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Von links nach rechts: Richard Baer, Rudolf Höß und Karl Höcker.
(Foto: United States Holocaust Memorial Museum).
© 2014 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien
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Lektorat: Annalisa Viviani, München
Umschlaggestaltung : Guido Klütsch, Köln
Satz: Reemers Publishing Services, Krefeld
ISBN 978-3-412-22353-3
Datenkonvertierung: Lumina Datamatics, Griesheim
ISBN dieses eBooks: 978-3-412-21811-9
Inhalt
Einleitung
Die Lebenslügen des Rudolf Höß
Die Persönlichkeit
Höß und die SS
Der Zyniker
Höß und seine Mittäter
Höß als Amtschef D I
Das I.G. Farben-Werk Auschwitz
Nach dem Zusammenbruch
Anhang
Dank
Abkürzungen
Zitierhinweis
Anmerkungen
Chronologie
Dienstgrade der SS und der Wehrmacht im Vergleich
Daten zum Konzentrationslager Auschwitz
Häftlingskategorien
Die eidesstattliche Aussage von Höß im Nürnberger Haupt-Kriegsverbrecherprozess
Archive
Ausgewählte Literaturhinweise
Bildnachweis
Personenregister
Einleitung
Rudolf Höß gilt gemeinhin als einer der größten Massenmörder des »Dritten Reichs«. Viel ist über den Kommandanten des Vernichtungslagers Auschwitz geschrieben worden. Hervorgehoben wird häufig seine Bereitschaft, offen und ausführlich über seine Taten zu sprechen und mit den Strafverfolgungsbehörden der alliierten Siegermächte und auch Polens zu kooperieren. Diese Anerkennung ist jedoch unbegründet, denn Höß hatte aus seiner Sicht, genauso wie viele Täter des nationalsozialistischen Systems es auch behaupteten, nur seine »Pflicht« bestmöglich erfüllt. Hätten ihn seine Vorgesetzten – an erster Stelle Reichsführer-SS Heinrich Himmler – mit einer anderen Aufgabe betraut, hätte er auch diese nach Kräften erledigt. Da er das Konzentrationslager Auschwitz als größte Menschenvernichtungsanlage aller Zeiten auf- und ausbauen sollte, widmete er sich voll und ganz diesem Auftrag und zeigte der NS-Führung, dass sie hierfür keinen Geeigneteren hätte finden können.
Die jüdische Philosophin Hannah Arendt sprach im Zusammenhang mit dem Prozess gegen Adolf Eichmann in Jerusalem von der »Banalität des Bösen« und bezeichnete den SS-Obersturmbannführer, der die Transporte in die Todeslager organisierte, als »normalen Menschen«. In diesem Sinn führte auch Höß, der sich in seiner Freizeit um seine Familie kümmerte, den Kindern Märchen vorlas oder ausritt, ein »normales« Leben. Es ist kennzeichnend für ihn, dass er nicht etwa darunter litt, maßgeblich zum Tod von Millionen Menschen beigetragen zu haben und einer der Hauptakteure bei der von Hitler und Himmler befohlenen »Judenvernichtungsaktion« gewesen zu sein. Zu den Gräueln in dem Konzentrationslager Auschwitz getraute er sich sogar zu sagen, dass er sie nie gebilligt und im Übrigen auch selbst nie einen Häftling misshandelt oder gar getötet habe.1 Vielleicht trifft diese Aussage teilweise für seine Kommandantenzeit in Auschwitz zu – dort ließ er seine SS-Leute Berufsverbrecher und auch Häftlinge töten und die »schmutzige Arbeit« erledigen. Aber belegt ist auch, dass er an der »versuchsweisen« Vergasung von sowjetischen Kriegsgefangenen in [<<7||8>>] Auschwitz direkt beteiligt war. Ebenso hat er in Sachsenhausen selbst getötet und – wie Harry Naujoks beschreibt – den Häftling August Diekmann eigenhändig erschossen.
In der Abgeschiedenheit seiner Zelle in Krakau brachte Rudolf Höß im Oktober 1946 der Erinnerung nach die Lagerordnung zu Papier, die für die Konzentrationslager des »Dritten Reichs« bestand und die auch für ihn verbindlich war. Als »Zweck der Konzentrationslager« formulierte er:
Staatsfeinden soll ihre zersetzende Wühlarbeit an Volk und Staat durch sichere Verwahrung in einem Konzentrationslager unterbunden werden.
Asoziale Elemente, die bisher ungehindert das Volksganze schädigen, sollen durch straffe Erziehung zu Ordnung, Sauberkeit und geregelte Arbeit wieder zu brauchbaren Menschen gemacht werden.
Unverbesserliche immer wieder rückfällig werdende Verbrechernaturen sollen durch sichere Verwahrung aus dem deutschen Volke ausgeschieden werden.
Ihm kamen zu keiner Zeit Zweifel auf, dass die Häftlinge in den Konzentrationslagern einer der genannten Kategorien – Staatsfeinde, Asoziale, Unverbesserliche – zuzuordnen waren. Die Spitzen der nationalsozialistischen Partei, und damit angesichts der Gleichstellung von Staat und Partei auch die Staatsführung, hatten diese Gruppen so eingeordnet – entsprechend mussten sie auch nach seiner Überzeugung unschädlich gemacht werden. Gedanken über die Rechtmäßigkeit hatte er sich nicht zu machen. Er war Befehlsempfänger und Ausführender und sah seine Aufgabe darin, das deutsche »Volksganze« vor solchen Elementen zu schützen.
Dem ehemaligen Häftling Vladimir Matejka aus der früheren ČSSR, der im November 1935 in das KZ Sachsenhausen eingeliefert wurde, sagte Höß: »Sie befinden sich in einem KZ. Das KZ ist kein Gefängnis, aber eine Erziehungseinrichtung mit besonderen Methoden.«2 Dass diese »Methoden« häufig den Tod der Häftlinge zum Ergebnis hatten, musste Matejka leidvoll miterleben.
