Anmerkung der Redaktion
In den Übersetzungen hat sich die Redaktion um eine alle Geschlechter einbeziehende Sprache bemüht. Bei Komposita wie Porno-, Anti-, Sex- usw. hat die Redaktion auf strikte Einheitlichkeit verzichtet und zugunsten der Leserlichkeit entschieden.
LAURA MÉRITT
Dr. Laura Méritt, Kommunikationswissenschaftlerin, Sex-Aktivistin und Autorin, betreibt seit über zwanzig Jahren Sexclusivitäten und führt Aufklärungskampagnen durch. Sie hält freitäglich den Freudensalon in Berlin ab, um Austausch und Kommunikation über Sexualität zu fördern. Sie ist Initiatorin von PorYes, Feminist Porn Award Europe und Herausgeberin u. a. von „Frauenkörper neu gesehen“, „Mehr als eine Liebe“ und „Alltägliche Ekstase“.
Eine neue Generation Porno ist da: Feminist Porn! Die feministische und sexpositive Bewegung hinterfragt eingefahrene sexuelle Denk- und Verhaltensmuster, wagt den Bildersturm und revolutioniert die Porno-Industrie. Immer mehr Frauen drehen ihre eigenen Filme, produzieren und vertreiben sie. Sie wollen andere, positivere Bilder der Sexualität – und sie haben Erfolg damit! Denn die Zeit ist reif für respektvolle Darstellungen, die weibliche Lust sowie die Lust aller Geschlechter und Spielarten gleichwertig und realistisch abbilden.
Die Porno-Industrie ist stark von sexistischen Darstellungen geprägt. Frauen werden häufig als passive Objekte gezeigt, die wie selbstverständlich die Wünsche des Mannes bedienen. Männer werden zu unsensiblen, irrealen Dauerständern reduziert. Damit bleibt wenig Raum für einen positiven, mutigen und bewussten Zugang zur eigenen Lust und einen wertschätzenden Umgang mit dem eigenen und anderen Körper(n).
Mit feministischem Porn werden diese Zuschreibungen aufgebrochen, Geschlechter aus anderen Perspektiven gezeigt und deren Sexualität als nachvollziehbar erfahren. Damit ist ein Paradigmenwechsel eingeleitet, der verstärkt auf „authentische“ Lust und alltäglichere, für alle Beteiligten einvernehmliche Sexpraktiken setzt und diese vielfältig inszeniert.
Sexpositive Bewegung
Die sexpositive Bewegung entstand während der Zensurdebatte, die nach der sexuellen Liberalisierung in den 60er-Jahren im Zusammenhang von Patriarchat und Sexualität geführt wurde. Ihre Kritik richtete sich gegen eine einseitige Zielsetzung der Frauenbewegung und wies darauf hin, dass sich Zensur von Pornografie gegen die eigene Redefreiheit wenden könnte.1 In Europa wurden vor allem ab den 1980ern heftige PorNo-Debatten und -Kampagnen geführt. Diese verliefen differenzierter als die amerikanischen „Sex Wars“, vielleicht durch die kulturellen Unterschiede und die zeitliche Verschiebung. Eine sexpositive Haltung entstand oftmals aus einer antipornografischen Einstellung oder bedingte sie sogar. Während die PorNo-Fraktion aber Mainstream-Pornografie verbieten will und Sex vor der Kamera prinzipiell als demütigend betrachtet,2 fordert die PorYes-Bewegung einen bewussten Umgang mit Pornografie (Aufklärung statt Verbot), sexpositive Bilder und eine Bewusstsein schaffende pornografische Kultur. Ein zusätzlicher sehr wichtiger Aspekt ist die Vermittlung von Gesundheits- und Anatomiewissen. In der Suche nach einer anderen Sprache der Sexualität und der Ablehnung von nicht einvernehmlicher Sexualität sind sich alle einig. Sexualität galt in den 1970ern zudem als Schlüssel zur allseitigen Befriedigung, und das Recht auf Orgasmen von Frauen wurde öffentlich eingefordert.
Die Grundlinien des sexpositiven Feminismus lauten:
1. Sexuelle Freiheit ist Bestandteil der allgemeinen Freiheitsbestrebungen. Dazu gehört freier Zugang zu sexuellen Informationen für alle.
2. Einvernehmliche sexuelle Aktivitäten zwischen Erwachsenen, woran es eine unendliche Vielfalt gibt, bedürfen keiner Regelung und keiner Bewertung von außen.
3. Sexualität ist wie Geschlecht, Identität und letztendlich auch Anatomie kulturell konstruiert.
Diese drei Kriterien wurden auch durch die Cultural und Gender Studies stärker wahrgenommen. „Porn Studies“ heißt eine neue akademische Zeitschrift, die von zwei britischen Professorinnen der Medienwissenschaften seit 2014 herausgegeben wird und sich vierteljährlich mit der pornografischen Kultur beschäftigt. Damit wird Pornografie als ernst zu nehmendes Forschungsfeld anerkannt, wie auch die Kölner Medienkonferenz zur „Pornografisierung der Gesellschaft“ 2010 belegte, die ein breites Spektrum an Ansätzen, Disziplinen und Berichten aus der Praxis der Sex-Industrie bot.3
Außerhalb der Akademie finden gesellschaftliche Diskussionen zu Sexismus, Rassismus, Sizeism (normierte Körperbilder), Ageism (Jugendwahn und Altersdiskriminierung) und Ableism (normierte Fähigkeiten) statt. Der Zusammenhang von Kultur, Klasse und Geschlecht (Race, Class and Gender) ist zunehmend präsent. Aktionen wie Slut Walk, Aufschrei, Pro Quote, Billion Rising, Pink stinks oder PorYes sind Beispiele, die das derzeitige genderpolitische Bewusstsein und Engagement aufzeigen.
