Audio-Tracks mit Meditationen gesprochen von Bernard Jakoby.
Aufnahme: Zino Mikorey Mixing & Mastering, Berlin
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Die Namen der Personen wurden geändert.
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© für die Originalausgabe und das eBook: 2014 nymphenburger in der
F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München.
Alle Rechte vorbehalten.
Schutzumschlag: Wolfgang Heinzel
Schutzumschlagmotiv: Fotodesign Hildegard Morian
Satz und eBook-Produktion: EDV-Fotosatz Huber/Verlagsservice G. Pfeifer, Germering
ISBN 978-3-485-06104-9
Inhalt
Einleitung
1. TEIL – Die Überwindung der Angst im Sterbeprozess
Verlust und Trauer
Die Ängste der Sterbenden
Die Angst vor körperlichem Leiden
Die Angst vor Abhängigkeit und Ausgeliefertsein
Die Angst vor dem Verlust der Identität
Die Angst, Lebensziele nicht mehr zu erreichen
Die Angst vor Einschränkungen
Die Angst vor Einsamkeit
Die Sorge um Angehörige
Die Angst vor dem Ungewissen
Der Sterbeprozess des Menschen
Die Angst vor dem Tod
Das Loslassen des Egos
Die Lebensbilanz
Bewusstseinserweiterung
Auftretende Phänomene
Die innere Dynamik des Sterbens
Das letzte Aufgebot der physischen Reserven
Die Ablösung der Elemente vom Körper
Der Schrecken des plötzlichen Todes
Universelle Vorboten eines plötzlichen Todes
Persönlichkeitsveränderungen
Suizid
Die innere Dynamik eines Suizids
Aspekte der Trauer
Die unterschiedlichen Phasen des Trauerprozesses
1. Nicht-wahrhaben-Wollen
2. Wut und Zorn
3. Verhandeln
4. Depression
5. Annehmen
Aspekte der Trauerbegleitung
Hören Sie einfach zu
Erwarten Sie nichts
Seien Sie ehrlich
Urteilen Sie nicht
Lenken Sie nicht ab
Begegnungen mit Verstorbenen
Das Geburtstrauma
2. TEIL – Das Phänomen der »German-Angst«
Die Folgen des Zweiten Weltkrieges
Das Zulassen der Trauer
Das Schicksal der Kriegskinder
Die Kriegsenkel
Das Sterben der Kriegsgeneration
Aussöhnung suchen
3. TEIL – Die Auflösung der Angst in den Nahtoderfahrungen
Die außerkörperliche Erfahrung
Die Tunnelerfahrung
Die Begegnung mit dem Licht
Die Lebensrückschau
Universales Wissen und das Eintauchen in das Gotteslicht
Die Gotteserfahrung
Die widerwillige Rückkehr
Die Auswirkungen einer Nahtoderfahrung
Die Bandbreite der Persönlichkeitsveränderungen
Ein neues Bild des Selbst im Hier und Jetzt
Keine Angst mehr vor dem Tod
Materielle Werte sind nicht so wichtig
Toleranz und Akzeptanz gegenüber Andersdenkenden
Mitgefühl mit anderen und das Wissen um die Lebensaufgabe
Heilerische und paranormale Fähigkeiten
Das Wissen um die Weiterexistenz nach dem Tod
4. TEIL – Meditationen zum Verwandeln der Angst
1. Das Erkennen der geistigen Wesensnatur
Meditation: Wie kann ich mit meinem höheren Selbst in Kontakt treten?
