edition lichtland
© Karl-Heinz Reimeier
edition Lichtland
Stadtplatz 4, 94078 Freyung
Deutschland
Illustrationen: Siegfried Stockbauer, Grafische
Gestaltung: Edith Döringer, Hintergrundbild
unter Lizenz von Shutterstock.com verwendet
1. Auflage 2013
Das Werk ist urheberrechtlich geschützt.
Jede Verwertung ist nur mit Zustimmung des Verlags zulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
eISBN: 978-3-942509-74-9
ISBN der gebundenen Ausgabe: 978-3-942509-32-9
www.lichtland.eu
Geschichten aus der Zwischenwelt
Volkssagen aus dem Bayerischen Wald

Vorwort
Das Hausinger Lichtl
„Da Teifi holt mi!“
Das Grenzsteinverrücken
Der Bauer und die „Wilde Jagd“
Die Schatzsuche
Die hölzerne Hand
Die sieben Teufel
Das „Fluchmaul“
Auf dem Lusen
Weirazn
D’ Raunacht
‘s Troid ruslt aus
„Der kimmt! Den han i gsehng!“
Do is da Teife mitganga
‘s Nochtgläut
Die Drud
‘s Klopfa
A Engl hoit d Großmuadda
I kann koa Leich a`schau
De sejtsame Gschicht vom Schlittn
Der Versehgang
D’ Muadda Gottes im Kasterl
‘s Herz-Jesu-Bejdl
A Ma im Zimmer
A fremder Ma in mei`m Auto
Do steht a Ma hint
‘s Kind stirbt
Mei Onkl mejd`t si a
Mei Schwester mejd`t si a
Mei Vater mejd`t si a
Oiss durchananda
‘s Klopfa im Keller
D’ „Wenin“
Der große Innernzeller Brand vom 11. 09.1911
Geißkopf
Das Licht am Wegrand
Das leuchtende Rad
Die arme Frau
Missionar in Afrika
Das wertvolle Brautkleid
Glühende Zigaretten im Volksfestzelt
Das rote Männchen mit dem feurigen Haar
Die sprechenden Ochsen
Der selige Härmann
D’ Muadda erscheint im Lazarett
‘s Liacht im Finstern
Der schwarze Hund als Todesbote
Letzte Rufe
Anmelden im Krieg
Zwillinge
Der Tod der Mutter wird angekündigt
Schritte im Haus
‘s Liachtl von da Scheibm
„I bi da Nächste“
Mittn in da Nocht steht die Frau vor mir
“Da Teifi ka mi net hoin”
Beim Raffa dastocha
‘s Fejdkreuz ois letzte Rettung
Dei Dirn is a Drud
‘s Schneewittchen is aa grett worn
…und dann steht auf oamoi eine Frau vor mir!
Iatz wenn a namoi schreit!
Eisstockschoißn in da Lousnocht
A`mö`n`vo meiner Stiefmuadda
A`mö`n von meiner Schwester ihrn Ma
Wia mi d Drud druckt hot
Mei voschtoama Ma bsuacht mi oft
‘s Liacht e da Kapölln
Schwaare Schnaufara als Vorahnung
Springt do oana aus da Stauan
Des glaubt uns koa Mensch
I kaaf da dei Kind o
A gleißendes Liacht
Aaf amoi hot s an Schewara ta
Ihr werd‘s koa Glück hobm mit euerm Hof
Des schewat, wenn ebba stirbt
Hackl Nannerl
‘s Kreiz foit owa
‘s Bre(ch)haus ent e da Sommerau
Das Brechhaus, ein unbehaglicher Ort
D’ Wecklin von Rammelsberg
D’ Wecklin in da Brauerei
D’ Wecklin bei de Hoizhauer
Die Wecklin – eine historische und mystische Gestalt
Das „Haferlheben“
Der Aberglaube und seine Folgen im Landgericht Bärnstein und dem Pflegegericht Dießenstein vor 300 bis 400 Jahren
Über das „Ansprechen“ und „Ansegnen“
Über das Wahrsagen und Zaubern
Brandstiftung
Weitere abergläubische Taten
Wie schützt man sich vor Personen, die vom „bösen Feind“ besessen sind?
Ungewöhnliche Maßnahmen, um sich gegen Krankheiten und anderen Wehdam zu schützen
Gewährspersonen
Literatur
Worterklärungen
Anhang
Dank
„Genau a so is` gwen!“ – „De Gschicht is wirkle woah!“ So oder ähnlich enden die meisten der Geschichten, welche den Gewährsleuten entweder durch Erzählungen bekannt sind oder die sie vielleicht sogar selbst erlebt haben. Nur – und das ist das Rätselhafte an diesen „Weihrazgeschichten“, eine schlüssige Erklärung hat noch keiner gefunden. Seit der Kindheit oder Jugendzeit tragen sie ihre Erlebnisse mit sich, Jahrzehnte lang, ein Leben lang. Manche können mit diesen unerklärlichen Erlebnissen entspannt umgehen, sie erzählen gerne davon. Andere wiederum tragen sie gleichsam verborgen mit sich, um in entsprechenden Situationen, Gesprächen und Ereignissen oft sogar schmerzlich daran erinnert zu werden.
