Der Autor, Gunnar Schanno, ist Fachjournalist und Buchautor gesellschaftspolitischer Themen.
Nach erfolgreicher Buchhandelslehre mit Abschluss in Freiburg im Breisgau studierte er Kommunikationswissenschaft an der Mainzer Universität, war dann als wissenschaftlicher Mitarbeiter in einem sozialwissenschaftlich-empirisch arbeitenden Institut tätig und danach langjährig in einem Wissenschaftsverlag. Für das Branchenmagazin Buchhändler heute war er regelmäßiger Autor. Er ist auch publizistisch aktiv in interkulturellen Gesellschaften.
Nach Buchveröffentlichungen in verschiedenen Verlagen publizierte der Autor bereits 2013 bei tredition einen kulturkritischen Zustandsbericht unter dem Titel „Das Buch im Griff des Internets“. Er hat sich entschieden, seine ebenfalls kulturkritisch konzipierte Erörterung des Glücksbegriffs bei tredition mit dessen flexiblen Anbindungen an andere publizistische Plattformen zu veröffentlichen, und zwar sowohl als Printbuch wie auch als E-Book. Für den Autor ergänzt sich dies auch etwa mit seinen Verbindungen zu Online-Plattformen wie XING oder LinkedIn oder seinen Veröffentlichungen journalistischer Arbeiten bei verschiedenen News-Plattformen.
Die Glückssynthese
Dem Glücksbegriff auf der Spur
© 2014 Gunnar Schanno
Korrektorat und Satz:
Angelika Fleckenstein, spotsrock.de
Verlag: tredition GmbH, Hamburg
ISBN: |
978-3-8495-9036-9 (Paperback) |
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Inhaltsverzeichnis
Einstimmung
Glück – ein Thema ohne Ende
Glück – ein Fragen ohne Ende
Glück heute – noch der Fragen wert?
Was sind die Konstituenten des Glücks?
Ist Glück eine Resultante schicksalhaften Geschehens?
Steht Glück unter Voraussetzung höchster Werte?
Mit Tugend auf dem Weg zum Glück?
Vollkommendes Glück im Bund mit dem Vollkommenen
Glück im Widerstreit zwischen Glaube und Vernunft?
Glück allein aus ichbezogener Heldenhaftigkeit?
Glück im Streben nach Heil und Erhöhung?
Glücksmaximum allein im monotheistischen Prinzip?
Glück im destabilisierenden Prozess der Differenzierung?
Glück in den Koordinaten der Sachlichkeit?
Glück als gestaltlose Größe?
Glück als naturabhängiges Phänomen?
Glück zwischen Entweder-Oder?
Glück unter Wirkung der Lebensphasen?
Glücksprothetik für Senioren?
Glück in Zeiten des Ringens um Nachhaltigkeit?
Glück im Angesicht der Hölle?
Glück im Kontext wissenschaftlicher Konstanten
Glück in politischen Konstanten
Glück im Erkenntnisprozess
Glück im fragwürdigen Raum reinen Denkens und der Wahrheit
Glück im Raum der Unvollkommenheit
Glück auf schwankendem Boden
Glück und Mensch im Mittelpunkt
Glück als mythische Macht
Glück und das Schöpferische
Glück und Transparenz
Glück und Technologie
Glück und Sinnfindung
Glück im Griff religiöser Macht
Glück im Griff politischer Macht
Glück und Freiheit
Von der Relativität des Glücks
Derivate des Glücks
Glück uniform global
Glück aus organischer Quelle
Glück als dramatisches Element
Glück als Gegenstand der Lehre?
