Manfred Lafrentz

Dindra Drachenreiterin

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

Titel

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Impressum neobooks

1

 

 

Vereinzelt zuckten noch hier und da Blitze vor der dunklen Wolkenwand. Dindras Arme kribbelten. Es fühlte sich an, als ob alle Härchen gerade abstünden wie Borsten. Als sie den rechten Ärmel ihres Kleides hochzog und mit der Hand über die Haut rieb, knisterte es leise.

Etru würde ärgerlich sein, weil sie während des Gewitters draußen war, aber sie hatte keine Angst vor den Blitzen. Sie waren die Nahrung der Drachen.

Durch einige Löcher in der Wolkendecke fielen bereits Sonnenstrahlen, und am Horizont wurde es hell. Von dem kleinen flachen Hügel aus, auf dem sie stand, schaute Dindra über die Ebene. Mit dem Regen war Wind aufgekommen, hatte die drückende Nachmittagshitze davongeweht und trieb nun das feuchte Gras in langen Wellen vor sich her, auf denen eine Vielzahl von Grüntönen schimmerte. Schatten und blasse Stellen bildeten ein Muster, das sich ständig veränderte und die Gedanken verwirrte. „Es sieht aus wie Wasser”, dachte Dindra, und unwillkürlich flüsterte sie die Worte des Drachensegens vor sich hin.

 

„Gorn ist ein trockenes Land.

Die Sonne der Ebene ist heiß.

Der Drachensegen bringt Leben

und lässt die Erde gedeihen.”

 

 

Sie liebte die Ebene. Ihre Heimat. Aber manchmal machten die grünen Wogen des Graslands ihr Angst, weil sie nie das Gefühl los wurde, sie könnte in ihnen versinken, vor allem, wenn sie so wie jetzt vor Nässe glitzerten und die feste Erde darunter wie eine Illusion erschien.

Dindra schauderte, aber ein schwaches Donnergrollen riss sie aus ihrer unbehaglichen Träumerei, und sie schaute zum Himmel hinauf. Zwei Drachen zogen unter der Wolkendecke entlang, und Dindras Herz schlug schneller. Es war der Anblick, auf den sie gehofft hatte, der Grund, warum sie an Etru vorbei nach draußen geschlichen war und den Hof verlassen hatte, obwohl es noch regnete und Blitze am Himmel zuckten. Augenblicklich vergaß sie die Ebene um sich herum, die den Regen gierig aufgesogen hatte, vergaß Etru und die knurrigen Vorhaltungen, die er ihr machen würde, und hatte nur noch Augen für die mächtigen Schwingen der Drachen, die langsam auf und ab schlugen und silbrig grau aufleuchteten, wenn sie jene Sonnenstrahlen streiften, die nun immer häufiger einen Weg durch die Wolkendecke fanden. Die Reiter waren nicht zu erkennen, aber die Vorstellung, dass Menschen auf den Rücken der riesigen Geschöpfe saßen, machte Dindra schwindlig, sodass sie mit den Händen in der Luft herumrudern musste, um, obwohl sie auf festem Boden stand, nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Sie lauschte angestrengt, aber natürlich hörte sie nichts, denn nun, da das Gewitter vorbei war, hatten die Drachen längst aufgehört zu singen. Sie waren auf dem Rückweg nach Goldfels, der Drachenstation am Westrand des Gebirges, dessen Gipfel am Horizont blaugrau schimmerten. Selbst aus dieser Entfernung waren die riesigen Ausmaße der Berge zu ahnen.

 

Wie immer empfand Dindra beim Anblick der Drachen eine Mischung aus Ehrfurcht und Neugier. Sie waren die Grundlage allen Lebens auf der Ebene, die ohne die Drachen in der Zeit der heißen Sonne verbrennen musste. Ihr Dienst für die Menschen war ein Segen und ein Rätsel. Alle waren dankbar dafür, auch wenn die nüchternen Hofbesitzer, so wie Etru, kaum einen Gedanken daran verschwendeten, warum die Drachen mit ihrem Gesang die Wolken über die Ebene riefen, wenn die Menschen sie darum baten. „Weil sie von den Blitzen essen müssen”, sagte Etru immer, wenn Dindra ihren Vater danach fragte. Aber das konnten sie auch in den Bergen tun. Nicht einmal die Drachenzähmer in den Stationen konnten das Geheimnis erklären. Es gab Geschichten, wie die über Anandru, den ersten Drachenzähmer, der die Magie der Drachen entdeckte und in den Bergen den ersten Drachen fing. Aber das waren Geschichten, die man den Kindern erzählte und die nichts erklärten. Seit tausenden von Jahren ritten die Menschen Drachen über die Ebene und ließen sie die Wolken aus den Bergen rufen, und inzwischen war es eine Selbstverständlichkeit geworden statt des Wunders, das es war. Die Hofbesitzer murmelten den Drachensegen und feilschten im nächsten Moment mit den Stationen um jeden Tropfen Regen für ihre Felder. Wenn die Drachen über sie hinweg flogen, schauten sie nicht zum Himmel hinauf, sondern auf die Erde, und sie schätzten ihre Ernte ab und waren nie zufrieden.

Für Dindra dagegen war der Anblick der Drachen mehr als die Ankündigung von Gewitter und Regen. Wenn die Gesänge über die Ebene hallten und Etru sie ins Haus rief, folgte sie nur widerwillig und nutzte die erste Gelegenheit, zu entwischen, auch wenn danach das Donnerwetter ihres Vaters nicht weniger heftig ausfiel als das am Himmel. Es war, als ob der Anblick der Drachen eine leere Stelle zwischen ihren Gedanken ausfüllte, ein Loch, das sie unruhig und einsam machte und durch nichts sonst zu stopfen war.

 

„Warum sind es nur zwei?”, dachte Dindra verwundert, während die beiden Drachen allmählich zu kleinen grauen Punkten wurden und schließlich mit dem Grau der Wolken verschmolzen. Alle wussten, dass die Drachen immer zu dritt ausgeflogen wurden.

Nachdenklich machte sie sich daran, den Hügel hinabzusteigen. Ihr langer, dunkelblauer Rock war nass vom Regen und vom hohen Gras und schlackerte schwer und kalt um ihre Beine. Sie fröstelte. Es würde nicht lange dauern bis die Sonne alles trocknete, aber lange genug, um Etru Gelegenheit zu geben, seine Tochter für ihr unvernünftiges Verhalten zu tadeln. Sie seufzte. Etru mochte es nicht, wenn sie den Drachen nachschaute. Wenn es nach ihm ging, hatte sie während eines Gewitters im Haus zu sein und es nicht zu verlassen, bis die Sonne wieder die Herrschaft über die Ebene gewann.

Sie hatte es nicht eilig, zum Hof zurückzukehren, auch wenn es Etru nicht milder stimmen würde, wenn sie trödelte. Sie machte einen Umweg und schlenderte - anstatt es zu durchqueren und damit den Weg abzukürzen - an einem der kleinen Wäldchen vorbei, die sich außerhalb der Dörfer und Höfe wie Inseln durch die Ebene zogen. Der Wind ließ das Laub der Bäume zu ihrer Rechten rauschen. Es klang, als würden hunderte von Frauen der Ebene in ihren langen Röcken tanzen. Bald würde verzagtes Vogelgezwitscher die Stille des Graslands nach dem Gewitter aufheben.

