Über den Herausgeber

Prof. Dr. Max Otte

Als anerkannte Autorität auf dem Gebiet des wertorientierten Investierens (Value Investing) unterstützt Prof. Dr. Max Otte seit 1999 Privatanleger, banken- und finanzdienstleisterunabhängig Vermögen aufzubauen. Dabei setzt er auf das Reinheitsgebot der Kapitalanlage – in ein Depot gehören nur Qualitätsaktien, Anleihen und Termingelder (oder rein aus diesen Zutaten zusammengesetzte Fonds), sowie Edelmetalle. Derivate lehnt Max Otte strikt ab. Für seine Strategie wurde er in den Jahren 2009, 2010 und 2011 zum »Börsianer des Jahres« gewählt.

Kapitalanlagebrief

Das von ihm gegründete Institut für Vermögensentwicklung (­IFVE) verfolgt die internationalen Kapitalmärkte und gibt mit dem Kapitalanlagebrief DER PRIVATINVESTOR wöchentlich Informationen zur Vermögensanlage und börsennotierten Unternehmen heraus.

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Tel: +49 (0)221 998019-14

Vermögensverwaltung und Beratung

In der Privatinvestor Vermögensmanagement GmbH wird die von Prof. Dr. Max Otte entwickelte Strategie in den Bereichen Vermögensverwaltung und -beratung umgesetzt. Für Vermögen ab 200.000 € ist hier eine Betreuung möglich.

www.aktien-strategien.de

Tel: +49 (0)781 919328-50

Fonds nach Methode Otte

Seit März 2008 existiert mit dem PI Global Value Fund (WKN: A0NE9G) auch ein Anlagefonds, der exklusiv nach der Strategie von Prof. Dr. Max Otte investiert. Der Fonds ist in Deutschland, der Schweiz und Österreich für den Vertrieb zugelassen. Er kann bei den meisten deutschen Banken gezeichnet werden.

Weitere Informationen zum Fonds erhalten Sie unter:

www.privatinvestor.li
 
 
 

1 Max Otte ist Professor für quantitative und qualitative Unternehmensanalyse und -diagnose sowie unabhängiger Investor und Berater des PI Global Value Fonds (WKN: A0NE9G). Er ist zudem Gründer des Instituts für Vermögensentwicklung (IFVE) in Köln und eine anerkannte Autorität auf dem Gebiet des wertorientierten Investierens (Value Investing). Bekannt wurde er durch sein Buch »Der Crash kommt«, in dem er 2006 einen »Finanztsunami, hervorgerufen durch U.S.-Subprime-Papiere« wahrscheinlich im Jahr 2008, vorhersagte. Er war von 1989 – 1991 Woodrow Wilson Fellow an der Woodrow Wilson School of Public and International Affairs der Princeton University, wo er 1997 promoviert wurde.

2 Dirk Müller, Crashkurs, München 2009.

3 Max Otte, Stoppt das Euro-Desaster, Berlin 2011.

4 http://www.law.louisville.edu/library/collections/brandeis/node/191

5 http://en.wikipedia.org/wiki/Louis_Brandeis; http://de.wikipedia.org/wiki/Louis_Brandeis

6 Samuel Warren/Louis D. Brandeis, The Right To Privacy, Harvard Law Review, 4 Jg. (1890), S. 193–220.

7 Ich habe beim ehemaligen Federal Reserve Chef Paul Volcker studiert und kann nur sagen, dass ich kaum einen ehrlicheren, am Gemeinwohl orientierteren, »preußischeren« Menschen kenne als Paul A. Volcker.

8 Siehe auch Max Wirth, Die Hebung der arbeitenden Classen durch Genossenschaften und Volksbanken, Bern 1865, sowie Max Otte, »Volks- und Raiffeisenbanken als Stabilitätsfaktor in Wirtschaftskrisen«, in: Stabilität der Genossenschaft für Mitglieder und Kunden, Schwerpunktheft 2/2010 der Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen, S. 89-103, S. 89–103; s. auch Hannes Rehm, »Das deutsche Bankwesen – Befund – Probleme – Perspektiven«, Teil I+II, Kredit und Kapital, 41. Jg. (2008), S. 135 – 159 (Nr. 1) und S. 305 – 331 (Nr. 2).