Meister des Glücks
Literatur
Einstimmung
Was ist Glück? Ein Allerweltsbegriff, ein Begriff für Alles und Nichts, ein Jedem-das-Seine, ein Füllbegriff für alles Positive, ein Spontanbegriff für alles erwünscht Gefühlhafte, ein Wort für Überschwang, für allen Sinn-im-Leben, für aller Ziel und Streben, ein Zielstreben, ein Persuit of happiness, ein Verfassungsbegriff also in der Präambel der amerikanischen Verfassung. Glück als Wunschbegriff, als Schicksalsbegriff, Glück als Segensspruch, als hymnischer Wunsch – so wie in deutscher Nationalhymne Einigkeit und Recht und Freiheit als „des Glückes Unterpfand“ besungen werden und „im Glanze dieses Glückes“ das Vaterland blühen solle. Gerade weil das Glück dem Menschen so allzeitlich und allörtlich als Phänomen des Höchsten gilt, soll assoziativ herangezogen werden, was Glück als Begriff fassen lässt, soll auch danach gefragt werden, wie dem Glück auf die Spur zu kommen ist, sollen in den Fragen selbst Antworten und Anstöße zum eignen Nachdenken enthalten sein.
Wo unterscheidet sich der Glücksbegriff in der Summe seiner Merkmale von anderen ihm verwandten Begriffen? Lässt sich Glück als Begriff überhaupt fassen, ist er allein ein Gefühlsbegriff, lässt er sich von anderen Gefühlsbegriffen trennen, lässt sich dem Glücksbegriff verlässliche Deutung geben, wäre ihr nicht schon geholfen mit definitorischer Bestimmung? Folgt technischer Durchdringung des menschlichen Alltags nicht Entzauberung, Entmachtung oder Relativierung des Glücks und Ende seines zielhaften Anspruchs? Warum reden und schreiben alle vom Glück ohne viel zu fragen, was damit gemeint, darunter zu verstehen ist und sollte nicht doch einmal zusammengeführt werden, was den Glücksbegriff bestimmt und bedingt?
Glück – ein Thema ohne Ende
Wer vom Glück spricht, scheint immer nur auf dem Weg der Annäherung, nicht des Erreichens, geht immer über schwankenden Boden, hat es immer mit weichen Faktoren zu tun, versucht sich immer am Irrationalen, ist immer im Bereich des Unpräzisen, des Subjektiven, des Passageren, des Meinens, nicht des Wissens oder der Objektivität. Glück ist immer Erleben selbst, Erleben pur. Wenn gesagt wird, dass Wirklichkeit nur augenblicklich erlebbar, nicht wirklich denkbar sei, so muss Glück das Wirklichste sein, was es gibt. Glück ist früheste Erfahrung im Menschenleben, ist Primärerfahrung, Premiumerfahrung, von der das menschliche Wesen immer wieder erfüllt sein will. Darin ist Glück unhistorisch, nicht zu verorten in einer bestimmten Epoche, einer geschichtlichen Zeitspanne. Glück ist so zeitlos und unhistorisch wie Glaube, Liebe und Hoffnung, wie die Tugenden an sich, wie Werte an sich, wie die Kunst an sich – in welcher Färbung und Substanzhaltigkeit auch immer. Darin ist Glück Variable und Konstante zugleich.
Warum – und darum! so sei vorweg genommen - steht das Wort vom Glück so im Zentrum des Lebens, des Strebens, des letztlichen Ziels seit Antike bis hin zur Glücksformel, zum Mach- und Erreichbaren, steht im Fokus von Lehren, von Belehrungen, steht es im Zentrum des Subjektiven, des Individuums, des Religiösen, des Gemeinschaftlichen und – da wird es gefährlich! – des Gesellschaftlichen, des Staatlichen, des Ideologischen?
Was ist der Gegenbegriff von Glück? Freilich ist er das Unglück. Nichts Schlimmeres als zerstörtes Glück. Doch ist Abwesenheit von Glück nicht eher ein Normalzustand? Ist Glück nicht immer der Zustand des Besonderen, der Ausnahme, des Temporären, des Augenblicklichen? Kann als Unglück im Moment seines Geschehens nicht auch empfunden werden, was späterhin umwertend als glückliche Fügung erkannt wird? Kann als Glück im zeitnahen Erfassen nicht empfunden werden, was im weiteren und späteren Geschehensverlauf als Unglück zu werten ist. Ist denn Glück in dieser Relativität nicht ständig auch trügerisches Glück?