 

Es war der letzte Mond in der Zeit der heißen Sonne und die Bäume wurden hier und da schon kahl. Die Blätter der Goldsternbäume waren jetzt gelb, als träumten sie von den vor Monden verlorenen goldenen Blüten, denen sie nun bald folgen mussten. Die wie Hände geformten Blätter der Fingerblattbäume waren längst nicht mehr grün, sondern braun gefleckt, wie die Hände alter Leute. Und über allem leuchtete der Rote Ebenenstolz, der höchste Baum der westlichen Ebene, der sein nun fast purpurnes Laub wie einen Königsmantel zwischen seinen Untertanen trug.

Dindra mochte diese Zeit, die so viel Farbe in das eintönige Grün der Ebene brachte, aber sie mochte auch die Zeit der kühlen Sonne, selbst wenn die Bäume dann zu kahlen Gerippen wurden und das Gras blass oder braun war. Es war die Zeit der warmen Kamine und der langen Geschichten.

Hinter dem Wäldchen lag, zwischen diesem und dem nächsten, eine Schneise, auf der das Gras nicht so hoch wuchs. Sie markierte den Weg zu Etrus Hof. Gerade als Dindra sie betreten wollte, schnitt ein durchdringendes Geräusch durch die Stille der Ebene, wie ein zu stumpfes Messer, das mit hässlichem Reißen groben Stoff durchtrennt. Es hörte sich an, als brüllte ein großes Tier in verzweifelter Todesangst, so entsetzlich und erschütternd, dass Dindra jäh stehen blieb und erschrocken aufschaute. Unwillkürlich wich sie ein paar Schritte zurück vor dem, was sich am Himmel abspielte.

Ein Drache flog über der Ebene, nicht weit zu ihrer Linken, auf eine Weise, die sie nie zuvor gesehen hatte. Statt seine Flügel langsam und majestätisch auf und ab schwingen zu lassen, ließ er sie unruhig und hektisch flattern und wand seinen lang gestreckten Rumpf schlangenhaft durch die Luft, als ob ihn etwas peinigte. Das Gebrüll, das er dabei immer wieder ausstieß, wurde von Flammen begleitet, die sich blassgelb vor seiner Schnauze abzeichneten.

 

„Das muss der dritte sein”, dachte Dindra. Es sah aus, als wollte er seinen Reiter, den sie nur schemenhaft ausmachen konnte, abschütteln. Der Gedanke beunruhigte sie, denn er widersprach allem, was sie über die Drachen wusste. Sie waren sanftmütig und gütig gegenüber den Menschen. Seit tausenden von Jahren.

Dieser Drache schien jedoch entschlossen, das zu ändern. Er setzte seinen wilden Tanz am Himmel fort, und Dindra bangte um seinen Reiter, denn es schien nur eine Frage der Zeit bis er den Halt verlieren und abstürzen musste. Kurz darauf aber gewann er offenbar die Kontrolle zurück, denn der Drache senkte sich langsam auf die Ebene hinab, wobei er weite Kreise zog und schließlich hinter einer Waldinsel außer Sicht geriet.

„Er ist gelandet!”, dachte Dindra aufgeregt. So etwas kam hin und wieder vor, wenn die Drachenreiter mit den Hofbesitzern um Regen feilschten oder Nachrichten von Goldfels überbrachten, aber bei solchen Gelegenheiten hielten die Reiter die Hof- und Dorfleute dazu an, sich von den Drachen fernzuhalten, da sie empfindlich auf fremde Menschen reagierten. Alle Eltern verboten ihren Kindern, das Haus zu verlassen, wenn ein Drache in der Nähe landete, und Etru machte da keine Ausnahme.

 

Dindra überlegte. Sie konnte eine brave Tochter sein, nach Hause gehen und Etru von dem Drachen erzählen, so wie er es von ihr erwarten würde. Oder sie konnte zur Waldinsel hinüberlaufen und vom Schutz der Bäume aus zum ersten Mal einen Drachen aus der Nähe betrachten. Etru würde dann sehr böse sein. So böse, dass er vielleicht zum ersten Mal den Stock benutzte. Der Gedanke an den Stock ließ sie zögern. In Gedanken sah sie den kräftigen, von seiner Rinde befreiten Ebenenstolzzweig vor sich, der an zwei Haken über dem Kamin aufgehängt war. Über die Jahre hatte sich das Holz durch den Rauch dunkelbraun verfärbt wie die Zähne eines alten Mannes. Der Stock hing dort so lange Dindra denken konnte. Wenn ihr Vater böse mit ihr war, stellte er sich immer neben den Kamin und sah den Stock bedeutungsvoll an. Schon als kleines Mädchen hatte sie gewusst, was es bedeuten sollte. Etru hatte ihn nie benutzt, aber Dindra war sicher, dass es eine Grenze gab, die sie nicht überschreiten durfte, ohne zu riskieren, dass Etru den Stock von seinem Platz nahm. Einmal, vor langer Zeit, hatte sie das Gatter vom Schafspferch offen gelassen. Mühsam hatten die Knechte die Schafe wieder einfangen müssen. Etru war zornig gewesen. Er hatte ihr eine Predigt über ihre Pflichten gehalten und dabei immer den Stock angesehen. Es war eine ihrer frühesten Erinnerungen, wie sie zitternd vor Angst vor ihm gestanden hatte. Über die Jahre hatte Etru viel durchgehen lassen, doch wenn sein Blick zu dem Stock wanderte, empfand Dindra immer noch die gleiche Angst wie damals. Sie hatte nie herausgefunden, wo die Grenze lag, aber wenn sie sich jetzt heimlich dem Drachen näherte, übertrat sie sie vielleicht.

Andererseits war dies wahrscheinlich die einzige Gelegenheit in ihrem Leben, einen Drachen aus der Nähe zu sehen. Wenn sie, wie Etru es wollte, einen Hofbesitzer heiratete, musste sie diesem so gehorchen wie ihrem Vater, und er würde ihr befehlen, wie alle anderen Frauen mit den Kindern im Haus zu bleiben, wenn ein Drache beim Dorf landete.

Während sie noch so tat, als ob sie das Für und Wider abwog, hatte sie sich schon in Richtung der Waldinsel in Bewegung gesetzt.

„Sei nicht böse, Väterchen”, dachte sie. „Nicht so böse. Ich kann einfach nicht anders.”

Außerdem musste Etru es ja nicht unbedingt erfahren. Sie konnte einen Blick auf den Drachen werfen und sich dann unbemerkt zurückziehen und nach Hause gehen.

 

Es dauerte nicht lange bis sie das Wäldchen erreicht und durchquert hatte, aber als sie zu den Bäumen an seinem anderen Ende kam, vergaß sie alle ihre Vorsätze und trat, wie unter einem Zauberbann, auf die Ebene hinaus.

Es war vor allem die Größe des Drachen, die sie überwältigte und ihr alle Gedanken an Vorsicht, Etru oder den Stock wie ein Sturmwind aus dem Kopf wehte. Der Anblick all jener Drachen, die sie in den vierzehn Zeiten der heißen und kühlen Sonne ihres Lebens am Himmel hatte entlang ziehen sehen, hatte sie nicht auf den Eindruck vorbereitet, den sie am Boden machten.

