©1996 Chiron Verlag, Mössingen

E-Pub: ISBN 978-3-89997-602-1
PDF: ISBN 978-3-89997-603-8

© Chiron Verlag Tübingen, 1996
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Inhaltsverzeichnis

0  Einleitung

1  Was sind Primärdirektionen?

1.1  Genauigkeit und Grenzen

1.2  Signifikator und Promissor

1.3  Zur Deutung von Direktionen

2  Das Direktionsverfahren

2.1  Das Standardverfahren

2.2  Berechnung des Direktionsbogens

2.3  Direktionen zu einem vorgegebenen Zeitpunkt

2.4  Der Direktionsschlüssel

2.5  Das Verfahren von Goldmayer

2.6  Mundane Direktionen

2.7  Direktionen nach RA und OA

2.8  Näherungsweise Direktionsberechnung

3  Ein Beispiel

3.1  Das Geburtshoroskop Nietzsches

3.2  Speculum und Aspekttafel

3.3  Die Konstellationen Nietzsches

3.4  Die Korrektur der Geburtszeit

3.5  Die Korrektur von Nietzsches Geburtszeit

3.6  Eine Direktionsanalyse

3.7  Rechenbeispiele

3.8  Verwendete Nietzsche-Literatur

4  Mundane Position

4.1  Allgemeine Formeln

4.2  Mundane Position nach Placidus

4.3  Die Placidusvariante von Kühr

4.4  Die topozentrische Placidusvariante

4.5  Mundane Position nach Regiomontanus

4.6  Mundane Position nach Campanus

4.7  Unnatürliche mundane Positionsbegriffe

4.7.1  Das ekliptikale System nach Porphyrius

4.7.2  Das äquatoriale System des ALCABITIUS

4.7.3  Das Geburts-Orts-Häuser-System des Dr. Koch

4.7.4  Die Himmelsrichtung als mundane Position

5  Problematisches

5.1  Die Berücksichtigung der Breite

5.2  Breiten von Aspektstellen und Halbdistanzen

5.3  Parallaxe und Eigenbewegung des Mondes

5.4  Geographische oder geozentrische Breite

6  Literaturverzeichnis

0 Einleitung

Von ersten Anfängen in der Zeitenwende bis in die Renaissance waren die Primärdirektionen eine der wichtigsten Prognosemethoden der Individualastrologie. Später gerieten sie durch eine Vielfalt von neuentdeckten Verfahren ins Hintertreffen, die die Faszination der Astrologen auf sich zogen: Seitdem wurde das astrologische Instrumentarium z.B. um die Sekundärdirektionen bereichert, in neuerer Zeit kamen dann symbolische Direktionen, Tertiärdirektionen und Sonnenbogendirektionen hinzu.1 Auch auf dem Feld der Primärdirektionen selbst betätigten sich die Reformer: REGIOMONTANUS führte in seinen tabulae directionum profectionumque (1467) eine den Alten gänzlich unbekannte Methode des Dirigierens ein. NAIBOD schaffte im 16. Jahrhundert den bis dahin ganz unumstrittenen Gradschlüssel der Primärdirektionen ab und ersetzte ihn durch seinen eigenen Schlüssel. Womit ich, stellvertretend für viele, nur zwei Neuerer genannt habe.

Seitdem haftet der Theorie der Primärdirektionen der Geruch einer esoterischen Spezialdisziplin an, die man in der Praxis getrost vergessen könne. Zum Teil gründet dieser Ruf darin, daß die exakte Berechnung der Primärdirektionen im Zeitalter der Logarithmentafeln eine sehr zeitraubende Angelegenheit war. Ein heutiger Computer berechnet dagegen in Sekundenschnelle alle im Leben eintreffenden Direktionen – wenn man möchte, noch mit verschiedenen Methoden und Schlüsseln, zu Vergleichszwecken.2 Auch die Möglichkeit von Rechenfehlern ist praktisch ausgeschlossen: Wenn der Computer fehlerhafte Ergebnisse liefert, so liegt es an falsch eingegebenen Daten. Das Problem besteht inzwischen längst nicht mehr darin, Direktionen zu berechnen, sondern darin, in der Fülle des Berechneten das Wesentliche vom Unwesentlichen zu unterscheiden.

Daß Primärdirektionen viel Rechenzeit benötigen, ist daher in unserer Zeit nicht mehr wahr. Überhaupt ist die lange Rechenzeit ein schlechtes Argument gegen die Richtigkeit eines Systems: Ist es doch den Direktionen egal, wieviel Zeit wir zu ihrer Errechnung benötigen!

