Winterblues
Das Wohlfühlbuch gegen die
Herbst- und Winterdepression
© Kreuz Verlag
in der Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2014
Alle Rechte vorbehalten
www.kreuz-verlag.de
Umschlaggestaltung: Vogelsang Design
Umschlagmotiv: © ivan kmit – Fotolia.com
E-Book-Konvertierung: le-tex publishing services, Leipzig
ISBN (Buch) 978-3-451-61260-2
ISBN (E-Book) 978-3-451-80157-0
Inhalt
Einleitung
1. Winterblues und Winterdepression – Was ist das?
Die Jahreszeiten
Das Verhalten von Tieren und Menschen im Winter
Merkmale des Winterblues
Abgrenzung des Winterblues zur Depression
Besonderheiten der Winterdepression
2. »Man nimmt alle Dinge bedrückt wahr« – Berichte von Betroffenen
Maria
Ines
Kerstin
3. Wie entstehen Winterblues und Winterdepression?
Der zirkadiane Rhythmus
Das Schlafhormon Melatonin
Der Glücksbotenstoff Serotonin
Erkältungskrankheiten und das Immunsystem
Vitamin D
Soziale Faktoren im Winter
4. Winterblues – wie Sie sich selbst helfen können
Lichttherapie
Winterurlaub
Den Schlaf regulieren
Pflanzliche Mittel gegen Winterblues und Winterdepression
Mit gesunder Ernährung den Winterblues bekämpfen
Musik therapeutisch einsetzen
Religion und Spiritualität
Sport und Bewegung gegen den Winterblues
Entspannung
5. Wenn es alleine nicht mehr geht – Informationen zu professioneller Hilfe bei Winterdepressionen
Psychopharmaka
Was machen Psychopharmaka mit mir und meinem Körper?
Was macht unser Körper mit dem Medikament?
Therapie mit Antidepressiva
Psychotherapie
Negative Gedanken auflösen
6. Winterdepression und Winterblues bei Kindern und Jugendlichen
Winterdepressionen bei Kindern und Jugendlichen
Symptome und Warnsignale
Besonderheiten der Winterdepression bei Kindern und Jugendlichen
Behandlung und Hilfe
7. Der Einfluss der Jahreszeiten auf die Psyche – andere saisonale Störungen
Sommerdepression und Sommerblues
Die Winter- und Sommerdepression
Die Frühjahrsdepression
Sommerhoch und Sommermanie
Stimmungs- und Persönlichkeitsveränderungen im Sommer
Auswirkungen anderer Klimafaktoren
Der Sonnenuntergangsblues
8. Den Rhythmus der Jahreszeiten annehmen – Strategien im Jahresverlauf
Den individuellen Rhythmus kennenlernen
Strategien im Herbst
Strategien für den Winter
Weihnachten feiern
9. Ratschläge für Freunde und Angehörige
Was können Sie tun?
Was sollten Sie vermeiden?
Zu guter Letzt …
Dank
Literaturempfehlungen
Informationen im Internet
Stiftung Deutsche Depressionshilfe
Wenn die Tage kürzer und dunkler werden und die Welt sich zunehmend kalt und grau zeigt, überkommt viele von uns Wehmut. Wir sehnen uns nach Sonne und Wärme. Einige Menschen fühlen sich in der dunklen Jahreszeit darüber hinaus traurig und antriebslos. Ist das normal oder liegt eine psychische Erkrankung vor? Und was kann man dagegen tun? Diese Fragen sind nicht einfach zu beantworten, denn das menschliche Erleben und Verhalten ist vielfältig. Bei Antriebslosigkeit oder Traurigkeit im Herbst und Winter kann es sich um ein ganz normales und gesundes Erleben, eine psychische Problematik oder sogar eine Krankheit handeln.
Ich bin in einem kleinen Dorf aufgewachsen. Das Dorf heißt Mündersbach und liegt im Westerwald. Mein Vater war Förster und Bürgermeister. Wir haben zusammen die Pflanzen, Tiere und Menschen unseres Dorfes und des dazugehörigen Waldes im Verlauf des Jahres beobachtet. Die meisten Bäume waren im Winter ohne Laub – bis auf die Ilex und die Fichten, die vor unserem Haus wuchsen. Viele Tiere machten Winterschlaf, wie der Siebenschläfer und der Dachs. Andere Tiere, wie das Wildschwein, liefen den gesamten Winter über durch den Wald. Wieder andere ließen es nur etwas ruhiger angehen, wie das Eichhörnchen.