Die Gesprächssituation mit dem Sammler und Volkskundler ist für die meisten Gewährsleute neu. Doch nach einer gewissen Zeit des Sich-Kennen-Lernens dauert es selten lange, bis beide eingefangen sind von der Atmosphäre dieser „ganz anderen Geschichten“. Wenn man in die leuchtenden Augen der Erzähler schaut, wenn man das Erregtsein verspürt, das beim Erzählen immer wieder durchbricht, wenn man die tiefe Ehrlichkeit fühlt, mit der sie hinter ihren Geschichten stehen, entwickelt sich zwischen beiden Seiten ein Vertrauen, in dem die „unerklärlichen“ Geschichten glaubhaft werden.
Während manche Gewährspersonen ohne Umschweife und unmittelbar zum Kern ihrer Erlebnisse kommen, führen andere allmählich und beinahe behutsam auf ihre Geschichte hin. Dazu nehmen sie sich Zeit, viel Zeit, um den Zuhörer aufnahmebereit zu machen und somit in die Lage zu versetzen, ihre Geschichten so authentisch wie nur möglich aufnehmen, vielleicht sogar miterleben zu können. In kürzeren oder längeren Hinführungen werden deshalb Orte, Personen, Begebenheiten und Situationen äußerst ausführlich beschrieben, bevor man sich an die eigentliche Geschichte wagt. Es geht dem Gewährsmann also auch darum, eine möglichst große Anschaulichkeit zu erzielen.
So führt zum Beispiel Berta Sigl (Thann, Gde. Schöllnach) zu Beginn ihrer umfangreichen und tiefgreifenden Erzählungen auf folgende Weise ein:
„Als ich noch klein war – ich würde ja noch viel mehr wissen, aber die haben mich immer weggeschickt, weil ich mich vor den Geistergeschichten immer recht gefürchtet habe. Die Leute haben sich im Winter vor der Stalltüre versammelt, so um vier oder halb fünf Uhr – und um halb sieben sind sie wieder heimgegangen. Und da sind diese „Weihazgeschichten“ immer erzählt worden. Da war ich fünf oder sechs Jahre alt.“
Anneliese Weidinger (Hundswinkel, Gde. Salzweg), selbst Autorin und Sammlerin von Geschichten, widmet der Hinführung zur Erzählsituation umfangreichen Raum. Ist der Zuhörer mit der originalen Umgebung vertraut, kann er den Gehalt des Geschehens intensiver verspüren.
… und do hands im Winta owei e da Kuchl zammkemma, net e da Wirtsstubm, wei do hättns extra eihoizn müassn. Na hand s olle en da Kuchl so um an Tisch uma gsessn. Do hand eah owei fünf, sechs Manna oda siebme, und do hamand s owei so Gschichtn vozejht. Und i bin do ois Diandl owei mitganga, wenn mei Muadda eahna ghoifa oda mitgoabat hot, und do han e owei zuagluust. E de Ferien bin i aa bo da Tante drinn gwen. Do han e de Manna owei zuagluust mit einer Wollust… und a Onkl vo mir, der hot Zughamanie spejn kinnt, und do hot a si do aussi gsitzt, wei drinn hot a net Zughamanie spejn derft, wei d Muadda owei gsogt hot: „Geh a mit dein Dulat!“ Iatz hot a si do aussi gsitzt und des hamd de Manna owei gern mögn – und i ha me dazua gsitzt und han dene Manna zuagluust.
Do is a Hirta aa dabei gwen, den wo owei s Schnupftawogtröpfe vo da Nosn owatropft is, der hot Gschichtn gwisst, wos eahm oiss passiert is, dass eahm d Hoar geberg gstandn hand, und i han a owei agschaut, so an Boat hot a ghot, olle hamd eahm owei zuagluust und dann hamd s wieder gsogt: „Iatzt host owa wieder aaftrumpft!“ „Des is echt woah! Schlog ei! Des is echt woah!“ Mein Gott, dann hamd s eahm wieder a Hoiwe zoiht, dass a wieder vozejht hot.