9 Brandeis, S. 184

10 Brandeis, S. 185

11 http://en.wikipedia.org/wiki/Louis_Brandeis

12 Max Otte, »Finanzplatz Deutschland versus deutsches Bankensystem. Zwei politökonomische Perspektiven für die Zukunft«, in F. Keuper/D. Puchta (Hg.), Deutschland 20 Jahre nach dem Mauerfall. Rückblick und Ausblick, Wiesbaden 2009.

13 Selbstverständlich üben nur ein paar wenige der Investmentbankiers diese große Macht aus; doch auch viele andere erfüllen wichtige Funktionen im System, wie in der Folge beschrieben wird.

14 Untersuchungsausschuss der Legislative des Staates New York im Jahr 1905, der sich mit missbräuchlichen Praktiken der im Bundesstaat operierenden Lebensversicherer befasste. (Anm. d. Übers.)

15 Zu Deutsch etwa »Regel der Verhältnismäßigkeit«: Grundsatz aus der amerikanischen Rechtsprechung von 1911 zum Wettbewerbsrecht, der besagt, dass Monopolstellungen nicht per se illegal sind, sondern erst, wenn sie in der Form ausgenutzt werden, dass der Wettbewerb unzulässig behindert wird. (Anm. d. Übers.)

16 Unter dem Begriff »The New Freedom« (die Neue Freiheit) werden die wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen der ersten Legislaturperiode der Regierung Wilson (1913–1917) zusammengefasst, die einerseits Steuersenkungen und einen Rückzug des Staates, andererseits aber auch neue Maßnahmen gegen die Monopolbildung umfassten. (Anm. d. Übers.)

17 Dieser Ausschuss – benannt nach seinem Vorsitzenden – führte im Jahr 1912 eine Untersuchung des Kongresses zu den Aktivitäten der U.S. Steel Corporation durch. (Anm. d. Red.)

18 Im angelsächsischen Rechtssystem Gerichte für sog. »billiges« oder »natürliches« Recht. (Anm. d. Übers.)

19 1911 hatte der Oberste Gerichtshof die Befugnis des Staates Oklahoma bestätigt, Banken zu zwingen, zu einem staatlichen Einlagensicherungsfonds beizutragen. (Anm. d. Red.)

20 Versand von Presseprodukten. (Anm. d. Übers.)

21 Im Railroad Employers’ Liability Act wurden die Pflichten der Eisenbahngesellschaften bei Arbeitsunfällen ihrer Beschäftigten festgelegt. Der 1910 in Kraft getretene Mann Act bzw. White Slave Law verbot es, Frauen zu »unmoralischen Zwecken« von einem Bundesstaat in einen anderen zu bringen; ursprüngliches Ziel war die Bekämpfung der organisierten Prostutution, vor allem minderjähriger Frauen. (Anm. d. Red.)

22 Nach dem der Käufer für Mängel haftet, die er hätte erkennen können. (Anm. d. Übers.)

23 Die dem Bericht des United States Bureau of Corporations beigefügte Tabelle wird von Brandeis nicht wiedergegeben. (Anm. d. Red.)

24 Die Finanzkonzentration Harrimans auf Unternehmensbeteiligungen führte unter anderem dazu, dass verschlissenes technisches und maschinelles Equipment nicht oder nur unzureichend erneuert wurde. (Anm. d. Red.)

