Die Originalausgabe erschien 2012 unter dem Titel «Mr Majestic – The Tout of Bengaluru» bei Hachette, India/An Hachette UK company.
Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, Dezember 2014
Copyright © 2014 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
«Mr Majestic – The Tout of Bengaluru» Copyright © 2012 by Zac O'Yeah
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages
Umschlaggestaltung und Motiv Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich
Umschlagabbildung Jürg Lindenberger
Schrift DejaVu Copyright © 2003 by Bitstream, Inc. All Rights Reserved.
Bitstream Vera is a trademark of Bitstream, Inc.
ISBN Printausgabe 978-3-499-22766-0 (1. Auflage 2014)
ISBN E-Book 978-3-644-51321-1
www.rowohlt.de
ISBN 978-3-644-51321-1
Für Anjum, immer.
Und für Bangalore.
Der schlimmste Tag seines Lebens begann wie jeder andere auch.
«Oota aayita? Schon gegessen, Majestic?», fragte Doc.
«Schon gegessen», antwortete Mr. Majestic beim Betreten des Cybercafés. Und als er sah, wie Doc auf seine Nase schielte und umständlich versuchte, die Haare an den Rändern auszureißen, fügte er hinzu: «Neue Internet-Bekanntschaft, Doc?»
Doc hatte keine nennenswerten medizinischen Qualifikationen. «Doc» war sein Spitzname – beziehungsweise das, was man in Polizeiberichten als «Deckname» bezeichnet. In diesem etwas verrufenen Teil von Bangalore benutzten alle Leute Decknamen, um die negativen Auswirkungen ihrer Missetaten umzulenken. Auch Mr. Majestic, der, wenn er nicht gerade arbeitete, einfach Hari hieß. Er verfügte über etwa ein halbes Dutzend verschiedener Decknamen, die in unterschiedlichen Situationen sehr praktisch waren.
Doc führte ein düsteres Cybercafé, in dem Stammgäste Rabatt bekamen. Mr. Majestic gehörte zu seinen treuen Kunden. Das Café war mit zehn Sperrholzkabinen vollgestopft. Jede bot Platz für einen PC, einen Stuhl und – wenn man sich ein bisschen krumm machte und nicht zu fett war – einen Menschen. Die Türen waren mit hochgezogenen Fotos verschönert, auf denen Doc neben Sabeer Bhatia oder Steve Jobs posierte, denen rotes Puder auf der Stirn klebte wie flambiertes Hirn.
An diesem Tag war Mr. Majestic der erste Kunde. Gemäß der Regel, nie zwei Tage in Folge denselben Computer zu benutzen – bekanntermaßen hatten feste Routinen schon so manchen Unternehmer der Unterwelt zu Fall gebracht –, schloss er sich in die Bill-Gates-Kabine ein.
Mr. Majestic hielt sich nicht für einen großen Ganoven. Höchstens für einen kleinen bis mittleren Fisch. Aber was seine Sicherheitsvorkehrungen betraf, war er streng. Doch trotz der ständigen Vorsicht suchten ihn nachts Albträume heim, in denen er im Parappana-Agrahara-Zentralgefängnis Autokennzeichen bemalen musste. Er schlief schlecht. Deshalb hatte er immer einen Drahtkorb mit sechs hohen Gläsern Kaffee dabei, wenn er zur Arbeit ging.
Er stellte seinen Kaffee ab und klickte sich durch die Nachrichten-Seiten, um sich zu neuen Schummeleien inspirieren zu lassen. In der nationalen Top-Story ging es um die Monsunüberschwemmungen: verdorbene Ernten, eingestürzte Brücken, Chaos.
Die lokalen Schlagzeilen handelten von einem beliebten Schauspieler, Jagatprasiddha, der für seine Fans wie ein Gott war. Oder sogar größer als Gott. Es herrschte Aufregung, weil der ältliche Star ein aufwendiges Tempelritual praktiziert hatte, ehe er mit dem Dreh seiner neuen romantischen Action-Komödie begann, die vage auf einem seiner früheren Blockbuster basierte. Alle freuten sich auf die neue Produktion. Nicht zuletzt, weil man sich Sorgen machte, dass Jagatprasiddha sich zur Ruhe setzen könnte. Seine Filme floppten nie, und es wäre der Todesstoß für die Kinos.
Oft dachte Mr. Majestic, wenn er sich nicht um seinen Lebensunterhalt kümmern müsste, könnte er ebenfalls ein Star mit tausend erfolgreichen Filmen sein. Ein paarmal hatte er sein Glück bei der Mr.-Indien-Wahl versucht und Fotos eingereicht, in denen seine pickelige Brust vom Kokosöl glänzte. Er hatte außerdem sehr viel Öl verwendet, um das abstehende Haarbüschel über der Stirn glatt anzukleben. Mit seinem Grinsen bis zu beiden Ohren, bei dem er seine Zähne zeigte, sah er jünger aus als siebenundzwanzig (bei anderen aus seiner Generation waren die Zähne schon mit zwanzig vergammelt oder ausgefallen). Nachdem der Bodybuilder-Verband seine Bewerbung kommentarlos zurückgeschickt hatte, organisierte er online seinen eigenen Mr.-Majestic-Wettbewerb und gewann mit Anstand und Würde den Titel. Er war ja auch der einzige Teilnehmer. Vielleicht hatte die Zulassungsgebühr von 20000 Rupien die Loser abgeschreckt.
Damals hatte er davon gelebt, Touristen zu billigen Hotels oder Läden zu führen, mit denen sich gute Geschäfte machen ließen. Ab und zu wurde er für kleinere Straftaten gebucht, vor allem Betrugssachen – nach Paragraph 420 des indischen Strafgesetzbuchs ein Verbrechen. Professionelle Vollzeitbetrüger wurden deshalb «420er» genannt, um sie von den Amateuren zu unterscheiden. Als Schlepper zu arbeiten war laut Paragraph 151 ebenfalls illegal. Obwohl er verstand, dass die Cops mit ihren Anzeigen gegen ihn nur ihren Job machten, war er es leid, immer wieder wegen Bagatelldelikten vor Gericht zu erscheinen.
Offiziell sollte es solche wie ihn gar nicht geben. Aber was sollte man tun, wenn man nun schon einmal auf der Welt war? Man musste eben weiterleben, solange man durchhielt.
Die allzu häufigen Verhaftungen hatten zu seiner Entscheidung beigetragen, sich vom Straßenleben ab- und dem Internet mit seinen unbegrenzten Möglichkeiten zuzuwenden. Da er ein fixer Denker war, witterte er Potenzial, als die angebliche stellvertretende Geschäftsführerin der Risikokapitalbank von Nigeria, Mrs. Bulala, ihn im Zusammenhang mit Internetbetrügereien kontaktierte. Ich bin vom Dezernat für Wirtschaftskriminalität an Sie weitergeleitet worden und habe in der Expertendatenbank von Yahoo Näheres über Sie in Erfahrung gebracht.