Schwerwiegender ist schon der Einwand, die Astrologie habe sich schließlich wie jede Disziplin fortentwickelt und allerhand früheren Ballast fortgeworfen, weshalb man sich an den neuesten statt an den ältesten Methoden orientieren sollte.

Aber bei der Astrologie ist das Verhältnis zur Tradition anders als etwa in einer Naturwissenschaft: Während Naturwissenschaftler bei jeder neuen Entwicklung die überholten Theorien in die Wissenschaftsgeschichte auslagern müssen, schätzen die Astrologen das aus dem Altertum überlieferte astrologische Wissen hoch und denken nicht im Traum daran, es könnte einmal durch neue Forschungen ’widerlegt’ werden. Wenn sie überlieferte Regeln bewahren und z.B. dem Zeichen Skorpion wirklich Eigenschaften des gleichnamigen Tiers beimessen, oder den Planeten Mars wie den Kriegsgott mit dem Thema Gewalt in Verbindung bringen, so geschieht dies, weil sie den Alten eine intuitive Erkenntnisart zugestehen, die im Laufe der letzten Jahrtausende den Menschen fast völlig abhanden gekommen ist. Dies ist die einzige Rechtfertigung des astrologischen Konservatismus.

Respekt vor der Tradition bedeutet jedoch keine blinde Übernahme des Überlieferten. Wir haben uns inzwischen neue Qualitäten erworben; an die Stelle eines bildhaften ist ein taghelles, kritisches Bewußtsein getreten, das den Abstraktionsschritt vom konkreten Bild zu dem darin ausgedrückten Wesentlichen mühelos vollziehen kann. Das sollte uns in die Lage versetzen, auch im überlieferten astrologischen Wissen die Spreu vom Weizen zu trennen und von den wahrsagerisch-konkreten astrologischen Bildern der Tradition zu den die Zeiten überdauernden Wahrheiten vorzudringen.

Es zeigt sich, daß die überlieferte Lehre der Primärdirektionen mehr Solides enthält als nur den Torso der Achsendirektionen, der in der heutigen astrologischen Praxis überlebt hat. Die Entdecker der Primärdirektionen besaßen ohne Zweifel eine tiefe Einfühlung in die Himmelsvorgänge und scheinen durch ihr analogisches Denken eine Methode von Bestand ermittelt zu haben. Ich glaube, daß es an der Zeit ist, diese Methode der Primärdirektionen aus dem Dunkel des Vergessens wieder ans Licht zu holen und mit unserem modernen Bewußtsein aufzuarbeiten. In der gegenwärtigen Situation ist die Besinnung auf die astrologische Tradition sinnvoller als das ständige Ausdenken neuer Methoden, das in unserer Zeit meist nur noch ein Erfinden, kein Entdecken mehr ist.

Die vorliegende Arbeit versteht sich als ein Beitrag in dieser Richtung, indem die Direktionslehre nicht nur theoretisch dargelegt wird, sondern auch an einem umfassenden Beispiel zur Anwendung kommt. Der Unterschied zu den ausgezeichneten Werken von KÜHR ([KK]) und KÜNDIG ([KP]) liegt vor allem darin, daß die Darstellung nicht durch die Fixierung auf ein ’alleinseligmachendes’ System vereinseitigt wird – beim gegenwärtigen Stand der Forschung wäre das unehrlich. Von der sehr guten Arbeit von W. KNAPPICH ([WK1]) hoffe ich mich dadurch zu unterscheiden, daß ich die Direktionen als Teil der gegenwärtigen astrologischen Forschung ansehe – und nicht als ein bloß noch historisches Phänomen. Auch wird dem Formelteil (Kapitel 4) konsequent der Begriff der mundanen Position als der zentrale Punkt aller Direktionssysteme zugrundegelegt. Dadurch gewinnt die mathematische Formulierung des Problems an Struktur und hoffentlich an Verständlichkeit.

Alle mir bekannten primären Direktionsverfahren stelle ich gleichberechtigt dar, damit sich der Leser selbst ein Bild machen kann. Das heißt nicht, daß ich selbst keine Präferenz für ein bestimmtes System hätte. Ich habe seit etwa zehn Jahren mit verschiedenen Methoden experimentiert und bin schließlich zu folgendem Verfahren gelangt, das mir oft gute Annäherungen zu bieten scheint:

Direktionsmethode des Verfassers:

Halbbogenmethode, ohne Berücksichtigung von Signifikator- und Promissorbreiten, Ptolemäusschlüssel (1 Grad = 1 Jahr).