2. Mit sich ins Reine kommen
Meditation: Der innere Klärungsprozess
3. Die Auflösung alter Verhaltensmuster und Denkkonzepte
Meditation: Zugang zu den versteckten Gefühlen
4. Die Bewusstwerdung der Angst
Meditation: Sterben
5. Sich der Macht der eigenen Gedanken bewusst werden
Meditation: Gedankenstille herstellen
6. Die Überprüfung der eigenen Erwartungshaltungen
Meditation: Auseinandersetzung mit den eigenen Erwartungshaltungen
7. Seine Urteile aufgeben
Meditation: Die eigenen Urteile durchschauen
8. Verzeihen können und Selbstvergebung
Meditation: Vergebung
9. Die Illusion der Schuldgefühle
Meditation: Befreiung von Schuld
10. Das Durchschauen des Egos
Meditation: Die Illusionen des Egos auflösen
11. Die Eigenverantwortung für sein Leben übernehmen
Meditation: Eigenverantwortung
12. Das Hier und Jetzt
Meditation: Jetzt
13. Die goldene Regel
NACHWORT
Ein Leben ohne Angst
Danksagung
Kontakt
Anmerkungen
Literatur
Einleitung
Das Wort »Angst« kommt aus dem Lateinischen (»angustia«) und bedeutet »Enge«. Es ist wenig verwunderlich, dass sich Menschen bei einer Panikattacke dem Tode nahe fühlen, denn eine solche wird von entsprechenden Symptomen begleitet: Die Brust schnürt sich zusammen, das Herz klopft bis zum Hals, als ob es nicht mehr regelmäßig schlage, damit einher geht ein Enge- oder Druckgefühl. Manche leiden unter Atemnot bis hin zu einem Erstickungsgefühl. Taubheitsgefühle können auftreten, Schmerzen. Die Hände zittern, mitunter auch der ganze Körper und Hitzewallungen und Kälteschauer machen sich gleichzeitig bemerkbar. Manche Menschen befürchten durchzudrehen und haben Angst, die Kontrolle über sich zu verlieren.
Angst ist immer mit einem Gefühl der Ohnmacht, eines Kontrollverlustes verbunden und ist letztlich ein Auflehnen gegen das Schicksal des Sterbenmüssens. Die Angst vor dem Tod wird als Mutter aller Ängste bezeichnet. Angst verhindert, sich fallen lassen zu können, sich dem Leben hinzugeben oder sich anderen gegenüber zu öffnen. Es erstaunt wenig, dass ungefähr die Hälfte der deutschen Bevölkerung an Angststörungen oder Panikattacken leidet.
In den heute sehr gut dokumentierten Sterbeprozessen zeigt sich im Gegensatz dazu, dass die überwiegende Mehrzahl aller Menschen ihr Sterben am Ende annehmen und dementsprechend friedlich sterben kann. Diese Tatsache sollte uns zu denken geben. Wieso fürchten sich so viele ihr Leben lang vor dem Tod und können dann doch friedlich sterben? Was ist da plötzlich anders? Welches Verständnis hat da vorher gefehlt? Und kann man diese Erfahrung vielleicht auch schon früher ins Leben holen und dadurch angstfrei leben?
Diese Überlegungen haben mich zum Schreiben dieses Buches bewogen. Meine Recherchen und zahlreichen Beobachtungen in diese Richtung haben in mir die Gewissheit reifen lassen, dass ein Mensch, der tief versteht, dass er ein geistiges Wesen ist, keine Angst mehr hat vor dem Loslassen des Körpers. Dies zeigt sich in den Erfahrungen von Sterbebegleiterinnen und Sterbebegleitern, in den vielen Nahtoderfahrungen und vor allem auch in vielen Gesprächen, die ich bei meinen Vorträgen und Seminaren mit vielen Menschen führen darf.
Das Körperbewusstsein spielt bei der Angst eine große Rolle. Alle Situationen, in denen wir Ängste entwickelt haben, werden gespeichert und unter gegebenen Umständen reaktiviert. Das führt dazu, dass wir von einer Vielzahl unnatürlicher Ängste beherrscht werden, von Phobien und Zwangsneurosen, die das Leben vieler Menschen zur Hölle werden lassen und denen sie hilflos ausgeliefert sind.
Das menschliche Dasein bietet keinerlei Sicherheiten gegen die Wechselfälle des Möglichen und es ist nicht kalkulierbar, da wir in den Kreislauf von Geburt und Tod eingebunden sind. Die daraus resultierende Angst ist ein Mangel an Vertrauen in unsere geistige Natur, nicht zuletzt deshalb, weil der Tod in unserer Gesellschaft aus dem Alltagsleben ausgegrenzt wurde. Das Sterben haben wir in Krankenhäuser, Pflegeheime oder sonstige Institutionen verlagert.
Viele Menschen werden heute erst mit über fünfzig mit dem Tod konfrontiert, meist mit dem Tod der Großeltern oder der eigenen Eltern. Dass auch kleine Kinder, Jugendliche oder Erwachsene jeden Alters sterben, wird aus dem Bewusstsein verdrängt. Angehörige sind dann entsprechend überfordert, nicht nur durch die Konfrontation mit dem Tod, sondern auch, weil sie plötzlich von ihren eigenen Ängsten eingenommen sind.