Und der hot Sachan vozejht vo de Hund mit de glüahradn Augn – und i ha ma oft nimma es Bett traut – mei Muadda hot dann owei gsogt: „Naa, naa, Deandl, des derfst net oiss glaubm!“ Ja, owa de oane Gschicht is ma unvergesslich, wei de hot a r owei wieder vozejht und is er aa dabei gwen, wia s den gfundn hamd.“
Dr. Otto Wiederer (Freyung, Lkrs. Freyung-Grafenau) erinnert sich noch genau an die Situation, in der er vom großen Innernzeller Brand gehörte hatte:
„Das ist die gruselige Geschichte vom großen Innernzeller Brand im Jahre 1911. Mein Großvater Eduard Wiederer hat sie mir erzählt. Ich weiß es noch genau, es war beim Grasmähen auf unserer Wiese bei der Asbergmühle. Mein Opa zeigte mir einen großen Stein auf dem Wege neben der Mühle. Er nannte ihn den ‘Weiazstoa‘. Da hat es sich abgespielt.“
Elisabeth Oswald (Steinach, Gde. Schöllnach) versucht zu erklären, warum solche und ähnliche Geschichten heute nicht mehr geschehen:
“Früahras hot s o so Sachan vej gebm. Owa des hört ma r iatz nimma. Do han i amoi glesn, a Papst hot des amoi ogschofft, wei so vej Leit durdraht hand. Oiso – mia hot des nix ausgmocht – ehrli – goa nix.“
In vorliegender Sammlung ist es unwesentlich, ob die Inhalte einer Geschichte spannend sind oder nicht, ob sie überflüssig erscheinen oder gar banal, so dass man meinen könnte, sie seien nicht der Rede – oder wie hier – des Aufschreibens wert. Dem widerspricht der Grundgedanke des Dokumentierens. Für den Erzähler sind die Geschichten von tiefem Wert, sie ziehen sich durch Generationen, sind in Familien- oder auch Ortsgemeinschaften verhaftet und mit großer Ernsthaftigkeit abrufbar. Dass im Zeitenlauf einzelne Themen durcheinander geraten, miteinander vermischt und zu neuen Geschichten umgewandelt werden, ist der Eigenart der mündlichen Überlieferung zuzuschreiben. Gleich, welchen Gehalts die Geschichten sind, worauf es letztendlich ankommt, ist das Unerklärliche von Ereignissen, Situationen oder Erscheinungen, die den Zuhörer oft noch mehr gefangen nehmen als den Leser.
So sagt die Erzählerin Erna Boxleitner mit Recht: „Sechane Gschichtl kam a net erfindn. Wenn s eahm net passiert is, ka ma s net wissen!“
Die Mundartschreibung hält sich so weit wie möglich an die Sprache der Gewährspersonen. Dadurch soll die Originalität der Erzählungen erhalten bleiben. Bei intensivem Lesen und Vergleichen kann der sprachinteressierte Leser kleinere und größere Unterscheidungen erkennen, die ihm örtliche und regionale Einordnungen und Zuweisungen ermöglichen. Bei der Umsetzung in die Schriftsprache ging es dem Autor darum, möglichst nahe am Kern und Wahrheitsgehalt der Erzählung zu bleiben, andererseits aber auch darum, die Geschichten für jedermann lesbar und nacherzählbar zu machen. Außerdem wurde, wenn es möglich war, versucht, mit sprachlichen Mitteln an geeigneten Stellen ein gewisses Maß an Spannung einzubauen.
Die vorliegende Sammlung ist aus drei großen Teilen erwachsen. Ein Teil ergibt sich aus der Sammeltätigkeit in den 80er – und teilweise 90er Jahren. Aus dieser Zeit existieren Fotos von den Gewährsleuten nur sehr spärlich. Der zweite Teil beinhaltet die Geschichten, die in den Jahren 2011, 2012 und 2013 aufgenommen wurden, wobei die Gewährspersonen fotografisch dokumentiert wurden. Der dritte Teil beinhaltet die Bereiche „Aberglaube“ und „Ungewöhnliche Maßnahmen, wie man sich gegen Krankheiten und anderen Wehdam schützen kann“, wobei Querverbindungen zu den beiden vorhergehenden Bereichen immer wieder erkennbar sind.
Karl-Heinz Reimeier |
Sommer 2013 |
Eine Weihrazgeschichte aus der Pfarrchronik Haus im Wald, die mir der langjährige Ortspfarrer Alfons Gaschler überlassen hat. – Aufgeschrieben hat sie Hochw. Pfarrer Franz Leeb, der 1. Pfarrer von Haus im Wald. Hochw. Pfarrer Franz Leeb kam 1880 nach Haus im Wald und schrieb die Geschichte im Jahre 1901 äußerst sauber und heute noch gut lesbar in damals gebräuchlicher „Deutscher Schrift“ folgendermaßen auf:
Nach allem, was hier schon aufgezeichnet ist, darf der Vollständigkeit halber auch eine solche hier stehen, weil sie mir selbst begegnet ist.