Der Drache war riesig. Er hatte sich auf seinen kräftigen Hinterbeinen aufgerichtet, an die vier Mannslängen hoch, und die Flügel, deren Spannweite mindestens acht Mannslängen betrug, ausgebreitet. Sein Reiter, der neben ihm stand und beschwörend auf ihn einredete - ein hellhaariger Bursche, der nicht viel älter sein konnte als Dindra selbst - wirkte neben ihm winzig. Wie unter einem Zwang schüttelte der Drache den Kopf, als versuchte er, sich gegen die Befehle des Reiters zu wehren. Der lange silbrige Bart unter seiner spitz zulaufenden Schnauze schaukelte hin und her wie die Spitzen der langen Graslandsträucher, die im Wind tanzten. Auch der lange Schwanz peitschte nervös durchs Gras, tauchte abwechselnd links und rechts hinter dem kräftig verdickten Rumpf auf. Schließlich, als wollte er doch endlich auf die Beschwörungen des Reiters hören, ließ der Drache sich nach vorn fallen und landete auf allen vieren. Dabei bebte der Boden unter Dindras Stiefeln so heftig, dass sie fast ins Taumeln geraten wäre.

 

Der Reiter redete unablässig auf den Drachen ein, aber dieser schien ihn kaum wahrzunehmen und machte weiter den Eindruck, als sei er über irgendetwas aufgebracht. Dindra verspürte plötzlich Mitgefühl. Die Vorstellung, dass ein solch mächtiges Wesen, ein Bringer des Drachensegens, einer Qual ausgesetzt war, gegen die es sich offenbar nicht wehren konnte, empörte sie. Von der Größe des Drachen eher beeindruckt als verängstigt, zog es sie unwillkürlich zu ihm hin, aus dem unbestimmten Bedürfnis heraus, ihn zu trösten, als wäre es ihre Pflicht, ihm zu helfen, auch wenn sie keine Ahnung hatte, wie sie das anstellen sollte.

Der Drache schien nicht erfreut. Kaum hatte er sie wahrgenommen, zuckte sein Kopf zurück, und er spuckte Feuer, nicht so viel, dass es Dindra erreicht hätte, aber genug, um ihr einen ordentlichen Schrecken zu versetzen und das Gras zwischen ihm und ihr in Brand zu setzen. Da es nass vom Regen war, erloschen die Flammen gleich wieder, und dicker Qualm stieg auf.

Der Reiter hatte sie nun auch entdeckt. „Bleib stehen!”, rief er. „Deine Haare flattern! Das macht ihn unruhig!”

Dindra hatte davon gehört. Alle Drachenreiter trugen, so wie dieser Junge, die Haare kurz, bis knapp unter die Ohren. Obwohl sie wegen des Feuerstoßes nun doch ein wenig Angst empfand, raffte sie ihre langen, schwarzen Haare, in die sie nach Art der Mädchen und Frauen der Ebene hier und da dünne Zöpfe geflochten hatte, im Nacken zusammen und stopfte sie unter den Kragen ihrer Tunika. Dann trat sie durch das qualmende Gras weiter auf den Drachen zu.

„Lass das!”, rief der Reiter nervös. „Du machst ihn nur wild!”

„Er ist doch ganz ruhig!”, verteidigte Dindra sich. „Sieh doch!”

 

Tatsächlich faltete der Drache seine Flügel zusammen, mit einem Geräusch, das Dindra an etwas erinnerte. Genauso klang es, wenn die Knechte nach dem Dreschen ihre ledernen Schürzen abnahmen und in der Scheune auf einen Haufen warfen. Sie hörte noch etwas anderes. Ein helles Klappern. „Das müssen die dünnen Knochen sein, die sich durch die Haut der Schwingen ziehen”, dachte sie. Es klang schaurig.

Die gelben Augen des Drachen mit den senkrechten, schlitzförmigen Pupillen waren unverwandt auf sie gerichtet. Die langen spitzen Ohren hinten an seinem Schädel, die angelegt gewesen waren, richteten sich auf, wodurch eine von Knochen durchzogene Lederhaut zwischen Kopf und jedem der Ohren entfaltet wurde. Wie zwei kleine Drachenflügel sahen sie aus. Die hektischen Bewegungen des Kopfes und des Schwanzes hatte der Drache eingestellt.

„Ja, scheint so”, sagte der Drachenreiter. Er klopfte auf den vorderen Rumpf des Drachen. „Ho, Maquon, ho! So ist´s gut! Alles in Ordnung, mein Alter!”

„Maquon?”, fragte Dindra. „Ist das sein Name?”

Der Reiter nickte. Er war einen Kopf größer als Dindra. Seine Schultern waren nicht so breit wie die von Etru, aber er wirkte so kräftig und geschmeidig, als könnte er das dicke Seil, das von Maquons Sattel an seiner Seite herabhing, spielend leicht hinaufklettern.

„Was war denn mit ihm los?”

Der Reiter zuckte mit den Schultern. Mit einer fahrigen Handbewegung wischte er die hellen Haare, die ihm in die Stirn hingen, nach hinten. Langsam fielen sie wieder nach vorne, wie Grashalme die sich aufrichteten, nachdem ein Windstoß sie platt gedrückt hatte.

„Sie glitzern”, dachte Dindra. Die Wolken waren inzwischen aufgerissen, und die Sonne schien kräftig zwischen ihnen hindurch. „Und seine Augen sind blau.”

 

„Er hat vom Feuer der Blitze gegessen”, sagte er. „Das macht sie manchmal reizbar. Ich muss den Drachenzähmern davon berichten.” Er lächelte von oben herab. „Man braucht Mut, um durch ein Gewitter zu fliegen.” Es klang angeberisch. Dann verbeugte er sich. „Ich bin Ryll Tarmanssohn, Drachenreiter von Goldfels.”

Dindra sah sich genötigt, ebenfalls höflich zu sein, obwohl sie sich über seine herablassende Art ärgerte. Sie verbeugte sich auch. „Ich bin Dindra Etrustochter von den Höfen des Dorfes, in dessen Nähe du gelandet bist.”

Ryll nickte. „Es war ziemlich leichtsinnig von dir, sich Maquon zu nähern. Das Feuer hätte dich verbrennen können. Selbst in der Station ist es gefährlich für einen Menschen, den die Drachen nicht kennen. Geh lieber ein Stück zurück.”

Verdrossen folgte Dindra der Aufforderung. „Immerhin ist Ryll ein Drachenreiter”, rief sie sich in Erinnerung. Er war mit Maquon über die Ebene geflogen und lebte in Goldfels zwischen Drachen und Drachenzähmern, obwohl er nicht so viel älter war als sie selbst. Ein oder zwei Zeiten der heißen und der kühlen Sonne vielleicht. Sie verspürte Neid und ein bisschen widerwillige Ehrfurcht.

Als sie sich ein paar Schritte entfernt hatte, setzte Maquon sich plötzlich in Bewegung und schob seinen massigen Leib auf sie zu.

„He, Vorsicht!”, rief Ryll aufgeregt. „Ho, Maquon! Elinquin!”

