Foto: Geoffroy Mathieu/Opale
Marie-Sabine Roger wurde 1957 in Bordeaux geboren, arbeitete lange als Grundschullehrerin in Südfrankreich und lebt in Borges bei Dijon. Ihr Roman Das Labyrinth der Wörter wurde in Frankreich und Deutschland ein Bestsellererfolg. Das Buch wurde mit dem Prix des Lycéens Allemands und dem Prix Inter-CE ausgezeichnet und mit Gérard Depardieu und Gisèle Casadesus in den Hauptrollen verfilmt. Auch ihr neuer Roman Das Leben ist ein listiger Kater wird fürs Kino verfilmt. Zuletzt erschien von ihr auf Deutsch Der Poet der kleinen Dinge (2011).
Sie hat noch nie ein Händchen für Blumensträuße gehabt. Sie macht Blumenbüschel. Kuddelmuddel in Vasen. Auch wenn sie einen Schritt zurücktritt, wiederkommt, korrigiert, bleibt es unansehnlich, windschief.
Das ist eine ihrer Unfähigkeiten. Sie hat noch andere. Dafür liebe ich sie.
Ich mache mich nicht lustig: Ich kenne sie, das ist alles. Ich kenne sie schon lange.
Sie schimpft über das Grünzeug, es sticht sie in die Finger. Sie quiekt.
»Dieser Krug ist einfach zu klein! Warum habe ich ihn überhaupt genommen? Wäre der da nicht besser? Nee, siehste, der ist jetzt zu groß!«
Sie bemüht sich, ein Gesteck zustande zu bringen, etwas Hübsches. Oh, und wie sie sich bemüht! Seit zwei Tagen schon ist sie ganz hektisch. Seit sie angerufen haben.
Und weil sie ein wenig schwerhörig ist und deshalb das Telefon immer laut stellt, habe ich alles mitgekriegt.
»Wir kommen aus dem Urlaub zurück, am Dienstag schauen wir bei dir vorbei. Es liegt auf dem Weg … Ja, sage ich doch: Wir kommen … Mit den Kindern, ja … beiden, ja. Um fünf Uhr … Nein, nachmittags natürlich.«
Sie waren lange nicht mehr da gewesen … Ja, wie lange eigentlich?
Die Schweinehunde.
Ein bloßer Anruf, und schon macht sie sich mit Feuereifer an die Arbeit, sie ist mit ganzem Herzen bei der Sache. Es gibt so viel zu tun: saugen, wischen, Staubmäuse jagen, die sich unter dem Lehnsessel versteckt haben. Die Federbetten aufschütteln. Und was es sonst noch alles in Ordnung zu bringen gibt.
Mir dreht sich der Kopf, wenn ich sie so herumwirbeln sehe. Und klapperdiklapp, die Sohlen ihrer Pantoffeln auf der Treppe, rauf und runter und wieder rauf. Manchmal bleibt sie ganz außer Atem stehen und hält sich mit beiden Händen das Kreuz. Sie schnappt nach Luft. Und lacht.
»Du könntest mir ruhig helfen, Léonard, statt nur zuzuschauen und mir vielsagende Blicke zuzuwerfen!«
Na klar doch, sicher … Ihr helfen …
Vor allem für diese Brut!
Monate-, nein jahrelang lassen sie sich nicht blicken. Man vergisst sie und igelt sich ein. Man hat seine Ruhe. Der große Sessel am Kaminfeuer, die Unordnung auf den Regalen, die Suppe auf dem Herd, die bei kleiner Hitze vor sich hin köchelt und ihre Gemüse- und Speckschwartendünste verströmt. Sie, die hin und her läuft und vor sich hin plappert. Zu viel übrigens, sie macht mich kirre. Aber ich mag ihre brüchige Stimme, ihre lebhaften und zugleich sanften Bewegungen, ihren besonderen Geruch. Sie riecht nach Obstschalen, nach trockenem Brot und Heu.
Ich bekomme Hunger, sobald ich sie sehe.