Wie ich im Jahre 1880 nach Haus kam, hörte ich bald häufig von einem „Lichtl“ reden und erhielt auf meine Frage, was es mit dem Lichtl sei, nachstehende Auskunft:
Seit mehr als 30, vielleicht schon 50 Jahren – also etwa seit 1830 – ließ sich von Allerheiligen an alle Jahr im Thale zwischen Haus und Furth ein helles Licht sehen, das sich bald rasch bald langsam im Thale hin und her bewegte, bald niedrig bald hoch stand, bis es die Gegend des jetzigen Friedhofes und mitunter noch darüber hinaus bis an die „Vogeltenne“ herauf kam, während es abwärts bis nahe an die Kreuzstraße herober der Kumpfmühl hinabstieg.
Es erschien oft schon bald nach 5 Uhr Abends und zog oft bis tief in die Nacht herein auf und ab. Die Erscheinung dauerte meistens von Allerseelen bis Lichtmeß, dann sah man nichts mehr davon bis nächste Allerseelen. Nicht alle Leute sahen es. Von Zweien, die miteinander gingen, sah es häufig bloß Einer, der Andere nicht. Im Übrigen war die Sache allgemein bekannt, man war von Jugend auf daran gewöhnt, wessen Haus günstig gelegen war, konnte es von seinem Zimmer aus beobachten. Darum machte sich niemand mehr etwas aus der Sache und wenn man es sah, hieß es einfach: „Ja, ja, `s Lichtl“.
Natürlich war ich nach dieser Auskunft gespannt, das „Lichtl“ ebenfalls zu sehen.
Ich sah es zum ersten Male an einem Abend im November 1881 abends gegen 8 Uhr. Es stand, resp. hing hoch heroben in der Gegend des jetzigen Friedhofes. Es war wie ein etwas faustgroßer Gasball von bedeutender Helle, stand ziemlich hoch über der Erde – es war eine trockene, kalte Nacht – und bewegte sich mit ziemlicher Raschheit vorwärts, der Vogeltenne zu. Die Sache war mir seltsam und ich nahm mir vor, sie nimmer aus dem Auge zu lassen.
Gegen Weihnachten zu (1881) – den Tag weiß ich nimmer – ging ich Abends etwa um 7 Uhr eines Tages mit den beiden Lehrern Asbert und Bienmaier von Furth nach Haus. Auf der Ebene oberhalb Furth gehend sahen wir bald rechts von uns in ziemlicher Ferne ein Licht und hielten es für ein Hauslicht, das aus einem Fenster schimmerte. Durch einen Nachkommenden belehrt, dies sei kein Hauslicht sondern das „Lichtl“, blieben wir stehen, um es zu beobachten. Ich aber beschwor heimlich das Licht: wenn es kein natürliches Licht sei, solle es zu uns herkommen! Und richtig! Plötzlich fuhr das Licht eine Strecke senkrecht aufwärts, dann flog es direkt auf uns zu, aber bloß etwa halben Weg, dann streckte es sich und war in einer Grundfalte des Thales verschwunden. Die beiden Lehrer waren ganz erschrocken und wussten nicht, was sie sagen und denken sollten. Ich war natürlich ebenfalls überrascht und gedachte, nun erst recht der Sache nachzugehen.