In seinen Autobiographischen Aufzeichnungen behauptete Höß, er habe von den Gräueln in den Konzentrationslagern nichts gewusst und sie abgelehnt:
[<<8||9>>] Ich selbst habe nie einen Häftling misshandelt oder gar getötet. Ich habe auch nie Misshandlungen von Seiten meiner Untergebenen geduldet. Wenn ich jetzt im Lauf der Untersuchungen hören muss, welche ungeheuerlichen Quälereien in Auschwitz und auch in den anderen Lagern vorgekommen sind, überläuft es mich kalt.3
Ausgerechnet von einem der größten Massenmörder des »Dritten Reichs« stammen diese Sätze; ausgerechnet der Kommandant des KZ Auschwitz nahm sie für sich in Anspruch. Höß straft sich hier selbst Lügen, denn in den Charakterskizzen über seine Untergebenen spricht er sehr wohl von deren Untaten, wenngleich er als Kommandant und dann Standortältester nichts dagegen habe unternehmen können.
Von Höß stammt auch die Aussage:
Ich war unbewusst ein Rad in der großen Vernichtungsmaschine des Dritten Reiches geworden. Die Maschine ist zerschlagen, der Motor untergegangen und ich muss mit. Die Welt verlangt es.
(…) Mag die Öffentlichkeit ruhig weiter in mir die blutdürstige Bestie, den grausamen Sadisten, den Millionenmörder sehen – denn anders kann sich die breite Masse den Kommandanten von Auschwitz gar nicht vorstellen. Sie würde doch nie verstehen, dass der auch ein Herz hatte, dass er nicht schlecht war.4
Höß hatte ganz nüchtern Himmlers Anordnung umgesetzt. Der Aufbau und die Verwaltung eines Konzentrationslagers, die Organisation und Durchführung des Massenmordes an den Juden waren für ihn stets nur die »Arbeit«, die er zu erledigen hatte. Der Mord an Hunderttausenden von Häftlingen bereitete Höß keine moralischen Probleme, zumal er in den meisten von ihnen ohnehin keine »Menschen« sah. Für Juden galt diese innere Einstellung ausnahmslos. Höß hatte damit die entsprechende Forderung Himmlers, beim Massenmord an den Juden jegliches Mitgefühl auszuschalten, verinnerlicht und sich zu eigen gemacht.
Wenig bekannt dürfte sein, dass die Hunderttausende von Häftlingen, die den Schrecken von Auschwitz kennenlernen mussten, das Eintätowieren der Häftlingsnummer ausschließlich dem Lagerkommandanten Höß zu verdanken hatten. Um die »Buchführung« zu erleichtern, hatte Höß sich diese zusätzliche Demütigung der Häftlinge von seiner [<<9||10>>] vorgesetzten Dienststelle genehmigen lassen.5 Gewöhnlich wurden die Häftlingsnummern an der Kleidung angebracht. Nur in Auschwitz wurden sie in den linken Unterarm tätowiert. Die Tätowierungen sollten Verwechslungen von entkleideten Leichen ausschließen sowie die Identifizierung geflohener und wieder ergriffener Häftlinge erleichtern.
Bezeichnend für Höß – wie auch für andere Täter des NS-Regimes – sind die Begriffe, mit denen er sein Morden umschrieb. Er bezeichnete es als »Verbesserung« gegenüber dem Vernichtungslager Treblinka, dass in Auschwitz eine Gaskammer mit einem Fassungsvermögen von 2000 »Opfern« gebaut wurde, während man sich anderswo mit kleineren, in denen gerade einmal 200 Opfer gleichzeitig vergast werden konnten, »bescheiden« musste. Höß rühmte sich zudem, dass die Opfer in Auschwitz auf dem Weg in die Gaskammern zum »Narren« gehalten wurden, indem man ihnen vortäuschte, sie hätten an einer Entlausungsaktion teilzunehmen.
Höß war ausgesprochen pedantisch, und er war Perfektionist. Beim Prozess vor dem Obersten Nationalgerichtshof in Warschau trat der frühere österreichische KZ-Häftling Heinrich Dürmayer als Zeuge auf. Er gab an, dass nach seiner Erinnerung SS-Schergen ihm gesagt hatten, nur 10, höchstens 15 Prozent der Häftlinge seien ins Lager gekommen, die anderen seien sofort umgebracht worden. Höß habe sich daraufhin zu Wort gemeldet und ihn mit einer, wie Dürmayer sagte, »unheimlichen Ruhe« korrigiert und erklärt: »Der Zeuge irrt sich. Es waren nur 70 Prozent, die ins Gas gegangen sind und nicht 80 und 90 Prozent.«6
Für Höß musste alles seine Ordnung haben. Während auf der Birkenauer Rampe Hunderttausende Häftlinge vom Zug direkt in die Gaskammern geschickt wurden, achtete er als Kommandant darauf, dass die Gärten in der SS-Siedlung möglichst einheitlich angelegt und gepflegt wurden. Nach einer Besprechung mit dem Leiter der Zentralen Bauleitung des KZ Auschwitz, SS-Sturmbannführer Karl Bischoff, wies Höß den Leiter der Landwirtschaftlichen Betriebe, SS-Sturmbannführer Joachim Caesar, an, 600 Laubholzbäume sowie 1000 verschiedene Decksträucher zu beschaffen. Höß wollte damit an den Krematorien I und II einen »Grüngürtel als natürlichen Abschluss zum Lager hin« anlegen.7
Höß war in seinem Verhalten zwiespältig, ohne dass ihn dies belastet hätte. Einerseits erließ er Befehle, nach denen er jede Form von Korruption [<<10||11>>] oder Bereicherung verbot, andererseits verstieß es selbst gegen sie, beschäftigte in seiner Villa Häftlinge und ließ sich von ihnen knappe und folglich kostbare Verbrauchsgüter ebenso besorgen wie Kunstgegenstände anfertigen. Den Aussagen von Häftlingen zufolge, die in der Dienstvilla, die vor dem deutschen Überfall auf Polen der polnischen Familie Soja gehört hatte, von Höß beschäftigt waren, kann man zu der Überzeugung gelangen, dass es vor allem seine Frau Hedwig Höß war, die einen unheilsamen Einfluss auf ihren Mann ausübte und zudem von Ehrgeiz getrieben war. Als beispielsweise Höß zur Vorbereitung der »Aktion Reinhardt«, des Massenmordes an ungarischen Juden, nach Ungarn fuhr, nannte Hedwig Höß ihren Mann stolz den »Sonderbeauftragten für die Judenvernichtung in Europa«. Seinen Feinden sei es nicht gelungen, ihn zu vernichten, sondern im Gegenteil: Er habe jetzt eine erheblich wichtigere Aufgabe bekommen und man habe ihm eine noch bedeutendere Mission anvertraut.8 »Sonderbeauftragter für die Judenumsiedlung« – so die offizielle Bezeichnung, war Höß im Oktober 1943 geworden, als er anstelle von Arthur Liebehenschel Amtschef des Amtes D I der Amtsgruppe D im Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt der SS (WVHA) wurde und dann nach Auschwitz zurückkam, um hier die Vernichtung der Juden der »RSHA-Transporte« persönlich zu leiten. Die so bezeichneten Ungarn-Transporte unter Verantwortung von SS-Sturmbannführer Adolf Eichmann trafen zwischen Mai und Spätsommer 1944 nahezu pausenlos ein. Über zwei Millionen Juden starben allein im Rahmen dieser Aktion. Höß war während dieser Zeit Standortältester des KZ Auschwitz, während sonst diese Funktion durch den Lagerkommandanten des Lagers A I ausgeübt wurde.