Der Drache ließ sich nicht beirren. Als er vor Dindra stand, beugte er seinen Kopf zu ihr herab. Ihr wurde mulmig zumute, als sie ihn so dicht vor sich hatte. Er roch nach Rauch, und aus seinem Oberkiefer ragten große spitze Zähne hervor. Sein langer silbriger Bart hing bis ins Gras hinunter und berührte den Saum ihres Rockes.

 

„Ryll?”, rief sie unsicher. Sie merkte, wie Ryll um den Drachen herumtanzte, ihm beruhigend auf den Rumpf klopfte und immer wieder „Elinquin!”, rief, aber Maquon reagierte nicht darauf. Er hob die rechte Klaue, deren vier Glieder sich wie ein Daumen und drei Menschenfinger einzeln bewegen konnten. Aus jedem von ihnen ragte eine dicke weiße Kralle hervor, und mit einer von ihnen berührte der Drache Dindra unterm Kinn und schob ihren Kopf nach oben. Sie fühlte die rissige Kralle über ihre Haut schaben.

„Er kann mir die Kehle durchschneiden”, dachte sie und geriet in Panik. „Es kostet ihn nicht mehr Mühe als mich ein Fingerschnipsen.” Der Blick der gelben Schlangenaugen bohrte sich in ihre, und sie konnte sie nicht schließen und sich nicht rühren, als wäre sie am ganzen Leib gelähmt.

„Etru”, dachte sie. „Was wirst du tun, wenn du hörst, dass ich tot bin? Von einem Drachen erschlagen!” Sie hatte fast mehr Angst vor dem, was er tun könnte, als vor dem Tod.

Was hatte sie sich gedacht, fragte Dindra sich, während sie Maquons heißen Atem auf ihrem Gesicht spürte, der sich jederzeit in Feuer verwandeln konnte. Sie hätte auf Ryll hören sollen. Der Reiter war offenbar machtlos gegen das Tun des Drachen. Sie hörte ihn immer noch rufen, aber seine Worte bewirkten nichts. Ihr Kopf lag auf der Drachenkralle, und sie kam sich vor wie eine Maus in den Fängen einer Katze, die noch ein wenig spielen wollte bevor sie zuschlug.

 

Dann, als ihr Hinterkopf ihren Nacken erreicht hatte und ihr Hals sich so spannte, dass es ihr die Kehle zuschnürte, schloss Maquon seine Augen, senkte seinen Kopf auf ihren und drückte seine Stirn an ihre. Es blieb ihr nichts übrig, als stocksteif stehen zu bleiben, denn die Kralle blieb an ihrem Platz unter ihrem Kinn. Die schuppige graue Haut des Drachen war warm und rau, wie ein Stein, der lange in der Sonne gelegen hatte. Die Berührung war sanft, aber der riesige Kopf voll Feuer und spitzer Zähne schien die ganze Welt einzunehmen und zur einzigen Wirklichkeit zu werden, die Dindra wahrnehmen konnte. Obwohl sie die Augen immer noch krampfhaft geöffnet hielt, die Haut der Drachenschnauze nur einen Fingerbreit von ihnen entfernt, füllte sich ihr Blick allmählich mit Dunkelheit, als würde die Sonne versinken und die Nacht mit unnatürlicher Geschwindigkeit hereinbrechen.

„Ich werde ohnmächtig”, dachte sie. Aber das Nichts, das sie erwartete, kam nicht. Stattdessen formte sich in der Dunkelheit eine Gestalt, vage zunächst, nur Umrisse, dann allmählich deutlicher.

Es war ein Mädchen. Ein Mädchen der Ebene. Es trug eine dunkelblaue Tunika, an der Hüfte von einem ledernen Gürtel zusammengehalten. Darunter trug es einen langen Rock. Am Saum der Ärmel und am Ausschnitt des runden Kragens befanden sich gelbe Borten mit einem Muster aus ineinander verschlungenen schwarzen Kreisen, und an den Schultern flatterten bunte Bänder.

„Es ist ein Kleid, wie ich es trage”, dachte Dindra. Sie sah in das Gesicht des Mädchens. Es war schmal; die dunklen Augen standen leicht schräg. Schwarze Haare rahmten es ein, geflochtene und lose. Die Augen waren weit geöffnet, der Mund ein wenig, als ob das Mädchen erstaunt wäre.

„Das bin ich”, dachte Dindra verwirrt. „So muss ich ausgesehen habe, als ich Maquon sah.”

 

Ein Leuchten war um diese Dindra in der Dunkelheit herum. Es umfasste die ganze Gestalt. Leuchtfinger wuchsen daraus hervor, zunächst klein, dann immer länger und breiter werdend. Sie fraßen sich in die Dunkelheit, die sich zu wehren schien und widerspenstig waberte. Aber das Leuchten breitete sich immer weiter aus, drängte die Dunkelheit zurück, scheinbar mühelos, und vertrieb sie schließlich, sodass das Leuchten nur noch um die Gestalt war. Es wurde immer heller, durchdrang die andere Dindra, bis sich die Gestalt auflöste und nur noch ein blendendes Licht blieb, so hell, dass es kaum zu ertragen war. Dann verschwand es, und Dindra sah die Augen des Drachen vor sich. Seine Kralle löste sich von ihrem Kinn und sein Kopf zog sich zurück. Dindras Knie zitterten, und ihre Beine gaben nach. Sie fiel auf das nasse Gras, lag auf dem Rücken und war unfähig sich zu rühren. Verwirrt starrte sie zum blauen Himmel hinauf, an dem ein paar graue Wolkenfetzen vorbeitrieben. Ihre Ränder glühten golden vom Sonnenlicht.

„Es ist der sechste Mond in der Zeit der heißen Sonne”, dachte sie zerstreut, als ob das von entscheidender Bedeutung wäre.

Ein bleiches Gesicht schob sich in ihr Blickfeld. Blaue Augen. Helle Haare, die von einer Hand aus der Stirn nach hinten gewischt wurden und dann langsam wieder nach vorne fielen. „Es glitzert”, dachte Dindra. „Jedes einzelne Haar glitzert in der Sonne.” Sie hatte Lust, es zu berühren, aber sie konnte sich nicht bewegen.

„Alles in Ordnung?”, fragte das Gesicht.

„Ryll“, dachte Dindra. „Das ist Ryll, der Drachenreiter.“

„Ich weiß nicht, was in Maquon gefahren ist”, sagte er. „So etwas habe ich noch nie gesehen. Bist du verletzt?”

 

Dindra versuchte sich aufzusetzen. Ryll, half ihr und stützte ihren Rücken. Sie sah sich um und allmählich bekam sie wieder ein Gefühl für die Wirklichkeit, fühlte deutlich die Nässe des von der Sonne erwärmten Grases durch den Stoff ihres Rocks. Maquon hatte sich einige Schritte von ihr entfernt auf den Bauch gelegt, schaute sie interessiert an und schien die Ruhe selbst.

„Ich glaube, ich bin in Ordnung”, sagte sie. Ihre Stimme klang komisch in ihren Ohren. Dünn und angestrengt. „Was ist passiert?”

„Keine Ahnung.” Ryll grinste verlegen. „Ich dachte schon, Maquon würde dich ... Nun ja, er ist heute ziemlich unberechenbar.” Er sah zu dem Drachen hinüber. „Jetzt ist er allerdings wie immer. Was es auch war, das ihn verstört hat, es scheint vorbei.”