Am Tage vor dem Fest des süßen Namen Jesu 1882 ging ich abends gegen 6 Uhr ganz allein von Furth nach Haus. Der Abend war finster und neblig. Ich spähte den ganzen Weg herauf, ob ich nichts vom „Lichtl“ sehe, – sah aber nichts. Erst ganz heroben, schon oberhalb des Friedhofes – derselbe war schon mit hölzernen Pfählen und Brettern umplankt, vide pag. 27 (lateinisch: siehe Seite 27 – in eben dieser Pfarrchronik – Anm. d. Verf.), sah ich weit weg – ich glaubte, es könnte am Lindberge bei Perlesreut sein – ein schwaches Licht, in welchem ich bald das „Lichtl“ vermuthete – Auf dem Vorplatze vor dem Friedhof stehend gedachte ich, der Sache auf den Grund zu gehen und beschwor nun mit ganzem Ernste und Nachdrucke das sichtbare Licht: wenn es kein natürliches Licht, sondern etwas Anderes ist, so solle es bis auf 5 Schritt zu mir herkommen – aber es rührte sich nichts. Ich beschwor es zum zweiten Male – mit gleich negativem Erfolge. Schon wollte ich gehen, doch noch zum dritten Male beschwor ich es mit allem Nachdrucke – und siehe da! Auf diesen Befehl hin fuhr plötzlich das Licht direkt scharf auf mich zu. Es flog sehr rasch, hoch in der über alle inzwischen liegenden Hügel und Thäler fernweg in einer Linie, ohne sich zu senken oder zu steigen. Es wurde mit der Annäherung größer, zuletzt wie eine glühende Feuerkugel. Mir lief es beim Näherkommen eiskalt über den Rücken und ich meinte, es hätten sich meine Haare empor gesträubt, aber Furcht hatte ich nicht. Ich befahl wiederholt: es solle nur herkommen zu mir. Wie es in die Nähe kam, flog es langsamer, senkte sich und ließ sich zuletzt, soweit ich im Dunkeln schätzen konnte, etliche zwanzig Schritte von mir entfernt auf der nordöstlichen Ecksäule des Friedhofes nieder und kam immer näher. – Ich wollte aber das Lichtlein anreden und fragen, was es wolle, und fragte deshalb zunächst: weil du nicht zu mir hergehst, gehe ich zu dir hin – und ging auch darauf los. Doch wie ich zu gehen anfing, wich das Lichtlein vor mir zurück ins Thal hinab, wo es sonst immer gestanden. Nachlaufen konnte ich ihm nicht und so musste ich ohne weiteres Resultat aufgeregt nach Hause gehen. Ich wohnte noch im Jagerstöckl. Natürlich erzählte ich diesem das Begegnis und erzählte es später auch dem Haus in Furth, zu dem das Licht Bezug haben sollte, dann geschah selbstverständlich Einiges für die vermeintliche „arme Seele“ – und seit dieser Zeit – ich schreibe dies ad 1901 ( lateinisch: zum Jahre 1901, Anm. d. Verf.)– ist das Lichtlein nicht mehr gesehen worden. –
Für die Richtigkeit und Wahrheit vorstehenden Berichts kann ich mit Ehr und Gewissen eintreten, aber eine Erklärung über die geschilderten Vorkommnisse vermag ich selbstverständlich nicht abzugeben. Ich kann nur sagen: das habe ich gesehen und das ist mir begegnet – mehr weiß ich nicht. Erkläre es sich jeder, wie er kann und mag.
Angeben muß ich aber der Vollständigkeit halber noch: Eine alte Orts-Überlieferung erzählt: in Furth drunten habe ein „Bauer“ auf Hs. Nr. 13 vor Zeiten einmal seine Magd geschwängert, dann umgebracht und sie auf Dungwagen unter Mist hinübergefahren und in der „Adl“ – einem kleinen Gehölz, das auf dem Flurplan noch als „Adelholz“ – zwischen Haus und Furth angegeben ist, aber nimmer besteht – vergraben. Von dieser Gegend aus hob sich auch allemal das „Lichtl“. Thatsache ist, dass dieß Haus Nr. 13 seit mehrern Generationen keinen Kindersegen mehr hatte. – Fluch usque in tertiam et quartem generationem (= lat.: Fluch bis in die dritte und vierte Generation) – und wenn Kinder kamen, starben sie, so dass das Haus schon mehrmals auf eine andere Linie überging. Erst der jetzige Besitzer Hofbauer, seit 1881 verheiratet, hat, nachdem ihm noch die ersten zwei oder drei Kinder gestorben sind, jetzt reichen und anhaltenden Kindersegen und scheint der alte Fluch gebrochen zu sein.