Geburt und Tod sind natürliche Prozesse des Lebens. Dennoch wurde der eigenen vergänglichen Natur der Kampf angesagt durch Verdrängen und Verleugnen, durch unnatürliche Ängste jeder Art, durch Kompensation, Konsum, Leistung und Jugendwahn. Wir leben länger als jemals zuvor und wollen immer noch nicht wahrhaben, dass ein demografischer Wandel bevorsteht, dass die Überalterung der Gesellschaft nicht nur unser gesamtes Gesundheitssystem infrage stellen wird, sondern wir in einem nie gekannten Ausmaß mit dem Sterben konfrontiert werden.
Als noch gravierender ist der Umstand zu betrachten, dass gegenwärtig die Generation der um 1920 Geborenen stirbt, die in die Wirren des Zweiten Weltkrieges verwickelt waren. Damals war fast jede Familie von Tod, Flucht, Vergewaltigung etc. betroffen. Gleichzeitig wurde den Deutschen nach dem Krieg ein Trauerverbot um die eigenen Angehörigen auferlegt. Wer jedoch nicht um die eigenen Verwandten und Freunde trauern darf, muss zwangsläufig verdrängen. Angesichts der Ermordung von Millionen von Juden durch das Naziregime wurden die Deutschen pauschal zum Tätervolk. Das Verschweigen und Verdrängen dieser einschneidenden Erlebnisse, der Ängste und der Schrecken des Krieges, haben dazu geführt, dass all diese unbewusst auf die Nachkriegsgeneration übertragen wurden. Daraus ergaben sich viele Konflikte. Viele verachteten ihre Eltern, grenzten sich ab oder verurteilten sie. Es wurde viel zu wenig über die Hintergründe des Krieges und die Erlebnisse der Einzelnen gesprochen und der Zusammenhang bestimmter daraus resultierender Verhaltensweisen in den Familien nicht erkannt. Dieses mangelnde Verstehen hat viel Leid bewirkt.
In den kommenden Jahren besteht die letzte Möglichkeit einer notwendigen Aussprache und Aussöhnung zwischen den Generationen. Der Sterbeprozess konfrontiert uns mit den Bildern unseres Lebens, die an die Oberfläche des Bewusstseins treten. Die Kriegsgeneration bedarf deshalb besonderer Zuwendung und des mitfühlenden Verständnisses, damit die Wahrheit ungeschminkt ans Licht kommen kann und alle Beteiligten ihren Frieden finden können. Das Unausgesprochene muss ausgesprochen werden, damit Versöhnung und Vergebung erfolgen können. Keiner hat das Recht, einen anderen zu verurteilen. Es ist wichtig, den Sterbenden durch liebevolle Akzeptanz und Zuhören zu entlasten.
In diesem Buch möchte ich auch der Frage nachgehen, wie sich die Blockaden der Angst auf unser Leben und Sterben auswirken. Je mehr wir es schaffen, Wut, Hass, Zorn oder Schuldgefühle aufzulösen, hinter denen tief sitzende Ängste stehen, desto mehr hat das direkte Auswirkungen auf unser Leben: Wir können das Leben annehmen, wie es ist, und finden inneren Frieden. Das Verdrängen der eigenen Sterblichkeit führt immer nur zu neuen Ängsten. Insofern ist es von großer Wichtigkeit, sich die natürlichen und unnatürlichen Ängste und Emotionen bewusst zu machen, denn sie verhindern einen natürlichen Zugang nicht nur zum Sterben, sondern auch zum Leben.
Angstfreiheit ist verbunden mit der Erfahrung, ein ewiges Wesen zu sein. Angst und Schuld sind die größten Hindernisse, die letztlich nur durch Liebe geheilt werden können. Insofern ist das Thema Angst mit dem der bedingungslosen Liebe eng verknüpft, da nur Liebe Angst heilen kann.
Wir wissen aus den Nahtoderfahrungen, dass durch das Erleben von Außerkörperlichkeit und erweitertem Bewusstsein die Angst vor dem Tod aufgelöst wird. Je intensiver wir uns mit diesem Wissen auseinandersetzen, desto mehr können wir uns aus den Illusionen der Negativität und der Angst zu befreien.