Glück – ein Fragen ohne Ende
Steht die Glücksfrage in Zusammenhang mit der Sinnfrage des Menschen? Lässt sich Sinn des Lebens denken ohne Glück? Ist es also nicht verbunden mit der Ganzheitlichkeit des Menschen? Ist Glück nicht immer ein gefühlhaftes Überwölbt-Sein des ganzen Menschen, das Enden allen Zwiespalts in ihm? Ist Glück selbst nicht unteilbar wie der Glaube, von immer gleichem Wesen, ob großes oder kleines, ob kurz oder lang währendes Glück? Ist Glück allein Erleben oder auch Erkennen? Ist es der erleuchtende Heureka-Moment des Ich-hab’s im Augenblick des Erkennens? Ist Glück wie eine Fata Morgana, die sich dem Dürstenden auflöst im Moment der Annäherung an das glücksauslösende Moment? Ist Glück ein konstituierendes Element der Existenz? Kann der Mensch als Species nur für sich allein und auf sich bezogen von Glück sprechen? Konnte die Erforschung des Glücks als Zustand bestimmter psychischer Verfasstheit dem Glück rationalisierte, aufklärerische Komponenten hinzugewinnen? Ist Glück der ichbezogenste, der anthropozentrischste Moment der Existenz? Ist es wie die Helle des Lichts, das das Umgebende nicht mehr erkennen und unterscheiden lässt? Ist Glück immer in der Dimension des Absoluten, des vollen Erlebens des Menschen in seinen Extrempunkten, gerade so, wie mystische Erfahrung das Glück als größte Seligkeit in Gottes-Nähe erstrebt?
War gedachter und medialer Ort der Gefühlssynthese, war denn nicht auch Quelle und Ausgangspunkt des Glücks die unteilbare Seele? Wie kann von unterschiedlichem Glück gesprochen werden, wo mit ihm doch die höchste Ausprägung des Gefühlhaften und des Lebensziels gemeint ist? Ist Glück nicht der einzige Modus, um dessentwillen der Mensch sich Ewigkeit wünschte und, da doch im Unglück nicht Ewigkeitswunsch sein kann, die Ewigkeits-Idee allein von der Glücksidee her ihren Ausgang nahm? Ist Glück nicht Phantom, wo schließlich alles Geschehen immer dergestalt ist, wie es sich aktualisiert im Augenblick ohne Wenn und Aber, ganz nach hegelscher Manier, dass die Weltgeschichte die Gegenwart sei und alles, was geschieht, vernünftig? Was will Glück eigentlich gegen oder in Parallelität zur Vernunft, wo letztere doch unübersteigbar ist, sich in ihr alles nach Naturgesetzen manifestiert, alles Abweichende und Naturwidrige im Erfahrungsgang widerlegt wird?
Gehört das nicht zuletzt als göttlicher Existenzbeweis erachtete Gewissen zu den werthohen Elementen des Glücks? Ist da nicht Glück so relativ gespeist auch aus irrenden, von Gewissen unberührten Momenten, wie auch gutes Gewissen gespeist sein kann aus Irrtum? Denn das Gewissen bietet keine Zuverlässigkeit eines Ausdrucks moralisch und ethisch überdauernder Werte. Es bildet sich aus im zeitlich je erreichten Erkenntnisgrad und allein im urwüchsigen Erfassen dessen, dass es sich regt im Tun von Taten, die ich letztlich an mir selbst nicht getan haben will. Was noch vor Jahrzehnten, vielleicht auch hier und heute mit gutem Gewissen geschah in Erziehung, Wissenschaft oder Politik oder ganz privatem Verhalten, ob an Mensch, Tier und sonstig umgebender Welt, gerne Umwelt genannt, dies kann im Zuge fortschreitender Erkenntnis zur gewissenlosen Handlung herabsinken und allgemeiner Empörung und Ächtung ausgesetzt sein. Dennoch sagt christliche Lehre, dass irrend aus Gewissen handelnd schuldlos geschehe. Das Sonderbare im Aufeinander-Bezogenen ist, dass Glück selbst als Phänomen inneren Erstrahlens immer auch vereint mit grundsätzlich gutem oder gut gemeintem Gewissen sich ereignet, weil in Zerrissenheit, in Zweifel, im schlechten Gewissen kein Glück erscheint.