Ich will an dieser Stelle nicht in den bei anderen Autoren üblichen Dogmatismus verfallen (” An Tausenden Fällen erprobt… Auf die Bogenminute exakt… Einzig richtiges Verfahren…”). Ich möchte allerdings zu denken geben, daß diese Art des Dirigierens immerhin bis ins 15. Jahrhundert allgemein üblich und konkurrenzlos war.

Im 3. Kapitel, in dem ich zur praktischen Illustration das Horoskop und die Direktionen Friedrich Nietzsches bespreche, mußte ich ’Farbe bekennen’ und habe die Direktionen nach dem von mir favorisierten Verfahren berechnet. Dem Kapitel wurden aber einige Rechenaufgaben angefügt, mit denen der Leser sich die verschiedenen Verfahren erüben kann.

Für die Anregung, diese Arbeit zu schreiben, bin ich vor allem ERICH THAA zu Dank verpflichtet; er trug zu ihrem Entstehen auch durch zahlreiche Korrekturen bei. REINHARDT STIEHLE vom Chiron Verlag danke ich für die unkomplizierte Zusammenarbeit. HEINRICH BESSLER, mit dem mich eine lange Freundschaft verbindet, danke ich herzlich für seine beständige Ermunterung zur astrologischen Forschung. Vor allem über das Weltbild, das der Astrologie zugrundeliegt, habe ich viel von ihm gelernt.

1 Was sind Primärdirektionen?

Die Primärdirektionen bilden eine wichtige Prognosetechnik der klassischen Astrologie. Der Name geht auf PLACIDUS DE TITIS (1603 – 1688) zurück ([PI]), der sie von den von ihm propagierten Sekundärdirektionen unterscheiden wollte. Vorher hießen sie einfach Direktionen. Sie wurden bereits in der hellenistischen Astrologie verwendet ([WK1]).

Bei den meisten Systemen, die heute als Primärdirektionen bezeichnet werden, wird die zeitliche Veränderung des Horoskops im Zeitraum von einigen Stunden vor und nach der Geburt untersucht.3 Dabei geschieht es, daß ein Horoskopfaktor eine Stellung im Verhältnis zu Meridian und Horizont einnimmt, die bei der Geburt ein anderer Horoskopfaktor innehatte – er erreicht dessen mundane Position. Der Zeitraum, bis dies eintritt, wird mit einem Proportionalitätsfaktor, dem Direktionsschlüssel, in ein Lebensalter des Geborenen verwandelt. Man erwartet, daß in diesem Lebensalter ein Ereignis ausgelöst wird, das den Charakter der beiden in Kontakt tretenden Horoskopfaktoren hat.

Nach der Geburt stattfindende Direktionen heißen direkt, die anderen convers. Nicht alle Autoren sind sich einig darüber, ob die conversen Direktionen zu berücksichtigen sind.

Es gibt besonders zwei unklare Punkte in der Direktionslehre: Die Messung der mundanen Position (siehe Kapitel 4) und die Definition des Direktionsschlüssels (siehe Abschnitt 2.4).4 Analogieschlüsse, Einfühlung in die Himmelsvorgänge und empirische Studien können helfen, hier den richtigen Weg zu finden. Man muß aber akzeptieren, daß verschiedene Astrologen hier zu verschiedenen Ergebnissen kommen.

1.1 Genauigkeit und Grenzen

Für fast alle astrologischen Anwendungen – ausgenommen die Solarhoroskope – genügt eine Genauigkeit von etwa ±3 Bogenminuten für die Planeten und ±30 Bogenminuten für die Achsen, also von etwa zwei Minuten in der Geburtszeit. Davon machen auch die Primärdirektionen keine Ausnahme.

Bei dieser Genauigkeit in der Geburtszeit erhält man für primäre Achsendirektionen eine Genauigkeit in der Ereigniszeit von etwa einem halben Jahr – nach Ansicht vieler Astrologen ohnehin das Optimum, das mit Direktionsberechnungen erreicht werden kann: Der Umkreis, in dem eine Direktion als gültig angesehen wird, beträgt etwa 1 Jahr.

Die interplanetaren Primärdirektionen sind um ein Vielfaches unempfindlicher gegen Änderungen der Geburtszeit. Ein viertelstündiger Fehler in der Geburtszeit wird die Auslösungszeit einer interplanetaren Primärdirektion durchschnittlich meist um weniger als ein Jahr verändern.