Im Januar 2015 jährt sich zum 70. Mal die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz durch die damalige Rote Armee. Höß meinte zwar einmal in einer eidesstattlichen Erklärung, dort seien 2,5 Millionen Menschen »vernichtet« worden, ein anderes Mal nannte er sogar die Zahl von drei Millionen, aber beide Angaben halten Überprüfungen nicht stand. Doch auch die nachgewiesenen 1,1 Millionen in Auschwitz Ermordeten stellen eine Dimension dar, die jede menschliche Vorstellungskraft übersteigt. Diese ungeheure Mordmaschinerie ist wesentlich ein Werk von Rudolf Höß. Jede Form von Mitleid war ihm fremd – jeden Befehl führte er dienstbeflissen aus. Die Maschinerie musste laufen, [<<11||12>>] Schwierigkeiten durften sie nicht aufhalten. Häftlingsschreiber Hermann Langbein schildert, dass im Jahr 1944 lebende Kinder in die großen Feuer geworfen wurden, die neben den Krematorien brannten. Er berichtete Standortarzt SS-Sturmbannführer Eduard Wirths davon, doch der wollte ihm nicht glauben. Er fuhr nach Birkenau, um sich selbst zu überzeugen. Am nächsten Tag sagte er nur: »Das war ein Befehl von Lagerkommandant Höß. Er wurde gegeben, weil nicht mehr genug Gas da war.«9
Auch als es darum ging, Spuren des Massenmordes zu vernichten, zeigte sich Höß als Perfektionist. SS-Standartenführer Paul Blobel war als Führer des »Sonderkommandos 1005« am Versuch der Vertuschung der Verbrechen beteiligt. Er wollte u.a. Leichen mittels Dynamit zerstören. Höß informierte sich in Chelmo über diese Versuche und stellte fest, dass die Ergebnisse unzureichend waren:
Blobel hatte verschiedene behelfsmäßige Öfen aufbauen lassen und verbrannte mit Holz und Benzinrückständen. Er versuchte, auch durch Sprengungen die Leichen zu vernichten, dies gelang aber nur sehr unvollständig.10
Deshalb wurden andere Mittel benutzt:
Die Asche wurde in dem ausgedehnten Waldgelände verstreut, zuvor durch eine Knochenmühle zu Staub zermahlen. (…) Die Arbeiten selbst wurden durch Judenkommandos durchgeführt, die nach Beendigung des Abschnitts erschossen wurden. Konzentrationslager Auschwitz hatte laufend Juden für das »Kommando 1005« zur Verfügung zu stellen.11
In der Einsamkeit seiner Krakauer Zelle fand Höß kurz vor seiner Hinrichtung wieder zur Kirche, aus der er als Dreizehnjähriger ausgetreten war. Der polnische Jesuitenpater Wladyslaw Lohn in Wadowice bei Krakau zeichnete über dem Kopf von Höß das Kreuz in die Luft und sprach das »Ich vergebe dir deine Sünden«. Nach der Beichte und dem Glaubensbekenntnis erhielt Höß das »Viatikum«, das katholische Abendmahl in der Sterbestunde. Rudolf Höß war wie viele führende Nationalsozialisten und SS-Funktionäre religiös erzogen worden, hatte sogar Missionar werden wollen.
[<<12||13>>] Wenn Höß sein Handeln im Nationalsozialismus wie kein anderer schilderte, wenn er die Judenvernichtung als falsch bezeichnete, dann nicht etwa, weil er seine Taten bereute, sondern ganz pragmatisch, weil Deutschland durch den Mord an den Juden den Hass der Welt auf sich gezogen hatte.