Veränderte Sexualmoral
Aktuelle Studien belegen, dass die Einstellungen zu Pornografie deutlich differenzierter sind als vor dreißig Jahren: Auf der einen Seite ist eine hohe Sensibilisierung für diskriminierende und gewaltvolle Darstellungen und Verhalten gegenüber Frauen zu verzeichnen, auf der anderen Seite eine Aufgeschlossenheit für konsensuelles sexuelles Experimentieren, das auch für pornografische Darstellungen gilt.4
Dieser Wandel ist ein Resultat der sozialen Bewegungen und vor allem der Frauenbewegung, die in den letzten vierzig Jahren die Sexualmoral verändert und eine Verhandlungsmoral eingeführt hat. Die Sexualwissenschaft spricht von einer grundlegenden Veränderung der sexuellen Verhaltensmuster aller durch die Frauen.5 Durch beständige Aufklärungsarbeit, die Etablierung von Frauen-Sexshops mit Beratungs- und Bildungsangeboten, qualitativ hochwertigen, funktionalen und ästhetischen Spielzeugen, informativen Sex-Handbüchern und Feministischem Porn hat sich ein anderer, entspannter Umgang mit Sexualität durchgesetzt. Diese neu definierten Bedürfnisse fanden Eingang in der hoch kommerziellen Sex-Industrie, die nun ebenfalls Mainstream-Pornos und Spielzeug-Kollektionen für Frauen anbietet. Dieser positive Schritt kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Mehrheit der führenden Produktionen auf unethischen und umweltzerstörenden Arbeitsbedingungen basiert und viele der sogenannten Frauen-Erotikfilme lediglich von Frauen produzierte sexistische Filme sind.
Feminist Porn ist erotische Filmkultur
Mit dem Label „Frauenfilm“ wird auf einen sogenannten weiblichen Stil verwiesen, der dem Bedürfnis von Frauen nach Romantik und ausführlicher Darstellung von Emotionen und einer Geschichte rund um Sexualität nachkommt. Solche Vorstellungen wurden vor allem bei der Kritik von Mainstream-Pornos und beim Entstehen von alternativen, frauenfreundlicheren Pornos diskutiert (vgl. Puzzy Power Manifest 1998), spiegeln aber nicht die vielfältigen Bedürfnisse des ebenso vielfältigen weiblichen Publikums wider. Sie verstärken eher geschlechtsspezifische Zuordnungen, die von zwei unterschiedlichen Arten der Sexualität von Männern und Frauen ausgehen und damit alte biologistische Mythen verfestigen: Männer verfallen demnach aufgrund ihrer triebhaften Sexualität der Porno- oder Sexsucht, während Frauen von Natur aus weniger sexbedürftig und stärker emotional abhängig sind.
Feministische Filme, die von allen Geschlechtern gemacht werden können, stellen die Gender- und Machtfrage. Lange waren feministische Filme und insbesondere Feminist Porn in der medialen Öffentlichkeit wenig vertreten. Frauen hatten mit den sexistischen Strukturen im Filmgewerbe zu kämpfen und oftmals nicht die nötigen Produktionsmittel. Es lag aber auch an den gesetzlich eingeschränkten Vertriebswegen in Deutschland. Während der Mainstream-Porno in stationären Shops überall zu finden war und durch den Großhandel beliefert wurde, war der Zugang für spezielle Zielgruppen auf den aufwendigen Postweg mit Identitätskontrolle begrenzt.6
Alternativ Interessierte konnten sich auch in Frauen-Sexshops oder direkt zu den Filmvorführungen und Veranstaltungen begeben.7 So schauen wir in meinen freitäglichen „Freudensalons“ seit über zwanzig Jahren gemeinsam pornografische Filme und diskutieren die sexuellen Darstellungen wie die filmischen Mittel, aber auch die eigenen Stereotype, konditionierten Sichtweisen und sexuellen Fantasien. Der Wunsch nach Austausch über Sexualität ist groß und das Reden über Sexualität fällt vielen schwer. Eine Aufgabe der sexpositiven Bewegung ist es, sexuelle Informationen zu vermitteln und Personen bei einer selbstbestimmten und lustvollen Sexualität zu unterstützen. Mittlerweile hat sich eine erotische Filmkultur entwickelt, die Produktion, Distribution und Rezeption gestaltet. Feminist Porn bedeutet Gegenöffentlichkeit, die den Mainstream nachhaltig beeinflusst und die Sex-Industrie verändert und bis in die privaten Beziehungen hinein wirkt.
HerPorn in Europa
Sexpositive und feministische Filme zu Sexualität gibt es seit Beginn der Frauenbewegung. Viele wurden unter heißen Diskussionen auf Frauenfilm-Festivals gezeigt. Jedes Jahrzehnt spiegelt dabei die relevanten Diskurse wider. So wurde in den 1970ern viel Sexplizites zur gesundheitlichen Aufklärung veröffentlicht (Clitoris-Shows: Deutschland, Österreich, Schweiz) und gleichzeitig künstlerisch experimentiert (z. B. Valie Export, Österreich). In Spielfilmen wurden sexuelle und gesellschaftliche Abhängigkeitsstrukturen aufgedeckt (z. B. Catherine Breillat, Frankreich), weibliches Empowerment betrieben (z. B. Monika Treut, Deutschland). Die 1980er waren geprägt vom Thema BDSM und der Sex- und Gewalt-Diskussion, berühmt ist die Secret-Minds-Konferenz in Köln mit dem Film Mano Destra von Cleo Uebelmann (Schweiz), legendär Monika Treuts Spielfilm Die grausame Frau. Politische Motivation wie Safer-Sex, sexuelle Gesundheit und AIDS führten zu den ersten Lesbenpornos (Latex Hearts, S.A.F.E, Deutschland) in den 1990ern und blieb wichtiges Element des Queer Porn, der sich kontinuierlich weiteren Subkulturen, Themen und Genres öffnete: z. B. Safer-Sex-Clips, Porn und Porn-Dokus (Emilie Jouvet, Frankreich), Sexperimentelles (Girlswholikeporn, Spanien), Film Noir Erotique (Maria Beatty, Frankreich), Sex-Komödie (Rusty Cave, England), Cyberporn (Shu Lea Cheang, England). Ab der Jahrtausendwende kam auch für Heterosexualität neuer Wind mit Puzzy Power (Dänemark), Jennifer Lyon Bell (Niederlande) und Erika Lust (Spanien). Mit Petra Joy (Deutschland) haben sich feministische Darstellungen in der Mainstream-Vertriebsebene durchgesetzt. Schweden profiliert sich durch vorbildhafte Aufklärungsarbeit, indem Feminist Porn mit staatlichen Geldern gefördert wird, um sexuelle Vielfalt gesellschaftlich zu etablieren (Dirty Diaries).
