TODESKÜSSE AM BRETT
140 Rätsel und Geschichten der Schachgenies von heute
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ISBN 978-3-89533-806-9
Fotos:
Cathy Rogers: 9, 21, 28, 49, 61, 69, 103, 147; Getty: Cover; Imago: 141
Inhalt
Vorwort
Geschichten und Rätsel 2006
Geschichten und Rätsel 2007
Geschichten und Rätsel 2008
Geschichten und Rätsel 2009
Geschichten und Rätsel 2010
Gebrauchsanweisung für Einsteiger
Der Autor
Vorwort
Was will Anatoli Karpow im Gefängnis? Welche Rätsel löst ein Minister auf der Regierungsbank? Auch auf solche Fragen finden Sie hier Antworten. Im Mittelpunkt des Buches stehen die Schachgenies von heute und ihre brillanten Einfälle am Brett: Mattangriffe, kühne Opfer, Feinheiten aller Art. Jedes Diagramm auf den folgenden Seiten zeigt den Ausgangspunkt einer interessanten Kombination. Nun können Sie darüber nachdenken, mit welchen Zügen Garry Kasparow, Judit Polgar oder Magnus Carlsen ihre Siege erzwungen haben. Die Rätsel eignen sich als Training oder einfach als Kunstgenuss; manche sind leicht zu lösen, andere schwieriger.
Die Geschichten erzählen von Erfolgen und Eigenarten der Großmeister, von Menschen, die das außergewöhnliche Talent für eine ästhetische Existenz besitzen. Auch Irrtümer und Abgründe kommen zur Sprache, und manchmal reizen allein schon die Gegensätze, wenn Klein auf Groß trifft, Mann auf Frau oder Mensch auf Maschine. Besonders wenn die Ereignisse eine dramatische Wendung nehmen wie im November 2006 in der Bonner Bundeskunsthalle, als dem damaligen Weltmeister, Wladimir Kramnik, ein Jahrhundertfehler unterlief und er einen „Kuss des Todes“ empfing.
Hin und wieder kommen auch weniger begnadete Spieler und Spielerinnen zum Zug. Die 140 Momentaufnahmen sind eine Auswahl meiner Zeitungskolumnen, die zwischen Juni 2006 und März 2010 im Wesentlichen im Berliner Tagesspiegel erschienen sind. Und schließlich sei noch verwiesen auf die im hinteren Teil befindliche Gebrauchsanweisung für Einsteiger, die mit den Schachnotationen noch nicht vertraut sind.
Viel Spaß beim Lösen!
Martin Breutigam
Heißer Tanz
Bis vor vier Jahren reiste Arianne Caoili mit ihrer Mutter um die Welt. Die zarte Filipina gewann einige Schachturniere und im Alter von 13 Jahren sogar gegen den russischen Großmeister Wladimir Jepischin. Doch mit 15 wollte Arianne lieber wieder zur Schule gehen. Heute ist sie 19 und singt Jazz.
Bei der Schacholympiade in Turin hat Caoili sich wieder ans Brett gesetzt, für Australien, wo sie mittlerweile lebt. Sie erregte diesmal aber nicht mit Turmopfern Aufsehen, sondern auf einer Party, Salsa tanzend mit Levon Aronjan, dem in Berlin lebenden Weltranglistendritten. Dies ärgerte den englischen Großmeister Daniel Gormally so sehr, dass er Aronjan zu Boden stieß, was wiederum dessen armenischen Freunde auf den Plan rief. Anderntags reiste Gormally ab. Aronjan und die Seinen wurden am Ende Olympiasieger. Caoili war bereits wenige Tage zuvor in eine andere unangenehme Lage geraten (siehe Diagramm). Weil sie einen hübschen Zug ihrer mit den schwarzen Steinen spielenden Gegnerin, Le Than Tu, übersehen hatte. Welcher war’s?
Lösung: Scheinbar hat Weiß alle wichtigen Felder unter Kontrolle, aber nach dem folgenden Damenopfer knüpfen die drei übrigen schwarzen Figuren ein Mattnetz: 1…Dg2+! 2.Sxg2 hxg2+ (Und ohne das Matt nach 3.Kg1 Sh3 abzuwarten, gab Caoili auf.) 0:1.