Ähnlich war es auch bei den Menschen. Einige Bauern, die im Spätsommer und Herbst sogar am Wochenende gearbeitet hatten, um die Ernte einzuholen, saßen im Winter am Küchentisch oder am Ofen, machten ab und zu mittags ein Nickerchen und führten ein erholsameres Leben als von Frühling bis Herbst. Andere waren im Winter aktiv und schlugen Brennholz. Besonders lebenslustig waren die Jäger. Sie bliesen zur Treibjagd und waren den ganzen Tag mit großer Begeisterung unterwegs. Mein Vater nahm mich zu solchen Treibjagden als Treiber mit. Es war ziemlich anstrengend, über Stock und Stein und durch das Dickicht zu stolpern, »Hopp, hopp!« zu rufen und die Wildschweine aus dem Bestand zu treiben.
Wir Einwohner von Mündersbach gingen also sehr unterschiedlich mit dem Winter um, auch wenn sich wahrscheinlich jeder von uns im Winter zumindest ein wenig anders als im Sommer fühlte. Ein Teil von uns richtete es sich so ein, dass es im Winter etwas gemütlicher zuging.
Als Kind schien mir das Leben im Dorf einfacher und idyllischer, als es in Wirklichkeit war. Mittlerweile weiß ich, dass es auch in den Familien der Bauern Menschen gab, die jeden Herbst und Winter Probleme bekamen. Für sie waren die Kartoffelernte im Herbst und das Brennholzschlagen im Winter fast unüberwindliche Herausforderungen.
Als ich nach Mainz zum Medizinstudium ging, aber auch später in München, Marburg, Aachen und Leipzig, merkte ich, dass die Großstadtgesellschaft – im Gegensatz zum Leben im Dorf, das mit den Jahreszeiten wechselte – immer gleich ist und Menschen fordert, die über das Jahr hinweg konstant und in gleicher Weise aktiv sind. Die Arbeitnehmer kommen in ihre stets gleichen Büros und haben dieselben Arbeitszeiten, egal ob Winter oder Sommer ist. Vielen macht das nichts aus. Aber einige spüren, dass ihre Natur anders ist und dass ihr Inneres den Jahreszeiten folgt. Sie können nicht immer eine konstante Leistung bringen und auch emotional nicht immer gleich sein. Manche meiner Bekannten versuchen dem Winter zu entfliehen, indem sie im Urlaub in den Süden fahren. Andere machen Wintersport, um möglichst viel draußen zu sein und möglichst viel Licht und Sonne abzubekommen. Ich habe aber auch Patienten, die mit den Veränderungen im Herbst und Winter gar nicht zurechtkommen. Diese Menschen leiden so sehr unter der dunklen Jahreszeit, dass sie eine psychiatrische Behandlung benötigen. Zum Teil leiden sie an einer Herbst- oder Winterdepression, die wir auf der Depressionsstation des Universitätsklinikums Leipzig, wo ich als Oberarzt arbeite, mit Lichttherapie und meist auch mit Antidepressiva behandeln.
Manche Psychiater halten die Winterdepression für kein relevantes Thema in der Psychiatrie und insbesondere in der stationären psychiatrischen Behandlung. Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass ganz häufig Patienten mit einer schweren Depression, die im Herbst oder Winter in die Klinik kommen, ein im Jahresverlauf zyklisches Wiederkehren ihrer depressiven Symptome und ihrer stationären Krankenhausaufenthalte haben. Man muss allerdings als Arzt genau nachfragen, ob die Phasen regelmäßig im Winter auftreten. Die Patienten können es nicht wissen und erzählen es oft nicht spontan. Denn im Laienverständnis der Depression spielen psychologische Faktoren eine größere Rolle als biologische. Da jeder Mensch praktisch immer irgendwelche Verlusterlebnisse oder zwischenmenschliche Probleme hat, findet sich auch immer ein Grund dafür, depressiv zu sein. Der Arzt aber sollte es besser wissen und bei seinen Patienten auch nach biologischen Ursachen einer Depression forschen, wenn diese nicht spontan berichtet werden. Deswegen halte ich es für wichtig, dass Psychiater, Psychotherapeuten und ihre Patienten nicht den saisonal bedingten Aspekt dieser Erkrankung aus den Augen verlieren, der auf biologischen Mechanismen wie Lichtmangel und einem Ungleichgewicht von Botenstoffen im Gehirn gründet. Das Buch »Biologie für die Seele« meines ehemaligen Lehrers Professor Florian Holsboer beschreibt sehr gut und sehr persönlich, wie stark psychische Erkrankungen durch biologische Faktoren bedingt sind.