Um auf sexpositive Filme hinzuweisen und eine feministische Film- und Sex-Geschichtsschreibung zu betreiben („Herstory and HerPorn“), wird seit 2009 in Berlin der PorYes-Award, der Feministische Pornfilmpreis Europa, verliehen. Die „Auster“ erhalten Personen und Produktionen verschiedener Generationen und Kulturen. Mit der PorYes-Bewegung werden frauen-, männer- und genderfreundliche Darstellungen der Sexualität in Europa gefeiert und forciert.
Sex- und Freuden-Aktivismus
Die „Fucking Feminists“ sind Pro-Sex-Aktivistinnen und anerkannte Lehrerinnen der Lust, sie bringen geschlechterübergreifende Potenzen und sexuell fließende Identitäten heraus. Sie kennen sich in sexueller Anatomie aus und wissen auch die gesundheitlichen Aspekte mit einzubeziehen. Ihre Parole heißt „Wissen macht sexy“ nach dem sexualpolitisch agierenden Freudenfluss-Netzwerk, dessen Ziele lustvolle Aufklärung und sexuelle Bildung sind.8 Unter der Hand ist allseits bekannt, dass sexuell Belesene und von wonnigen Wassern Benässte begehrenswerte LiebhaberInnen sind. Intelligent fickt gut, und so verlangt die viel zitierte neue „Generation Porno“ andere, weniger stereotype und weniger normierte sexuelle Bilder und Informationen. Eine Diskussion, ob Pornos überhaupt okay sind, überlässt sie der Doppelmoral der Altherren- und Moralliga. Solange ein Defizit an lustvoller sexueller Aufklärung besteht, werden pornografische Filme als Medium für Inspiration und sexuelle Bildung genutzt. „Porn to be right“, sagt die sexpositive Bewegung heute und bietet Alternativen zur Standardnummer.
Sexplosiv: Sex ist erlernbar
Das „Feminist Porn Book“ gibt einen Überblick über die verschiedenen sexpositiven Ansätze in den USA und in Kanada, die in ihrer Vielfalt vorbildhaft erscheinen. In stark konservativen Kulturen entstehen oft herausragende Gegenbewegungen, die besondere Aufmerksamkeit erfahren. Es ist umwerfend, wie viele Kulturen und Subkulturen immer neue Aspekte in die sexuelle Debatte werfen und Pornografie diskutieren. Europa profiliert sich gleichermaßen als Sexual Melting Pot, auch hier kommen immer mehr sexuelle Stimmen zu Wort und Bild. Manche sehen Berlin als Sex-Metropole der unbegrenzten Möglichkeiten, die San Francisco den Rang abgelaufen hat. Bei genauerer Betrachtung finden sich in den letzten vier Jahrzehnten der europäischen Frauenbewegung viele sexpositive Ansätze, auf denen das „Coming Out“ des derzeitigen sexpositiven Feminismus basiert. Schließlich haben wir hier eine feministische Kultur als alternative Öffentlichkeit etabliert, die sich auf allen Ebenen der Politik einmischt und den Finger auf die richtigen, meist verdeckten Stellen legt. Mit der Verbreitung von sexuellem Wissen befinden wir uns an der Verteilungsstelle der brisanten Themen Gesundheit, Geschlechterpolitik, Gesellschaftsstruktur. Diese sexplosive Mischung brodelt weltweit, denn Frauenrechte und Sexualität sind die stärkste Bedrohung des Patriarchats. Mit Feminist Porn haben wir die letzte Bastion überholter Geschlechterstereotype geknackt. Go Feminist! Viva la Vulva!
Anmerkungen
CONSTANCE PENLEY, CELINE PARREÑAS SHIMIZU, MIREILLE MILLER-YOUNG UND TRISTAN TAORMINO
The Feminist Porn Book ist die erste Sammlung, die Schriften von feministischen Porno-Produzentinnen und feministischen Akademikerinnen in der Absicht vereint, sich mit Pornografie zu beschäftigen, sie zu hinterfragen und neu zu erfinden. Als gemeinsame Herausgeberinnen dieses Buches haben wir – drei Porno-Dozentinnen und eine Porno-Regisseurin – über Jahre einen lebhaften Dialog über feministische Politik und Pornografie geführt. Feministische Gegner stellen Pornografie in ihren Kritiken als ein gigantisches Medium und Gewerbe dar und urteilen in Form grober Verallgemeinerungen über ihre Produktion, ihre Mitarbeiter, ihre Konsumenten und ihren gesellschaftlichen Einfluss. Diese Anti-Porno-Feministinnen reagieren auf feministische Pornografen und feministische Porno-DozentInnen in unterschiedlicher Weise. Sie bezichtigen uns, uns selbst und andere über die Natur der Pornografie zu täuschen. Sie behaupten, wir versäumten es, irgendeine Art von Porno kritisch zu betrachten, und sähen jede Pornoart als bestärkend an. In den meisten Fällen lehnen sie unsere Fähigkeit oder Kompetenz, ihn zu produzieren oder zu erforschen, schlichtweg und kurzerhand ab. The Feminist Porn Book bietet jedoch Argumente, Fakten und geschichtliche Darstellungen, die nicht pauschal abgelehnt werden können, da sie konkrete und genau recherchierte Berichte über die Strategien der Lustproduktion bereitstellen. Unser Vorhaben ist zweigeteilt: die Entstehung und Bedeutung einer florierenden feministischen Pornobewegung zu erkunden sowie einige der besten zeitgenössischen feministischen Porno-Forschungen zu vereinen. Indem wir uns in die Diskussion einbringen, provoziert dieses Buch neue Denkansätze über die Fülle und Vielfalt der Pornografie als Genre und als Industrie, in einer Weise, die uns bestärkt, die Arbeit der Feministinnen in der Porno-Industrie zu würdigen, sowohl im Mainstream als auch in seinen gegenkulturellen Randerscheinungen.