Welche Konstituenten schaffen Glück? Ist Glück dem Geistigen allein verbunden? Kann das Materielle, kann das Geistige je allein oder nur in Gemeinsamkeit vereint Sinnträger für Glück sein? Schert sich das Glück überhaupt um Sinn? Kann vorausgesetzt werden, dass Glück zwar nicht aus dem Nichts entsteht, aber es Nichtigkeiten sein können, aus denen es entsteht? In welchen Abhängigkeiten steht es? Welche Faktoren müssen sich erfüllen in der Vorbereitung eines Zustands von Glück? Schließt Quelle des Unrechts, Entstehen aus dem Bösen vom Zustand des Glücks aus? Gibt es wahres und unwahres Glück? Kann wahres Glück nur im Kontext des Guten entstehen? Würde Glück seinen Namen aus der Quelle auch des Bösen verdienen oder ihn verlieren müssen? Hat Glück seine Sinnhaftigkeit verloren im Griff ökonomisierter, funktionalisierter, verwissenschaftlichter Machbarkeiten selbst im Reich menschlicher Gefühlszustände? Wird Glück geschenkt? Ist es bedingungslos? Muss Vorarbeit geleistet werden? Muss es im goetheschen Sinne erworben werden, um es zu besitzen?
Glück heute – noch der Fragen wert?
Fragen, die die Antworten suggerieren! Kann Glück präsentiert und verschenkt werden in medialer Teilnahme eines Millionenpublikums an Bildschirmen als Vergnügungs-Shows in monströser Glücksinszenierung von Paarzusammenführungen und Millionengewinnen? Sind für immer mehr Menschen nur noch Glücksdesigner am Werk, Animatoren der Seelenstimmung, der Glücksgenerierung mit dem Wunsch nach einem Immer-Wieder und Noch-Mehr? Werden individuelle, familial, regional geprägte, kulturell oder ethnisch aus tiefen Bewusstseinsschichten emporkommende Glücksbilder immer häufiger überlagert von vorgeprägten, klischeehaften Bildern und Assoziationen aus Pools von Agenturen, als Icons international vernetzter Marketingindustrie? Sind Vorbedingungen für das Glück kalkulierbar, global planbar als Ereignisorte von Disneylands, Erlebnisparks und geklonter Schauwelt von Konsumtempel? Ist Glück manipulierbares Produkt der Vernunft geworden? Ist es Ursprung oder Ergebnis?
Was verletzt Glück, was zerstört es? Was sind die Gegenkräfte? Treten Antipoden offen auf in den partiellen Gegengefühlen? Sind Antipoden verborgen im Verstandeshaften, im Analysierenden, im Verlust der Balance, in den Defiziten des Physischen, der Krankheit, in den Schicksalsschlägen, im Nachlassen der Vitalität, im Scheitern an der Wirklichkeit, im Mangel an Kraft zum Konstruktiven, im Missverständnis, in Ignoranz und Kenntnislosigkeit? Ist Glück nicht mehr als kurze Unterbrechung der Krise, jenem Dauerzustand also des unentwegten Handeln-Müssens, des Entscheidungsdrucks?
Kann man sich dem Glück versagen? Ist die Antwort darauf nicht, dass es kein wirkliches Sich-Versagen gibt, weil das Glück nicht antizipiert werden kann, weil die Vorstellung selbst, sich dem Glück versagt zu haben, schon ein Vorgang des Umwertens ist, vielleicht gar ein un- oder halbbewusstes Entscheiden für etwas, das mit Werthaftem verbunden zu sein scheint, wie Pflicht, Arbeit und Verantwortung? War es dann wirklich ein Sichversagen des Glücks oder ist es nicht ein Finden von Zufriedenheit und jenem guten Gewissen, die wohl die Vorstufen von Glücksempfinden sein können. Wird Glück also nicht als Wert gesehen, sondern vielmehr als Geschenk? Als Geschenk nämlich, weil es wie Würdigung, wie Ehrenbezeigung, wie unverhoffte Segnung eigenen Tuns erscheint.