Das machte ihn etwas paranoid. Hatten die Leute da draußen ein Auge auf ihn? Aufmerksam las er, was sie als Nächstes schrieb: Ich setze Sie über eine Untersuchung in Kenntnis, die im Cyberspace durchgeführt wird. Offenbar wurden Sie von Betrügern kontaktiert, die vorgeben, im Namen unserer Bank zu handeln, weil eine größere Geldsumme Ihres entfernten Onkels aufgetaucht ist. Sie wurden zur Zahlung einer vollkommen überzogenen Bearbeitungsgebühr überlistet, um dieses Geld zu erhalten.
Nichts dergleichen war geschehen. Haris Onkel war äußerst quicklebendig, und er glaubte nicht eine Sekunde, dass er für eine Zahlung in Schubkarrenladungen ausgewählt worden war, oder wie auch immer die Währung in Afrika hieß.
Menschen online zu bemogeln schien ihm allerdings leicht und angenehm. Besonders verglichen damit, in Hitze und Staub herumzurennen und Touristen zu jagen, während man selbst von der Polizei gejagt wurde. Also schrieb er eine Muster-Mail an Mrs. Bulala, in der er detailliert aufführte, wie sie ihr betrügerisches Vorgehen verbessern könne – was er vor allem tat, um seine eigenen Fähigkeiten zu testen. Ans Ende kopierte er einen hübschen Disclaimer, der andeutete, dass die Betrogenen keinen Grund hätten, sich zu beklagen. Vielmehr legte er nahe, sie könnten selbst belangt werden: Diese E-Mail enthält möglicherweise Geschäftsgeheimnisse, dem Anwaltsgeheimnis unterliegende oder sonstige vertrauliche Informationen. Sie dürfen diese E-Mail oder Teile davon nicht verwenden, kopieren, weiterleiten oder darüber Mitteilung machen. Der Absender haftet nicht für Schäden, die aus der Verwendung dieser E-Mail oder ihren Anhängen entstehen.
Mrs. Bulala schrieb zurück, lobte seine innovativen Ideen und bot ihm eine Stelle als freier Mitarbeiter in ihrer Kundenbetreuung an. Für jeden neuen Kunden, den er ihr beschaffte, bekam er eine Provision. Außerdem fand sie es hilfreich, jemanden vor Ort zu haben, der Geld eintrieb und in Indien in ihrem Auftrag auf Bankkonten zugreifen oder welche eröffnen konnte. Oder der als Kontaktperson zwischen ihr und diversen Investoren in risikoreiche Projekte wie zum Beispiel dem Verschwindenlassen des jährlichen Bruttosozialprodukts ausgewählter Dritte-Welt-Länder fungierte.
Mr. Majestic loggte sich in seine zwanzig E-Mail-Accounts ein, lud die neuesten Lektionen der Online-Universität herunter, bei der er sich für einen Bachelor-Abschluss eingeschrieben hatte, und öffnete Wikipedia sowie den Thesaurus. Er träumte davon, ein ehrliches Unternehmen zu gründen, sobald er einen gültigen Abschluss hatte und seine Albträume endlich los war. Bestenfalls erwies sich die Online-Universität nicht ebenfalls als Betrug. Bei diesem Zeug im Netz wusste man nie.
Um sein Englisch zu verbessern, hatte er sich bei einem Gratiskurs eingeschrieben, der Lernen Sie jeden Tag ein beeindruckendes Wort hieß. Das Wort des heutigen Tages lautete Aepyornis. Aber er sah keinen Sinn darin, sich den Namen eines ausgestorbenen, flugunfähigen Vogels aus Madagaskar zu merken. Er war sehr stolz auf sein akribisch aufgebautes Vokabular, doch er vertrat auch die These, dass irgendwann die Festplatte kaputtging, wenn man zu viele unnötige Informationen in seinem Kopf speicherte. Also tat er sein Bestes, um den Versagervogel auszublenden, und klickte auf Wiederholen, um etwas Nützlicheres zu bekommen. Lappalie. Der Beispielsatz lautete: Die Vermarktung wird eine Lappalie. Wenn das nicht gut zu wissen war!
Am Anfang war das Verhältnis zu Mrs. Bulala ausgesprochen schöpferischer Natur; er bewunderte sie dafür, dass sie Geld verdiente, ohne tatsächlich etwas zu verkaufen – außer Worten. Er lernte, ihren Ansatz nachzuahmen, indem er die nigerianischen E-Mails als Vorlage benutzte. Allerdings formulierte er sie um und schmückte sie mit glaubwürdigen Details aus, verbesserte die Szenarien, polierte den Juristenjargon. Dann schickte er sie über seine eigenen Verteiler. Dank des Übersetzungsprogramms von Google konnte er Versionen in nahezu sämtlichen Sprachen erstellen. Außerdem schrieb er im Namen von Madam Bongjee eine Fassung, mit der er männliche Kunden ködern wollte. Auch Doc hatte eine Test-E-Mail bekommen, die ganz gut zu funktionieren schien, gemessen daran, wie eifrig er sich seine Gesichtshaare ausrupfte.
Seine Opfer, die ihm wütende Mails schrieben, waren nur gesichtslose Namen auf dem Computerbildschirm. Sie verschwanden wieder aus seinem Posteingang, wenn er ihre Hatemails als Spam kennzeichnete. Von einem optimistischen Standpunkt aus gesehen gingen ihm sowieso nur diejenigen ins Netz, die bereits über schlechtes Karma verfügten. Zum Beispiel hatte er Teilzeitwohnrechte im Mysore-Palast an einen Moskauer Gangster verkauft, der ein schickes Ferienhaus in der Nähe von Goa haben wollte. Dass der Palast 700 Kilometer vom Morjim Beach entfernt lag, verriet er ihm nicht, schließlich kam man auf dem Highway 4 ganz gut bis Belgaum, und die Straße wurde auch erst auf den letzten 150 Kilometern ein bisschen holprig.
Obwohl er in einem kreativen Beruf arbeitete, war seine geistige Bandbreite auf die Geschwindigkeit eines 56-K-Modems geschrumpft, seit er professionell Spam-Mails verschickte. Sosehr er sich auch davon zu überzeugen versuchte, dass dies eine ganz normale Beschäftigung für einen jungen Mann und nur eine andere Form des Outsourcings war – er fühlte sich schuldig. Sein Astrologe hatte ihm versprochen, solange er sich auf die Arbeit konzentriere und seinen Geist reinhalte, würde er es bei der nächsten Geburt besser treffen. Trotzdem wurden die Albträume immer schlimmer – denn fürs Gehirn gab es keine Kondome.
Langsam füllten sich die umliegenden Nischen. In der Julian-Assange-Kabine zu seiner Linken sah er ein Paar Gummisandalen. Um Sperrholz zu sparen, reichten die Trennwände nicht bis zum Boden; sie machten es den Kunden gerade so eben unmöglich, auf den Bildschirm des anderen zu schielen. Nicht dass schwer zu erraten war, was die meisten im Internet trieben. Mit der Zeit hatte Hari sich an das Grunzen und Stöhnen gewöhnt. Und niemand hatte Grund zu der Annahme, dass er selbst hier irgendetwas anderes tat.