Führte Armenien in Turin zur Goldmedaille: Großmeister Levon Aronjan.
Garry Kasparow zockt inkognito
Seitdem Garry Kasparow, der vielleicht beste Schachspieler aller Zeiten, seine Karriere beendet hat, erklärt er den Russen vom Kaukasus bis Sibirien, weshalb Präsident Wladimir Putin seiner Meinung nach ein Diktator ist. Natürlich kommt Kasparows neue Rolle nicht überall gut an. Der Geheimdienst FSB belauere ihn, sagt er. Wenn er als Vorsitzender des für freie Wahlen kämpfenden „Komitees 2008“ unterwegs ist, schützen ihn Bodyguards – und sein Name. Aufgewiegelte hätten zwar schon mit Eiern geworfen, aber weniger berühmte Oppositionelle lebten weitaus gefährdeter als er.
Letzten Sonntag hat Kasparow auf dem Triumfalnaja-Platz in Moskau eine Demonstration organisiert. Die Demonstranten forderten besseren Schutz für Bürger durch die Polizei. Und nach der Demo? Zockte Kasparow unter Pseudonym im Internet! Blitzschach bei www.schach.de. In der Diagrammstellung ließ er, als Weißer am Zug, Großmeister Wladimir Below keine Chance. Der ehemalige Weltmeister führte den einzig wahren Zug übrigens in nur 0,9 Sekunden aus. Und Sie?
Lösung: 1.Lf6! (Nur dieser Zwischenzug gewinnt, denn erst jetzt droht der d-Bauer mit Mattkraft vorzurücken.) 1…Td8 (Hoffnungslos wäre z. B. auch 1…Tcc8 2.dxc8D+ Txc8 3.Txf1, mit Mehrfigur für Weiß.) 2.Lxd8 Se3 3.Lf6 (Below gab auf.) 1:0.
Matt mit Magnus
Als Fünfjähriger kannte Magnus Carlsen aus Lommedalen bei Oslo alle Länder der Welt, samt ihren Hauptstädten, Bevölkerungszahlen und Fahnen. Anschließend gelang ihm die gleiche Übung mit den etwa 430 Kommunen Norwegens. Glücklicherweise war noch Platz in seinem Kopf, als er sich mit acht endlich für Schach zu interessieren begann. Seitdem entspringen diesem Superhirn immer wieder Züge feinster Qualität. Schon mit 13 wurde Magnus Großmeister; inzwischen ist er 15 und soeben, im Sommer 2006, auf Platz 31 der Weltrangliste vorgerückt. Ein Weltmeister in spe – auf den sich auch der OSC Baden-Baden freut, denn in der kommenden Saison 2006/07 setzt Carlsen auch für den deutschen Mannschaftsmeister matt.
Zur Diagrammstellung kam es nun beim Mitternachtssonne-Turnier im norwegischen Tromsø. Obwohl dort Tag und Nacht die Sonne schien, sah es für Leif Erland Johannessen düster aus, als Carlsen mit Schwarz einen unwiderstehlichen Angriff einleitete, der ihn entscheidend in Vorteil brachte. Wie?
Lösung: 1… Sg4! (Vorsicht, Gabel auf f2!) 2.Lxg4 (Kaum zäher wäre 2.Ta2 Ta3! 3.Tb2 Dxb2! 4.Sxb2 Sf2+ und 5…Sxd1, mit gewonnenem Endspiel. Oder 2.De2 Txf3! 3.Dxf3 Tc2 4.h3 Th2+ 5.Kg1 Da7+.) 2… Lxg4 3.Dxg4 Dxd5+ 4.Kg1 Tc2 5.Dh3 (Oder 5.Te2 Dd4+.) 5…Dd4+ 6.Kh1 Te3! (Plant …De4+, bzw. 7.Txe3 Dxa1+.) 7.Df1 Dd2 0:1.