Hat aber Glück als Ausdruck der Ganzheitlichkeit des Menschen ausgedient in Zeiten analysierender Fraktionierung, Partikularisierung von Psyche und Physis, im empirisch erforschten Wechselspiel von Reiz und Reaktion? Wird Glück als vollkommene Aufhebung des Widerspruchs zwischen Ich und Außenwelt nicht wieder in rationalistischer Sicht seiner universellen Größe beraubt? Wird Glück utilitär ersetzt durch Baukästen und Module aus Seminar-, Ratgeber-, Coaching und Therapie-Angeboten für Wellness, Karriere, Erfolg? Kann die Idee von Glück bestehen als das, was ihm seit Antikenzeiten nie abgestritten worden ist als alleiniger Modus letztlicher Existenzerfüllung des Menschen, als Verbindungsmodus zwischen konkret Seiendem und abstraktem Sein, zwischen Ratio und Emotio, zwischen Wirklichkeit und Idee, zwischen Relativem und Absolutem, zwischen Materie und Geist, zwischen Zeit und Unendlichkeit, zwischen Diesseits und Jenseits, zwischen Unvollkommenheit und Vollkommenheit, zwischen Menschlichem und Göttlichem?
Was sind die Konstituenten des Glücks?
Glück – wie es unisono konnotiert im allgemeinen Sprachgebrauch erscheint – ist ein Zustand, aus dem Kraft und Zuversicht gewonnen wird. Glück ereignet sich allein im positiven Kontext. Es steht nie mit Untugenden im Bündnis. Es ruft keinen Stolz, keine Überheblichkeit hervor. Es ist nicht von Egoismus und bösartiger Gesinnung bestimmt. Es bleibt ungeteilt bei sich, ergreift den Menschen ganzheitlich, hat nie Schadenhaftigkeit im Moment des Wirkens und nicht im Nachhinein, weder für sich noch für andere. Glück liefert keine Lösungen fürs Leben, gibt keine Antworten auf Fragen. Es lässt das glücksauslösende personale oder dingliche Element in Ruhe, nimmt keine Richtung mehr auf das Objekt des Glücksauslösenden, wie es als partikulares Einzelgefühl das Begehren wäre. Glück ist wie ein Aufblicken in die schöne Landschaft, das Kraft zum beschwerlichen Weiterwandern gibt. Glück ist wie Goldstaub, der im Sieb sich vom dunklen Erdgrund trennt, und Glücksmomente sind wie die großen oder kleinen Segnungen zwischen Lebenslast und Müh, die dafür stehen, dass alles Beschwerliche der Mühe wert war.
Deshalb kennt Glück auch keine Attitüde wie das Tragische oder die Melancholie Es inszeniert sich nicht, es ist da oder nicht da. Im Glück ist der Mensch ganz bei sich, weil im Glück nichts abgespalten ist, immer alles umfasst. Glück ist deshalb immer ernst, nie komisch, weil es sich nicht verfremden kann. Glück muss nicht einmal entstehen aus realen Zusammenhängen, muss nicht gebunden sein an das Faktische, an äußere Bedingtheiten, nicht einzig an Gelingen und Erfolgserlebnis. Glück ist nicht intellektuell, weil der Glückliche nicht in Abhängigkeit vorausgehenden Verstehens geraten muss. Glück muss sich nicht verbalisieren, weil es nicht im Raum des Denkens geschieht. Glück ist unabhängig von Erfahrung und Erkenntnis, weder quantitativ noch qualitativ, aus ihm strömt nicht einmal Selbsterkenntnis. Es kreist allein im Innern des Selbst und ist dennoch basisdemokratisch verteilt, weil es anthropologisch in jedem verankert ist.