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

 

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1. Auflage 2012

 

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Übersetzung: Moritz Malsch, Buch-Concept

Lektorat: Matthias Michel

Satz: HJR, Manfred Zech, Landsberg am Lech

Epub: Grafikstudio Foerster, Belgern

 

ISBN Epub: 978-3-86248-255-9

 

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort von Max Otte

Kapitel I: Unsere Finanzoligarchie

Kapitel II: Wie die Verflechter verflechten

Kapitel III: Verschränkte Verwaltungsräte

Kapitel IV: Nur einem Herrn dienen

Kapitel V: Was öffentliche Aufmerksamkeit bewirken kann

Kapitel VI: Wo der Bankier überflüssig ist

Kapitel VII: Große Männer und kleine Unternehmen

Kapitel VIII: Ein Nachteil der Größe

Kapitel IX: Das Scheitern des Bankiersmanagements

Kapitel X: Die Ineffizienz der Oligarchen

Über den Herausgeber

Vorwort
von Max Otte1

Nach der Finanzkrise, die im Jahr 2008 in voller Wucht ausgebracht, dämmerte bei vielen Menschen die Erkenntnis, dass etwas grundlegend faul ist an unserer Finanzordnung, dass ein System, welches solch massive Krisen produziert, bei Investmentbankern leistungsfreie Einkommen anhäuft, die Spekulation fördert, den Mittelstand und echtes Unternehmertum gängelt sowie die Realwirtschaft unter Schuldenbergen ersticken lässt, ein falsches System ist.

Die Mehrzahl der Ökonomen erklärt uns, dass das Wirtschaftssystem eigentlich in Ordnung sei und nur kleinerer Korrekturen bedürfe. Die Politiker nehmen diese Erklärungen dankbar auf, weil es sie von der Pflicht zu grundlegenden Reformen entbindet. Aber die Menschen spüren, dass das nicht stimmt. Das es schlimmer um unsere Wirtschaft, vielleicht sogar um unsere Demokratie steht, als unsere herrschenden Eliten, es wahrnehmen wollen.

Diese Gedanken werden gerne von offizieller Seite als »Verschwörungstheorie« abgetan.2 Die herrschende Finanzoligarchie als derzeit dominierende Zivilmacht wird zudem alles tun, solche Gedanken als »absurd« darzustellen.3 Dabei ist es eine völlig legitime Aufgabe der Sozialwissenschaft, über die Mechanismen von Macht und Herrschaft nachzudenken. Umso wohltuender ist es, wenn der wohl bekannteste Verfassungsrichter der Vereinigten Staaten, Louis Brandeis, in seinem Buch Das Geld der Anderen von »der Finanzoligarchie, die sich die Wirtschaft unterworfen hat« spricht und mit glasklarer Präzision die Herrschaftsmechanismen dieser von Investmentbankern angeführten Machtstruktur beschreibt.

Viele Einzelheiten aus Brandeis’ Buch – der volle 23 Jahre von 1916 bis 1939 dem amerikanischen Supreme Court angehörte - mögen zeitgebunden sein. Doch die Kernaussagen seines Buches sind so erschreckend relevant, dass wir es fast 100 Jahre nach seinem Erscheinen neu herausgeben. Brandeis spricht davon,

Brandeis untermauerte seine Argumente mit Fakten – umfangreichen Fakten, die er bei seinen Gefechten gegen J. P. Morgan und Charles Mellen im Rahmen der Fusionsschlacht um die New Haven Railroad sowie über den Pujo-Ausschuss zusammengetragen hatte (einem Ausschuss des Repräsentantenhauses, der die Verstöße des sogenannten »Geldkartells« untersuchte).

1912 bewarb sich Woodrow Wilson um das Präsidentenamt und führte viele fortschrittliche Ideen hinsichtlich der Stärkung der Wirtschaft ins Feld: eine Reform des Bankwesens, Steuersenkungen und die Zerschlagung von Kartellen und Monopolen. Dieses Bündel an Ideen wurde später unter dem Begriff »Neue Freiheit« bekannt.4 Louis Brandeis war einer der einflussreichsten Berater Woodrow Wilsons. Zunächst war er als Finanzminister im Kabinett vorgesehen, konnte aber nicht durchgesetzt werden, da er sich konsequent gegen die wirtschaftlich Mächtigen und für die Menschen eingesetzte und absolut geradlinig bei seiner Linie blieb. Das Buch Das Geld der Anderen ist die Zusammenstellung einer Reihe von Artikeln, die Brandeis für Harper’s Weekly schrieb und die umrissen, warum die Neue Freiheit notwendig war und wie man sie am besten umsetzte.