Im Bräuhaus in St. Oswald drin, do sitzn die Kartenspieler so am Tisch dort und toand schafkopfa und wattn. Und do geht’s oft ganz schö zua: do wird hoit aa r amoi a Fluachara ta oder gschimpft. Und es is hoit scha ganz schö finster worn draußt und koana hot ans Hoamgeh denkt. Na endli, a so um Mitternacht, hot da Simandl gsogt: „Ja, i han iatz mei ganz Gejd vospejt und an ganz an schön Wenta han i aa scha beinand. Mir glangts iatz, i moch mi iatz aafn Hoamweg. Und es hot aa nix ghoifa, dass di andern gsogt hamd: „Geh, Simandl, bleib hoit na a weng do!“ Naa, da Simandl is aafgstandn, hot sein Huat doppt und is bei da Tür aussi. Do hots n scha a wengerl draht und übern Hof is a aa nimma ganz gred drüberkemma. Na hot aa r a weng glangt, wo iatz da Hofausgang is. Und do is a hoit a so dahigwandlt über d Bräuwoad drüwa und dann hot as gsehng: „Aha, do obm is da Friedhof.“ Na is eahm scha a weng zwoaraloa worn. S Bier is eahm aa in Kopf gstiegn. Na denkt a si: „Wenn nur i scha grod vo dem Friedhof vorbei waar. Do geh i goa net gern vobei. Direkt d Hehnahaut rennt ma über n Buckl oi und d Hoar stehnd ma geberg. I woaß net aa, dass i iatz do goa a so a Fürchterling bin. Oba i kann ma hoit do überhaupt net hejfa!“
Und wia r a si des denkt, do kimmt hinta da Friedhofmauer ebs Schwoaz viara, a groußa, schwoaza Kopf mit Trümmer Hörndl. „O mein Gott!“ An Simandl is da Schwitz ausbrocha. Renna hot a r aa nimma kinnt. Dogstandn is a, wia wenn s n grod agnoglt ghot hättnt. Nimma viari und nimma hintre. Ja, des schwoaze Trumm, des kimmt ja peiflgred aaf eahm zua. En Simandl foind seine ganzn Sündn ei, vor allem, dass a im Koatnspejn bschissn hot ois Ollerersts – ja liawige Zeit, sechane Trümmer Hörndl und so a Trumm Schäl – des muass o da Teifi sa! Und iatz hot a si wieder dafangt und fangt s Renna a und des schwoaze Ungeheuer mit voller Wucht hinter eahm nochi. Und in a poar Schritt hots n scha eighoit aa, tuat eahm unter d Füaß ei und – hopsa! – hots n scha obm ghot am Kreiz und is mit n Simandl im Galopp oi in d Hauring. Und da Simandl hot owei gschrian: „Hejfts ma! Hejfts ma! Hejfts ma, da Teifi hoit mi! Da Teifi hoit mi!“ Und dann springt des Trumm schwoaze Ding üwer an Grobm drüwa und tuat na an Hupfara und en Simandl hot s owaghaut und in den Dreg ei.
Na, die andern hamd hoit des Grumplat ghört und des Gschroa und wia s aussigehngand mit da Latern und fangand s Suacha a, finden s hoit en Simandl mit sein Trumm Brand im Grobm drinn. „Ja Simandl, wos is en mit dir lous?“ Zerscht hot a überhaupt koa Woat aussabrot, dann hot a grod stottern kinna: „Da – da – da Teifi – da – da Teifi hot mi mitgnumma. Und iatz hot a mi o gworfa. Da Teifi hätt mi ghoit. Guat, dass a mi volorn hot!“
Und wia s a so umanandaleuchtnd, aaf amoi sehngds drunt am Zau en Bräu sein schwoazn Stier, der wo grod schee tuat: oho oho.
„Do!“, hams gsogt, „Simandl, schau oi, do drunt steht a, da Teifi.“ Und hamd den oama Simandl recht ausglocht.
Und es is hoit a so: Wer en Schodn hot, der braucht si um s Gspött net sorgn.

Im Bräuhaus drinnen, in St. Oswald, saßen die Karten spieler am Tisch und spielten Schafkopfen und Watten. Dabei ging es, vor allem zu vorgerückter Stunde, oft ganz schön zur Sache. Geflucht wurde da und geschimpft, dass man meinen könnte, sie müssten sich bald in den Haaren liegen. Dies schien aber nur nach außen hin so, im Grund waren sie alle ein Herz und eine Seele. Draußen ist es mittlerweile schon ziemlich finster geworden, keiner dachte noch ans Heimgehen.
Endlich, knapp vor Mitternacht, ließ sich der Simandl hören: „Ich habe jetzt mein ganzes Geld verspielt und einen schönen Rausch habe ich auch schon. Mir reicht`s jetzt, ich gehe heim!“ Obwohl die anderen ihn vehement zum Bleiben überreden wollten, ließ er sich von seinem Entschluss nicht mehr abbringen. Er stand auf, setzte seinen Hut auf und trat aus dem Haus.
Ein bisschen hat er schon gewankt und über den Hof drüber fand er auch nicht gerade den kürzesten Weg. Mit den Händen hat er sich den Hofausgang ertastet und so ist er dann über die Bräuweide gewackelt. Als er den Friedhof sah, ist ihm ein bisschen unheimlich geworden. „Da wenn ich schon vorbei wäre!“, dachte er und die Hühnerhaut lief ihm den Buckel hinunter und die Haare standen ihm zu Berge. Er wusste, dass er in solchen Situationen immer ein wenig angstanfällig war.
Während er so dahinschlurfte und seinen düsteren Gedanken nachhing, schob sich hinter der Friedhofsmauer etwas Schwarzes nach vorne: Ein riesiger, finsterer, grobschlächtiger Kopf war so nach und nach zu erkennen. „Oh mein Gott!“ Dem Simandl ist der Schweiß ausgebrochen. Er stand da wie erstarrt, keinen Schritt konnte er mehr laufen – fast so, als wäre er angenagelt gewesen.