Grauer Held
Eines heißen Sommers übermannte mich auf der niederländischen Insel Schiermonnikoog das Bedürfnis nach einer Schachzeitschrift. Zwar sprach ich kaum ein Wort Niederländisch, wusste aber immerhin, dass Schach „schaak“ heißt. Die Frau im örtlichen Zeitungsladen konnte jedoch nichts anfangen mit meiner Frage „Heb je Schaaknieuws?“. Also probierte ich es auf Englisch, dann auf Deutsch – vergebens. Zerstreut unternahm ich einen letzten Versuch: „Jan Timman!“ – „Aaaah, sraaak!“, rief die Frau nun mit funkelnden Augen. Seitdem weiß ich, wie man „schaak“ ausspricht und wie populär Timman in seiner Heimat wirklich ist. In den 1970er Jahren war er Hippie, in den 1980ern längst Volksheld, in den 1990ern kämpfte er um den WM-Titel. Mittlerweile ist Timman ergraut und rausgerutscht aus den Top 100.
Bei der Landesmeisterschaft in Hilversum sah man nicht viel von der Kraft, die sein Spiel manchmal noch hat. Bloß oben (gegen Jan Smeets) siegte Timman als Weißer mit Stil. Wie?
Lösung: 1.Lxf7+! Kd8 (Auf 1…Kf8 gewänne 2.Dg2! und auf 1…Kxf7 u. a. 2.Txe5! Lxe5 3.Dh5+ Kf8 4.Dh6+ Ke8 5.Dg7! Lxf5 6.f7+! Dxf7 7.Dxe5+.) 2.Dd5! Sxf7 (Oder 2…Dc6 3.Txe5.) 3.Dxf7 Kc8 (Oder 3…Tf8 4.Dg7 nebst 5.Ted1.) 4.Sd5 Da5 5.b4! 1:0 (Denn chancenlos wären z. B. 5…Da3+ 6.Kb1 bzw. 5…Dd8 6.Se7+.)
Fußballfieber in Dresden
Manchen mag verborgen geblieben sein, dass letzten Sonntag nicht Italien Weltmeister wurde, sondern die USA. Zugegeben, was da in Dresden lief, war in Wirklichkeit kein Fußball und im Grunde auch keine WM: 32 Meisterinnen spielten Schnellschach, und jede repräsentierte eines der 32 Länder, die an der Fußball-WM teilnahmen. Im Finale siegte Susan Polgar, die für die USA spielende Favoritin, gegen Elisabeth Pähtz, Junioren-Weltmeisterin aus Erfurt.
„Ein tolles Turnier“, jubelte Pähtz hinterher. Die 20-Jährige, bekannt für schrille Outfits, saß diesmal in einem weißen Nationaltrikot am Brett. Ihren Frohsinn hat offenbar auch der geleistete Grundwehrdienst nicht trüben können. „War lustig“, sagt Pähtz. Seitdem genießt sie die Vorzüge der Sportförderkompanie und trainiert. Das bekam in Dresden im Halbfinale auch die Französin Marie Sebag zu spüren (siehe Diagramm). „Ich hatte gehofft, dass Marie den Bauern auf d6 nimmt.“ Und Sebag tat es! Sehen Sie, wie Pähtz mit Schwarz daraufhin ihre Falle zuschnappen ließ?
Lösung: 1…Tg5! („Danach hätte Marie aufgeben können“, sagte Pähtz. Es droht matt auf g2; und falls 2.fxg5 Le5+ 3.Dxe5 Txe5, verlöre Weiß weiteres Material, z. B. 4.h4 Tb5 5.b4 Dxc3 oder 4.Tec1 Dd2 5.h4 Txe4.) 2.Tg1 Txg2+! (Gewinnt eine Figur.) 3.Txg2 Dxb1 (Nach einigen belanglosen Zügen gab Sebag auf.) 0:1.