Wer ein Ereignis zeitlich genauer fixieren will, muß verschiedene andere Verfahren zu Hilfe nehmen, insbesondere Transite (Übergänge der laufenden Planeten über Orte der Radix) und Ingresse (Übergänge der laufenden Planeten über primärdirektionale Orte).

Nun ist die Geburtszeit selten auf zwei Minuten genau bekannt. Dies macht eine Korrektur der Geburtszeit anhand von Lebensereignissen erforderlich. Die hierfür üblichen Verfahren werden im Abschnitt 3.4 allgemein und in 3.5 anhand eines Beispiels erörtert.

Die Primärdirektionen werden traditionell als die stärkste Prognosemethode angesehen – sie sollten jedoch auch nicht isoliert verwendet werden. Der Glaube, bei Verwendung des richtigen Systems würde das primär entwickelte Horoskop die Ereignisse des Lebens mit der Präzision eines Uhrwerks anzeigen, beruht auf einer unrichtigen Anschauung vom Wesen der Astrologie. Der große zeitliche Umkreis von einem Jahr wird den Direktionen ja vor allem deshalb eingeräumt, weil man von ihnen bestenfalls Annäherungen erwartet.

Die Planeten sind schließlich keine wirkenden Faktoren, sondern ihre Stände werden nur von der sublunaren Natur – Erdseele und menschliches Unbewußtes – interpretiert. Hierin liegt soviel Freiheit wie sie z.B. der Interpret eines Musikstücks hat. Der Mensch selbst ist in der Astrologie das Subjekt, der aktiv Handelnde. Es ist wahr, oft ’tanzt er, wenn die Aspekte ihm pfeifen’ – aber das Wie seines Tanzes bleibt schwierig vorauszusagen. Einen Eindruck von der unerschöpflichen Vielfalt von Möglichkeiten, mit der Konstellationen durch den Menschen interpretiert werden, erhält man durch die Metagnose.

Die Sterne zwingen nicht, sie machen nur geneigt, wird oft angeführt. Das ist Unsinn. Die Sterne machen überhaupt nichts. Wir tun etwas, und dies oft, nicht immer, im Einklang mit entsprechenden Konstellationen. ([Be2], S.95)5

Auch wenn es von einem wissenschaftlichen Standpunkt sinnlos erscheint, so liegt der Wert der Astrologie vor allem in der Metagnose, genauer: Im verstehenden Einfühlen in die Sinnzusammenhänge von Sternenlauf und Menschenleben. Eine Verbesserung der Prognose kann, als Nebeneffekt, durch die in der Metagnose erworbene Erfahrung erreicht werden.

1.2 Signifikator und Promissor

Bei einer Direktion wird ein Horoskopfaktor – der Promissor (’Versprecher’) – durch die Erddrehung auf die mundane Position eines radikalen Faktors – des Signifikators (’Bedeuter’) – geführt. Oft werden Signifikator und Promissor in der Deutung unterschiedlich behandelt (Einzelheiten zur Deutung siehe im folgenden Abschnitt 1.3).

Gelegentlich liest man, Promissor und Signifikator könnten dadurch unterschieden werden, daß der eine stillsteht und der andere sich bewegt. Dies ist allerdings eine Standpunktfrage. Betrachtet man das durch den Geburtszeitpunkt gegebene Achsensystem als fest, so bewegen sich die Horoskopfaktoren durch die Radixhäuser. Von diesem Standpunkt aus ist der Promissor der bewegte, der Signifikator der stillstehende Part. Betrachtet man aber die Wanderung des Achsensystems durch den Tierkreis, so ist natürlich der Signifikator der bewegte Faktor.

In Wahrheit wird der Signifikator also nur dadurch charakterisiert, daß man seine mundane Positionslinie als die Meßkurve ansieht, die vom Promissor gekreuzt werden soll (siehe Abschnitt 2.2 und die dortige Illustration).

Die unterschiedliche Behandlung von Signifikator und Promissor in der üblichen Direktionsberechnung bringt es mit sich, daß jede Direktion doppelt vorkommt: einmal als direkte und einmal als converse Direktion, wobei die Rollen von Signifikator und Promissor vertauscht werden. Die entsprechenden Direktionsbögen solcher Paare liegen nicht etwa nahe beieinander; es können sich Unterschiede von Jahrzehnten in der Auslösungszeit ergeben. Trotzdem hängen die ausgelösten Ereignisse oft sinngemäß zusammen. In dem in dieser Arbeit behandelten Horoskop Friedrich Nietzsches wird z.B. die Direktion d. zum Zeitpunkt des geistigen Zusammenbruchs fällig, während die symmetrische converse Direktion c. mit seinem über zehn Jahre später erfolgten physischen Tod korrespondiert (siehe 3.6).