Das schwarze Monster bewegte sich auf ihn zu – der Simandl begann sich seiner Sünden zu fürchten und versprach bei allen Heiligen, die ihm gerade einfielen, nie mehr beim Kartenspielen zu schwindeln. Der schwarze Kopf rückte immer näher heran: Solch gewaltige Hörner! So ein riesiger Schädel! „Der Teufel! Das muss der Teufel sein!“, fuhr es ihm durch den Kopf.
Nur langsam löste er sich aus seiner Erstarrung und er fing an zu laufen – das schwarze Ungeheuer hinter ihm her. So schnell er auch rannte, den gefährlichen Verfolger konnte er nicht abschütteln. Er fühlte schon den heißen Atem in seinem Nacken.
Und plötzlich wurde es dem Simandl ganz anders: Der Teufel fuhr mit dem Kopf durch seine Beine hindurch und hob ihn wie eine Feder vom Erdboden hoch in die Luft. Simandl landete auf dem Kreuz des Ungeheuers, das einen Sprung tat und dann wie verrückt die Bräuweide hinunterstürzte. Endlich gelang es dem Simandl, zu schreien: „Helft mir! Helft mir! Der Teufel holt mich! Der Teufel holt mich!“ Da setzte das kohlrabenschwarze Ungeheuer zu einem Sprung über den Wassergraben an, landete abrupt auf der anderen Seite, machte noch einen kleinen Hüpfer – und der Simandl? Ja, der Simandl! Er konnte sich bei diesem rasanten Lauf auf dem Rücken des Teufels nicht mehr festhalten, verlor das Gleichgewicht, stürzte herab und landete ziemlich unsanft auf dem harten Boden.
Mittlerweile sind die Kartenspieler in der Wirtsstube hellhörig geworden. Das Gerumple des Teufels und das Geschrei des Simandl sind bis an ihre Ohren gedrungen. Mit einer Laterne ausgerüstet begannen sie, den ungewöhnlichen Geräuschen auf den Grund zu gehen. Sie hörten ein leises Wimmern, das ihnen die Suche erleichterte und es dauerte nicht mehr lange, bis sie vor dem zusammengekauerten Simandl standen. Der lag halb im, halb neben dem Wassergraben und blickte ängstlich nach oben. „Ja Simandl! Was ist denn mit dir los?“, fragten sie erstaunt und leuchteten mit der Laterne in sein schweißtriefendes und blasses Gesicht. Der brachte lange kein Wort über seine Lippen. Endlich stotterte er: „Der, der, der Teufel – der Teufel hat mich mitgenommen. Er wollte mich holen. Auf den Hörnern hat er mich schon gehabt! Aber dann hat er mich verloren – genau hier hat er mich verloren. Gott sei Dank! Da habe ich vielleicht Glück gehabt!“
Die Kameraden suchten mit der Laterne die Umgebung ab, um vielleicht noch Spuren dieser unheimlichen Begegnung zu entdecken. Da sahen sie, wie drunten am Zaun dem Bräu sein schwarzer Stier friedlich graste. Er wandte seinen großen Kopf mit den riesigen Hörnern dem Laternenlicht zu und brummte zufrieden vor sich hin.
Alle Umstehenden fingen herzhaft zu lachen an und sie klärten den immer noch verdutzten Simandl auf: „Da! Schau hinunter! Dort drunten steht er, dein Teufel!“
So ist es halt immer wieder auf dieser Welt: Wer den Schaden hat, braucht sich um das Gespött nicht zu sorgen.
Es war einmal ein Bauer. Immer wenn seine Kühe das Gras auf seiner Wiese abgefressen hatten, sah er rüber auf das Nachbargrundstück, das ihm nicht gehörte. Dort aber stand noch viel frisches Gras. Um 12 Uhr in der Nacht schlich der Bauer unbemerkt zum Grenzstein, um ihn zu versetzen. Er wollte mehr Wiesenfläche haben, um seinen Kühen genügend frisches Gras bieten zu können. Ein paar Nächte hintereinander, jeweils um Mitternacht, wiederholte der Bauer sein Werk: Er versetzte den Grenzstein jede Nacht ein Stückchen weiter in das Nachbargrundstück hinein.
Nach ein paar Jahren verstarb der Bauer. Nach seiner Grablegung verließ sein Geist täglich um Mitternacht den Friedhof, begab sich auf den versetzten Grenzstein und jammerte und winselte dort gottserbärmlich. Dies ging viele Nächte lang so, bis eine Frau aus der Nachbarschaft zufällig das elendige Wehklagen hörte. Sie weckte ihren Mann: „Horch!“ Der Mann hörte das Jammern und meinte: „Das ist eine arme Seele. Die muss umgehen. Die müssen wir erlösen!“ Sie kleideten sich an und gingen vorsichtig dem Wehklagen nach, bis sie an dem besagten Grenzstein ankamen. „Aha!“, meinte der Mann. „Der hat bestimmt zu Lebzeiten den Grenzstein verrückt!“ Sie halfen beide zusammen, setzten den Stein auf seine alte Stelle zurück.