Dindra stand auf und zupfte ihren Rock zurecht.

„Hast du Angst gehabt?”, fragte Ryll.

„Ein bisschen schon”, antwortete sie spitz. Sie lachte, als sie seinen besorgten Gesichtsausdruck sah. „Hättest du Ärger bekommen, wenn dein Drache mich getötet hätte?”

Ryll wand sich verlegen. „So etwas ist noch nie vorgekommen”, beteuerte er. „Kein Drache aus den Stationen schadet absichtlich einem Menschen.”

„Er hat versucht, dich abzuwerfen. Ich hab es gesehen.”

„Ja”, gab Ryll zu. „Ich weiß nicht, was in ihn gefahren ist. Er ist sonst sehr umgänglich, ein sehr erfahrener Drache. An der Länge seines Bartes kannst du sehen, dass er schon ein beträchtliches Alter erreicht hat.” Er schien zu überlegen. „Ich glaube, es wäre besser, wenn ich ihn erst morgen nach Goldfels bringe. Er sollte ein bisschen Ruhe haben. Könnte ich über Nacht auf dem Hof deines Vaters bleiben?”

„Ich denke schon”, sagte Dindra unsicher. Es war üblich, den Drachenreitern Unterkunft zu gewähren, wenn sie danach fragten, was allerdings selten vorkam. „Was ist mit Maquon?”

„Er kann hier draußen bleiben. Ich werde ihn absatteln, damit er zur Ruhe kommt. Wir müssen allerdings auf dem Hof Bescheid sagen, dass niemand hierherkommt. Im Moment ist er anscheinend ein bisschen launisch.”

 

Er begann damit, die Gurte des Sattels zu lösen, der an der Basis des Drachenhalses aufgeschnallt war. Dindra beobachtete ihn. Seine Bewegungen und Handgriffe waren sicher und routiniert, als hätte er das schon tausend Mal gemacht.

„Wie lange bist du schon Drachenreiter?”, fragte sie.

„Seit Beginn der heißen Zeit der Sonne. Meine Drachenwahl war vor fünf Monden.”

„Drachenwahl?”

„Wenn ein Drachenreiterschüler seine Ausbildung beendet hat, wird er zu einem Drachen geführt”, erklärte Ryll. „Wenn dieser ihn akzeptiert, ist er ein vollwertiger Drachenreiter.”

„Und wenn nicht?”

„Dann muss er die Station verlassen.”

„Kommt das oft vor?”

Ryll zuckte mit den Schultern. „Hin und wieder. Warum die Drachen manche Menschen ablehnen, weiß man nicht. Ich denke, es hat mit Vertrauen zu tun. Wenn die Drachen einem nicht vertrauen, kann man nicht Drachenreiter werden.” Er zog den Sattel von Maquons Hals und legte ihn ins Gras. „Was ist mit dir?”, fragte er. „Könntest du dir vorstellen, eine Drachenreiterin zu werden?”

Die Frage traf Dindra unvorbereitet. „Ich?”, sagte sie verdutzt. „Du denkst, ich könnte eine Drachenreiterin werden?”

„Grundsätzlich schon. Du musst einen Bürgen haben, der für dich spricht, um in einer Station aufgenommen zu werden. Du bist ein wenig zierlich für eine Reiterin, aber die Übungen in der Schule würden dich bald kräftiger machen. Wie alt bist du?”

„Vierzehn Zeiten der heißen und kühlen Sonne.”

 

Ryll nickte. „Das ist das richtige Alter. Man kann auch älter sein, aber jünger nicht. Ich hatte fünfzehn Zeiten der heißen und kühlen Sonne gesehen als ich anfing.”

Dindra betrachtete ihn nachdenklich. Er trug die graue Kleidung der Drachenstationen: ein graues Hemd aus dickem Stoff, das eine Handbreit über den Knien endete und in der Hüfte von einem Ledergürtel mit einer silbernen Schnalle in Form eines Drachenkopfes zusammengehalten wurde. Die Ärmel waren kurz und ließen ein weiteres graues Hemd erkennen, dessen lange Ärmel eng anlagen. Unter dem oberen Hemd trug er eine enge Hose aus dem gleichen grauen Stoff, die in Wildlederstiefeln steckte. Es war eine schlichte Kleidung, aber gerade durch ihre Strenge wirkte sie elegant und schneidig.

Dindra genierte sich plötzlich ein wenig wegen ihrer eigenen Kleidung. Der weite Rock und die Tunika mit den breiten Ärmeln waren unpraktisch und in der Zeit der heißen Sonne ziemlich lästig, aber es war die Tracht der Frauen der Ebene, und sie hatte sich nie vorstellen können, etwas anderes zu tragen. Als sie das Kleid zu Beginn der letzten Zeit der kühlen Sonne bekommen hatte, war sie stolz gewesen, denn es kennzeichnete sie als heiratsfähige Frau, bei der das erste Mondblut geflossen war. Etru meinte allerdings, sie sei noch zu jung, deshalb schmückte sie das Kleid mit farbigen Bändern, die von den Schultern herabhingen und bedeuteten, dass noch kein Mann sie fragen durfte.

Sie zeigte auf ein Abzeichen, das auf Rylls Hemd über dem Herzen aufgenäht war. Es zeigte die Silhouette eines Drachen mit einem Reiter. „Was ist das?”

 

„Das bekommt man, wenn man die Drachenwahl überstanden hat”, sagte Ryll stolz. „Die Drachenfänger und die Drachenzähmer tragen andere Abzeichen.” Er grinste. „Ich könnte für dich bürgen. Ich glaube, du hast Mumm, und Maquon scheint dich zu mögen. Das ist ein gutes Zeichen. Die meisten Schüler in den Stationen trauen sich am Anfang keine zehn Schritte an einen Drachen heran. Bei mir war das natürlich anders.”

Dindra lachte. „Mein Vater würde es nicht erlauben.”

Ryll zuckte mit den Achseln. „Schade. Vielleicht hättest du sogar das Zeug, irgendwann Drachenzähmerin zu werden.”

„Was tun sie, diese Drachenzähmer?”

„Sie haben die Gabe, durch ihren Geist Kontakt mit den Drachen aufzunehmen. Das ist wichtig bei neu gefangenen Drachen, die sonst niemanden an sich heranlassen. Die Drachenzähmer beruhigen die Drachen durch ihre eigene Ruhe. Sie machen sie dadurch den Menschen geneigt, sodass sie sich von ihnen reiten und lenken lassen. Dazu gehört die Fähigkeit, das Vertrauen der Drachen zu gewinnen.”