Höß war mehr als nur ein »Rädchen« im NS-System, wie er selbst verharmlosend seiner Frau in seinem Abschiedsbrief schrieb. Ohne ihn – beziehungsweise ohne Männer wie ihn oder Eichmann – hätte der Holocaust nie in dieser Brutalität stattfinden können. Ihm sei ein »wahrhaft trauriges Los beschieden«, bedauerte er sich selbst, und wie glücklich seien doch »die Kameraden, die einen ehrlichen Soldatentod sterben durften«. Als Kommandant des Vernichtungslagers Auschwitz habe er erst während der Untersuchung und des Prozesses erfahren, welch schreckliche Dinge dort geschehen waren, und es sei unbeschreiblich, wie man ihn hintergangen und wie man seine Anordnungen verdreht habe. »Wie tragisch«, sagte er, »der ich von Natur aus weich, gutmütig und stets hilfsbereit war, wurde zum größten Menschenvernichter, der kalt und bis zur letzten Konsequenz jeden Vernichtungsbefehl ausführte.«
In seinen SS-Funktionen zeigte sich Höß nie »weich und gutmütig«. Selbst sein Vorgesetzter, SS-Gruppenführer Oswald Pohl, soll einige Häftlinge gerettet haben – von Höß ist Gleiches, mit einer einzigen Ausnahme, nicht bekannt. Stanislaw Dubiel, den er in seiner Auschwitzer Dienstvilla beschäftigte, berichtete, dass er auf Veranlassung von Höß aus dem sogenannten Bunker entlassen und von der Todesliste gestrichen worden war. Zum ersten Mal sollte Dubiel auf Geheiß der Politischen Abteilung, insbesondere ihres Leiters Grabner, am 12. Juni 1942 mit 170 anderen Häftlingen auf den Hof von Block 11 geführt und erschossen werden. Höß setzte durch, dass Dubiel an seinen Arbeitsplatz zurückkehren konnte. Er selbst schreibt: »Am Nachmittag desselben Tages kam Grabner in Begleitung von Hössens Adjutanten und Hößler in den Garten von Höß, wo ich arbeitete und forderte meine Auslieferung zu meiner Erschießung. Höß, und vor allem Frau Höß, widersetzten sich dem kategorisch und setzten ihren Willen durch.«12 Danach befand sich Dubiel im Juli [wahrscheinlich am 14. Juli 1942, als im Hof von Block 11 an der sogenannten Todeswand rund 200 Polen ermordet wurden] erneut auf der Liste der zu Erschießenden. [<<13||14>>] Ein weiteres Mal sollte er am 28. Oktober 1942 zusammen mit 280 Häftlingen aus der Gegend von Lublin erschossen werden. Auch dieses Mal rettet Höß Dubiels Leben. Daraus aber zu schließen, Höß und seine Frau hätten Mitleid gezeigt, wäre völlig verfehlt. Beide hassten alles, was polnisch war, wollten aber auf Dubiels Dienste und die damit verbundenen Annehmlichkeiten nicht verzichten.
Im Zusammenhang mit dem Vernichtungslager Auschwitz ist viel über Rudolf Höß geschrieben worden. Als Verfasser einer Höß-Biographie komme ich nicht umhin, einiges davon zu wiederholen. Entscheidend sind jedoch zahlreiche neue Akzente und Korrekturen bisheriger Veröffentlichungen. So werden im vorliegenden Buch Skizzen veröffentlicht, mit denen Höß in den letzten Wochen seines Lebens Vorgesetzte und Untergebene charakterisierte und sich damit letztlich selbst reinwaschen wollte.
In vielen Punkten ist sein Lebenslauf zu korrigieren, beginnend mit seinem Geburtsjahr 1901 und nicht 1900. Briten und Polen, die ihn nach dem Krieg vernahmen, zeigten sich angetan von der vermeintlichen »Offenheit«, mit der Höß über seine Tätigkeit als Kommandant von Auschwitz sprach. Da sie zahlreiche wichtige Dokumente noch nicht kannten, konnten sie den Wahrheitsgehalt des aussagewilligen Höß nicht immer überprüfen, der sich vom Leugnen oder Nicht-erinnern-Können anderer NS-Angeklagter wohltuend abzuheben schien. Dabei müssen, wie sich herausgestellt hat, bei seinen Aussagen immer wieder hinsichtlich des Wahrheitsgehalts oder der Detailtreue bisweilen erhebliche Abstriche gemacht werden.
Dem Verfasser dieses Buches ist es wichtig, möglichst vielen Primärquellen nachzugehen. Für die Recherchen wurden u.a. folgende Archive in Anspruch genommen: Amtsarchiv Gransee, Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde, Bundesarchiv, Außenstelle Ludwigsburg, Bibliothek des Deutschen Bundestags, BStU – Bundesbeauftragter für die Unterlagen der Staatssicherheit der ehemaligen DDR, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Domstifts Archiv Brandenburg, Gemeindeverwaltung, Standesamt/Gewerbeamt, Neukirch/Lausitz, Gemeinde St. Michaelisdonn, Heimatverein Buberow, Institut für Zeitgeschichte München (IfZ), International Tracing Service Bad Arolsen (ITS), Landesarchiv Berlin, Landesarchiv Schleswig-Holstein, Landgericht Schwerin, Politisches [<<14||15>>] Archiv Auswärtiges Amt, Staatsbibliothek Berlin, Stadtarchive Baden-Baden und Dachau; Standesämter Dachau, Flensburg, Ludwigsburg, Mannheim, Schwerin, Stuttgart, Amt für öffentliche Ordnung (Abt. Altkartei) sowie Zentrum für Historische Forschung Berlin der Polnischen Akademie der Wissenschaften. Im Hinblick auf den 1. Frankfurter Auschwitz-Prozess erwies sich das Archiv des Fritz Bauer Instituts als sehr ergiebig. Online-Recherchen in den Archiven APMO, Archiwum Państwowe Muzeum Auschwitz-Birkenau, und Institut für Zeitgeschichte München (IfZ), waren des Weiteren sehr hilfreich.
Bei den Recherchen fiel auf, dass es im Archiv der Gedenkstätte des KZ Dachau kaum Hinweise auf Höß gibt, und auch im Sachsenhausener Archiv ist die Quellenlage in dieser Hinsicht dürftig. Doch mithilfe der Archivarinnen und Archivare all der genannten Einrichtungen wurde es möglich, ein Bild des größten Massenmörders aller Zeiten zu zeichnen, das sich in vielem von den herkömmlichen Darstellungen abhebt.
Wert wird vor allem darauf gelegt, dass es sich bei dem vorliegenden Werk keineswegs um die Geschichte des Vernichtungslagers Auschwitz handelt, auch wenn der Name Höß hierfür steht wie kein anderer. Lücken werden vor allem in der Biographie Höß’ außerhalb seiner Jahre als KZ-Kommandant geschlossen. Vorgelegt wird eine Biographie, die anhand bisher unbekannter Quellen und Äußerungen seiner Zeitgenossen aufzeigen soll, wer diese Person war, die ohne jedes Mitleid den Massenmord an Hunderttausenden von Menschen als bloße »Arbeit« betrachtete, die sie befehlsgemäß auszuführen hatte. [<<16||17>>]
Die Lebenslügen des Rudolf Höß
Kindheit und Jugend
In einer Vernehmung durch britische Militärbehörden am 14. März 1946 erklärte Rudolf Franz Ferdinand Höß: »Ich wurde am 25. November 1900 geboren. Ich bin Sohn des Kaufmanns Franz Xaver Höß in Baden-Baden. Ich habe zwei verheiratete Schwestern, die zur Zeit in Mannheim und Ludwigshafen leben.« Höß war zwar zu Beginn der Vernehmung vor den Folgen unwahrer Angaben gewarnt worden, aber bereits hier hatte er die Unwahrheit gesagt, ein Verhalten, das ihn sein Leben lang begleitete.