Im selben Augenblick verstummte das Jammern und war auch nie mehr wieder zu hören. Der Bauer war erlöst.
Die „Wilde Jagd“ ist ein Phänomen, das in den Erzählungen immer wieder als etwas furchtbar Grausames, Lautes, Übersinnliches beschworen wird. Es wird nie so richtig geklärt, was genau damit gemeint ist. Aber dass Verstorbene, Hunde und alle möglichen Geister dabei durch die Luft fliegen, dass es dabei stürmt und die ganze Geschichte in der Luft stattfindet und den Menschen Angst einjagt, ist unbestritten.
In unserem Dorf gingen die Männer immer schon gerne ins Wirtshaus und von dort oft spät in der Nacht erst wieder heim.
Ein Bauer brachte seine Ochsen nach Grafenau zum Viehmarkt, um sie dort zu verkaufen. Auf dem Heimweg kehrte er im Dorfwirtshaus ein, um den Handel zu feiern. Das Zechgelage erstreckte sich bis Mitternacht. Beim 12-Uhr-Schlag macht er sich auf den Heimweg.
Er ging noch nicht lange, da hörte er hinter sich ein Rauschen, das immer lauter wurde und immer näher kam. Er wusste sofort: Das war die „Wilde Jagd!“ – Das gab es damals noch, auch wenn es heute unglaubwürdig klingt! – Dabei flogen mit großem Lärm Hunde, Katzen und sonstiges Getier durch die Luft. Auch Jäger sollen dabei gewesen sein. Der Bauer wusste sich nicht mehr zu helfen – er war eingefangen in grässlichem Jaulen und Heulen. Alles, was höher als drei Fuß war, wurde von der „Wilden Jagd“ mitgenommen, ganz gleich, ob es Tiere waren oder Menschen. Und so fasste die „Wilde Jagd“ den zutiefst erschrockenen Bauern, hob ihn in die Lüfte und zerrte ihn durch Stauden und Dornen – das Grauen schien kein Ende zu nehmen. Erst beim Taganläuten verlor die „Wilde Jagd“ ihre Kraft und sie ließ den Bauern direkt auf den Misthaufen vor seinem Hof niederfallen.
Über und über zerkratzt, blutend und die Kleider zerfetzt, konnte der Arme ein paar Tage nicht reden.
In der Nähe eines Dorfes stand eine alte Burgruine. Dorthin kamen die Bauern aus der Umgebung immer wieder, um nach einem geheimnisvollen Schatz zu suchen. Eines Tages war es wirklich so weit: Die Bauern stießen beim Graben auf festen Widerstand und nach kurzer Zeit hatten sie die Schatztruhe aus dem Erdloch herausgehoben. Kaum war die Truhe zur Gänze sichtbar, stand – in Schwefelgestank gehüllt – der Teufel vor ihnen. „Ihr könnt den Schatz behalten. Ihr müsst mir nur versprechen, dass ich euere Seelen dafür bekomme!“
Da kam, als ob er es geahnt hätte, der Pfarrer an diesen unseligen Ort. Hinter seinem Rücken hielt er das Allerheiligste versteckt. Als der Teufel sich ihm zuwandte, holte der Pfarrer das „Allerheiligste“ hervor und hielt es dem Teufel direkt vor das Gesicht. Mit einem grässlichen Schrei verschwand er in einer dichten Rauchwolke. Seit dieser Zeit gibt es in dieser Kirche kein „Allerheiligstes“ mehr.
Der Weg von Greising nach Oberbreitenau führte durch finstersten Wald. Die Baumwipfel standen so eng beisammen, dass ein Blick auf den Himmel kaum möglich war.
Auf eben diesen Weg durch den Greisinger Hochwald geriet ein Handwerksbursche, der sich auf der “Walz“ befand. Er ging und ging. Allmählich wurde er unruhig – nur Finsternis rundherum – er hatte die Orientierung verloren und merkte bald, dass er ständig im Kreise lief. Seine Angst wuchs an und als er sich nicht mehr anders zu helfen wusste, flehte er lautstark die vierzehn Nothelfer um Hilfe an. Plötzlich – wie aus dem Nichts – schwebte eine Hand vor seinem Gesicht. Die Hand streckte den Zeigefinger aus und bedeutete ihm, die angezeigte Richtung einzuschlagen. Er folgte der Hand und fand schließlich an der richtigen Stelle wieder aus dem Wald heraus.
Wer sich dort auskennt, findet ein Marterl, in dem eine Hand aus Holz dargestellt ist.