Louis Brandeis war ein beeindruckender Mann.5 Der Sohn jüdischer Einwanderer aus Tschechien, die im Zuge der Revolution von 1848/49 das Kaisertum Österreich verlassen mussten, würde 1856 in Louisville, Kentucky, geboren. Die Eltern betrieben einen Getreidehandel, aber zum Abendessen wurde über Goethe und Schiller, Beethoven und Schumann, Politik und Geschichte gesprochen, nicht über das Geschäft. Mit 14 Jahren schloss Brandeis die Schule mit Auszeichnung ab. Mit 19 begann er, Rechtswissenschaften an der Harvard Law School zu studieren. Schon bald begann seine Sehkraft stark nachzulassen. Anstatt die Universität zu verlassen, wie es ihm empfohlen wurde, bezahlte er Mitstudenten, ihm die Texte und Lehrbücher vorzulesen, und lernte sie auswendig. Schließlich schloss er mit dem höchsten Notendurchschnitt aller Zeiten ab. Der Rekord bestand 80 Jahre lang. Auch hielt er die Abschlussrede für seinen Jahrgang – eine besondere Ehre.

Er war zwei Jahre als Referent eines Verfassungsrichters des Bundesstaates Massachusetts tätig, bevor er 1880 eine Anwaltskanzlei zusammen mit Samuel Warren eröffnete, der der Zweitbeste seines Jahrgangs gewesen war. Die Kanzlei prosperierte und Louis Brandeis konnte sich zunehmend Fällen widmen, bei denen er die Interessen der Allgemeinheit vertrat.

Brandeis war ein äußerst ungewöhnlicher Anwalt. Regelmäßig lehnte er Mandate ab, bei denen das Anliegen des potenziellen Mandanten aus seiner Sicht nicht berechtigt war. Wenn er glaubte, dass sein Mandant Unrecht hatte, versuchte er, den Mandanten vom Recht zu überzeugen, oder zog sich aus dem Mandat zurück. Er nahm nur Wirtschaftsfälle an, bei denen er direkt mit seinem Auftraggeber zu tun hatte, niemals solche, bei denen er mit Vertretern vorliebnehmen musste. Außerdem bedingte er sich aus, seine Mandanten in allen Aspekten zu beraten, die für den Fall relevant erschienen.

Zwischen 1880 und 1890 verfasste er und Samuel Warren drei einflussreiche Aufsätze für die Harvard Law Review. In einem dieser Aufsätze begründeten sie das Recht auf Privatsphäre. Brandeis und Warren argumentierten, dass die junge Schnappschussphotographie Zeitungen ermöglichte, Photos und Aussagen der entsprechenden Personen ohne deren Zustimmung zur veröffentlichen Sie argumentierten, dass die Rechte von Privatpersonen dadurch ständig verletzt würden und dass diese Praxis die moralischen Standards der Gesellschaft als Ganzes schwächen würde:

Das die Person und das Eigentum einer Persönlichkeit geschützt werden sollen, ist ein Prinzip, so alt wie das Recht selber; aber von Zeit zu Zeit ist es notwendig, das genaue Wesen und Ausmaß eines solchen Schutzes zu bestimmen.

Heute überschreitet die Presse die offensichtlichen Grenzen von Anstand und Angemessenheit in jede Richtung. Geschwätz und Gerücht sind nicht länger die Beschäftigung der Untätigen, sondern ein Geschäft, das mit System und Provokation betrieben wird. Um bestimmte Bedürfnisse zu befriedigen, werden die Details sexueller Beziehungen in den Tageszeitungen ausgebreitet.