 

Es klang ein bisschen wie auswendig gelernt. Dindra überlegte, ob sie Ryll erzählen sollte, was sie bei Maquons Berührung erlebt hatte. Die Dunkelheit, ihr eigenes Bild, das leuchtete und die Dunkelheit vertrieb. War das die Gabe? Oder hatte die Angst ihr einen Streich gespielt? Vielleicht war es auch ein Trick von Maquon gewesen. Die Drachen waren Geschöpfe der Magie. Aber wenn ja, was hatte es zu bedeuten? War es ein Spiel gewesen, bei dem Maquon ihr ein bisschen Angst einjagen wollte, weil er gerade schlechte Laune hatte und sie sich allzu dreist an ihn herangewagt hatte? Wenn sie sah, wie ruhig er dalag, den Kopf auf die Vorderpfoten gelegt, die Lider halb über die gelben Augen gesenkt, die sie nicht losließen, als wollte er sagen: ich beobachte dich und kann dich nochmal ärgern, wenn du nicht aufpasst, erschien ihr das Erlebnis unwirklich und die Möglichkeit, dass sie tatsächlich die Gabe der Drachenzähmer besaß, mehr als unwahrscheinlich. Dennoch hakte sich Rylls Vorschlag in ihren Gedanken fest. Sie war immer neugierig auf die Drachen gewesen. Bei der Vorstellung, in einer Station zu leben, wie Ryll, von Drachen umgeben, spürte sie einen schmerzlosen Krampf in ihrem Bauch, eine Spannung und Aufregung, die sie verwirrte und fast beängstigend war.

„Es ist nur ein Traumgespinst”, sagte sie sich. Ein Traum, den sie keine Macht über sich gewinnen lassen durfte, denn dann würde er sie unglücklich machen. Sie war geradezu wütend auf Ryll, weil er ihr diese Möglichkeit vor die Nase hielt, so, wie man ein Kätzchen mit einem Bindfaden zum Spielen lockte. Etru würde sie nicht gehen lassen. Sie war dazu bestimmt, in der nächsten oder übernächsten Zeit der heißen und kühlen Sonne einen Sohn der Höfe zu heiraten, der Etrus Hof irgendwann übernehmen sollte. Ihre Fragen nach den Drachen und den Stationen hatte er immer abgewehrt. Manchmal sehr barsch. Er wusste, dass die Menschen der Ebenen von den Drachen abhängig waren, doch schien er eine Abneigung gegen sie zu hegen, die Dindra nicht verstand, und die über die Gleichgültigkeit der anderen Hofbesitzer hinausging. Als sie einmal sagte, sie würde zu gerne einmal eine der Drachenstationen sehen, war er wütend geworden und hatte erklärt, das würde er nicht zulassen. Ihr Leben sei hier und sie solle es sich aus dem Kopf schlagen.

Sie dachte an den Stock. Und an eine Grenze, die sie nicht überschreiten durfte.

„Ich bin ganz bestimmt keine Drachenzähmerin”, sagte sie zu Ryll.

„Wie du meinst. Können wir jetzt zum Hof deines Vaters gehen?”

 

Sie nickte und ging voraus. Als sie sich umdrehte, sah sie, dass Maquon aufstand.

„Er folgt uns”, sagte sie unsicher.

Ryll wandte sich um. „Maquon, elinquin!”

„Was ist das für eine Sprache?”, fragte Dindra neugierig.

„Es ist die alte Sprache der Drachenzähmer”, erklärte Ryll.

„Und du sprichst sie?”

Er schüttelte den Kopf. „Niemand spricht sie mehr wirklich. Aber die Befehle für die Drachen werden immer noch in dieser Sprache weitergegeben. Das ist die Tradition, verstehst du? Es sind auch nicht sehr viele Worte, die wir verwenden. Elinquin bedeutet Bleib zurück.”

Maquon blieb aber nicht zurück. Obwohl Ryll noch drei Mal elinquin sagte, folgte er den beiden Menschen, sobald sie sich anschickten fortzugehen.

„Das ist nicht gut!”, jammerte Dindra. Was würde Etru sagen, wenn sie mit einem Drachen auf den Hof marschiert kam? Sie wusste nicht einmal, wie sie ihr Zusammentreffen mit Ryll erklären sollte. Dafür musste sie zugeben, dass sie sich einem Drachen genähert hatte.

Ryll sah Maquon ratlos an und wischte sich die Haare aus der Stirn nach hinten. Dindra mochte es immer noch, wie sie glitzernd wieder nach vorne fielen, aber sie war zu besorgt, um es zu genießen. Der Drache stand ruhig da, sein langer Bart wehte sacht im Wind, aber er machte keine Anstalten, sich wieder hinzulegen.

„Nun gut”, sagte Ryll. „Dann kommt er eben mit. Ich denke, er wird sich ruhig verhalten.”

 

Mit gemischten Gefühlen schlug Dindra den Weg zum Hof ein, der sie ein Stück über das Grasland und dann auf die Schneise zwischen den beiden Wäldchen führte. Als sie an die Stelle kamen, an der Dindra Maquons verzweifeltes Gebrüll gehört hatte, wünschte sie sich fast, sie hätte dem Verlangen, einen Drachen aus der Nähe zu sehen, nicht nachgegeben.

Dort wo die Schneise sich gabelte und in zwei nach dem Regen etwas schlammige Sandwege überging, wandte sie sich nach links. Der andere Weg führte, parallel zu dem Bach, der jetzt nach dem Regen hörbar sprudelte, geradeaus ins Dorf, in dem diejenigen lebten, die in ihren eigenen Häusern und Werkstätten für die Höfe arbeiteten, von denen sie versorgt wurden: Schmied, Wagner, Sattler und andere. Die Höfe und ihre Felder und Weiden lagen in weitem Kreis um das Dorf herum.

Der Weg zu Etrus Hof war von Obstgärten gesäumt. Die Blätter der Apfel- und Birnbäume waren noch feucht und schimmerten golden im Licht der Abendsonne. Es war die Zeit der Ernte. Während die meisten Knechte auf den Feldern arbeiteten, pflückten die Mägde des Hofes die Früchte von den Bäumen. Sie standen, von ihren weiten Röcken behindert, unbeholfen auf Leitern und warfen das Obst in Körbe, die sie auf dem Rücken trugen. Eine von ihnen schrie auf, als sie Maquon sah; eine andere fiel von ihrer Leiter und landete mit einer Rolle rückwärts zwischen den Äpfeln, die aus ihrem Korb purzelten. Es war Mondri, eine junge Magd mit rundem Gesicht, die einen Augenblick lang zu Dindra herüberstarrte und dann blitzartig aufstand und in Richtung des Hofhauses davonlief, während die anderen Mägde sich ans andere Ende des Gartens zurückzogen und sich hinter den Bäumen versteckten. Dindra verzog den Mund. Etru würde sie erwarten, dafür würde Mondri sorgen. Sie kam sich sehr merkwürdig vor mit diesem riesigen Drachen hinter sich, der ihr folgte wie ein Hund und die Mägde gar nicht beachtete.

 

„Mein Vater ist ein strenger Mann”, sagte sie zu Ryll. „Und nicht sehr gesellig. Er wird dich natürlich beherbergen, aber ich weiß nicht, was er zu einem Drachen auf seinem Hof sagen wird.”

„Was ist mit deiner Mutter?”

Dindra zögerte. „Ich habe sie nicht gekannt. Sie ist bei meiner Geburt gestorben.”

„Das tut mir leid.”