Die Winterdepression steht als extremste Ausprägung am Ende eines ganzen Spektrums von Verhaltensänderungen im Herbst und Winter. Der Winter macht die Betroffenen richtig krank. Für sie ist es wichtig zu wissen, dass diese Depression eine Erkrankung ist, die man behandeln kann. Die leichteren psychischen Veränderungen im Winter werden in unserem Sprachgebrauch als »Winterblues« bezeichnet.
Die Herbst- oder Winterdepression ist bei einem kleinen Teil der Bevölkerung eine krankhafte Extremvariante der jahreszeitlichen Veränderungen, die die meisten Menschen im Herbst oder Winter verspüren. Die schlimmen, aber auch die leichteren Veränderungen im Herbst und Winter sind ein interessantes Phänomen, das aus dem Rhythmus der Jahreszeiten resultiert. Ursächlich für die Jahreszeiten ist die Änderung der Stellung der Erdachse zu ihrer Umlaufbahn um die Sonne. Diese hat weitreichende biologische und biochemische Konsequenzen für die Tier- und Pflanzenwelt und deswegen auch für uns Menschen.
Wir sind aber diesen jahreszeitlichen Unterschieden nicht ausgeliefert. Wir haben vielfältige Möglichkeiten, kreativ mit Herbst und Winter und auch mit dem Winterblues umzugehen, indem wir unser Schlafverhalten, unsere Aktivität, den Inhalt unserer Tätigkeiten und unser Freizeitverhalten so gestalten, dass es unserem individuellen inneren Rhythmus entspricht. Wir können die Zeit des Winters dazu nutzen, Dinge zu hinterfragen, uns mit Religion und Musik zu beschäftigen, uns zu entspannen und Pläne für das nächste Jahr zu machen. Der Winterblues ist nicht nur ein Übel, das uns davon abhält, dynamisch, allzeit bereit und leistungsstark zu sein. Er ist auch eine Chance – die Chance, etwas zu verändern und im Einklang mit der eigenen Natur zu leben.
Ich habe diesen Ratgeber mit großer Freude geschrieben, denn der Winterblues ist ein Thema, zu dem Sachverhalte aus verschiedenen Wissensgebieten dargestellt werden können. Es ist außerdem ein Anlass, darüber nachzudenken, wie sehr wir gegen unsere Natur leben und wie sehr wir von einem Ideal des immer aktiven und konstant leistungsfähigen Menschen geprägt sind.
Auch das Thema Depression wird eine Rolle spielen, denn letzten Endes ist die Winterdepression eine Unterform dieser häufig auftretenden psychischen Erkrankung, die mit großem Leid für die Betroffenen und ihre Angehörigen einhergeht. Diese Erkrankung muss behandelt werden, und die Behandlungschancen sind sehr gut.
Der Einfachheit halber werde ich im Folgenden über depressive Episoden im Herbst oder Winter als »Winterdepression« sprechen, auch wenn bei manchen Betroffenen die Erkrankung bereits im Herbst beginnt und zum Teil im Winter schon wieder besser wird, wenn der Schnee fällt und die Natur weiß und hell erstrahlt.
Dieses Buch ist keine wissenschaftliche Arbeit. Ich versuche nur, Ihnen gut verständlich zu erklären, wie der Winterblues entsteht; und ich gebe Tipps, was man gegen den Winterblues oder eine Winterdepression tun kann. Damit die Darstellung nicht zu theoretisch bleibt, konnte ich drei Betroffene dafür gewinnen, aufzuschreiben, was sie in ihren Phasen der Winterdepression erlebt haben und was ihnen geholfen hat. Ihnen bin ich für diese Hilfe bei der Entstehung des Buches sehr dankbar. Ihre Ausführungen finden Sie in Kapitel 2.
Schon seit Jahrtausenden sind den Menschen die Auswirkungen der Jahreszeiten auf das menschliche Erleben und seine Gesundheit bekannt. Der erste, der diese Phänomene in unserem Kulturraum systematisch zusammengestellt hat, war Hippokrates von Kos, der von 460 v. Chr. bis 377 v. Chr. lebte. Er beschrieb das Auftreten von Krankheiten im Verlauf des Jahres. Hippokrates waren zwar schon Symptome wie Müdigkeit, Lethargie und traurige Stimmung bekannt, psychiatrische Diagnosen gab es zu seiner Zeit jedoch noch nicht.
