Cancer Center gebracht. Tim war der ideale Kandidat für die Impfversuchsreihe, die dort im November beginnen sollte. Aber ehe er in die klinische Versuchsreihe aufgenommen wurde, bekam er eine Biochemotherapie und unterstützende Behandlungen. Die Ärzte hofften, so die Krebszellen, die sich in der Lunge festgesetzt hatten, zu besiegen. Vor zwei Monaten rief mich der Anwalt an, um mir zu eröffnen, dass die Behandlung angeschlagen habe und erfolgreicher verlaufen sei, als die Ärzte zu hoffen gewagt hatten, und Tim sei nun in Remission.
Das ist zwar keine Garantie für ein langes Leben, aber er hat dadurch immerhin eine Chance, und das ist es, was ich mir für die beiden gewünscht habe. Ich möchte, dass sie glücklich sind. Ich möchte, dass Savannah glücklich ist. Und nach dem, was ich heute gesehen habe, ist sie das. Ich bin gekommen, weil ich wissen musste, ob es richtig war, dass ich die Münzen verkauft habe, um damit Tims Behandlung zu finanzieren. Und von meinem Beobachtungsposten aus kann ich sagen, dass ich mit meinem Entschluss recht hatte.
Ich habe die Sammlung verkauft, weil ich endlich verstanden habe, was wahre Liebe ist. Tim hat es mir gesagt – und mir gezeigt: Liebe bedeutet, dass das Glück des anderen wichtiger ist als das eigene Glück, gleichgültig, wie schmerzlich die Entscheidungen sind, die man treffen muss. Als ich Tims Krankenzimmer verließ, wusste ich, dass das stimmt. Aber es war gar nicht so leicht, entsprechend zu handeln. Ich führe jetzt ein Leben, bei dem ich immer das Gefühl habe, dass etwas fehlt. Dabei würde ich mich so gern wieder vollständig fühlen! Meine
Gefühle für Savannah werden sich nie verändern, und ich werde mich immer fragen, warum ich mich so entschieden habe.
Und fast gegen meinen Willen frage ich mich manchmal auch, ob Savannah vielleicht genauso empfindet wie ich. Und das ist der andere Grund, weshalb ich nach Lenoir gekommen bin.
Ich starre auf die Farm, während sich langsam der Abend über alles senkt. Heute ist Vollmond, und für mich heißt das, dass die Erinnerungen kommen. Sie kommen immer. Ich halte den Atem an, als die kreisrunde Silberscheibe geheimnisvoll hinter den Hügeln auftaucht. Ihr heller, milchiger Glanz erhellt den Himmel und taucht die Bäume in flüssiges Silber. Es ist das Leuchten der Stille. Und obwohl ich eigentlich nur meinen bittersüßen Erinnerungen nachhängen möchte, schaue ich zum Haus.
Lange warte ich vergebens. Der Mond steigt höher, nach und nach werden die Lichter im Haus gelöscht. Ich kann den Blick nicht von der Haustür nehmen, auf das Unmögliche hoffend. Sie wird nicht kommen, das weiß ich, aber ich bringe es trotzdem noch nicht über mich, von hier fortzugehen, und hole tief Luft, als könnte ich sie dadurch herbeirufen.
Und als ich sie dann tatsächlich aus dem Haus treten sehe, spüre ich ein seltsames Kribbeln im Rücken, etwas, was ich noch nie gefühlt habe. Sie bleibt auf den Stufen stehen, dann dreht sie sich um und blickt in meine Richtung. Ich erstarre – dabei gibt es dafür keinen Grund, denn sie kann mich unmöglich sehen. Von meiner Warte aus beobachte ich, wie Savannah leise die Haustür hinter sich schließt, die Treppe hinuntergeht und mitten im Garten stehen bleibt.
Sie verschränkt die Arme vor der Brust und wirft einen kurzen Blick zurück, um sich zu versichern, dass ihr niemand gefolgt ist. Endlich scheint sie sich zu entspannen. Und dann geschieht ein Wunder – langsam, ganz langsam hebt sie den Kopf und wendet ihr Gesicht dem Mond zu. Sie scheint sein Leuchten in sich aufzunehmen. Ich spüre den Strom der Erinnerungen und wünsche mir sehnlichst, ich könnte zu ihr gehen, ihr sagen, dass ich hier bin. Aber ich bleibe, wo ich bin, und schaue wie sie zum Mond hinauf. Und für einen kurzen Moment ist es fast so, als wären wir wieder zusammen.