Glück ist souverän, weil es ohne Bindung an Ort und Zeit, weil es nicht notwendigerweise an äußeres Geschehen oder bewusstes Wollen gebunden ist. Es bedarf nicht einmal eines äußeren Anlasses wie Freude oder Fröhlichkeit, auch wenn sie freilich ihrerseits aus ihnen heraus wieder die Emanation eines Glücksgefühls auslösen können. Glück entsteht, wenn der Fall der Synthese positiv gerichteter Einzelgefühle da ist. Es verschwindet, wenn die Gefühlsmomente in andere Gewichtungen geraten und keine Ganzheitlichkeit und keine Synthese mehr bilden. Es vergeht, weil es instabil ist und sekundenschnell durchkreuzt, ge- und zerstört werden kann von unzählig vielen intervenierenden Elementen der realen und emotionalen Außen- und Innenwelt. Glück ist nicht demokratisierbar, wie die Utopie es wünscht, weil die Synthese immer individuell zustande kommt und auch in glückhaftest scheinenden Momenten der Einzelne glücksverlassen dastehen kann. Denn vor allem Glück – es sei einmal erwähnt – steht als ultimativ positives Phänomen für nichts als die schiere Notwendigkeit inmitten der Selbsterhaltung, der Sicherung des Stoffwechsels, der Inganghaltung der physischen Komponenten, dem Rappeln und Zappeln danach, nicht Hunger noch Durst, nicht Schmerz noch Unlust zu empfinden. In diesem Geflecht, inmitten dieser Konstituenten, vielleicht dazwischen und mittendrin bildet sich wie mithilfe epigener Botenstoffe eine amorphe, das Körperliche und das Ich einende und überströmende Glücksstruktur.
Glück steht immer im Modus der Veränderlichkeit und der Bewegung, der augenblicklichen, nur scheinbar unbewegten Balance, steht in bewusst wie unbewusst wirkender Strömung innerer Kräfte, die unentwegt zu unscheinbaren bis zu hochtürmenden Kulminationspunkten, zu Wellenbrechungen der Gefühlsströme, in Täler wie auf Höhen der Gefühlslandschaft führen. Wie beiläufig auch immer, ein Glücksempfinden kann nicht in Zaudern und Zagen entstehen, zwischen Grübeln und Skrupel. Da hilft alle Skepsis nichts. Der Mensch befindet sich in Spannung, Disharmonie und Unruhe, solange kein Entscheiden, keine Lösung, keine Gewissheit, keine Antwort, kein Durchblick sich einstellen. Dazu zählt auch jenes Lieber-ein-Ende-mit-Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Der Tageslauf ist eine Kette von Entscheidungen und alle stehen in der Kontinuität geglückter oder missglückter Momente und so auch im Rückblick besehen eines geglückten Tags, an dessen Ende die geglückten Momente die wesentlicheren sind, jene, in denen die gelungenen Einzelmomente sich fügen zu einer Synthese dessen, der wir den Begriff des Glücks zusprechen. Wir leben nur im Augenblick, wie es heißt. Wenn dem so ist, so scheinen Glücksmomente zu den seins-höchsten Augenblicken des Lebens zu zählen. Erst aber, wenn Erfahrung, Weisheit, Milde, Rückblicken, Wertung und Gewichtung hinzukommen im Laufe des Lebens, dann kann gar von einem geglückten Leben gesprochen werden, wie es sich zusammensetzt aus unmessbar vielen Einzelmomenten des Phänomens Glück. Ist Glück im Kleinen wie im Großen also nichts als ein komplexitätsreduzierendes Allgefühl?