Willy Hellpach fasste in seinem Buch »Die geopsychischen Erscheinungen – die Menschenseele unter dem Einfluss von Wetter und Klima, Boden und Landschaft«, das 1911 erschien, das damalige Wissen über den Zusammenhang zwischen Umweltfaktoren und dem psychischen Erleben von Menschen erstmals zusammen. Für die weitere Erforschung der Winterdepression war es ein Glücksfall, dass der südafrikanische Psychiater Norman E. Rosenthal selbst unter einer Winterdepression litt. In den 1980er-Jahren beschrieb er als Erster die Winterdepression als Krankheit, behandelte sich selbst mit Lichttherapie und forschte in den USA am National Institute of Mental Health (NIMH) zur Winterdepression und zu anderen saisonal auftretenden psychischen Störungen. Ihm verdanken wir einen Großteil des heutigen Wissens über die Winterdepression. Dennoch, obwohl sich bereits seit der Antike und zu Beginn des 20. Jahrhunderts bedeutende Wissenschaftler und Ärzte mit dem Einfluss von Umweltfaktoren und Jahreszeiten auf das menschliche Verhalten und Erleben beschäftigten, besteht noch erheblicher Forschungsbedarf.
Wie viele menschliche Verhaltensweisen können Winterblues und Winterdepression mehrere Gründe haben, die im Zusammenspiel dazu führen, dass man im Winter antriebslos, traurig und müde wird. Dies können physikalische Faktoren wie der Lichteinfall, Ernährungsfaktoren wie Vitamin-D-Mangel oder soziale Einflüsse sein. Ich habe versucht, diese verschiedenen Ursachen herauszuarbeiten, damit Sie sich als Leser selbst Gedanken machen können, wo bei Ihnen möglicherweise die Gründe liegen, dass Sie sich im Winter unwohl fühlen. Beim Nachdenken über die Winterdepression ist es trotz des umfassenden Blickes auf die biologischen, psychischen und sozialen Gründe wichtig, nicht zu viel zu psychologisieren und die Gründe für die Erkrankung nicht zu sehr in sozialen Bedingungen zu sehen; denn die Ursache liegt vor allem im Mangel an Licht, der mit Stoffwechselveränderungen im Gehirn einhergeht. Das werde ich im Verlauf dieses Buches weiter ausführen.
Wie auch viele Faktoren zum Winterblues und zur Winterdepression führen, gibt es gegen Winterblues oder Winterdepression nicht nur eine Therapie, die die beste ist. Sie – und bei der Winterdepression Sie und Ihr Arzt – entscheiden, welche Therapie Ihnen am meisten zusagt und welche Therapie Ihnen am besten helfen könnte. Dabei können verschiedene Behandlungsmöglichkeiten kombiniert werden, die ich Ihnen in diesem Buch vorstellen möchte.
Das Leben auf unserer Erde ist stark vom Licht und der Wärme der Sonne abhängig. Über das Jahr hinweg bestehen jedoch große Unterschiede hinsichtlich der Sonnenstrahlung, vor allem in der Nähe von Nord- und Südpol. Die Erde dreht sich innerhalb eines Jahres einmal um die Sonne und bewegt sich dabei auf einer elliptischen Bahn. Außerdem dreht sich die Erde um sich selbst. Die Achse, um die sie sich dreht, verläuft durch den Nordpol und den Südpol. Diese Achse steht aber nicht senkrecht zur elliptischen Bahn um die Sonne, sondern diese Achse ist um 23,5 Grad abgekippt.
Durch diese Neigung erhält die Nordhalbkugel der Erde, wenn dort Sommer ist, mehr Sonneneinstrahlung, wie man im linken Teil der Abbildung 1 erkennen kann. Im Winter dagegen erhält die Nordhalbkugel weniger Sonneneinstrahlung, weil der Nordpol aufgrund der Schräge der Erdachse der Sonne abgewandt ist, wie der rechte Teil der Abbildung zeigt. Diese Extrempositionen der Sonnenab- und Sonnenzugewandtheit einer Erdhalbkugel werden jeweils zum Sommer- und zum Winteranfang am 21. Juni und am 21. Dezember jeden Jahres von der Erde eingenommen. Auf der Südhalbkugel ist die Periodik der Sonneneinstrahlung um ein halbes Jahr verschoben. Dort ist am 21. Dezember Sommeranfang und am 21. Juni Winteranfang.