 

Dindra nahm sein Bedauern schweigend zur Kenntnis. Es war das, was die Leute immer sagten, wenn sie es hörten. Sie selbst empfand bei diesen Worten eine Leere zwischen ihren Gedanken, gleich neben dem Loch, das sich nur durch den Anblick von Drachen stopfen ließ. Sie hätte gerne eine Mutter gehabt, wie die anderen Kinder des Dorfes. Die Frauen der Höfe waren freundlich zu ihr, aber sie behandelten sie oft ein wenig zurückhaltend, als wäre sie eine Fremde. Dindra wusste nicht einmal den Namen ihrer Mutter, denn Etru wollte einfach nicht über sie reden. Als sie alt genug gewesen war, um nach ihr zu fragen, hatte er nur gesagt, sie sei gestorben, als Dindra zur Welt kam. Es hatte nicht wie ein Vorwurf geklungen, und sie hatte es auch nie so aufgefasst. Aber sie fühlte sich bei dem Gedanken an diese unbekannte Fremde, die ihre Mutter war, immer so, als ob sie betrogen worden wäre. Die anderen Mütter der Höfe starben nicht, wenn sie Kinder bekamen. Warum ausgerechnet ihre? Sie konnte noch nicht einmal sagen, dass sie ihre Mutter entbehrte, denn sie wusste nicht, wie es war, eine zu haben. Auf den anderen Höfen bekam sie nur mit, wie die Mütter ihre Kinder schalten oder ihnen auch mal eine Ohrfeige verpassten. Darauf konnte sie verzichten. Aber sie wusste nicht, wie es war, wenn die anderen Kinder zu Bett gingen oder Wunden hatten, am Leib oder zwischen ihren Gedanken. Wurden sie dann von ihren Müttern in den Schlaf gesungen, getröstet und geheilt? Dort war es, wo Dindra den Betrug witterte, wo sie die leere Stelle spürte, besonders dann, wenn jemand sagte, es tue ihm leid. Sie konnte sich eigentlich nicht beklagen. Etru war nicht immer streng. Oft war er sogar ein sehr liebevoller Vater. Es gab zwar den Stock, aber er hatte ihn nie benutzt.

„Ich könnte mit deinem Vater reden”, sagte Ryll. „Wegen Goldfels. Jeweils zu Beginn der kühlen und der heißen Zeit der Sonne werden neue Anwärter aufgenommen.”

Dindra hob abwehrend beide Hände. „Nein! Erwähne das bloß nicht!”

„Warum nicht?”, fragte Ryll verwundert. „Viele Eltern wären stolz, wenn ihre Kinder Drachenreiter werden könnten. Mein Vater hat im ganzen Dorf geprahlt, als ich die Drachenwahl bestand. Einmal bin ich mit Maquon in die Nähe unseres Dorfes gekommen. Meine Eltern haben ein Fest veranstaltet. Ich glaube, sie gingen den anderen Dörflern ziemlich auf die Nerven.”

Dindra schüttelte den Kopf. „Mein Vater ist anders. Er will nicht viel von Stationen und Drachen hören.”

 

Inzwischen hatten sie den Mittelpunkt des Hofes erreicht, eine Wiese, die von mehreren Gebäuden umgeben war. Auf der Westseite zu ihrer Linken stand die große, aus Holzplanken errichtete Scheune mit dem Kornspeicher. Auf der rechten Seite befanden sich Gesindehäuser, Ställe und Gatter. In der Mitte stand das zweistöckige Haupthaus, wie alle Wohnhäuser der Höfe aus bearbeiteten Felssteinen errichtet, die von den Drachenbergen herbeigeschafft worden waren. Hölzerne Stützbalken zogen sich durch die Wände, einige schon recht verwittert, andere schief und krumm. Um die Läden der kleinen Fenster, die wie immer nach einem Gewitter weit offen standen, rankten sich Efeu und Kletterrosen bis zum Strohdach hinauf, aus dem sich steinerne Schornsteine erhoben, der größte über dem Kamin der Halle, die anderen weiter hinten gelegen, über den Unterkünften des Gesindes. Jenseits davon befanden sich Gärten und Gemüsebeete und rund um alle Gebäude hielten Ebenenstolze ihre Zweige wie schützende Arme über den Hof. Sie verdeckten die Sicht auf die Felder und Weiden, die zum Hof gehörten.

Vor der Tür des Hauses stand Etru, breitbeinig, die Arme verschränkt, und schaute Dindra und den Gästen mit finsterem, unbeweglichem Gesichtsausdruck entgegen. Hinter ihm lugte Mondri aus den Schatten der Türöffnung heraus, Mund und Augen weit offen.

Dindras Schritte verlangsamten sich unwillkürlich während sie krampfhaft überlegte, wie sie die Anwesenheit des Drachen, der auf dem Hof seltsam unwirklich und äußerst fehl am Platze erschien, erklären sollte. Maquon betrat die kleine Wiese, streckte andeutungsweise mit jenem unheimlichen klappernden Geräusch seine Schwingen aus, schüttelte einmal kurz den Kopf, legte sich dann ruhig aufs Gras und stellte seine Ohren auf, wobei sich die Haut der kleinen Flügel unter ihnen entfaltete.

 

Ryll wirkte beim Anblick Etrus ein wenig verunsichert, wie Dindra bei einem kurzen Seitenblick feststellte. Ihr Vater war ein eindrucksvoller Mann, groß gewachsen und breitschultrig, und die Muskeln an seinen Armen waren hart von der Arbeit auf den Feldern. Der dichte Bart und die zerfurchte Stirn ließen ihn älter aussehen als er war. Dindra nahm an, dass niemand, der sie und Etru zusammen sah, ihn für ihren Vater halten würde. Sein drahtiges Haar war braun und er hatte die grauen Augen der westlichen Ebene, während Dindras Augen so schwarz waren wie ihre Haare. Neben ihm kam sie sich immer noch wie ein kleines Kind vor und sie fürchtete, das würde sich niemals ändern. Mit seinen großen Händen konnte er ihre schmalen Schultern ganz umspannen, und wenn er das tat, fühlte sie sich sicher und geborgen. Aber sie hatte auch von ihm einiges geerbt, denn obwohl zierlich, war sie ausdauernd und schnell, und manche der Kinder des Dorfes hatten ihre Fähigkeiten unterschätzt, wenn sie sie großspurig zu einem Wettkampf herausforderten. Etru trug die übliche Kleidung der Hofbesitzer, die sich von der der Knechte kaum unterschied: eine helle, gegürtete Tunika aus Schafswolle mit verzierten Ärmeln und Kragen, schwarze, pludrige Leinenhosen und Lederstiefel.

„Vater, dies ist Ryll Tarmanssohn, Drachenreiter von Goldfels”, sagte Dindra.

Etru sagte nichts, warf Dindra aber einen Blick zu, den sie gut kannte. Es war nichts aus ihm herauszulesen, weder Ärger noch Überraschung. Sie hasste diesen Blick. Wenn Etru so war, wirkte sein Gesicht wie aus Stein. Niemand, der ihn so kennen lernte, konnte es für möglich halten, dass dieses Gesicht sich zu einem herzhaften Lachen verziehen konnte. Wenn es passierte, erwartete Dindra manchmal halb, das Geräusch splitternden Steins zu hören.

„Dies ist mein Vater Etru Etrussohn”, sagte sie zu Ryll, der sich höflich verbeugte. Etru erwiderte den Gruß mit einem knappen Kopfnicken, was fast schon einer Unhöflichkeit nahekam. Dindra knetete nervös ihre Hände, während ihr Vater seinen Blick auf den Drachen richtete, der seelenruhig auf der Wiese lag.