Er öffnete einen Account nach dem nächsten und ordnete die Posteingangs-Fenster säuberlich auf dem Bildschirm an. Direktor Bongjee (Stellvertretung) – sein diabolisches Alter Ego – war das genaue Gegenteil des gerechten Mr. Majestic. Im Moment befasste er sich mit dem Entwurf einer weiteren Spam-Variante für den Direktor. Er hatte sich den Kopf zerbrochen, wie er sich zunutze machen könnte, dass Winston Churchill während seiner Jugend in den 1890er Jahren in Bangalore gelebt hatte. Wenn er Churchills Nobelpreis-Geld als Köder benutzen wollte, musste er eine Möglichkeit finden, eine Zeitspanne von sechzig Jahren unter den Teppich zu kehren.
Er war so mit dem Verfassen, Polieren und Redigieren dieses neuen Entwurfs beschäftigt, dass er die Unruhe um ihn herum vollkommen ausblendete. Doch dann wurde die verzweifelte Stimme von Doc immer lauter. Jemand brüllte wie ein durchgedrehtes Dschungeltier.
Hari entriegelte die Kabinentür und steckte den Kopf nach draußen. In welche Scheiße hatte sein Freund sich jetzt schon wieder reingeritten?
Gerade gab Doc einem feindseligen Hünen in einem schlecht sitzenden Safarianzug Kontra. Stets der gerissene Geschäftsmann, bediente Doc sich einer Körpersprache, die absolute Ehrlichkeit vermittelte, um jeden Zweifel zu zerstreuen: nach außen gekehrte Handflächen, Blick direkt auf das Zielobjekt gerichtet.
Aber die Situation war eindeutig gefährlich. Das Zielobjekt erinnerte Hari an ein ausgestopftes Rhinozeros (im Kopf katalogisierte er die Leute immer nach diversen toten Tieren, vermutlich, weil er ihre früheren Inkarnationen sehen konnte. Das half ihm auch dabei, Berufsrisiken schneller zu erkennen: Ein Tyrannosaurus Rex beispielsweise bedeutete die höchste Alarmstufe, ein Aepyornis bedeutete gar keinen Alarm). Der Kopf dieses Typen hätte jedenfalls zwischen den Trophäen in der Jagdhütte eines Maharadschas besser ausgesehen.
Vermutlich wirkte Mr. Rhino noch furchterregender, wenn man ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand. Er war wohlgenährt, und die Kalorien hatten sich nicht wulstig um seine Taille gelegt, sondern schmückten seinen oberen Torso. Dieser Kunde war mit Vorsicht zu behandeln. Die Wölbung unter seiner Achsel ließ ein verborgenes Schulterholster vermuten. Der Tod irgendeines Menschen stand unmittelbar bevor. Und … äh … oh nein …
«Direktor Bongjee, Sie waren nicht besonders clever», hörte Hari das Gift und Galle spuckende Rhinozeros sagen.
Es war, als wäre im Cybercafé eine Bombe explodiert. Schlagartig wurde Hari aus seinem Bongjee-Alter-Ego herauskatapultiert. Früher oder später musste das Unvermeidliche eintreten, und eines der Opfer – höchstwahrscheinlich der Moskauer Gangster – schickte jemanden, um ihm die Eier abzuschneiden. Aber woher hätte Hari wissen sollen, dass dieser Tag heute war?
Die anderen Kunden beendeten ihren sinnlosen Zeitvertreib. Scharniere quietschten, und Köpfe lugten aus den Kabinen, während Doc nochmals ewige Anständigkeit und Gottesfürchtigkeit gelobte.
Als wollte er zeigen, wie wenig er an Docs Unschuld glaubte, spuckte Mr. Rhino auf den Schreibtisch. «Wir besitzen Ihren IP-Fingerabdruck, weil wir Ihre Datenpakete abgefangen haben. Mit den Internetprotokollen identifiziert man Computer im Netz. Und Sie waren dumm genug, einen primitiven Server mit raubkopierter Software zu benutzen, noch dazu schlecht konfiguriert. So konnten wir Sie bis in die C. D. Road, Bangalore, Indien, zurückverfolgen.» Es klang furchtbar technisch, und dann zog der Mann sogar einen Stapel Ausdrucke aus seiner Aktentasche.
Doc war vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben sprachlos, und seine Körpersprache verlor alle Geschmeidigkeit. Schließlich gab er ein lahmes «Hier darf jeder eine Kabine anmieten» von sich.
«Sparen Sie sich die Mühe, Bongjee», sagte Mr. Rhino. «Leugnen erhärtet den Verdacht, dass Sie der Autor sind und die Schuld tragen, und erhöht nur die zu zahlende Strafgebühr. Wir können beweisen, dass jeden Tag dasselbe Cybercafé genutzt wird. Und wer sitzt hier jeden Tag? Sie.»
Hari loggte sich aus seinen E-Mail-Accounts aus und löschte die Chronik im Browser. Während der langsame Prozessor die Spuren seiner Aktivitäten tilgte, kippte er seinen letzten Kaffee herunter. Der Countdown lief, bis er mit einem Schildchen am großen Zeh in einer Halle aufgebahrt würde. Er berechnete seine Überlebenschance auf 31:69. Das Universum hatte die Tendenz, sich zu rächen, und es lag im Wesen des kosmischen Gesetzes, dass es keine Tat gab, die nicht durch ein Gegengewicht wieder ausgeglichen wurde. In diesem speziellen Fall bedeutete das, dass er sich in fünf Minuten vielleicht schon auf dem Weg zu seiner nächsten Reinkarnation befand.
Unglücklicherweise hatte das Cybercafé weder eine Hintertür noch einen Notausgang. Der einzige Weg nach draußen führte direkt am Feind vorbei. Hari ging davon aus, dass seine Überlebenschance nach ein paar Schritten nur noch bei 12:88 lag, und war sicher, bald sterben zu müssen. Da hörte er Doc sagen: «Wenn Sie mir eine Beschreibung oder ein Foto geben, kann ich meine Nutzerkartei durchgehen.»
«Das Ressort für Internetkriminalität in der Polizeizentrale wird sich freuen, wenn wir ihnen die Sache mit Ihrem E-Mail-Betrug stecken», antwortete Mr. Rhino.
«Überprüfen Sie die Computer», bot Doc an. Dann entdeckte er Hari und begrüßte ihn mit seinem üblichen «Wie war der Kaffee, Majestic?».
Rhino richtete sein Paar stahlharter, rostverkrusteter, von der Luftverschmutzung blutunterlaufener Augen auf Hari. Der starrte seinerseits in eine Ansammlung schwarzer Mitesser und schiefer Zähne – Eigenschaften, die auf eine ausgeprägte Fähigkeit zum Ärgermachen verwiesen. Er ging einen weiteren Schritt auf den Ausgang zu und wollte sich gerade an dem massiven Rücken des Mannes vorbeizwängen, als Doc ihn aufhielt. Auf seinem Schreibtisch lagen die Ausdrucke von Haris kreativen Ergüssen.
«Hey, Majestic, du kennst doch jeden. Schon mal von einem Bongjee gehört?»