Durch diese Unterschiede in der Sonneneinstrahlung erhalten wir zu den verschiedenen Jahreszeiten eine unterschiedliche Intensität der Sonnenstrahlen und eine unterschiedliche Tageslänge.
Die meisten Pflanzen brauchen zum Wachsen und Reifen sowie für ihren Stoffwechsel mehr Licht und Wärme, als die Sonne im Winter spenden kann. Deswegen werfen beispielsweise die Bäume im Herbst ihr Laub ab und reduzieren ihren Stoffwechsel, um sich an den Winter anzupassen. Auch Gräser stellen unterhalb einer bestimmten Temperatur ihr Wachstum ein.
Der zugrunde liegende biochemische Prozess, der den Pflanzen ermöglicht, mithilfe der Sonnenenergie wichtige Moleküle zu erzeugen, um ihren Stoffwechsel aufrechtzuerhalten und zu wachsen, ist die sogenannte Photosynthese. Sie ist der wichtigste biochemische Prozess für das Leben auf der Erde, denn mit ihr gelingt es Pflanzen, aus Kohlendioxid aus der Luft, Wasser aus der Erde und Energie aus den Sonnenstrahlen energiereiche Verbindungen wie Traubenzucker (Glukose) herzustellen.
Da Menschen und Tiere von energiereichen chemischen Verbindungen wie Glukose abhängig sind, diese aber im Winter nicht ausreichend von der umgebenden Natur produziert werden können, haben sich viele Tierarten im Laufe der Evolution an die Situation im Winter angepasst und halten einen Winterschlaf. Dazu gehören auch einige Säugetiere wie Fledermäuse, Siebenschläfer, Haselmäuse, Hamster, Igel und Dachse. Die notwendige Energie, um die Lebensfunktionen der Winterschläfer während der jahreszeitlichen Schlafphase aufrechtzuerhalten, kommt aus den Fettdepots, die sie sich im Sommer angefressen haben. Im Winterschlaf an einem geeigneten und angenehmen Ort verfallen die Tiere in einen Zustand, in dem sie wenig Energie brauchen. Dabei reduzieren sie ihren Herzschlag, ihre Atmung und ihre Körpertemperatur. Manche Winterschläfer wie die Murmeltiere halten sogar einen sozialen Winterschlaf, indem sie sich eng aneinanderkuscheln, sodass sie sich gegenseitig aufwärmen können, wenn die winterlichen Temperaturen zu stark absinken.
Es gibt auch Tiere, die keinen echten Winterschlaf halten, sondern lediglich ihre Aktivität vermindern und eine Winterruhe einlegen. Das Eichhörnchen ist ein solches Tier. Eichhörnchen legen im Herbst einen Vorrat an Nahrung an, den sie im Winter während der Ruhephase fressen können.
Wenn wir Menschen der industrialisierten Welt uns nicht durch den Bau von Häusern und das Vorhandensein frischen Essens zu jedem Zeitpunkt im Jahr von den Jahreszeiten unabhängig gemacht hätten, wären Verhaltensweisen eines Winterschlafes oder einer Winterruhe auch für uns sinnvoll, damit wir die Zeit des Winters, in der natürlicherweise wenig Nährstoffe in der Natur zu finden sind, gut überstehen. Einige Wissenschaftler gehen davon aus, dass in der menschlichen Evolution die Reduktion der Aktivität und des Kalorienbedarfs in den Wintermonaten und eine vermehrte Nahrungsaufnahme – wenn Nahrung vorhanden war – ein Überlebensvorteil waren. In der Steinzeit gab es noch keine Kühlschränke und Tiefkühltruhen, um frische Nahrungsmittel während des Winters einzufrieren, und es gab auch keine Flugzeuge und Lastschiffe, um Lebensmittel aus tropischen Regionen oder von der gegenüberliegenden Erdhalbkugel zu importieren. In unserer evolutionären Geschichte war also der Winterblues mit einem Mangel an Aktivität und Lebensfreude, einem vermehrten Schlafbedürfnis und gesteigertem Appetit möglicherweise ein Phänomen, das zum Überleben der Menschen in den Breiten beigetragen hat, wo es Jahreszeiten gibt. Dies würde auch erklären, warum in Ländern, die näher an den Polen der Erde liegen, wie in arktischen Regionen oder Nordfinnland, das höchste Vorkommen der Winterdepression besteht. In Äquatornähe gibt es keine Winterdepression. Überhaupt ist dort das Vorkommen von Depressionen sehr viel geringer als in Ländern, die Richtung Nord- oder Südpol liegen.