Zunächst bieten wir eine weitgefasste Porno-Definition an, die in den folgenden Teilen konkretisiert, diskutiert und erkundet wird. Als gleichermaßen etabliertes wie aufstrebendes Pornografie-Genre verwendet feministischer Porno eine sexuell explizite Bildsprache, auf diese Weise die vorherrschenden Darstellungen von Geschlecht, Sexualität, Hautfarbe, Ethnie, Klasse, Befähigung, Alter, Körpertyp und von anderen Identitätsmerkmalen hinterfragend und bereichernd. Er untersucht Konzepte von Begierde, Wirkung, Macht, Schönheit und Lust da, wo sie am verworrensten und schwierigsten sind, inklusive Lust innerhalb und quer durch Ungleichheiten, angesichts der Justiz und entgegen den Grenzen von Geschlechtshierarchie, Heteronormativität und Homonormativität. Er ist bestrebt, die konventionellen Definitionen von Sex ins Wanken zu bringen und die Sexsprache als erotische Aktivität, Identitätsausdruck, Machtaustausch, kulturelle Konsumware und sogar als neue Politik auszubauen.
Feministischer Porno erschafft alternative Bilder und entwickelt seine eigene Ästhetik und Symbolik, um die etablierten sexuellen Normen und Diskurse zu erweitern. Er entwickelte sich und enthält Elemente aus den Genres „Porno für Frauen“, „Porno für Paare“ und „Lesbischer Porno“ sowie aus der feministischen Fotografie, der Performancekunst und dem experimentellen Film. Er geht nicht von einer einzelnen Zuschauerin aus, sondern von zahlreichen weiblichen (und anderen) Zuschauern mit vielfachen, unterschiedlichen Präferenzen. Feministische Porno-HerstellerInnen betonen die Bedeutung ihrer Arbeitserfahrung für die Produktion und die Behandlung ihrer Akteure/Sexarbeiterinnen. Im Gegensatz zu den Normen des Mainstream-Sektors der Porno-Unterhaltungsindustrie streben sie ein faires, sicheres, ethisches und einvernehmliches Arbeitsumfeld an und erschaffen ihre Bildsprache häufig in Zusammenarbeit mit ihren Sujets. Letztendlich betrachtet feministischer Porno die sexuelle Darstellung – und ihre Produktion – als den Schauplatz für Widerstand, Einmischung und Veränderung.
Das Konzept des feministischen Pornos geht auf die 1980er zurück – den Höhepunkt der feministischen Porno-Kriege in den Vereinigten Staaten. Die Porno-Kriege (auch bekannt als Sexkriege) gingen aus einer Debatte zwischen Feministinnen über die Rolle sexualisierter Darstellungen in der Gesellschaft hervor und wuchsen sich zu einer gewaltigen Kluft aus, die über drei Jahrzehnte dauerte. In der Blütezeit der Frauenbewegung in den USA wurde ein groß angelegter Kampf von Basisaktivistinnen gegen die Verbreitung frauenfeindlicher und gewalttätiger Darstellungen in den gesellschaftlichen Medien abgelöst von den speziell darauf konzentrierten Bemühungen, das expliziteste und anscheinend sexistischste Medium – die Pornografie – gesetzlich verbieten zu lassen. Robin Morgans Slogan „Porno ist die Theorie, Vergewaltigung ist die Praxis“ zitierend, argumentierten Anti-Porno-Feministinnen, Pornografie bedeute die Kommerzialisierung der Vergewaltigung. Während eine Gruppe namens Women Against Pornography (WAP) ernsthaft dazu aufrief, die Obszönität nationenübergreifend zu verbieten, entwickelten sich andere Feministinnen wie Lisa Duggan, Nan D. Hunter, Kate Ellis und Carol Vance zu lautstarken Kritikerinnen dessen, was sie als WAPs wenig durchdachtes Einverständnis mit der sexuell konservativen Regierung Reagans und der christlichen Rechten ansahen sowie als eine Verbiegung des feministischen Aktivismus in eine Bewegung der moralischen Hygiene und des öffentlichen Anstands. Indem sie den Anti-Porno-Feminismus als einen gewaltigen Rückschlag im feministischen Kampf für die Stärkung von Frauen und sexuellen Minderheiten betrachteten, trat eine tatkräftige Gemeinschaft von SexarbeiterInnen und sexradikalen AktivistInnen gegen die Zensur und für sexpositiven Feminismus ein, so die Basis für die feministische Pornobewegung bildend.1
Die Jahre, die zu den feministischen Porno-Kriegen führten, wurden häufig als „das goldene Zeitalter des Pornos“ bezeichnet, ein Zeitraum zwischen den frühen 1970ern und den frühen 1980ern, gekennzeichnet durch Spielfilme mit großem Budget und hohen Produktionsstandards, die mit großem Pomp veröffentlicht wurden. Eine Gruppe Porno-Darstellerinnen, die während des goldenen Zeitalters tätig waren – wie Annie Sprinkle, Veronica Vera, Candida Royalle, Gloria Leonard und Veronica Hart –, gründeten in New York City eine Selbsthilfegruppe namens Club 90 – die erste ihrer Art. 1984 lud das feministische Kunstkollektiv Carnival Knowledge die Gruppe Club 90 ein, an einem Festival namens The Second Coming teilzunehmen und die Frage, „Gibt es eine feministische Pornografie?“, zu untersuchen.2 Es ist eins der ersten belegten Male, dass Feministinnen diese kritische Frage öffentlich stellten und untersuchten.