Im letzten Teil des Buches wird der innere Transformationsprozess beschrieben und durch hilfreiche Meditationen ergänzt, die in Audio-Tracks von mir angeleitet werden. Durch diese Meditationen wird es möglich, selbst an sich zu arbeiten und sich von belastenden Emotionen zu befreien. Indem die eigenen Ängste bewusst werden, können wir alte Verhaltensmuster, hemmende Denkkonzepte oder Erwartungshaltungen auflösen. Durch Verzeihen und Selbstvergebung erkennen wir, dass nur Liebe die Verletzungen unseres Lebens sowie alle damit verbundenen Ängste zu heilen vermag.
Dann erreichen wir einen Zustand echter Lebensfreude und erschaffen ein Leben ohne Angst. Wir finden inneren Frieden und erkennen, dass wir von unserer geistigen Natur her Liebe sind und daher immer geborgen.
1. TEIL
Die Überwindung der Angst im Sterbeprozess
Die Angst vor dem Sterben und der eigenen Vergänglichkeit verfolgt den Menschen von Anbeginn seines Daseins. Vor 4000 Jahren heißt es bereits im Gilgamesch-Epos, als Gilgamesch vom Verlust seines besten Freundes Enkidu berichtet: »Trauer ergreift mein Herz. Ich fürchte mich vor dem Tod.«
Bis heute ist die Angst vor dem Tod allgegenwärtig. Sie zeigt sich bei vielen indirekt – sei es in Form eines physischen Symptoms oder als allgemeine Beunruhigung bis hin zu regelmäßigen Panikattacken oder tief greifenden psychischen Problemen. Philosophen aller Zeiten haben sich mit der Todesangst auseinandergesetzt, um den Seelenfrieden im Leben zu finden.
Der große klassisch-griechische Philosoph Epikur (341 v. Chr.– 270 v. Chr.) bemühte sich, das menschliche Leid zu lindern. Für ihn war die Wurzel allen Übels die Angst vor dem Tod, da die Vision des unausweichlichen Endes die Lebensfreude erheblich beeinträchtige.
Psychologisch gesehen ist die Furcht vor dem Tod zwischen dem sechsten Lebensjahr bis zur Pubertät nicht sehr stark ausgeprägt. In der Jugend sind viele extrem mit dem Tod beschäftigt. Eine mögliche Reaktion sind gewalttätige Videospiele, die sie zu vermeintlichen Meistern über das Sterben machen.
Horrorfilme, Kriegsfilme oder todesverachtende Lieder sind weitere Reaktionsmöglichkeiten. Andere trotzen dem Tod, indem sie waghalsige Risiken eingehen, z. B. durch Extremsportarten, Fallschirmspringen etc. Wenn wir ins Erwachsenenleben eintreten, steht die berufliche Karriere im Vordergrund. Es folgt bei den meisten die Familiengründung, das Thema Tod wird weitestgehend ausgegrenzt.
Das ändert sich dann schlagartig, wenn die Kinder aus dem Haus gehen. Mit dem fünfzigsten Lebensjahr, wenn der Zenit des Lebens überschritten ist, tritt die Angst vor dem Tod mit großer Macht ins Bewusstsein. Die Endlichkeit des Lebens wird immer deutlicher. Das verunsichert viele Menschen. Wir erkennen, dass der Tod vom ersten Atemzug an unser Lebensbegleiter ist.
Wenn wir, ganz gleich in welchem Alter, den Mut aufbringen, uns der Todesangst zu stellen, wird das Leben mitfühlender und ausgeglichener und als Bereicherung im Hier und Jetzt empfunden. Für manche Menschen hat der Tod etwas Unausweichliches, der das Leben bedeutungslos werden lässt. Eine Frau schrieb:
»Ich denke, die stärksten Gefühle rührten von der Erkenntnis her, dass ICH es sein würde, die sterben wird. Ich habe an den Tod immer indirekt gedacht, als etwas, das eher passieren könnte als würde. Nach einem heftigen Panikanfall hatte ich das Gefühl, mir einer schrecklichen Wahrheit bewusst geworden zu sein und niemals mehr zurückzukönnen.«1
Eine Konfrontation mit dem Tod vermag das Leben durchaus auch zu bereichern und zu verwandeln. So schrieb schon der heilige Augustinus: »Nur angesichts des Todes wird das Selbst des Menschen geboren.« Die Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit führt zu Veränderungen, zur Erkenntnis der Eigenverantwortung, authentisch zu sein, und zu Selbstverwirklichung.