Es sei noch bemerkt, daß im Verfahren von GOLDMAYER (siehe 2.5) der Unterschied von Signifikator und Promissor gänzlich aufgehoben ist, indem bei beiden in die Direktion eingehenden Faktoren die mundane Position berücksichtigt wird. Die Differenz dieser mundanen Positionswerte ergibt dann den Direktionsbogen.

Berücksichtigt man alle direkten und conversen Direktionen mit den zehn Planeten und Aszendent und MC als Signifikatoren, so werden, selbst bei Beschränkung auf die starken Aspekte , im Jahr etwa sechs Direktionen fällig. Wenn man, wegen des Umkreises (siehe 1.1), noch die Direktionen des Vorjahres und des folgenden Jahres hinzunimmt, ergibt sich das Problem, wie man diese Vielzahl von Direktionen zu einer vernünftigen Prognose zusammenfassen sollte.

Der Astrologe GUSTAV SCHWICKERT hat tatsächlich mit dieser extremen Fülle von Direktionen gearbeitet – darüberhinaus verwendete er gleichzeitig mehrere mundane Positionskonzepte, mehrere Schlüssel und sowohl die Breite des Geburtsorts als auch die des Ereignisorts! Der entstehenden barocken Fülle von Direktionen versuchte er dann mit einer besonderen Theorie der Interferenzen Herr zu werden, die er in seinem umfassenden Werk Die Direktionslehre ([Sch]) darlegt. Gustav Schwickert stellt mit dieser nicht zur Nachahmung zu empfehlenden Methodenvielfalt allerdings eine Ausnahme dar.

In der Tradition gab es, um der großen Zahl der Direktionen Herr zu werden, den sogenannten ”ptolemäischen Vorbehalt”: dieser bestand einfach darin, nur die stärksten Horoskopfaktoren als Signifikator zu erlauben; diese stärksten Horoskopfaktoren sind nach PTOLEMÄUS ASC, MC, Sonne, Mond und Glückspunkt. Von diesen wird der Glückspunkt heute im allgemeinen vernachlässigt.6 Berücksichtigt man nur diese Signifikatoren, so verbleibt man mit ein bis zwei Primärdirektionen im Jahr – eine Anzahl, die es erlaubt, zu konkreten Deutungen zu gelangen.

Ein anderer traditioneller Vorbehalt ist es, Direktionen unberücksichtigt zu lassen, bei denen sowohl Signifikator als auch Promissor eine Achse, eine Häuserspitze oder der Mondknoten sind. Man könne zwar einen Planeten zu seinem Aufgang führen, nicht aber den kulminierenden Punkt. Hier werden also die eigentlich nicht sinnlich wirklichen Punkte wie ASC, MC, von den Himmelskörpern unterschieden.

Vom Standpunkt der Dominantenlehre, wie sie z.B. im Kursus der Astrologie von HERBERT FRHR. V. KLOECKLER ([Kl]) dargelegt wird, erscheint es sinnvoll, die individuellen Dominanten als Ordnungsprinzip zu verwenden, d.h. diejenigen Planeten, die ’durch die Geburtszeit stark ausgenutzt werden’.7 Das ergibt eine wichtige Modifikation des ptolemäischen Vorbehalts: Die Dominanten können ja eine größere Bedeutung als selbst Sonne und Mond haben und sollten daher als Signifikator unbedingt berücksichtigt werden. Auch wenn man nicht mit dem ptolemäischen Vorbehalt arbeitet und alle Planeten als Signifikator zuläßt, liefert die Dominantenlehre ein willkommenes Instrument zur Bewertung der Direktionen nach Stärke.

Eine verbreitete Minimallösung ist natürlich, nur die Direktionen zu ASC und MC zu berücksichtigen. Direktionen mit Planeten als Signifikator werden dagegen meist sekundär oder als Sonnenbogen gerechnet statt primär. Wer mit einer solchen Minimallösung arbeitet, bringt sich allerdings ganz um das wertvolle Prognoseelement der interplanetaren Primärdirektionen.

Als Promissor