Im selben Jahr begründete Club-90-Mitglied Candida Royalle die Femme Productions und damit ein neues Genre: Porno aus der Sicht der Frau.3 Ihre Filme konzentrierten sich auf Handlung, hohe Produktionsstandards, weibliche Lust und Romantik. In San Francisco gründeten die Verlegerinnen Myrna Elana und Deborah Sundahl zusammen mit Nan Kinney und Susie Bright On Our Backs, das erste Pornomagazin von und für Lesben. Ein Jahr später starteten Kinney und Sundahl Fatale Video, um lesbische Pornofilme zu produzieren und zu vertreiben und die Mission auszuweiten, die On Our Backs begonnen hatte.4 In der Mainstream-Porno-Industrie begann die Performerin und registrierte Krankenschwester Nina Hartley eine Reihe von Sex-Lehrvideos für Adam and Eve zu produzieren und darin aufzutreten, wobei ihre ersten beiden Titel 1984 veröffentlicht wurden. Während der 80er- und 90er-Jahre entwickelte sich in Europa eine parallele Bewegung.5
Bis zu den 1990ern hatte sich der Erfolg von Royalle und Hartley auf die Mainstream-Porno-Industrie ausgewirkt. Bedeutende Studios wie Vivid, VCA und Wicked begannen mit der Produktion ihrer eigenen Pornoreihe für Paare, die Royalles Vision reflektierte und allgemein eine Formel von sanfterem, zarterem, romantischerem Porno mit Handlung und hohen Produktionsstandards anwandte. Das Wachstum des Genres „Porno für Paare“ verursachte einen Umschwung in der Industrie: Die weibliche Begierde und Zuschauerschaft wurde endlich anerkannt, wenn auch eng definiert. Dies bedeutete mehr Auswahl für weibliche Zuschauer und mehr Möglichkeiten für Frauen wie Veronica Hart und Kelly Holland (auch bekannt als Toni English), die Regie bei heterosexuellen Mainstream-Filmen zu übernehmen. Lesbischer, von Lesben produzierter Independent-Porno verzeichnete einen langsameren Zuwachs, jedoch erhielten die Macher von Fatale Video (die bis Mitte der 1990er weiterhin neue Filme produzierten) mit Annie Sprinkle, Maria Beatty sowie Shar Rednour und Jackie Strano schließlich etwas Gesellschaft in ihrem Mikro-Genre. Sprinkle drehte zudem den ersten Pornofilm mit einem Transsexuellen, und Christopher Lee folgte mit einem Film, der eine ganze Besetzung von Transsexuellen zeigte.6
In den frühen 2000ern etablierte sich der feministische Porno in den USA mit dem Auftreten von FilmemacherInnen, die sich und/oder ihre Arbeit ausdrücklich als feministisch bezeichneten, wie Buck Angel, Dana Dane, Shine Louise Houston, Courtney Trouble, Madison Young und Tristan Taormino. Gleichzeitig begannen feministische FilmemacherInnen in Europa mit ihren Pornos und sexuell expliziten Independent-Filmen Berühmtheit zu erlangen, wie Erika Lust in Spanien, Anna Span und Petra Joy in Großbritannien, Emilie Jouvet, Virginie Despentes und die in Taiwan gebürtige Shu Lea Cheang in Frankreich sowie Mia Engberg, die einen Zusammenschnitt feministischer Pornokurzfilme erstellte, der bekanntlich von der schwedischen Regierung finanziert wurde.
Die moderne feministische Pornobewegung gewann 2006 mit der Erschaffung der Feminist Porn Awards (FPAs) enorm an Boden. Chanelle Gallant und weitere MitarbeiterInnen des sexpositiven Sexspielzeug-Shops Good for Her in Toronto begründeten diese Auszeichnungen, an denen Filme teilnehmen konnten, die eines oder mehrere der folgenden Kriterien erfüllten:
(1) Eine Frau war an der Produktion, am Drehbuch, an der Regie usw. des Werks beteiligt. (2) Sie zeigen authentische weibliche Lust und/oder (3) sie erweitern die Grenzen sexueller Darstellung im Film und stellen Stereotypen, wie sie häufig in Mainstream-Pornos gefunden werden, infrage. Und natürlich müssen sie heiß sein! Insgesamt tendieren Gewinner der Feminist Porn Awards in ihren Filmen dazu von Anfang bis Ende ein weibliches Publikum im Blick zu haben. Dies bedeutet, dass man eher aktives Verlangen und Konsens sieht, echte Orgasmen und Frauen, die die Kontrolle über ihre eigene Fantasie übernehmen (selbst wenn diese Fantasie bedeutet, die Kontrolle abzugeben).7
Diese Kriterien nahmen gleichzeitig eine Zuschauerschaft, Autorenschaft, Industrie und ein kollektives Bewusstsein an und vorweg. Eingebettet in die Beschreibung ist eine Betrachterin und was sie voraussichtlich sehen will – aktives Verlangen, gegenseitiges Einverständnis, echte Orgasmen, Kraft und freie Handlungsentscheidung – und was sie nicht sehen will: Passivität, Stereotypen, Zwangsausübung oder vorgetäuschte Orgasmen. Die Sprache ist vielfältig genug, um nicht präskriptiv zu sein, selbst wenn sie Wert auf Handlungsmacht und Authentizität legt, mit dem beiläufigen Eingeständnis der Möglichkeit, dass es nicht die Fantasie aller Frauen sei, „die Kontrolle zu haben“. Während die Richtlinien insbesondere auf die Beteiligung einer Frau an der Produktion fokussiert sind, reicht die Skala der preisgekrönten Filmemacherinnen von selbsternannten feministischen Pornografinnen über Independent-Regisseurinnen bis hin zu Mainstream-Porno-Produzentinnen. Die weitgefächerten Kriterien erreichen einen gewissen Grad von Einschließlichkeit und bescheinigen, dass eine Reihe von Werken von ZuschauerInnen, KritikerInnenn und AkademikerInnenn als feministisch eingestuft werden kann. Die FPA-Verleihung versammelt und ehrt Filmschaffende aus aller Welt, und das Event ist seit seiner Gründung jährlich und in jeder Hinsicht gewachsen, von der Zahl der eingereichten Filme bis zur Zahl der Besucher. Die FPAs haben das Bewusstsein für feministischen Porno bei einem breiteren Publikum gesteigert und das Zusammenwachsen einer Gemeinschaft von FilmemacherInnen, DarstellerInnen und Fans gefördert. Sie markieren eine Industrie innerhalb der Industrie und unterstützen dabei diese wachsende Bewegung. 2009 begründete Dr. Laura Méritt (Berlin) die PorYes-Kampagne und den European Feminist Porn Award nach dem Vorbild der FPAs. Da die Bewegung ihre stärksten Impulse aus Europa und Nordamerika bezog, konzentriert sich dieser Band auf die wissenschaftlichen Beiträge und Filme der westlichen Nationen. Wir sind uns dieser Einschränkung bewusst: Damit feministischer Porno ein globales Projekt wird, muss mehr dafür getan werden, nicht westliche AkademikerInnen und PornografInnen in die Diskussion miteinzubeziehen.