Indiens Boom
Es wundert kaum noch, dass immer wieder Wunderkinder auftauchen. In den 1970er und 1980er Jahren wurden Jungstars meist mit 18 oder 19 Großmeister – heute schaffen es manche weitaus früher. Sie erfassen eben das gewaltige Schachwissen dank der Computer viel schneller. Ganz so einfach ist es aber nicht, es wachsen ja nicht überall Wunderkinder heran, in Deutschland zum Beispiel bislang keine. Eigentlich lässt sich auch nicht zweifelsfrei erklären, wieso Parimarjan Negi aus Neu-Delhi soeben mit 13 Jahren zweitjüngster Großmeister aller Zeiten geworden ist. Klar, Negi hat überragendes Talent und Eltern, die ihn fördern. Vielleicht spielte es auch eine Rolle, dass zu Hause kein Fernseher rumsteht und er jeden Tag Yoga macht. Doch besonders prägend für Negi war wohl der indische Schachboom, ausgelöst durch die Erfolge seines Idols, Viswanathan Anand. In diesen Tagen hat Negi in Kopenhagen gespielt. Sehen Sie, wie er oben mit Schwarz den Amateur Aage Olsen flott ausknockte?
Lösung: 1…Txg2+! (Negi entfernt humorlos den einzigen Verteidiger des Königs. Zu brav wäre 1… Se8?! gewesen, dann hätte Weiß nach 2.Dg4 noch hoffen können.) 2.Kh1 (Oder 2.Kxg2 Dxe4+ nebst matt, z. B. 3.Kh2 Sf3+ usw.) 2…Th2+! (Weiß gab auf, wegen 3.Kxh2 Sf3+ und 4…Sxg5.) 0:1.
Elenis Züge
Bertina Henrichs Debütroman Die Schachspielerin hat es inzwischen in die Bestsellerlisten geschafft. Es ist die Geschichte von Eleni, die in einem Hotel auf der griechischen Insel Naxos als Zimmermädchen arbeitet und täglich „die Spuren des Lebens in all seinen Formen [beseitigt]. Spritzer von Blut, Sperma, Wein oder Urin“. Ihr ödes Leben ändert sich, als sie zufällig das Schachspiel kennenlernt. Eleni, Mutter zweier Kinder, entwickelt fortan eine Leidenschaft, die in ihrer Welt aber auf Widerstände stößt. Eine Emanzipationsgeschichte – mit missglückten Details: Als Eleni zum Beispiel gegen einen Schachcomputer spielt, wird sie nach acht Zügen matt gesetzt. Huch? Ich überlegte. Rief Meisterspieler an und las ihnen die Textstelle vor. Nein, wie Henrichs den Partieverlauf beschreibt, ist ein Matt unrealistisch.
Anders in der Stellung oben, zu der es jüngst in Göteborg kam: Großmeister Johan Hellsten setzte mit Schwarz Johan Eriksson in vier Zügen matt und wurde schwedischer Meister. Wie?
Lösung: 1…Dxa3+! (Rums! Übrigens ist 1…Dxa3+ der einzige Gewinnzug – und was für einer! Falsch wäre natürlich 1…Lxh1?? 2.Tg1+!) 2.bxa3 Tc2+ 3.Kb1 (Auch mit 3.Ka1 Sb3+ 4.Kb1 Td2 hätte der König dem Mattnetz nicht entkommen können.) 3…Td2+ 4.Ka1 Sb3 matt 0:1.
Vor dem Millionenspiel
Früher saß Peer Steinbrück sommers gerne mal im Dortmunder Schauspielhaus und schaute Schachgroßmeistern beim Grübeln zu. Doch schon als Ministerpräsident ließ es sich nicht mehr so gut unerkannt kiebitzen; und auch diesmal verpasste der schachbegeisterte Bundesfinanzminister, wie Weltmeister Wladimir Kramnik das Turnier in Dortmund gewann. Zwei Tage später saßen beide aber nebeneinander und gaben Auskunft über ein im November in Bonn beginnendes Duell zwischen Kramnik und Deep Fritz, jenem Computerprogramm, das viele Millionen Züge pro Sekunde berechnet.
Eine Million Dollar bekäme Kramnik, wenn er Deep Fritz nach sechs Partien bezwungen haben sollte. Natürlich wünsche er dem Menschen den Sieg, sagte Steinbrück, der Schirmherr der Veranstaltung ist. Gespielt wird in der Bundeskunsthalle, wo Steinbrück im letzten Jahr selber eine Schaupartie gegen Kramnik austrug. Und mithielt! Erst spät nahm ihm der mit Schwarz spielende Russe entscheidendes Material ab. Wie?