 

„Aus welchem Grund führt Ihr einen Drachen auf meinen Hof, Drachenreiter Ryll Tarmanssohn von Goldfels?”, fragte Etru. Seine Stimme war tief und dröhnte auf eine Weise, an der Dindra erkannte, dass er kurz davor stand, die Beherrschung zu verlieren. „In Begleitung meiner Tochter.”

„Ich kann es Euch erklären”, sagte Ryll hastig. Dindra merkte, wie er versuchte, seine Stimme tiefer klingen zu lassen, und hätte trotz der angespannten Situation fast gelacht.

„Als ich auf dem Rückweg nach Goldfels war, wurde der Drache durch irgendetwas, das ich nicht erklären kann, aus der Ruhe gebracht, und ich musste ihn auf der Ebene landen lassen. Die Begegnung mit Eurer Tochter aber hat ihn seltsamerweise völlig zur Ruhe gebracht, wofür ich ihr sehr dankbar bin.”

Etru sah Dindra an. „Was hattest du dort zu suchen?”

„Sie konnte nichts dafür”, sagte Ryll bevor sie antworten konnte. „Sie war in der Nähe, als ich landete.”

Etru schnaubte. „Ich wette, du bist sofort zu ihm gerannt.”

„Stimmt”, sagte Dindra trotzig. Sie log ihren Vater niemals an, denn sie hielt es für unwürdig und hätte sich eher damit abgefunden, mit dem Stock Bekanntschaft zu machen, als sich bei einer Lüge ertappen zu lassen.

Etru presste die Lippen zusammen und wandte sich wieder an Ryll. „Und weiter?”

Ryll zögerte. „Ich halte es für besser, den Drachen über Nacht ruhen zu lassen, bevor ich nach Goldfels zurückkehre. Eure Tochter war so freundlich, mir ein Nachtlager auf Eurem Hof anzubieten.”

Etru nickte. „Natürlich könnt Ihr hier übernachten. Und der Drache?”, fuhr er sarkastisch fort. „Kommt er vielleicht auch noch mit ins Haus?”

 

Ryll lachte nervös. „Ich wollte ihn draußen auf der Ebene zurücklassen, aber er scheint Zuneigung zu Eurer Tochter gefasst zu haben und ließ sich nicht davon abbringen, uns zu folgen. So lange sich ihm niemand nähert, besteht sicher keine Gefahr, wenn er dort auf der Wiese bleibt.”

Etru sah zu Maquon hinüber. „Und wenn ihn wieder etwas Unerklärliches, wie sagtet Ihr, aus der Fassung bringt? Ein Drache spuckt Feuer, und auf meinem Hof gibt es vieles, das brennen kann.”

„Drachen fügen Menschen niemals absichtlich Schaden zu”, sagte Ryll steif. „Ich garantiere dafür im Namen von Goldfels, dass von ihm keine Gefahr ausgeht.”

Etru schwieg einige Augenblicke lang, dann nickte er. „In Ordnung. Ihr seid mein Gast. Kommt herein.” Er machte eine einladende Handbewegung zur Tür hin, aus der Mondri blitzschnell verschwand.

Ein paar Knechte und Mägde des Hofes hatten sich am Rand der Wiese versammelt und starrten Maquon mit offenen Mündern an. Während Ryll im Haus verschwand, signalisierte Dindra ihnen, dass sie den Drachen in Ruhe lassen sollten, und sie zogen sich zurück. Dann folgte sie ihrem Vater, der kopfschüttelnd das Haus betrat. Über einen kurzen Flur, erreichte sie die niedrige Halle, die sich nach beiden Seiten erstreckte. Es war ein schmaler Raum, dessen Boden mit Holzdielen bedeckt war. Die Einrichtung bestand aus schweren Holztischen, Truhen und Stühlen. An den Wänden, die dunkel vom Rauch des Kamins auf der linken Seite waren, zogen sich Holzbänke entlang, unterbrochen von kräftigen Stützbalken, die ein bisschen vorstanden und über und über mit Schnitzereien bedeckt waren. Ryll betrachtete sie erstaunt, während er etwas linkisch Etrus Aufforderung, auf einer der Bänke Platz zu nehmen, folgte.

 

„Mein Vater hat sie gemacht”, erklärte Dindra. „Er ist sehr geschickt darin.”

Etru schnaubte wieder verächtlich, aber sie wusste, dass er stolz auf seine Schnitzkunst war.

 

„Sie sind beeindruckend”, sagte Ryll, und Dindra lächelte. Damit hatte er bei Etru einen Stein im Brett. Trotz seiner Bärbeißigkeit war ihr Vater ein empfindsamer Mann, und in seinen Schnitzereien brachte er dies am besten zum Ausdruck. Manchmal dachte sie, sie hätte ihn niemals wirklich kennen gelernt und verstanden, wenn es diese Bilder in den Balken nicht gegeben hätte. Sie dachte an die langen Abende in der Zeit der kühlen Sonne, wenn Etru schnitzte und sie auf dem Holzboden am prasselnden Kamin saß, in dem der Wind pfiff und heulte, und Brot röstete. Nur die Kaminseite der langen Stube wurde richtig warm. Die andere Seite lag dann im Dunkeln, wie eine finstere Höhle, in der schaurige Gestalten zu wohnen schienen, über die Etru unheimliche Geschichten erfand. Er lachte oft über Dindra, wenn sie sich dabei gruselte, aber in Wirklichkeit liebte sie diese Geschichten, denn sie führten zu immer neuen Schnitzereien, in denen Etru die Gestalten seiner Geschichten zum Leben erweckte. Gespenster, Zwerge, gehörnte Trolle, boshaft grinsende Hexen mit langen Nasen und Buckeln auf dem Rücken, Wichte mit Schmetterlingsflügeln, und Fratzen von Wesen, die Etrus Fantasie entstammten und für die er finster klingende Namen erfand. Aber es waren auch lustige Gesichter dabei, die in Blüten steckten, oder winzige Menschen, die auf Hasen und Mäusen ritten. Alles reihte sich dicht an dicht, wie eine endlose Geschichte, und immer noch waren längst nicht alle Balken bedeckt. Nur von Drachen gab es keine Abbildungen, und manchmal, wenn aus der Ferne Drachengesang zu hören war - was in der Zeit der kühlen Sonne seltener vorkam -, fragte Dindra ihn, warum. Dann wurde Etru immer schweigsam, und in der Stille lauschte Dindra auf den Gesang der Drachen, der im Rauschen des Regens und im Grollen des Donners allmählich unterging.

„Kümmere dich um das Essen”, sagte Etru zu ihr. „Sag ihnen, es soll den Rinderbraten geben, den Intri für den ersten Tag der Zeit der kühlen Sonne vorbereitet hat.”

Dindra nickte zufrieden. Ein Festtagsessen, wie es sich gehörte, wenn ein Gast im Hause war. Etru schien sich durchgerungen zu haben, das Beste aus der Lage zu machen.

Sie verließ die Halle durch die Tür in der hinteren Wand und betrat den Flur dahinter, von dem aus auf der linken Seite eine Holztreppe nach oben zu den Kammern im ersten Stock führte. Auf der rechten Seite lagen Küche und Speisekammer, und am Ende des Flurs befanden sich die Unterkünfte des Hausgesindes.