Unsere jetzige Arbeit als WissenschaftlerInnen und ProduzentInnen könnte ohne frühere Untersuchungen der Geschichte und des Kontextes der Pornografie nicht existieren, wie etwa Caught Looking: Feminism, Pornography and Censorship von FACT, der Feminist Anti-Censorship Task Force. Linda Williams’ bahnbrechender Hard Core: Power, Pleasure, and the „Frenzy of the Visible“ von 1989 öffnete die Tore für feministische WissenschaftlerInnen, Pornografie als Film und Populärkultur, als Genre und Industrie, textlich, historisch und soziologisch produktiv zu untersuchen. Laura Kipnis’ Bound and Gagged: Pornography and the Politics of Fantasy in America von 1996 lieferte die bestmöglichen Argumente, dass „die Unterschiede zwischen Pornografie und anderen Kulturformen weniger bedeutend sind als ihre Gemeinsamkeiten“.8 Jane Juffers At Home with Pornography: Women, Sex, and Everyday Life von 1996 forderte uns auf, nicht nur dem Hardcore-Porno, der üblicherweise von Männern konsumiert wird, unsere besondere Aufmerksamkeit zu schenken, sondern auch der Verwendung von Pornografie im alltäglichen Leben normaler Frauen. Seit 1974 hat das Filmmagazin Jump Cut mehr wissenschaftlich orientierte Beiträge zum Porno von einer pro-sexuellen Antizensurperspektive veröffentlicht als jedes andere Medienjournal, und das von leitenden Persönlichkeiten auf dem Gebiet, wie Chuck Kleinhans, Linda Williams, Laura Kipnis, Richard Dyer, Thomas Waugh, Eithne Johnson, Eric Schaefer, Peter Lehman, Robert Eberwein und Joanna Russ. In jüngerer Zeit bekräftigten Drucilla Cornells Feminism and Pornography, Linda Williams’ Porn Studies und Pamela Church Gibsons More Dirty Looks: Gender, Pornography and Power den Wert der Porno-Forschung.9 The Feminist Porn Book möchte diese Forschung vorantreiben, indem es eine wichtige und wertvolle Komponente hinzufügt: Feministinnen, die Pornografie erschaffen.
In diesem und dem zweiten Band entdecken wir eine vierzig Jahre anhaltende Bewegung von DenkerInnen, ZuschauerInnen und MacherInnen, vereint in ihrem Wunsch, mithilfe der Pornografie die Darstellung neuer Sexualitäten zu erkunden. Die hier von uns zusammengetragenen Arbeiten trotzen anderen feministischen Konzepten von Sexualität auf dem Bildschirm, bei denen diese als ständige Bedrohung aufgefasst wird. Diese Bedrohung ist das Schreckgespenst der Gewalt gegen Frauen und die vorrangige Weise, wie Pornografie gesehen wird. Die Behauptung, explizite Sexdarstellungen seien nichts weiter als Geschlechterunterdrückung, bedeutet, dass Abbildungen von expliziten Sexualakten in der Pornografie eine Form der absoluten Zucht und Unterwerfung sind. Von diesem Standpunkt aus tragen Frauen, die Pornografie betrachten, studieren oder in der Pornografie arbeiten, den Stempel falschen Bewusstseins – so als spielten sie mit dem Feuer und ignorierten die Risiken, sich zu verbrennen.
Die überwältigende Popularität von erotischer Frauenliteratur, veranschaulicht durch den jüngsten weltweiten Bestseller Fifty Shades of Grey von E. L. James, und die florierende weibliche Fanfiction-Community, aus der er hervorging, beweist, dass es unter Frauen eine große Nachfrage nach expliziten Sexdarstellungen gibt. Millionen von Leserinnen nahmen die Trilogie Fifty Shades of Grey – die eine junge Frau beschreibt, die zur devoten sexuellen Partnerin eines dominanten Mannes wird – begeistert auf, nicht wegen ihrer Darstellung der Unterdrückung, sondern wegen ihrer Erkundung erotischer Freiheit. Von Frauen geschaffene Erotika und Pornografie spricht die Fantasien an, die Frauen wirklich haben, Fantasien, die in einer Welt beheimatet sind, in der Frauen ständige Machtkämpfe austragen müssen, selbst in ihren Vorstellungen und in ihren Gelüsten. Ähnlich den Preiskriterien für die Feminist Porn Awards zeigen diese Bücher und die feministische Pornobewegung, dass Frauen „die Kontrolle über ihre eigene Fantasie übernehmen (selbst wenn diese Fantasie bedeutet, die Kontrolle abzugeben)“.
Mit dem Auftauchen neuer Technologien, die es mehr Menschen als je zuvor ermöglichen, Pornografie sowohl zu erschaffen als auch zu konsumieren, haben die moral- und panikgesteuerten Ängste vor der Pornografie erneut zugenommen. Die Furcht der Gesellschaft vor Frauen, die ihre eigene Begierde besitzen und sie auf eine Art nutzen, die die Erwartungen an eine angemessene weibliche Sexualität durcheinanderbringt, hält weiterhin an. Wie Gayle Rubin zeigt:
Moderne westliche Gesellschaften beurteilen Sexualakte gemäß einem hierarchischen System sexueller Werte.10
Rubin beschreibt dieses System als eines, bei dem „der Zauberkreis“ ständig von den „äußeren Grenzen“ bzw. jenen, die aus dem Rahmen des Vertretbaren fallen, bedroht wird. Am untersten Ende dieser Hierarchie stehen Sexualakte und Personen außerhalb der Heterosexualität, Ehe, Monogamie und Fortpflanzung. Rubin behauptet, diese Hierarchie existiere, um die Bevorzugung der normativen und eingeengten Sexualität sowie die Abwertung und Bestrafung des „sexuellen Mobs“ zu rechtfertigen.11 The Feminist Porn Book präsentiert genau diese strafwürdigen Sexualakte und Personen, die außerhalb des Zauberkreises und stolz auf der Seite des sexuellen Mobs stehen. Die vielfältigen Arten beleuchtend, wie Menschen sich mit der Macht der Sexualität konfrontieren, ebnet dieses Buch den Weg zum Entdecken von Spielarten, die früher als Perversion abgelehnt wurden. Gleichzeitig kann feministischer Porno bloßstellen, was als „normale“ Sexualität im Zentrum jenes Zauberkreises akzeptiert wird.