Die Intensität und Komplexität des modernen Lebens haben es notwendig gemacht, dass man sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen kann, Einsamkeit und Privatsphäre sind wichtiger für das Individuum geworden, aber die modernen Pressunternehmen und Erfindungen haben das Individuum durch Verletzung der Privatsphäre mehr mentale Schmerzen und Leid zugeführt, als es eine bloß physische Verletzung könnte.6

1939 wurde das Recht auf Privatsphäre vom American Law Institute anerkannt. Der angesehene Juraprofessor Roscoe Pound bemerkte hierzu, dass Brandeis ein ganz neues Kapitel des amerikanischen Rechts geschrieben habe.

Seine eigentliche Berufung fand Brandeis aber in dem Kampf für Demokratisierung, die Rechte von Bürgerinnen und Bürgern sowie gegen wirtschaftliche Macht und Kartelle. Als Moralist und Vertreter des Allgemeinwohls waren ihm Korruption und Günstlingswirtschaft in jeder Form ein Greuel. Im Jahr 1896 kämpfte er gegen ein Unternehmen, das dabei war, das entstehende U-Bahnnetz in Boston zu monopolisieren und dabei viele Politiker der Stadt bestochen oder beeinflusst hatte. 1906 konnte er ein Gesetz für Massachusetts durchsetzen, welches es zu einer Straftat machte, wenn ein Politiker eine Position bei einem regulierten Versorgungsunternehmen annahm.

Einen zunehmenden Anteil seiner Zeit verbrachte Brandeis mit Fällen, für die er kein Honorar forderte. Um das Jahr 1905 herum wurde er dann endgültig zum »Anwalt der Menschen«: Er nahm nur noch Fälle an, die aus seiner Sicht förderlich für das Allgemeinwohl waren und für die er jede Annahme eines Honorars verweigerte.

Brandeis setzte sich kritisch mit der Macht von Monopolen und industriellen Großunternehmen auseinander:

Wir haben vor langer Zeit gelernt, dass die Freiheit nur dann geschützt werden kann wenn wir die Freiheit einiger Individuen beschränken, andernfalls würde Freiheit notwendigerweise in Absolutismus umschlagen. Wir haben auch gelernt, dass wenn es keine Ordnung und Regulierung des Wettbewerbs gibt, dieser sich selbst zerstört und Monopole an seine Stelle treten werden.

Er entwickelte ein neues Lebensversicherungssystem für New England, verhinderte ein Eisenbahnmonopol durch den Bankier J. P. Morgan, und war eine Schlüsselfigur bei der Ausarbeitung des Federal Reserve Act, der die Zentralnotenbank der Vereinigten Staaten etablierte. So viel zu denjenigen Menschen, die in der »privaten Notenbank« Federal Reserve die Wurzel allen Übels sehen. Wenn Louis Brandeis da mitgewirkt und das Gesetz für akzeptabel befunden hat, kann es so schlecht für die Menschen nicht gewesen sein. Das Federal-Reserve-Gesetz etablierte eine moderne Zentralnotenbank. Solange der Notenbankchef stark, unabhängig und am Gemeinwohl interessiert ist, kann die Fed durchaus die richtige Politik betreiben, wie es unter Paul Volcker der Fall war. 7

Im letzten Kapitel seines Buches spricht Louis Brandeis über Banken »von Menschen für Menschen« und rät seinen Landsleuten, aus den Vereinigten Staaten nach Deutschland, Österreich und der Schweiz zu schauen. Mit den Genossenschaftsbanken sei diesen Ländern geglückt, was Amerika noch erreichen müsse: nämlich ein demokratisches Bankwesen, welches den Menschen nützt.8

Genossenschaftliche Institute seien von den Menschen: Das Eigenkapital und die Spareinlagen stammten von den Mitgliedern. Sie würden durch die Menschen verwaltet: Jedes Mitglied habe nur eine Stimme, und man würde mit weniger als 5 Dollar Mitglied werden. Die Mitglieder verwalten die Bank größtenteils ehrenamtlich, so dass die Kosten bei weniger als 150 Dollar pro Jahr längen. Drittens seien die Volks- und Raiffeisenbanken für die Menschen da: Die Bauern und Handwerker bekommen zu sehr niedrigen Zinsen von durchschnittlich 4 bis 6 Prozent Kredite, die Aktionäre erhalten auf ihre Anteile denselben Zinssatz, den die Kreditnehmer auf ihre Darlehen zahlen. »So werden die Ressourcen aller Bauern allen anderen Bauern für produktive Zwecke zur Verfügung gestellt.«9