Seine Eltern, Franz Xaver Höß und Lina, geb. Speck, hatten am 10. November 1900 geheiratet. Würden seine Angaben stimmen, wäre seine Mutter bei der Eheschließung mit Rudolf im neunten Monat schwanger gewesen und hätte ihren Sohn zwei Wochen später zur Welt gebracht. Das aber ist abwegig. Nach der im Stadtarchiv Baden-Baden verwahrten Geburtsurkunde ist das Geburtsdatum ohne jeden Zweifel der 25. November 1901 und nicht 1900. Man fragt sich, warum Höß sich ein Jahr älter machte und an dieser falschen Angabe sein Leben lang festhielt.
In einem sogenannten Führer-Fragebogen gab Rudolf Höß später an, sein Vater, der sich am 22. März 1895 aus Moos – heute ein Ortsteil von Bühl – kommend in Baden-Baden, Weinbergstraße 6, angemeldet hatte, sei Kaufmann gewesen. In Wirklichkeit aber war er einfacher Geschäftsdiener. In Mannheimer Adressbüchern wird er häufig schlicht als Diener aufgeführt. Bis 1904 lebte die Familie in der Gunzenbachstraße 20 (heute Nr. 46) und wurde 1907 unter der Anschrift Hardtstraße 16 aufgeführt. 1907 zog die Familie nach Mannheim um, Rudolf Höß war zu diesem Zeitpunkt sechs Jahre alt. Auch in Mannheim fand die Familie keine feste Bleibe und wechselte mehrmals die Anschrift, wohnte aber – wie im Stadtteil Lindenhof – stets zur Miete.
[<<17||18>>]
[<<18||19>>] Der katholisch getaufte Höß empfing in der Mannheimer St.-Josefs-Kirche die Erstkommunion. Ab dem 11. September 1912 besuchte er das humanistische Karl-Friedrich-Gymnasium, nach eigenen Worten »bis zur Untersekunda« (10. Klasse). Diese Behauptung ist falsch. Höß verschweigt, dass er nach Abschluss der Quarta (7. Klasse) wegen schlechter Leistungen nicht versetzt wurde und am 27. Juli 1915 die Schule verlassen musste. Stattdessen gab er im Zusammenhang mit dem »Parchimer Fememord« – Höß war als Mitglied des Freikorps Roßbach an der Ermordung von Walter Kadow, einem Mitglied der rechtsradikalen Deutschvölkischen Freiheitspartei, am 31. Mai 1923 beteiligt gewesen – bei Vernehmungen am 22. August 1923 in Leipzig an:
Ich habe das Gymnasium in Mannheim bis zur Untersekunda besucht und dasselbe 1916 verlassen, weil ich dem Wunsche meines Vaters, später Theologie zu studieren, nicht nachkommen, sondern Soldat werden wollte.1
Höß vermischt hier – wie so oft – Wahrheit und Lüge.
In verdienstvoller Weise haben sich Schüler des Mannheimer Karl-Friedrich-Gymnasiums aus Anlass des 200-jährigen Bestehens ihrer Schule in den Jahren 2005/2006 mit Höß und seinen schulischen Leistungen befasst. Am 11. September 1912 hatte demnach für ihn der Schulalltag im Karl-Friedrich-Gymnasium begonnen. Er war nicht nur der zweitälteste Schüler seiner Klasse, sondern gehörte stets auch zu den Leistungsschwächsten seines Jahrgangs. »Am Ende der Sexta nahm er Platz 28 von 29 versetzten Schülern ein, am Ende der Quinta Platz 27 von 27 versetzten, sodass es nicht verwundert, dass er in der Quarta das Klassenziel nicht erreichte.«2 Nach dem Tod des Vaters 1914 nahm die Mutter daher ihren einzigen, inzwischen fast vierzehnjährigen Sohn im Sommer 1915 von der Schule und schickte ihn in die Lehre.
Sein Vater Franz Xaver hatte angeblich ein Gelübde abgelegt, dem zufolge Rudolf Priester werden sollte. Ohnehin schien der Haushalt Höß sehr religiös gefärbt gewesen zu sein. Geistliche aus allen Kreisen seien ein und aus gegangen, schilderte Höß. Besondere Festtage für ihn seien diejenigen gewesen, »wenn zu uns einer der alten, bärtigen Afrikaner-Patres, die mein Vater aus Ostafrika kannte, zu Besuch kam. Da wich ich nicht, um ja kein Wort der Unterhaltung zu verlieren«.3 Sein Vater habe ihn auf den Wallfahrten mitgenommen, sowohl in der Heimat als [<<19||20>>] auch nach Lourdes oder Einsiedeln. Er selbst sei damals tief gläubig gewesen und der Vater »erflehte den Segen des Himmels für mich, dass ich dereinst ein gottbegnadeter Priester würde«.4 Zum Bruch mit der Kirche kam es im Alter von dreizehn Jahren, als ein mit seinem Vater befreundeter Beichtvater sich nicht an das Beichtgeheimnis hielt und er sich verraten und hintergangen fühlte. Erst kurz vor seiner Hinrichtung kehrte Höß in den Schoß der Kirche zurück.
Dem amerikanischen Gerichtspsychologen Gustave M. Gilbert antwortete Höß am Rande des Internationalen Militärtribunals 1946 in Nürnberg auf die Frage, ob er als Kind religiös erzogen worden sei:
Ja, ich wuchs in einer sehr strengen katholischen Tradition auf. Mein Vater war wirklich bigott, sehr streng und fanatisch. Ich erfuhr, dass er, als meine jüngste Schwester geboren wurde, ein religiöses Gelübde abgelegt und mich [<<20||21>>] Gott und dem Priestertum geweiht hatte; danach führte er eine Josephs-Ehe (Zölibat). Er richtete meine ganze Erziehung als Kind auf das Ziel aus, aus mir einen Priester zu machen. Ich musste endlos beten und zur Kirche gehen, musste Buße tun bei dem kleinsten Vergehen – beten als Strafe für irgendeine kleine Unfreundlichkeit gegenüber meiner Schwester oder ähnliche Kleinigkeiten.