Eine der unerfreulichen Folgen der Porno-Kriege war die Verfestigung eines Anti-Porno-Lagers gegenüber einem sexpositiven Pro-Porno-Lager. Einerseits war ein großes P wie „Pornografie“ eine optische Verkörperung des Patriarchats und der Gewalt gegen Frauen. Andererseits wurde Pornografie als „Sprache“ oder als Form, die nicht ausgeschlossen werden sollte, verteidigt, da sie eines Tages ein Vehikel für den erotischen Ausdruck der Frau werden könnte. Die Nuancen und die Vielfalt der kleingeschriebenen „pornografien“ gingen unterwegs verloren. Beispielsweise bietet sexpositives Denken nicht immer Platz für Vorgehensweisen, bei denen Frauen durch Sexualität eingeengt werden. Das Problem bei der anti-pornografischen Annahme, dass Sex an sich die Frauen unterdrücke – dass es Frauen entwürdigen würde, wenn sie Sex vor der Kamera hätten –, ist jedoch, dass sie die weibliche Sexualität missachtet und unterdrückt. Deswegen bedeutet sexpositiver feministischer Porno für uns keineswegs, dass Sex immer eine rosarote Wolke von Glück und Wonne ist. Stattdessen hält feministischer Porno die Bemühungen fest, die eigene Sexualität zu definieren, zu verstehen und zu lokalisieren. Er erkennt die Wichtigkeit dessen, sein Urteil über die Bedeutung von Sex in intimen und sozialen Beziehungen zurückzuhalten und nicht zu unterstellen, was Sex für bestimmte Menschen bedeutet. Feministischer Porno erkundet sexuelle Ideen und Handlungen, die für manche belastend, verwirrend und zutiefst beunruhigend und für andere befreiend und bestärkend sein können. Was wir hier sehen, sind konkurrierende Definitionen von Sexualität, welche die Kraft der Sexualität in all ihrer Widerspenstigkeit herausstellen.
Da feministischer Porno einräumt, dass Personen sozial eingebunden sind und Sexualität die Macht hat, zu disziplinieren, zu bestrafen und zu unterwerfen, kann diese Widerspenstigkeit die Schaffung von Bildern verlangen, die unterdrückend, entwürdigend oder brutal erscheinen. Feministischer Porno scheut sich nicht vor der dunkleren Seite weiblicher Fantasie. Er schafft Raum dafür, die widersprüchlichen Arten zu erkennen, in denen unsere Fantasie nicht immer mit unserer Überzeugung oder unseren Ideen oder unserem Bild von uns übereinstimmt. Wie Tom Waugh argumentiert, kann die Beteiligung an der Pornografie, in seinem Fall als Zuschauer, als „Prozess der sozialen Identitätsbildung“ gesehen werden.12 In der Tat werden soziale Identitäten und Ideen während des Akts der Betrachtung von Pornos geformt, jedoch auch während des Machens und des darüber Schreibens.
Stark von anderen sozialen Bewegungen im Bereich Sexualität beeinflusst, wie den Bewegungen für die sexpositiven LGBT-Rechte und für die Rechte der Prostituierten, zielt feministischer Porno darauf ab, die Gemeinschaft aufzubauen, die liberalen Ansichten über Geschlecht und Sexualität zu erweitern und AkteurInnen und ZuschauerInnen zu erziehen und zu bestärken. Er befürwortet faire, ethische Arbeitsbedingungen für Prostituierte und die Einbeziehung von unterrepräsentierten Personengruppen und Praktiken. Feministischer Porno stellt die hegemoniale Darstellung der Geschlechter, der sexuellen Rollen sowie der Lust und Macht im Mainstream-Porno energisch infrage. Auch greift er das anti-pornografische, feministische, interpretative Gedankengefüge zur Pornografie als Pleite für eine fortschrittliche Sexualpolitik an. Als aufstrebende Bewegung begünstigt er ästhetische und ethische Praktiken, die in dominante sexuelle Darstellungen eingreifen und eine kollektive Vision der Veränderung in Gang bringen. Dieser erotische Aktivismus, obwohl in keiner Weise einheitlich oder durchgängig, ist sowohl im Markt als auch gegen ihn aktiv, um sich neue Wege der Darstellung von Geschlecht und Sexualität in unserer Kultur auszumalen.
Feministischer Porno ist jedoch nicht nur eine aufstrebende soziale Bewegung und eine alternative Kulturproduktion; er ist ein auf Profit ausgerichtetes Medien-Genre. Als Teil eines Milliarden-Dollar-Geschäfts in der Porno-Unterhaltungsindustrie ist feministischer Porno eine Industrie innerhalb der Industrie. Einige feministische Pornos werden unabhängig produziert und häufig von und für unterrepräsentierte Minderheiten wie Lesben, Transvestiten und Farbige geschaffen und vermarktet. Jedoch wird feministischer Porno auch in der Mainstream-Porno-Industrie von Feministinnen produziert, deren Arbeit von großen Unternehmen wie Vivid Entertainment, Adam and Eve und Evil Angel Productions finanziert und vertrieben wird. Als Outsider oder Insider (oder beides) der Mainstream-Industrie haben Feministinnen verschiedene Strategien entwickelt, um die vorherrschenden pornografischen Normen und Tropen zu unterwandern. Einige lehnen fast alle Elemente eines typischen Pornofilms ab, von der Struktur bis hin zur Ästhetik, während andere die Standardformel zurechtrücken (vom „Vorspiel“ bis zum „Spermaabspritzen“), um die weibliche sexuelle Wirkung zu justieren und ihr Priorität zu verschaffen. Obwohl feministische PornomacherInnen ihre Arbeit vom Mainstream-Porno abgrenzen, wird sie doch von einer Reihe von Menschen angeschaut, und zwar sowohl von denen, die sich als Feministinnen bezeichnen und ihn speziell suchen, als auch von anderen, die das nicht tun. Der feministische Porno gewinnt als Markt und als Bewegung an Einfluss und Sichtbarkeit. Diese Bewegung setzt sich aus Darstellenden, die zu RegisseurInnen wurden, unabhängigen LGBT-ProduzentInnen, politisierten Prostituierten, Pornoversessenen und Bloggern sowie radikalen SexerzieherInnen zusammen. Das sind die hier vertretenen Stimmen. Dies ist der perfekte Zeitpunkt für The Feminist Porn Book.