Die amerikanischen Sparkassen – und man möchte sagen, viele heutige Bankinstitute – stehen nach Brandeis »in augenfälligem Kontrast zu diesen demokratischen Banken«.10 Sie legen zwar die Ressourcen der Menschen halbwegs sicher an, aber sie werden nicht durch die Menschen verwaltet. Sie sind reine gewinnorientierte Unternehmen, die von den Repräsentanten der (Groß-)Aktionäre verwaltet werden. Die Einzahler von Spareinlagen haben kein Mitspracherecht bei der Geschäftsführung. Die amerikanischen Sparkassen würden zumeist von Aufsichtsräten und Investmentbankern geleitet, die natürlich die Interessen der Großbanken und der Großaktionäre vertreten. Und die Mittel der Sparkassen würden nicht überwiegend für die Menschen, also in Kredite an Bauern und Handwerker, sondern in Anleihen (Kommunal- und Industrieobligationen), Aktien und Kredite an Vermögende gegen Sicherheit investiert.

Nun fragt man sich, wie ausgerechnet ein Amerikaner dazu kommt, deutsche Strukturen und Regelungen als besonders demokratisch und vorbildlich zu kennzeichnen. Die Lösung ist ebenso überraschend wie einfach: weil sein Vater die Geschäftskrise und Depression der siebziger Jahre voraussah, gab er sein Geschäft auf und zog 1872 mit seiner Familie für einige Jahre nach Dresden. Dort besuchte Louis Brandeis das Realgymnasium und lernte die Genossenschaftsbanken kennen. Er hat später gesagt, dass er seine Neigung zu kritischem und grundsätzlichem Denken seinem Aufenthalt in Deutschland verdankte.11

Leider bewegt sich auch unser deutsches Bankwesen unter den schädlichen Beschlüssen von Basel II und Basel III immer mehr dahin, dass es selbst für Volks- und Raiffeisenbanken immer schwerer wird, Kredite an Handwerker und Mittelständler zu vergeben. Es findet geradezu ein Wirtschaftskrieg statt gegen das deutsche kreditorientierte Finanzsystem, das in vielen Bereichen demokratischer und produktiver ist als das angelsächsische kapitalmarktorientierte System.12

Viele der Reformanstrengungen, die bereits vor 100 Jahren angestoßen und in den USA nach 1929 verwirklicht wurden, sind im Zuge der sogenannten »neoliberalen Revolution« wieder rückabgewickelt worden. Auch die soziale Marktwirtschaft gerät unter Druck. Louis Brandeis schreibt ganz klar, dass Wettbewerb sich nicht selber schafft, sondern unweigerlich zu Monopolen und Kartellen führt. Hyperkapitalismus führt zu Machtballungen und menschunfreundlichen Wirtschaftsordnungen. Das Resultat haben wir als Quittung in Form einer Dauerkrise der Weltwirtschaft bekommen. Derzeit sitzt die Finanzoligarchie – bestehend aus Vertretern von Aktionärsinteressen, Investmentbankern und willfährigen Politikern – fest im Sattel.

Es wird höchste Zeit, dass wir uns wieder auf die Ideen von Friedrich Wilhelm Raiffeisen, Hermann Schulze-Delitzsch und Louis Brandeis besinnen und ein Bankwesen »von den Menschen, durch die Menschen, für die Menschen« schaffen, wie Brandeis es so trefflich ausdrückte und wie er es in den genossenschaftlich organisierten Instituten seiner Zeit vorbildlich verwirklicht sah.

Blankenheimerdorf, im Februar 2012

Max Otte