Was mich so eigensinnig machte und mich wahrscheinlich später veranlasste, mich von den Menschen abzuschließen, war seine Art, mich fühlen zu lassen, dass ich ihm ein persönliches Unrecht angetan hätte und dass er, da ich geistig arg unter ihm stünde, vor Gott für meine Sünden verantwortlich wäre. Und ich könnte nur beten, um für meine Sünden zu büßen. Mein Vater war eine Art höheres Wesen, dem ich nie nahekommen konnte. Und so zog ich mich in mich selbst zurück – und ich konnte mich anderen gegenüber nicht öffnen. Ich glaube, dass diese bigotte Erziehung die Schuld daran [<<21||22>>] trägt, dass ich so verschlossen wurde. Auch meine Mutter lebte unter dem Druck dieser fanatischen Frömmigkeit.5
Höß entfremdete sich der katholischen Kirche immer mehr, bis er 1922 völlig mit ihr brach. Nachdem er sich dazu entschlossen hatte, ersetzte er ganz offensichtlich die Religion durch die nationalsozialistische Weltanschauung. Für ihn sei die antisemitische Propaganda der Nationalsozialisten so unumstößlich wie ein Kirchendogma gewesen, meinte er gegenüber Gilbert.6
In seinen Autobiographischen Aufzeichnungen erweckt Höß häufig den Eindruck, die eigene Familie habe über »Dienstpersonal« verfügt. In diesen Kontext gehören auch seine späteren Hinweise darauf, er sei durch einen privaten Hauslehrer unterrichtet worden, habe in Mannheim erst die Volksschule und dann das Großherzogliche Karl-Friedrich-Gymnasium besucht, das er dann mit der Mittleren Reife verlassen habe:
Ganz besonders wurde ich immer darauf hingewiesen, dass ich Wünsche oder Anordnungen der Eltern, Lehrer, Pfarrer usw., ja aller Erwachsenen bis zum Dienstpersonal unverzüglich durchzuführen bzw. zu befolgen hätte und mich durch nichts davon abhalten lassen dürfte.7
Mit dieser Aussage wollte Höß augenscheinlich begründen, dass er schon in frühester Kindheit zu unbedingtem Gehorsam erzogen worden war und entsprechend auch die späteren Tötungsbefehle unverzüglich und penibel ausführte. Nicht von ungefähr führte er zudem an, dass sein Vater, obwohl »fanatischer Katholik und entschiedener Gegner der Reichsregierung«, der Überzeugung gewesen war, trotz aller Gegnerschaft müssten die Gesetze und Anordnungen des Staates unbedingt befolgt werden.8 Genau diese Haltung bestimmte dann Rudolf Höß’ späteres Leben.
Doch nun zurück zum Lebenslauf: Höß meldete sich am 31. Dezember 1917 in dem damals noch selbstständigen Dorf Friedrichsfeld an. Angesichts der zu erledigenden Regularien konnte er somit frühestens 1918 Soldat werden, behauptete aber stets – auch gegenüber den britischen Vernehmern:
[<<22||23>>] Am 1.8.16 trat ich als Kriegsfreiwilliger in das Badische Dragoner-Regiment 21, Ersatzschwadron in Bruchsal, Baden, ein. Nach einer kurzen Ausbildung kam ich zum Asienkorps nach der Türkei und blieb bis Ende 17 in Mesopotamien und war dann bis zum Waffenstillstand an der Palästina-Front. Ich wurde zweimal verwundet, erlitt Malaria und wurde mehrfach ausgezeichnet.
Vom 2. Oktober 1916 bis zum 6. März 1917 sei er, so gab Höß an, bei der 6. Türkischen Armee an der Irakfront eingesetzt worden und habe die Kämpfe um Kut-el-Amarna und Bagdad mitgemacht. Ihm seien am 17. Februar 1917 das Eiserne Kreuz II. Klasse, am 6. Oktober 1917 der Eiserne Halbmond und am 19. Dezember 1917 die Badische Verdienstmedaille verliehen worden. Als weitere Auszeichnungen nannte Höß das Eiserne Kreuz I. Klasse (16. Mai 1918), das Baltenkreuz (4. Januar 1920), den Schlesischen Adler (9. Juni 1921) sowie Erinnerungs-Medaillen (1. Oktober 1938 und 27. September 1939) und das Kriegsversehrtenkreuz II. Klasse (20. April 1941). Er habe ab dem 30. Januar 1919 in der Nachrichtenabteilung des Ostpreußischen Freiwilligen Korps gedient und ab dem 13. September 1919 im Freikorps Roßbach.
Auch diese Aussagen entsprechen nicht der Wahrheit. Richtig ist vielmehr, dass Höß 1918 Soldat wurde, ein Jahr zuvor demnach nicht in der Türkei verwundet worden sein und auch die von ihm erwähnten Auszeichnungen zu den genannten Zeitpunkten nicht erhalten haben konnte.
Unverkennbar bereiteten seine Herkunft und seine unzureichende schulische Ausbildung dem späteren KZ-Kommandanten erhebliche Probleme. Anders ist kaum zu verstehen, dass er oft betonte, über viele Generationen seien seine Ahnen väterlicherseits Offiziere gewesen, sein Großvater sei 1870 an der Spitze eines Regiments gefallen und auch sein Vater sei mit Leib und Seele Soldat gewesen. Seine Mutter habe gewollt, dass er erst sein Abitur mache, dann könne man über seinen Wunsch, Soldat zu werden, sprechen.9 Vom Abitur konnte allerdings überhaupt keine Rede sein, hatte Höß doch nicht einmal die Versetzung in die Quarta geschafft. [<<23||24>>]
Im Freikorps Roßbach
Nach seiner Soldatenzeit schloss sich Höß dem Freikorps Roßbach10 an, einem der zahlreichen nach dem Ersten Weltkrieg gebildeten Freikorps. Da – beziehungsweise in der »Arbeitsgemeinschaft Roßbach« – kam Höß intensiv mit der nationalsozialistischen Ideologie in Berührung. Die Freikorpsmitglieder betrachteten sich als Soldaten, die einer politischen Idee folgten, und nicht etwa als bloße Söldner. Als solche galten sie jedoch offensichtlich für den späteren Propagandaminister Joseph Goebbels, der in seinen Tagebüchern unter dem 13. Mai 1926 vermerkte, er habe in Breslau die Nacht über mit »Landsknechten« von Roßbach zusammengesessen.11
Das Freikorps Roßbach kämpfte unter anderem im Baltikum und in Oberschlesien. Im Oktober 1919 hatte Reichswehrminister Noske im Reichstag noch verkündet, er werde auf jeden Deutschen, der ins Baltikum zu kommen versuche, schießen lassen, doch gelang es vielen Formationen, dorthin zu gelangen.12 Als Roßbach an der preußischen Grenze angehalten werden sollte, ließ er kurzerhand einige Maschinengewehre feuerbereit machen. Die Grenzschutzoffiziere salutierten und erklärten, sie müssten leider der Gewalt weichen.