In diesem Buch stellen wir AkademikerInnen neben und in Konversation mit MitarbeiterInnen der Sex-Industrie vor, um die Kluft zwischen rigoroser Forschung und Kritik und den Herausforderungen und Einflüssen der realen Welt zu überbrücken. Jill Nagle kündigte in ihrer bahnbrechenden Arbeit Whores and Other Feminists an: „Diesmal sprechen feministische Prostituierte weder als Gäste noch als unzufriedene Exilierte, sondern als Insider des Feminismus.“13 Wie in Nagles Sammelband sprechen auch hier diejenigen, die in der Porno-Industrie arbeiten, für sich selbst, und ihre Geschichten beleuchten ihre komplexen Erfahrungen, widersprechen einander und enthüllen die schädigende, eindimensionale Rhetorik des wiedererwachten Anti-Porno-Feminismus. Ähnlich dem feministischen Porno selbst, hinterfragen die diversen Stimmen dieser Sammlung festgefahrene, polarisierende Zweiteilungen, wie wissenschaftlich und populär, AkademikerInnen und SexarbeiterInnen, PornografInnen und Feministinnen.
Im ersten Teil des Buches, Porno produzieren, über Porno debattieren, bieten die Pioniere des feministischen Pornos, Betty Dodson, Candida Royalle und Susie Bright einen fundierten Rückblick auf die feministische Pornografie, die in den 1980ern als Antwort auf die einschränkenden sexuellen Vorstellungen von sowohl Mainstream-Porno als auch Anti-Porno-Feminismus in Erscheinung trat. Indem sie einen Einblick in die produktive und stark umstrittene Periode der Sexkriege gewähren, betonen sie den Einsatz und die Energie, welche die Entstehung des feministischen Porno-Aktivismus umgeben – angesichts eines Anti-Porno-Feminismus, der sie und ihre Bestrebungen ignorierte, missverstand oder herabwürdigte. Brights Erzählung, wie sie ihren ersten Pornofilm zwischen misstrauischen Männern, in einem dunklen Sextheater sitzend, betrachtete, bereitet die Bühne dafür, wie die Erfindung des VHS-Rekorders den Pornokonsum von Frauen verschoben und den Markt dramatisch verändert hat.
Im letzten Jahrzehnt wurde der Porno-Krieg erneut angefacht und von Gail Dines, Sheila Jeffries, Karen Boyle, Pamela Paul, Robert Jensen und anderen neu definiert. Feona Attwood und Clarissa Smith zeigen auf, wie sehr diese aufstrebende Anti-Porno-Bewegung gegen Theorie und Beweise resistent ist und die Produktion und den Konsum von Porno tendenziös als eine Art illegalen Sexhandels, eine Suchtform oder ein allgemeines Gesundheitsproblem mit epidemischen Ausmaßen neu ausrichtet. Die Arbeit von Attwood und Smith legt eindringlich dar, wie feministischer Porno im zeitgenössischen öffentlichen Diskurs weiterhin angefochten und häufig zensiert wird. Lynn Comella richtet die Aufmerksamkeit auf die Folgen der allgemeinen Zugänglichkeit von Porno. Sie untersucht eines der wichtigsten Elemente in der Entstehung der feministischen Pornografie: das Heranwachsen von sexpositiven, von Frauen betriebenen Sexshops sowie einer Basisbewegung der Sexaufklärung, die Raum für Frauen schafft, neue Arten der Pornografie zu produzieren, zu entdecken und zu konsumieren.
Sehen und gesehen werden untersucht, wie Begierde und freie Handlungsentscheidung die pornografische Darbietung, Darstellung und Zuschauerschaft prägen. Sinnamon Love und Mireille Miller-Young erkunden die komplexe Sicht afroamerikanischer Frauen, während sie Darstellungen der Sexualität von schwarzen Frauen betrachten, kritisieren und erschaffen. Dylan Ryan und Jane Ward greifen das Konzept der Authentizität in der Pornografie auf: was es bedeutet, wie es verstanden wird und warum es für die feministische Pornodarstellung und die Zuschauerschaft entscheidend ist (oder nicht). Ingrid Ryberg prüft, wie öffentliche Vorführungen von queerem, feministischem und lesbischem Porno Raum für sexuelle Berechtigung bieten können. Tobi Hill-Meyer erweitert Rybergs Analyse, indem er dokumentiert, wer bis vor Kurzem aus diesem Raum ausgeschlossen wurde: Transfrauen. Keiko Lane wiederholt Rybergs Argument des radikalen Potenzials von queerem und feministischem Porno und bietet ihn als Mittel an, um sich unter Randgruppen zu verstehen und Triebe auszudrücken.
In diesem Buch erforschen wir die vielfältigen Definitionen von feministischem Porno, wir lehnen es jedoch ab, seine Grenzen festzulegen. Feministischer Porno ist ein Genre und eine politische Vision. Und ähnlich wie andere Genres des Films und der Medien teilt feministischer Porno allgemeine Themen, Ästhetiken und Ziele, selbst wenn seine Parameter nicht klar abgegrenzt sind. Weil er aus einem Feminismus entstanden ist, der nicht ein einzelnes Ding ist, sondern ein lebendes, atmendes und bewegliches Gebilde, ist er zwangsläufig umstritten – ein Argument, eine Polemik und eine Debatte. Und da er sowohl ein Genre als auch eine Praktik ist, müssen wir ihn als beides verpflichten: indem wir sein kulturelles Umfeld studieren und analysieren und indem wir die Ideale, Absichten und Erfahrungen seiner ProduzentInnen anschauen. Sobald wir dies tun, bieten wir eine Alternative zu unbegründeten, allzu großen Vereinfachungen und einer bevormundenden Rhetorik. Wir erkennen die Vielschichtigkeit des Betrachtens, Erschaffens und Analysierens von Pornografie an. Und wir glauben an das grundlegende Potenzial von feministischem Porno, die sexuelle Darstellung und die Art, wie wir unsere Sexualitäten leben, zu transformieren.
Anmerkungen
BETTY DODSON