Lösung: 1…Te5! (Steinbrücks Springer hat sich nach h6 vergaloppiert, also schneidet ihm Kramnik den Rückweg über f5 ab.) 2.Txa6 (Auch andere Züge änderten nichts.) 2…f6 3.Ta7 Kxh6 (Steinbrück gab auf. Mit einer Minusfigur machte das Weiterspielen gegen den Weltmeister natürlich keinen Sinn mehr.) 0:1.
Fast wie Rubinstein
Der großartige Akiba Rubinstein vertraute einst einem Kollegen an, dass er sich quer durch Europa von einer Fliege verfolgt fühle. Wohin er auch komme, hindere ihn das Tier daran, konzentriert Schach zu spielen. Ein schicksalhaftes Vorzeichen. Ausgangs des 19. Jahrhunderts hatte sich der junge Pole entschieden, statt der Tora lieber Schachbücher zu studieren. Bald gelangen ihm Partien voller Kraft und Klarheit, und von 1907 bis 1913 war er der wohl schärfste Rivale des deutschen Weltmeisters Emanuel Lasker. Ein WM-Kampf kam aber nie zustande. Rubinsteins psychische Probleme verschlimmerten sich, und 1931 verschwand der Menschenscheue ganz aus der Öffentlichkeit. Er starb 1961 in einem Heim in Belgien.
Als unsterblich gilt seine brillante Opferpartie gegen Rotlevi in Lodz 1907. Kenner denken vielleicht an jenes Meisterwerk, wenn sie die obige Stellung sehen, zu der es nun in Amsterdam kam. Zumindest erinnert der schwarze Gewinnzug, ausgeführt vom Briten Mark Ferguson (gegen Ben Ahlers), an Rubinsteins Unsterbliche.
Lösung: 1…Td2! (Eine feine Ablenkung. Falls nun 2.gxf4, gewänne 2…Txe2 3.Lg3 exf4 4.Lxf4 Txc2 eine Figur; und 2.Dxd2 scheitert an 2…Df1 matt.) 2.Lxd2 Dxg3 (Nun droht’s auf g1.) 3.Sc3 (Oder 3.Le3 Dh3+ 4.Kg1 Sxe3 und gewinnt, z. B. 5.Df2 Sd7 6.Ta3 Dg4+ 7.Kh2 Sxd1.) 3…Dh3+ 0:1.
Junge Russen
Zwar haben die Russen zurzeit kein Nachwuchstalent im guten, alten K-Format wie Karpow oder Kramnik, doch die Schachkultur ist bei ihnen immer noch enorm tief verwurzelt, was anlässlich der 59. russischen Meisterschaft in Tomsk mal wieder deutlich wurde. Die sieben Spieler, die sich dort für das Superfinale qualifiziert haben, sind alle erst zwischen 16 und 22 Jahre alt. Man sollte, auch wenn es manchmal schwer fällt, ihre Namen im Kopf behalten: etwa Jan Nepomnjaschtschi, 16 Jahre jung, oder Nikita Witjugow und andere bisher kaum bekannte Größen, die sich den zweiten Platz teilten hinter Ernesto Inarkijew, dem Turniersieger.
Vielleicht vollzog sich in Tomsk bereits ein abrupter Generationswechsel. Etablierte Großmeister wie Chalifman, Drejew oder Najer verpassten die Qualifikation; Jewgeni Najer allerdings ziemlich knapp. Tröstlicherweise hatte er oben als Weißer am Zug (gegen Großmeister Oleg Kornejew) eine besonders erfrischende Kombination ausgeheckt. Wie kam’s?
Lösung: 1.Txc6+! (Schon in der Vorausberechnung musste Najer das Feld b8 als den wunden Punkt im schwarzen Lager ausgemacht haben; Schwarz erkannte es nun auch und kapitulierte. Denn auf 1… bxc6 folgt die hübsche Pointe 2.Dxc2! Dxc2 3.Tb8 matt.) 1:0.