Der Kampf der Freikorps gegen die ins Baltikum vorgerückten sowjetischen Bolschewisten, nach deren Rückzug aber gegen Letten und Esten, wurde mit einer beispiellosen Grausamkeit geführt. Höß meinte damals:
Unzählige Male sah ich die grauenhaften Bilder mit den ausgebrannten Hütten und den verkohlten oder angeschmorten Leichen von Frauen und Kindern. Ich glaubte damals, dass es eine Steigerung menschlichen Vernichtungswahns nicht mehr geben kann.13
Doch gerade Höß selbst trug später zu einer solchen »Steigerung« an verantwortlicher Stelle bei.
Der »Parchimer Fememord«
Rudolf Höß stellte sich in den Vernehmungen nach Kriegsende und in seinen Erinnerungen stets als jemand dar, der als SS-Angehöriger nur [<<24||25>>] Befehle ausgeführt habe und dem es nie in den Sinn gekommen sei, die Befehlsausführung zu verweigern. Ungeachtet der zweieinhalb Millionen Menschen – tatsächlich waren es wohl circa 1,1 Millionen –, für deren Tod er nach eigenen Angaben direkt Verantwortung trug, betrachtete er sich keinesfalls als »Mörder«. Wenn überhaupt, dann habe sich die SS insgesamt des Mordes schuldig gemacht, lautete seine zumindest nach dem Krieg geäußerte Auffassung.
Höß verdrängte bei einer solchen Betrachtungsweise, dass er selbst gefoltert und getötet hatte, und zwar ohne jeden Befehl »von oben«. Dafür steht beispielsweise die Ermordung des Lehrers Walter Kadow. Dabei geht es um den »Parchimer Fememord« von 1923, an dem Höß an führender Stelle beteiligt war. Er gehörte zu dieser Zeit der »Arbeitsgemeinschaft Roßbach« an, der Nachfolgeorganisation des verbotenen »Freikorps Roßbach«. Völkische Rechtsradikale wie Höß – und übrigens auch Martin Bormann – hatten Kadow vorgeworfen, das Mitglied der NSDAP-Tarnorganisation Großdeutsche Arbeiterpartei Albert Leo Schlageter verraten zu haben. Während der französisch-belgischen Ruhrbesetzung war Schlageter militanter Aktivist und wurde wegen Spionage und mehrerer Sprengstoffanschläge von einem französischen Militärgericht zum Tode verurteilt und hingerichtet. Kadow soll – so jedenfalls die spätere Begründung für seine Ermordung und für die Heroisierung der Mörder – für Schlageters Tod verantwortlich gewesen sein.
Walter Kadow, am 29. Januar 1900 in Hagenow als Sohn eines Schmieds geboren, besuchte Volks- und Bürgerschule und von Herbst 1915 bis Ostern 1918 das Lehrerseminar in Neukloster. Anschließend war er ein Jahr als Assistent an der Schule in Roggenstorf bei Grevesmühlen tätig. Da er kein Geld für die weitere Ausbildung hatte, kam er im Herbst 1922 zu den »Roßbachleuten« und war als landwirtschaftlicher Arbeiter auf Gut Treuenfels in Herzberg beschäftigt. Hier begegnete er Rudolf Höß und Martin Bormann. Kadow war nach Zeugenaussagen bei seinen Arbeitskameraden höchst unbeliebt. Er hatte sich wiederholt als Leutnant oder gar Oberleutnant aufgespielt, mit Orden geprahlt, die nicht seine eigenen waren, Geld geliehen, ohne es zurückzuzahlen sowie Unterschlagungen und Zechprellerei begangen. Ferner wurde ihm vorgeworfen, er sei kommunistischer Spitzel und wolle in das von Frankreich besetzte Ruhrgebiet reisen. Höß behauptete, einmal in [<<25||26>>] einem Gespräch gehört haben, dass Kadow früher kommunistischer Parteisekretär in Klütz gewesen sei. Der spätere Angeklagte Georg Pfeiffer räumte ein, Kadow in Herzberg heimlich das Tagebuch entwendet zu haben.14 Darin habe gestanden, dass Kadow einige Male das Innenministerium in Schwerin aufgesucht habe. Das wurde als Beweis seines Denunziantentums gesehen. Das Tagebuch habe er, so Pfeiffer weiter, dem Geschäftsführer des Guts, Martin Bormann, zur Verwahrung gegeben. Außerdem habe er Briefumschläge gefunden, die an das »Präsidium Berlin« und an das »Ministerium des Innern von Mecklenburg-Schwerin« gerichtet gewesen seien. Der Gutsbesitzer wies daraufhin Bormann an, Kadow zu entlassen.