Manche lernen erst zu leben, wenn sie sich einer schweren Erkrankung stellen müssen. Statt sich unterkriegen zu lassen oder verzweifelt zu sein, erleben sie eine positive Wandlung. Die Wichtigkeiten und Wertigkeiten im Leben werden neu besetzt, die Wendepunkte unseres Lebens sind Weckrufe.
Verlust und Trauer
Sehr viele Menschen setzen sich erst nach dem Tod eines Nahestehenden mit dem Sterben auseinander. Das hat mit der schlagartigen Bewusstwerdung der eigenen Sterblichkeit zu tun und den Veränderungen nach dem Tod eines Menschen. Die Betroffenen müssen mit ihrer Trauer zurechtkommen, um ein neues Leben aufzubauen. Alles, was gemeinsam für die Zukunft geplant wurde, ist nicht mehr realisierbar. Das ist mit Unsicherheiten und Ängsten verbunden.
»Monika suchte Hilfe bei einem Therapeuten, als bei ihrem Mann Alzheimer diagnostiziert wurde. Sie berichtete weinend, dass es ihr sehr schwer fiel, seinen geistigen Verfall auszuhalten sowie die Tatsache, dass er sie am Schluss nicht mehr erkannte. Dann starb er und Monika erlebte ein Gefühlschaos: Sie war gespalten zwischen ihrer Trauer und der gleichzeitigen Erleichterung darüber, von seiner Pflege erlöst worden zu sein.
Monika lebte allein in einem viel zu großen Haus. Sie fühlte sich verloren und einsam und entwickelte schreckliche Ängste vor Einbrechern. Das Gefühl der Sicherheit ging durch die Abwesenheit ihres Mannes verloren. Dahinter stand die Angst vor dem eigenen Tod: ›Wenn mein Mann sterben kann, kann ich es auch.‹ Wenige Monate später entschloss sie sich, in ein Seniorenheim überzusiedeln, auch weil sie gesundheitlich stark abbaute. Das erforderte, ihren Besitz aufzulösen und sich mit den Erinnerungen auseinanderzusetzen, die in den Habseligkeiten ihres Lebens verborgen waren.
Da sie nur wenig mitnehmen konnte, wurden ihre Möbel und Gegenstände verkauft oder verschenkt. Monika wurde sich ihrer eigenen Vergänglichkeit zum ersten Mal wirklich bewusst. Sie erkannte, wie sehr sie sich an der Illusion des materiellen Besitzes festgehalten hatte. Nach ihrem Umzug blühte sie auf: Durch die Konfrontation mit ihrer Todesfurcht und der Auflösung ihres Besitzes fühlte sie sich frei und autonom wie schon lange nicht. Sie hatte sich vom Ballast ihrer Vergangenheit befreit und einen neuen Anfang gefunden.«
Das sind die typischen Stadien, die viele Menschen nach dem Tod eines Ehepartners durchlaufen. Andere reagieren hypochondrisch: Jede kleinste Zuckung des Körpers löst Ängste und Panik aus. Alles, was nur ein geringes Risiko in sich birgt, wird aufgegeben. Wenn man Menschen fragt, was sie genau am Tod fürchten, zeigt sich in aller Deutlichkeit, dass die Todesangst umso größer ist, je mehr jemand mit seinem Leben unzufrieden ist. Das ist Ausdruck eines unerfüllten und ungelebten Lebens. Je mehr wir es versäumen, das Leben in all seinen Facetten auszukosten, desto mehr wird der Tod gefürchtet.
Andere Möglichkeiten des Erwachens können lebensverändernde Entscheidungen sein: Jede Wahl beispielsweise für oder gegen eine Beziehung beinhaltet gleichsam einen Verzicht, der uns mit den irdischen Begrenzungen ebenso konfrontiert wie mit der Vergänglichkeit.
Viele Psychotherapeuten berichten, dass ausgesprochen viele Klienten chronische Angst vor dem Sterben haben. Sich mit der Endlichkeit seines Lebens und den vielfältigen Möglichkeiten des Erwachens auseinanderzusetzen reicht von der Konfrontation mit sich selbst auf dem Totenbett über Nahtoderfahrungen bis hin zu den vielfältigen, subtilen Konfrontationen mit der Sterblichkeit im Alltag. Diese Erlebnisse tragen immer das Potenzial in sich, alte Denkkonzepte oder Vorstellungen aufzulösen.