Woher sollte Doc wissen, dass er gerade Haris frühzeitigen Tod riskierte, um sein eigenes Leben zu retten? Hari machte mit dem Kopf die übliche unverbindliche Seitwärtsbewegung.
Einen Kunden zu belügen, dem man Auge in Auge gegenübersteht, ist schwer. Das liegt an der wissenschaftlich belegten Tatsache, dass die meisten menschlichen Wesen mit einem Unterbewusstsein ausgestattet sind, das nicht immer mit ihrem Bewusstsein übereinstimmt. Lästigerweise zieht das Unterbewusstsein die Wahrheit der Fiktion vor. Daher muss ein erfolgreicher Schwindler sich erst selbst hinters Licht führen, nur dann wird seine Lüge zu 99 Prozent für wahr gehalten.
Deshalb versuchte Hari, keine widersprüchliche Körpersprache zu verwenden, und warf einen finsteren Blick auf die Ausdrucke, um seine Missbilligung jeglicher ungesetzlicher Aktivitäten zu demonstrieren. Es war zugleich beängstigend und faszinierend, seine Worte gedruckt zu sehen. Experten hatten untersucht, was er in einer klaustrophobischen Kabine zwischen lauter Perversen geschrieben hatte. Und sie hatten diese Episteln bis hierher zurückverfolgt, um den Autor zu identifizieren.
Jetzt sagte Mr. Rhino zu dem armen Doc: «Wir haben Sie ans Kreuz genagelt, Bongjee. Und wie es weitergeht, überlasse ich meinem Klienten. Es ist in Ihrem eigenen Interesse, dass Sie sich mit ihm einigen.»
Plötzlich war von draußen das gequälte Muhen einer Kuh zu hören, und dann hallte das Schmettern von Metall auf Metall auf der Straße wider.
Auf den fürchterlichen Lärm folgte beängstigende Stille. Sofort drängten neugierige Kunden an Hari und Mr. Rhino vorbei.
Zusammen mit den anderen schlüpfte Hari auf die Veranda, die einmal außen um das Erdgeschoss des Puncherwallah-Komplexes herumführte. Erleichtert sog er die würzigen Abgase der C. D. Road ein. Sogar die Straßen kannte man in dieser Gegend nur unter ihren Decknamen. Die C. D. Road hatte offiziell einen viel längeren Namen, aber um Zeit und Gehirnzellen zu sparen, benutzten die Leute diese Abkürzung. Die richtige Bezeichnung wurde schon so lange nicht mehr benutzt, dass Hari sich nicht erinnern konnte, sie jemals gehört zu haben.
Vom Vorbau hatte man einen Panoramablick auf die C. D. Road. Im letzten Jahrtausend – damals war Hari noch ein Teenager – war die Straße ständig mit vierrädrigen Ambassadors, dreirädrigen Rikschas und zweirädrigen Ochsenkarren verstopft gewesen. Aber die Stadt hatte sich verändert und sowohl hinsichtlich der Autos als auch der Verkehrsstaus aufgerüstet.
Der Verkehr war zum Erliegen gekommen. Im Zentrum der Aufmerksamkeit befand sich ein brandneuer rosa Porsche. Er hatte eine Kuh angefahren, die gerade Plastiktüten verspeiste. Zum Glück war es auf den mit Schlaglöchern übersäten Straßen gar nicht möglich zu rasen, weshalb die Kuh lebendiger war als das Auto und unbeirrt weiter mitten auf der Straße herumhinkte. Auf dem Dach des Porsche lag eine erledigte Straßenlampe.
Schaulustige umringten den Wagen, um mit ihren Handys Nahaufnahmen zu machen. Hari erkannte den Porsche von einem Foto aus einem der Online-Artikel wieder, die er heute Morgen gelesen hatte. Gehörte dieser Schlitten nicht der Kinogöttin Maydum, der Gemahlin des Zelluloid-Gottes Jagatprasiddha?
Tatsächlich. Hari lief die Stufen hinunter und tauchte in die Menge. Als auf der Fahrerseite Jagatprasiddha persönlich ausstieg, gerieten die Fans in Ekstase. Er rieb sich den Rücken – möglicherweise ein Bandscheibenvorfall. Die dralle, ziemlich viele Jahre jüngere Maydum stützte ihn.
Hari betrachtete prüfend das Auto: Die Kühlerhaube war eingedrückt, die Windschutzscheibe zerbrochen, und das Dach hatte eine böse Delle. Ein importiertes Luxusauto reparieren zu lassen würde Tonnen von Rupien kosten, da jede Rupie entsprechend dem heutigen Inflationsbericht nur zwei amerikanische Cent wert war. Dagegen erschien sein eigener Ärger mit Mr. Rhino banal.
Jagatprasiddha war Haris Idol. Der Star hatte als Gepäckträger am Bahnhof angefangen, zehn Minuten von der C. D. Road entfernt. Er war ein kräftiger, hochgewachsener Kerl, ein potenzieller Superman, und wurde bald von einem Filmproduzenten entdeckt. Von da an mehrte sich sein Ruhm. Die anhaltende Inflation und nicht zuletzt neue Werbeverträge trieben die Honorare der Megastars in ungekannte Höhen. Ein durchschnittlicher Held oder die weibliche Hauptfigur einer Fernsehserie durfte nicht mal für einen Eimer lauwarmes Seifenwasser Reklame machen, aber Megastars wie Jagatprasiddha und seine Frau fuhren importierte Autos, die ihnen die Hersteller zu Werbezwecken zur Verfügung gestellt hatten. Obwohl er jetzt unvorstellbar reich war, ging Jagatprasiddha Gerüchten zufolge manchmal zum Bahnhof, trank auf dem Bahnsteig einen Chai und rauchte mit seinen alten Arbeitskollegen eine Bidi-Zigarette. Solchen Geschichten konnten die Leute nicht widerstehen, weshalb sie den Megastar mit ihrer grenzenlosen Liebe überschütteten und sich seine Filme wieder und wieder ansahen.
Hari verschmolz mit der Menge. Ihm fiel auf, dass überall Touristen waren – ein weiterer fester Bestandteil der C. D. Road, da sie sich in der Nähe der Fern- und Busbahnhöfe befand.
Ein junger Mann holte seine Kamera heraus; aus irgendeinem Grund liebten die Ausländer es, indische Straßenkühe in Aktion zu fotografieren. Der Fotoapparat zeigte in Haris Richtung, und er lächelte in der Annahme, er wäre möglicherweise mit auf dem Bild. Außerdem juckte es ihm in den Fingern, Kontakt zu dem Touristen aufzunehmen und ihn zu einem Souvenirladen für überteuerte exotische Produkte zu bringen, der Schleppern eine gute Provision bot.
Dann sah er zufällig zum Puncherwallah-Komplex auf.
Es war ein baufälliges zweistöckiges Gebäude mit Geschäften und Büros, darunter das fliegenschissgroße Kämmerchen von Haris Onkel, das sich im selben Stockwerk befand wie das Cybercafé. Der Puncherwallah-Komplex, eine Betonwabe voller semi-unkontrollierter Kleinstunternehmen, war Haris Zuhause. Er schlief sogar auf einer Pritsche im Büro seines Onkels.