Glück ist nicht vermittelbar. Es ist wie Glaube oder Liebe nicht nachvollziehbar außerhalb des eigenen Ich. Es gibt kein Teilhaben am Innenleben eines Menschen im Glück. Glücksempfinden eines anderen kann wohl über ein Mitschwingen, synchron, gefühlsverwandt geschehen bis hin zu den Extremen eines inszenierten Massenglücks im Miterlebnis mit Tausenden. Das individuelle Glück ist aber grundsätzlich ein gegenwärtiges Heraustreten aus dem Allgemeinen, vielleicht nur für Momente aus vielfältigem Beziehungsgeflecht, wie es Gemeinschaft und Gesellschaft bedingen Darin hat das Befassen mit dem Phänomen Glück etwas gemeinsam mit der Arbeit des Psychologen am je individuellen Einzelfall, wo alle Abstraktion nichts hilft, wenn ur-persönliche Bilder gefunden, individuelle Entlastungswege gesucht werden müssen. Glück selbst ist ein Modus, der den Intellekt überspringend Widerspruchslosigkeit schafft und unmittelbare Verbindung zur organischen Tiefen- und transzendenten Höhenschicht erreicht. Glück ist Medium zum Metaphysischen und zugleich Ursprünglichen, zum Ausgang und Quellgrund des Lebens.
Ist Glück eine Resultante schicksalhaften Geschehens?
Glück ist nicht einmal nachvollziehbar innerhalb des Ichs im Moment des Wirkens. Glück ist nicht messbar. Es ist immer Teil des Subjektiven und des Individuellen, greift nicht in äußere Zusammenhänge über. Weil es ganz innerlich und ganzheitlich ist, kann es nicht geteilt werden. Weil es nicht geteilt werden kann, ist es nicht wirklich instrumentalisierbar. Glück kann nicht gewollt werden, sowenig Liebe oder Glaube gewollt werden kann. Glück ist eine Resultante individuell geprägter Momente und schicksalhaften Geschehens. Weil dem so ist, ist es nicht lehrbar. – Gegenrufe werden laut bei solch behauptendem Diktum!
Was wir Glück nennen, kreiert sich grundsätzlich subjektiv und bewahrheitet, dass der Mensch immer ein Einzelner bleibt auch inmitten von Gemeinschaft und Gesellschaft und dass er ausschließlich oder begleitend aus tiefsten Quellen des ererbten Fundus, des Phantastischen, des Märchenhaft-Mythischen schöpft. Glücksmomente verteilen sich über den Tag aus kleinsten realen oder phantasierten Anlässen, innerlich motiviert, äußerlich sichtbar ausgelöst, mal unerkennbar, mal strahlend nach außen und immer dann, wenn strömende Empfindungen im Innern, und sei es nur sekundenhaft, aus ihrer Disparität zu lichtvoller Einheit gelangen.
Glück ist außerhalb der Zeit, denn es wird zeitlos und zeitvergessen empfunden. Glück ist fundamental. Es ist vielleicht die einzige Dimension, in der – wie in der Liebe – das Absolute, das Unendliche in des Menschen Leben tritt. Im Glück ist aller Widerstand aufgehoben, ist nur Erfüllt-Sein ohne Sollen und Müssen, ohne Tun und Aktion. Wie die Liebe ist, so ist auch Glück eine unsichtbare Kraft, ist der Zusammenhalt auseinanderstrebender Teile, ist ein anthropologisches Essential. Und letztlich vereint es individuell und überindividuell auf gleichen Bahnen die gefühlhaften Momente, kulminiert in einer von Synthese zu Synthese getragenen Identität. Glück als solch eine zwischen Sekundenhaftigkeit und Allzeitlichkeit, als ein Gesamtempfinden gehört zum Bestand der Metabegriffe der Menschheit – zeitmodisch darf ruhig vom Megabegriff gesprochen werden. Die Menschheitsgeschichte vollzieht sich in ihrem linearen Verlauf auf diese Art von Metabegriffen hin in asymptotischer Bewegung, fällt nicht zurück in zirkulären Schleifen auf vormalige Zustände und Bewusstseinsstufen, nimmt Richtung auf sie, so wie sie dastehen als Triumvirat von Würde, Freiheit und Gerechtigkeit.