Der Anrufer
Seit gestern spielen die Weltmeister Wladimir Kramnik und Wesselin Topalow in Elista, Hauptstadt der autonomen russischen Republik Kalmückien. In drei Wochen wird es nur noch einen Champion geben und die Schachwelt, seit 13 Jahren entzweit, zumindest in dieser Frage wieder vereint sein. Das Dilemma hatte mit einem Anruf begonnen: Im Jahr 1993 schlug der Brite Nigel Short, gerade als Herausforderer qualifiziert, dem damaligen Weltmeister Kasparow vor, das gemeinsame WM-Finale ohne den Weltschachbund Fide durchzuführen. Der Russe stimmte erfreut zu. Im Grunde erschien ihnen das Preisgeld von 2,58 Millionen SFr. zu gering. Sie gründeten einen eigenen Verband, übersahen aber, dass dies den traditionsreichen Titel eines Weltmeisters arg beschädigen sollte. Fortan gab es zwei Verbände und zwei Weltmeister. Heute ist (der damals chancenlose) Short 41.
Und er hat kaum etwas verlernt, wie sein Turniersieg bei der EU-Einzelmeisterschaft in Liverpool zeigt. Dort fand er mit Weiß gegen den Finnen Karttunen ein leises Gewinnmanöver.
Lösung: 1.Th6! (Dies gewinnt sofort, denn der mächtige Läufer d5 ermöglicht das entscheidende Manöver Th6-g6; z. B. 1…Lg7 2.Tg6 gefolgt von 3.f6, oder 1…Dd8 2.Tg6+ Kf8 3.Dh6+ nebst 4.Txf6, oder 1…Kg7 2.Th7+ Kg8 3.Dh5 und ggf. 4.Dg6+. Ergo gab Schwarz auf.) 1:0.
Kortschnoi empfindet „nichts“
Viktor Kortschnoi ist endlich Weltmeister geworden, genauer: Senioren-Weltmeister. Und was bedeutet ihm der in der italienischen Gemeinde Arvier errungene Titel? „Nichts“, sagt der 75-Jährige und lacht. Gewiss, viel lieber wäre er einmal „richtiger“ Weltmeister geworden, damals, 1978 und 1981, in den Duellen gegen Anatoli Karpow, im Kalten Krieg auf dem Schachbrett, der Sowjetflüchtling Kortschnoi gegen den linientreuen Karpow. Obwohl Kortschnoi beide Male unterlag, gilt er längst als eine der größten Persönlichkeiten der Schachgeschichte. Dieser Kampfgeist! Diese Hingabe! Seine Energien scheinen unerschöpflich. Demnächst wolle er die Mannschafts-EM spielen und im November vielleicht einen Wettkampf in Teheran. Immer unterwegs. Mit 75. „Für mich ist Schach ein bisschen Kunst, ein bisschen Psychologie und ein bisschen Sport“, sagt Kortschnoi. Bei der Senioren-WM habe er auch ein bisschen Glück gehabt.
Jedoch nicht in der Diagrammstellung! Sehen Sie, was Kortschnoi mit Schwarz Stefano Tatai vorsetzte?
Lösung: 1…Dd2! (Die eine Lady opfert sich, um die andere abzulenken: auf 2.Dxd2 folgt 2…f2+ 3.Tg2 f1D matt.) 2.Tf1 Dxf2 3.Txf2 Ta8?! (Weiß gab auf, obwohl er mit 4.Kg1 noch etwas kämpfen könnte. Klarer als 3…Ta8 gewann 3…Tf6! 4.Sg5 Lc6 nebst …e4 und …e3.) 0:1.
Viktor Kortschnoi
Psychotricks in Kalmückien
Eigentlich sind der Russe Wladimir Kramnik und der Bulgare Wesselin Topalow nach Kalmückien gekommen, um die geteilte Schachwelt zu einen. Doch aus dem großen WM-Kampf ist ein Spiel mit Psychotricks geworden. Als Kramnik 3:1 in Führung lag, streute Topalows Manager, Silvio Danailow, den Verdacht, Kramnik empfange während der Partien heimlich Computerzüge auf der Toilette. Der Bulgare erwirkte mithilfe seiner Freunde im (mittlerweile zurückgetretenen) Schiedsgericht sogar die Verriegelung des Klos. Woraufhin der empörte Kramnik nicht zur fünften Partie antrat und diese kampflos verlor. Jetzt, nach tagelangem Hin und Her, spielt der Russe weiter. Unter Protest.