Er sah, wie Mr. Rhino auf die obere Veranda trat; offensichtlich war er fürs Erste mit Doc fertig.
Hari tat sein alter Freund leid. Um auf Nummer sicher zu gehen, hatte er stets nur vage Andeutungen darüber gemacht, was er – oder vielmehr Direktor Bongjee – im Internet trieb. Also würde Doc hoffentlich nie herausfinden, was passiert war.
Mr. Rhino starrte in Richtung des Büros von Haris Onkel, und von einem Moment auf den anderen schien der Puncherwallah-Komplex nicht mehr sicher.
Hari verfluchte seine Nachlässigkeit. Es war unverzeihlich, immer dasselbe Cybercafé zu nutzen, und dann auch noch das, neben dem er lebte. Ohne genau zu wissen, was er tun sollte, steuerte er die Deluxe Bar an, ein dunkles Loch auf der anderen Straßenseite. Ein Abgrund, in dem schon so mancher Held der C. D. Road untergegangen war.
Die Wände waren mit Werbeplakaten für (nicht existierende) Mineralwassermarken geschmückt, die dieselben Namen trugen wie (existierende) Alkoholmarken. Erleben Sie einen Höhenflug mit Knock Out! Sitzt wie ein linker Haken – versuchen Sie nie, die ganze Flasche 100%iges Mineralwasser allein auszutrinken! Zu dieser frühen Stunde waren nur zwei andere Kunden da: Unter einem alten Palisandertisch lugte ein Paar Füße hervor, der andere Gast hing an der Theke und hielt dem Barmann nach Art der Alkoholiker einen Vortrag.
«Schon gefrühstückt, Majestic?», fragte der Barkeeper mit dünner Stimme. Er war ein dickbäuchiger Typ, der seine Produkte gern selbst ausprobierte.
Hari ignorierte die Frühstücksfrage – sie war ohnehin nur eine Art Begrüßung – und gab seine Bestellung auf. «Spezialmix, Boss», sagte Hari, der normalerweise bis mindestens fünf Uhr nachmittags nur Kaffee trank. Und nach der Arbeit nahm er selten mehr als zwei oder drei Knock Outs zu sich. Nur alle Jubeljahre, wenn er eine Überdosis Stress abbekommen hatte, bestellte er einen Spezialmix; den Hauscocktail, in den 180 ml starker, aus Palmensaft destillierter Arrak gehörten, Ingwer, Zitrone, Steinsalz, schwarzer Pfeffer, grüner Chili und Minzblätter, abgerundet mit einem Teelöffel Sodawasser.
«So schlimm, ja? Dauert einen Moment», sagte der Barkeeper.
Hari wackelte zur Bestätigung mit dem Kopf und wartete auf seinen Drink. Dann bemerkte er, dass der andere Kunde über die Theke langte und dem Keeper mit einer lokal hergestellten Pistole in den Bauch pikte. Was für ein Tag! Diese namenlosen Handfeuerwaffen bastelte man aus Teilen alter, recycelter Maschinen und Geräte zusammen – typischerweise kam die Lenksäule eines Autowracks als Pistolenlauf zu neuen Ehren –, und gelegentlich explodierten sie in der Hand des Schützen.
Hari trat einen Schritt zurück. Das konnte hässlich werden.
Der Kunde behauptete, er hätte am Vorabend in der Bar für eine ganze Flasche bezahlt, die aber verschwunden wäre. Der Barkeeper erklärte, dass Flaschen in Etablissements wie diesen nie ewig hielten, und dass es nebenbei bemerkt ein großer Fehler sei, in der C. D. Road eine Waffe auf einen Barkeeper zu richten.
Dann packte er die Pistole beim Lauf und drehte ihn mit einer festen, schnellen Bewegung, bis der Zeigefinger des Gastes, der im Abzug feststeckte, knirschte und knackte.
Die Situation war entschärft. Der Kunde betrachtete seinen ruinierten Finger. Der Schmerz würde einsetzen, sobald der Schock nachließ. In der Zwischenzeit verstaute der Barmann die Pistole in der Kiste für Dolche und Schlagringe hinter der Theke – die strapazierfähigeren Requisiten, die die Gäste so zurückließen. Wer nüchtern wiederkam, erhielt seine Machete zurück.
Schließlich bekam Hari seinen Spezialmix. Nach wenigen Schlucken wurde er lockerer. Er zeigte dem Keeper das Rhinozeros – das Biest lief immer noch auf dem oberen Laubengang vom Puncherwallah-Komplex auf und ab.
«Manche Tage sind einfach so», sagte der Barmann.
Dann trat Doc nach draußen, und Hari sah, wie Mr. Rhino ihm an die Gurgel ging, ein paar Schläge verpasste und ihn dann hinter sich herzog. Also … lebte Doc noch. Hari machte eine Bewegung, als wollte er Seite an Seite mit seinem Freund kämpfen. Solche Auswirkungen haben Drinks eben auf junge Männer. Der Barkeeper, der die Realität oft besser erfasste als seine Gäste, meinte: «Spiel hier nicht den Helden, Majestic. Alles hat seine Zeit, und jetzt ist nicht die Zeit zu sterben.»
Hari sah Doc nicken, und dann klopfte Mr. Rhino an eine Tür: das Büro von Onkel Mamool.
«Verräter», murmelte Hari.
Mr. Rhino schlug mit der flachen Hand gegen die Tür, die mit einem Vorhängeschloss verriegelt war. Doc nickte erneut.
«Nicht zu fassen, dass er mir das antut», sagte Hari und kippte seinen Cocktail in einem Zug herunter.
«Was hättest du an seiner Stelle getan?»
«Noch einen, Boss.» Die Umstände verlangten nach einem starken Elixier.
Auf der anderen Straßenseite betrachtete Mr. Rhino die Tür, sprach in sein Handy und wechselte dann noch ein paar Worte mit Doc. Als Mr. Rhino ging, war Doc die Erleichterung deutlich anzusehen.
Für Hari, alias Mr. Majestic, alias Direktor Bongjee (Stellvertreter) hatte der Ärger gerade erst begonnen.
«Na ja, niemand ist perfekt», sagte er zu der starken Flüssigkeit in seinem Metallbecher, tapste zu einem robusten Korbstuhl und sank mehr oder weniger in ihm zusammen.
«Das kannst du laut sagen. Sieh dir nur deinen Onkel an», antwortete der Barkeeper wie aus dem Nichts heraus.
Hari dachte eine Nanosekunde lang darüber nach. Jeder fand, dass es mit Onkel Mamool (dessen vollständiger Name Ontappa Kallappa Mensinkai war, der aber auch OK genannt wurde, denn statt «Hallo» meldete er sich am Telefon stets mit «OK», was Hari immer wieder von neuem beeindruckte), dass es also mit Onkel Mamool weiter bergab gegangen war als mit irgendjemand anderem, an den man sich noch hätte erinnern können. Tatsächlich hatte er einmal in der Deluxe Bar einen Aufstand anzuzetteln versucht, indem er den Bart eines anderen zerlumpten Gastes anzündete, woraufhin er Hausverbot erhielt.
Es war Ironie des Schicksals, dass der Barkeeper und Mamool in den politisch unruhigen siebziger Jahren – lange vor Haris Geburt – derselben Gang angehört hatten. Damals trafen sich der angehende Anwalt OK Mensinkai und der Barkeeper mit anderen Aktivisten, um zur Erziehung der Massen auf der Straße Theaterstücke über Hygiene und Demokratie aufzuführen.
Der Drink versetzte Hari in eine sentimentale Stimmung. Er fragte sich, ob er und Doc sich eines Tages auseinanderleben und zu erbitterten Feinden werden würden. Unvorstellbar, wie alles enden würde, wenn sich die Menschen der C. D. Road gegeneinander wandten. Er sagte: «Alles, was ich weiß, habe ich von meinem Onkel.»
«Ein richtiger Guru, dein Onkel, was?»
«Er ist nicht perfekt, aber was soll’s?», gab Hari zurück. «Bis vor sieben Minuten hatte ich ein gutes Leben.»
Eher zu sich selbst als zum Nutzen etwaiger Zuhörer meinte der Barkeeper weise: «Das goldene Zeitalter liegt in der Vergangenheit, nie in der Zukunft.»
«Es war idiotisch von mir, zu glauben, man könnte im Cyberspace nicht auffliegen.»
«Kannst hingehen, wo du willst, Majestic. Irgendjemand ist immer schon da, um Leute wie dich auffliegen zu lassen.»
Hari ignorierte diese Perlen der Weisheit und konzentrierte sich darauf, in Selbstmitleid zu schwelgen und mit dem Fingernagel seinen Namen in den Rand des Palisandertisches zu ritzen, bis der Nagel abbrach. «Wusstest du, dass Onkel mal ganz Nordindien an einen pakistanischen Spion verkauft hat?», fragte er dann.
«Wo hat er denn auf der C. D. Road einen Spion kennengelernt?»
«Nicht hier, in Shivajinagar.»
«Und wie viel hat er dafür bekommen?»
«Mach dich nicht über ihn lustig, nur weil deine Spelunke keine Kosmopoliten anzieht. Jedenfalls hat er einen Liter Rum bekommen, und ihm wurde irgendein pakistanisches Staatsgeheimnis verraten. Aber das hatte er beim Aufwachen am nächsten Morgen wieder vergessen.»
«Kommt mir bekannt vor.»
Sie unterbrachen ihr Geplänkel, als ein ausländischer Rucksacktourist hereinkam – wie der lebendige Beweis, dass Hari sich täuschte und die schäbige Bar doch international war.
Hari sah genauer hin: Es war derselbe Tourist, der draußen den kuhbedingten Stau fotografiert hatte. Er wirkte schmuddelig; vielleicht kam er gerade vom Nachtbus aus Goa. Die teure Digitalkamera baumelte an einem Trageriemen voller eingetragener Warenzeichen, der wie eine Schlinge um seinen Hals hing. Hari überschlug ihren Nettowert, teilte den Betrag in Tagesbudgets und begann zu überlegen, wo er die größte Provision bekommen würde. Er hatte schon länger nicht mehr als Schlepper gearbeitet, und in den abgelegenen Seitengässchen hatten einige neue Pensionen aufgemacht. Sie waren bestimmt dankbar, wenn er ihnen einen Übernachtungsgast brachte.
«Hey, Kumpel, was dagegen, wenn ich mich dazusetze?», fragte der Ausländer, der allerdings bereits saß. Er schien ein bisschen nervig zu sein.
Vielleicht hatte der Typ sich für diesen Tisch entschieden, weil er ungefähr so alt war wie Hari. Oder er wollte einfach dem aggressiven Versager aus dem Weg gehen, der sich mit seinem eigenen Finger unterhielt.
Zeit für eine Analyse. Es war nicht gerade normal, in der Deluxe Bar auf Touristen zu treffen. In der Regel hielten sie sich an Orte, die den Anschein von Hygiene aufrechterhielten.
In seinem privaten Horoskopsystem sortierte Hari den Rucksacktouristen in die Kategorie «ausgetrocknete Ratte, die verzweifelt ein Schlückchen braucht». Vielleicht war er einer dieser Auftrags-Reiseschriftsteller. Hari hatte mit den Jahren schon einigen seine Dienste als Führer angeboten, und nicht wenige hatten behauptet, für den Lonely Planet zu arbeiten.
Es war eine Frage des Gebens und Nehmens, aber häufig nahmen die Schriftsteller mehr, als sie gaben. Wenn man in Betracht zog, dass er ihnen alles vorbuchstabierte und sie sein Hirn leersaugten, hätte er eigentlich als Koautor erwähnt werden müssen. Als bester Schlepper südlich von Bombay versuchte er seit Jahren, auf Seite 317 des Reiseführers in der Rubrik Information, Touristenbüros einen Eintrag zu bekommen – ohne Erfolg.
«Gibt’s hier was zu essen?», fragte der Rucksacktourist.
Da Haris altes Unternehmen gerade gescheitert war, nahm er den Gesprächsfaden hochprofessionell auf: «Keine Cocktailkirschen, aber es gibt in Öl gebratenes Chicken Kebab. Vegetariern empfehle ich das Gobi Manchurian. Die Bohnen würde ich nicht anrühren, von denen bekommt man Blähungen.»
Das war der Kern professionellen Schleppertums: Man musste Warnungen zwischen die Verkaufsargumente mischen, irgendetwas ausschließen, und schon hielt der Kunde einen für ehrlich.
Der Rucksacktourist schnippte mit den Fingern Richtung Bar. «Gehört? Ich nehme das vegetarische Gericht, aber ohne Bohnen. Und ein Kingfisher-Bier.» Dann wandte er sich wieder an Hari: «Ich bin übrigens Tord.»
«Ich bin Harry – wie Harry Potter, nur besser.» Nachdem der Erstkontakt hergestellt war, wollte Hari ihm die Hand schütteln, aber stattdessen führte der Tourist die Handflächen zu einem aufgesetzten Namaste zusammen.
Dann kramte Tord ein Hightech-Handy hervor und begann, daran herumzufummeln. Er war also einer von denen, die das Internet vierundzwanzig Stunden am Tag mit sich herumtrugen – ein Kunde weniger für Docs Cybercafé. Immer mehr Touristen hatten GPS und Apps auf ihren Handys, die sie zu empfohlenen Lokalen und Läden führten, was eine empfindliche Lücke in den Kundenstamm traditionell arbeitender Schlepper riss.
«Harry?», sagte er und sah von seinem Telefon auf. «Das klingt aber nicht asiatisch.»
«Ich bin adoptiert. Man hat mich im Kino am Ende der Straße unter einem Sitz gefunden – das kommt einem Zuhause für mich also am nächsten.» Er zauberte eine zerfledderte Visitenkarte hervor, der zufolge er ein von der Regierung zugelassener Touristenberater war. «Wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann, fragen Sie einfach. Ich arbeite im Tourismus-Sektor. Zum Beispiel organisiere ich eine Motorradtour nach Ladakh; das ist wie in der Schweiz, nur höher.» Außerdem lag es so weit von der C. D. Road entfernt wie möglich, sofern man nicht das Land verlassen wollte: Zuerst fuhr man 3000 Kilometer nach Norden, und dann kletterte man 3000 Meter nach oben.
«Dude, auf gar keinen Fall fahre ich nach Ladakh. Ich hab im Planet gelesen, dass die Kaschmiris Ausländer abzocken, und die Fundamentalisten da lassen bei den Touristen die Köpfe rollen.» Als er das Gobi Manchurian bekam, betrachtete Tord skeptisch sein Essen. Er kaute auf einem Stück herum, während er seine Nachrichten checkte. «Schmeckt wie Huhn», bemerkte er dann und wandte sich Hari zu, wobei sein Auge nervös zuckte. «Hey, da fällt mir ein, ich hab auf der Straße so ’n junges Huhn gesehen. Vielleicht will die ja nach Ladakh.»
«Huhn …? Oh.» Der Arrak hatte Haris Depression ein Ende gesetzt, und die Zahnräder in seinem Hirn liefen auf Hochtouren.
Manchmal war es so einfach: Im Leben ging es auf und ab, und dann mündete eine tiefschwarze Nacht in einen sonnigen Tag. Hari leerte seinen Becher. Er war wieder im Geschäft.
Das nächste Mal, als er in die Deluxe Bar kam, musste er sich dringend eine Pistole leihen.
Die feuchte Hitze der Monsun-Sonne schlug ihm ins Gesicht. Die Luft auf der C. D. Road roch wie vor Bars einer gewissen Preislage gemeinhin üblich.
Im Bruchteil einer Sekunde nahm Hari Aussicht und Geräusche auf, jedes relevante Detail. Die Fans hatten sich zerstreut, sobald das Filmstarpärchen in eine Rikscha gestiegen war. Der Porsche war zurückgeblieben und wartete auf den Abschleppdienst.
Keine Spur von dem Rhinozeros mit Elefantenmannsyndrom unter der Achsel.
Und dort stand die künftige Kundin und sprach in ihr Handy. Ihr Blick auf die Straße wirkte, als wäre sie high. Auf Nichtinder hatte das Überqueren der C. D. Road, dieser Schlagader des Existenzialismus mit ihrem kaleidoskopisch sich verschiebenden Strom aus Rikschas, Dreirädern, Motorrollern und überladenen Lastwagen, einen hypnotisierenden Effekt.
Wenn normale Fußgänger auf die andere Straßenseite wollten, blieben sie weit vor der Bordsteinkante stehen und stellten sich dort auf wie Kegel. Wann immer sich eine Lücke auftat, stürzten sie vor. Nur Dummköpfe und Ausländer warteten auf dem Fußweg darauf, dass der Verkehr abflaute.
Er verzog den Mund zu einem freundlichen Lächeln und ließ es einrasten. In der Hoffnung, dass er nicht sichtbar betrunken war, ging er zu ihr und sagte: «Hey, kennst du mich noch?»
Dieser Satz funktionierte normalerweise bei den meisten Ausländern, weil sie niemanden mit einem Nein beleidigen wollten.
«Nein», sagte sie und konzentrierte sich wieder auf ihr Telefonat. «Hm-hm, aha.»
Für alle Regeln gab es Ausnahmen.
Während sie sprach, musterte sie ihn skeptisch bis hin zu seinen Plastiksandalen, und er analysierte sie. Sie war zwischen dreißig und neununddreißig und hatte rötliche, geflochtene Haare, die ihn an saftig-scharfes Mangalorean Krabben-Masala erinnerten. Sie hatte eine brandneue Ausgabe des Lonely Planet in der Hand, der auf der falschen Seite aufgeschlagen war (Hyderabad), und sie hielt ihn verkehrt herum.
Definitiv nicht der Hippie-Typ.
Ihre Zöpfe stammten aus einem teuren Salon, und ihr T-Shirt und die Handtasche waren keine Plagiate. Hippies dagegen trugen Dreadlocks, die wie tropische Pilze aus ihrer Kopfhaut wuchsen, und kaum waren sie auf indischem Boden gelandet, kauften sie sich ultrabillige, handgewebte und mit Spiegelplättchen bestickte pseudofolkloristische Taschen.
Plötzlich kam ein Motorroller wie aus dem Nichts auf den Bürgersteig gebrettert, der einen Vater, eine Mutter mit einem Baby, auf dem Sozius eine Schwiegermutter und auf dem Trittbrett zwischen dem Sitz und dem Lenker zwei kleine Kinder beförderte. Der Vater hatte alle Hände voll damit zu tun, das Gleichgewicht zu halten, während er um den gestrandeten Porsche herumfuhr. Er schlenkerte und drohte, Haris Opfer umzufahren.
Reflexhaft zog Hari die Frau zurück, wodurch er ihr eine deftige Krankenhausrechnung ersparte. Einen Augenblick lang spürte er, wie das legendäre Mr.-Majestic-Heldentum in ihm anschwoll, aber sie schüttelte ihn ab und reduzierte ihn mit einem schlichten «Fass mich nicht an» wieder auf Hari. Sie hatte die Gefahr nicht einmal bemerkt.
«Achtung, Achtung», sagte er auf Deutsch, um ein wenig mit seinen Sprachkenntnissen zu prahlen. «Man muss in dieser Gegend ziemlich aufpassen.» Er gab nicht auf, warnte sie vor den Gefahren des Straßenverkehrs und dem Risiko, von Kunden der Deluxe Bar behelligt zu werden. Aber dann bemerkte er ihren kalten Blick. «Sehe ich vielleicht gefährlich aus?»
Das war im Allgemeinen ein guter letzter Ausweg, wenn sonst schon nichts funktionierte. Die Frage löste bei den Touristen einen mittleren Schuldkomplex aus, woraufhin sie sofort zu beweisen versuchten, dass sie keine Rassisten waren, und extra freundlich wurden.
Ihre Stimme klang rau, vermutlich eher wegen der Luftverschmutzung und nicht aufgrund verführerischer Sinnlichkeit, aber zumindest antwortete sie. «Kein Haschisch, kein Bakschisch, und ich spreche kein Indisch.»
Hari ergänzte seine Analyse um ein paar Fußnoten – sie kannte das Kapitel über Gefahren und Ärgernisse, Schlepper und Bakschisch im Reiseführer. Aber sie hatte nicht das ganze Buch gelesen, sonst hätte sie gewusst, dass in Indien viele Sprachen gesprochen wurden, von denen man aber keine Indisch nannte. «Darf ich vorschlagen, dass Sie Ihr Buch umdrehen? Sonst könnten charakterschwache Typen Sie für leichtgläubig halten und versuchen, Sie auszunutzen. Wonach suchen Sie?»
Ehe sie antworten konnte, erklärte er ihr, dass man in der C. D. Road nicht nur Dollars zu einem besseren als dem Tageskurs umtauschen konnte. Hier gab es auch die größte Auswahl an technischer Schmuggelware und billigen Klamotten mit allen erdenklichen Markennamen zu einem Bruchteil dessen, was man für die Originale bezahlte. Man bekam hausgemachte Bitter Gourd Pickles – eingelegte Bittermelonen –, Cashewnüsse und Rudraksha-Perlen (auch Shiva-Augen genannt und gut für die Optionen bei der Wiedergeburt, wie er ihr versicherte). Es gab Visitenkarten, die einen als Mitglied einer europäischen Königsfamilie oder als Mitbegründer der Vereinten Nationen auswiesen, Betonmischer und Handmixer und Burkas in ausgewählten Farben, wobei Schwarztöne am beliebtesten waren. Der Kofferflicker hatte Griffe für alle möglichen Gepäckarten, Computerspezialisten beseitigten Viren genauso spielend aus den Rechnern, wie sie sie wieder infizierten, und die Straßenbuchhändler hielten Ratgeber für Computersprachen bereit, die in jedem anderen Teil der Welt als überholt galten.
Es wäre durchaus nicht abwegig, fasste Hari fröhlich zusammen, die C. D. Road mit einem überschäumenden Fluss im Paradies zu vergleichen, diesem mythischen Garten der Verzückung.
Nach Haris Überzeugung waren Ausländer wie Hotmail-Accounts: passwortgeschützt. Aber ein guter Hacker gelangte immer irgendwie in den Posteingang. Er wusste aus Erfahrung, dass Touristen ihre ursprüngliche Skepsis gegenüber allem Indischen überwanden, wenn es ans Handeln, Shoppen und Feilschen ging.
«Verstehen Sie mich nicht falsch, aber Sie müssen mir schon sagen, was Sie wollen: die neusten Hollywoodfilme, die besten Fotodrucke? Mein Bruder hat einen Laden.» Triplex war eigentlich nicht sein Bruder, sondern ein alter Freund, der Hari einen fairen Anteil gab, wenn er ihm Kunden brachte. Jetzt, wo sich das Gespräch ums Kino drehte, entdeckte er schwaches Interesse in ihrem Blick. Ob sie Künstlerin war? «Oder möchten Sie in einem Film mitspielen?» Schritt zwei: sich kennenlernen, Fragen stellen – wie jedes junge Paar, das seiner arrangierten Ehe einen Sinn abzugewinnen versucht.
Sie schluckte den Köder. «Vielleicht können Sie mir tatsächlich helfen. Haben Sie Verbindungen zur Filmbranche?»
Schach! Endlich war es ihm gelungen, ihre Psyche zu unterwandern. Sofort verwandelte er sich wieder in Mr. Majestic und präsentierte sein unnachahmliches Kopfwackeln: «Ich bin die Filmbranche. Darf ich Sie in mein Büro bitten?»
Wenn die Touristin es wünschte, würde er ihr zeigen, wie sie ihren mit Jasminblüten geschriebenen Namen auf der Anzeigetafel vom Movieland am Ende der Straße verewigen konnte. Vor langer Zeit war die Gegend um die C. D. Road dafür berühmt gewesen, dass sich hier die meisten Kinos pro Quadratmeter befanden. Filme waren so beliebt, dass das ganze Viertel nach einem bestimmten Kino als «Majestic» bekannt war – obwohl das Majestic selbst durch eine Baustelle ersetzt worden war, um dort ein Einkaufszentrum hochzuziehen. Heute durchlebte das Filmgeschäft dank Triplex und seinen kopierfreudigen Kollegen eine Metamorphose: Das durch die Raubkopiererei weithin verbesserte Vertriebssystem verschaffte Filmliebhabern Zugang zu allem, was sie haben wollten – alte Filme, neue Filme, schlechte Filme, alles unzensiert. Das Ergebnis war, dass die Fans ihren einstmals geliebten Kinos untreu wurden.
Damit ihre heruntergekommenen Büros nicht auseinanderfielen, pflasterten die Filmverleiher ihre Wände mit Plakaten von Filmen zu, die seit Jahrzehnten nicht mehr gezeigt wurden, mit den Helden von vorgestern, konserviert in würzigen Erinnerungen. Die einzigen Filme, die heute noch die Kinos füllten, waren die mit Jagatprasiddha.
«Wo ist denn Ihr Büro?», fragte sie.
«Da», sagte er und zeigte über die Straße.
«Wo?»
«Gleich dort.»
«Ich sehe nichts.»
Natürlich sah sie nichts. Von außen hatte der Puncherwallah-Komplex nichts Besonderes an sich. Es war ein normales Gebäude, in einem Baustil errichtet, der als «abgewandeltes Art déco» bekannt war. Der Grundriss basierte auf den Standardplänen der Vereinten Zement-Unternehmen aus jener Zeit, als sich die Moden von einem Fünfjahresplan zum nächsten kaum änderten – und doch war die Anlage für die Augen eines Fremden ein verwirrendes Labyrinth.
Die Fassade war mit großen und kleinen Tafeln bedeckt. DTP Elek. Tippen Kopieren Scannen Laminieren, Unbeschränktes Downloaden; Indus Pride Malzbier – Stolz des Indus; Pandit Pundits fachmännische Vorhersageberatung; Puncherwallah & Söhne Markt für Gebrauchtwagen und -reifen …
«Gebraucht» klang jedenfalls besser als «derart rostige Fahrzeugkarosse, dass kein einziger Altmetallhändler östlich des Indus sie haben wollte». In der Gasse hinter dem Gebäude wurden Reifen runderneuert und gebrochene Achsen und rostige Kurbelwellen so lange gelagert, dekonstruiert und rekonstruiert, bis sie wieder unter «gebraucht» laufen konnten. Hier war auch der beste Ort, um frisch gestohlene Autoradios zu erwerben.
«Wenn Sie mir bitte folgen wollen», bat Hari und geleitete die Touristin über die C. D. Road. Mit einer Geste in Richtung des verlassenen Porsche, um den die Puncherwallah-Männer in ihren schmutzigen Schürzen herumstanden, sagte er: «Ich hätte Sie auch in meinem Zweiachser gefahren, aber der Motor hat den Geist aufgegeben.»
BP Puncherwallah und seine Söhne schraubten bereits die Räder ab. Nicht mehr lange, und der Porsche gehörte der Vergangenheit an, obwohl er eine Reinkarnation in Form zahlreicher kleiner, handgefertigter Feuerwaffen vor sich haben dürfte. Laden- und Taschendiebe waren in der C. D. Road nicht das größte Problem. Die Achtung, Autodiebe-Schilder informierten die Öffentlichkeit darüber, dass hier alljährlich 7000 Autos und Roller gestohlen wurden – eine wesentliche Einnahmequelle für den Puncherwallah-Klan.
Mr. Majestic blieb bei dem Zeitungsstand im Erdgeschoss stehen, um sich einen 50-Paisa-Beutel Reine-Sünde-Kräutermundwasser sowie das Fachblatt Crime & Detective Magazine für Leute aus seiner Branche zu kaufen. Darin standen Berichte über die neusten und interessantesten Straftaten und über die Methoden, mit denen die Polizei die Täter überführte. Sehr informativ für jeden, der etwas ausfressen wollte, ohne dabei erwischt zu werden. Er las die Überschriften: und . Es war eine verrückte Welt.