Über Bormann, der als späterer Hitler-Adlatus eine rasante Parteikarriere machte, ist in Akten des Leipziger Oberreichsanwalts übrigens zu lesen:
Nach Besuch der Realschule und des Realgymnasiums wurde Bormann im Sommer 1918 zur Feldartillerie eingezogen, kam aber nicht mehr ins Feld und wurde im Frühjahr 1919 vom Militär entlassen. Dann ging er als Eleve auf ein Gut in Mecklenburg und kam im gleichen Jahr noch auf das Gut des Rittergutsbesitzers von Treuenfels in Herzberg. Seit längerer Zeit ist er hier Geschäftsführer und bekleidete diesen Posten auch zur Zeit der Tat. Auf dem gleichen Gute befanden sich die mit angeschuldigten [Georg] Pfeiffer und [Emil] Wiemeyer und der ermordete Kadow als landwirtschaftlicher Arbeiter. Bormann ist Abschnittsleiter der D.F.P. [sic] im Bereich Herzberg.15
Aus den Unterlagen des Oberreichsanwalts über Rudolf Höß geht hervor, dass dieser nicht nur als landwirtschaftlicher Arbeiter seinen Lebensunterhalt verdingte, sondern selbst als Filmkomparse gearbeitet hatte. Über ihn hieß es unter anderem:
Als Roßbach nach dem Kapp-Putsch sein Freikorps wieder aufstellte, trat er diesem bei und war mit ihm im Ruhrgebiet. Nach der abermaligen Auflösung arbeitete er auf Gütern in Mecklenburg, Schlesien und Schleswig-Holstein mit kurzer Unterbrechung, während deren er mit den anderen Roßbachleuten bei der Herstellung des Films Fridericus Rex in Jüterbog Verwendung fand. Ende 1922 trat er dem »Verein für landwirtschaftliche [<<26||27>>] Berufsausbildung in Mecklenburg« bei, erhielt durch ihn weitere Stellen in Mecklenburg und war seit April 1923 in der Ziegelei des Gutbesitzers Schnütgen in Neuhof bei Parchim, wo er zur Zeit der Tat – noch als Vorarbeiter – in Arbeit stand und wo auch die Mitangeschuldigten Zabel und Jurisch beschäftigt waren. Höß ist im Januar 1923 Mitglied der Deutschen Freiheitspartei [sic] geworden.16
Das Mordopfer Kadow und die Angeklagten waren also nicht nur über den gemeinsamen Arbeitgeber, sondern auch durch ihre Zugehörigkeit zur Arbeitsgruppe Roßbach sowie zur rechtsradikalen Deutschvölkischen Freiheitspartei (DVFP) verbunden.
Den Hergang des »Fememordes« rekonstruierte der Oberreichsanwalt folgendermaßen:
Kadow war am 31. Mai 1923 mit einem Bekannten in Parchim erschienen und hatte den Kaufmann von Haarz um ein Darlehen von 5000 Mark gebeten.17 Er erhielt das Geld als Geschenk und machte sich mit Kumpanen auf den Weg in die Gastwirtschaft Luisenhof. Das war Bormann zu Ohren gekommen, der nun einem Arbeiter namens Kühl vorschlug, die Gelegenheit zu nutzen und Kadow einmal ordentlich zu verprügeln. Ein paar Kameraden sollten mit dem Jagdwagen nach Parchim fahren. Nach 11 Uhr abends kam die Mörderbande, zu der auch Höß gehörte, in der Gaststätte an. Kadow war längst betrunken und lag auf einem Sofa.
Höß hatte einen geladenen Revolver bei sich, die anderen Schlagringe und Gummiknüppel. Sie luden Kadow auf den Jagdwagen und nach kurzer Fahrt auf einer Chaussee bog das Gefährt auf Anweisung von Höß in ein Waldgebiet ab. Kadow wollte fliehen, wurde jedoch durch einen Warnschuss von Höß gestoppt. Höß brach zudem einen jungen Baum ab und schlug mit dem Stamm auf Kadows Schädel ein.18
Es wurde diskutiert, ob man Kadow waschen und in ein Krankenhaus bringen oder was sonst mit ihm geschehen solle. Schließlich setzte sich Höß mit seinem Vorschlag durch, Kadow im Wald zu vergraben: »Darauf setzte sich der Wagen abermals in Bewegung, indem Pfeiffer, wie bisher, unter Führung des Höß zunächst ungefähr 1½ km auf der Landstraße entlang fuhr und rechts in eine Waldschonung einbog. Nach einer weiteren Wegstrecke von etwa 400 m wurde Halt gemacht und der [<<27||28>>] in seine Pelerine gehüllte Kadow vom Gepäckträger herabgehoben und auf den Boden gelegt.«19
Dort durchtrennte Emil Wiemeyer ihm die linke Halsschlagader. Als Kadow sich weiterhin rührte, feuerte Höß einen Schuss auf den Kopf ab. Die Leiche wurde notdürftig verdeckt, der Wagen gereinigt. Am nächsten Morgen fuhren Höß und Zabel zum Tatort, vergruben die Leiche und bedeckten das Grab mit Heidekraut. Bormann, der am Mord nicht direkt beteiligt war, gab Höß, Zabel, Pfeiffer und Wiemeyer den Rat, aus der Gegend zu verschwinden. Die aber blieben, weil sie befürchteten, »durch ein gemeinsames, plötzliches Verschwinden Verdacht zu erwecken«.20
Eingeflochten sei an dieser Stelle, welches Risiko man eingeht, wenn man sich auf Sekundärquellen beruft. Dies zeigt gerade der »Parchimer Fememord«. So heißt es bei dem französischen Historiker Jean-Claude Pressac, fünf Tage nach der Hinrichtung von Schlageter habe Bormann die »Anweisung« erteilt, »den alten Lehrer Kadow« zu ermorden.21 Von einer Anweisung kann keine Rede sein und zum Zeitpunkt seines Todes war Kadow kein Lehrer und zudem gerade einmal dreiundzwanzig Jahre alt!
Einige Monate später wurden sieben der Beteiligten verhaftet. Nachdem die Staatsanwaltschaft Schwerin den Fall zunächst als unpolitische Prügelei unter Saufkumpanen mit tödlichem Ausgang wertete, zog der Ankläger beim Reichsgericht in Leipzig, Ludwig Ebermayer, den Fall auf Grundlage des Gesetzes zum Schutze der Republik an sich, so dass die Zuständigkeit an den Staatsgerichtshof in Leipzig überging. Höß gestand zunächst vor dem Amtsgericht Haynau die Tat, widerrief sein Geständnis jedoch wenig später.
Im »Parchimer Fememordprozess« unter Vorsitz von Richter Alexander Niedner wurde Höß am 15. März 1924 zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren Zuchthaus verurteilt, Bormann, der nach dem Mord versucht hatte, Spuren zu beseitigen, zu einem Jahr Gefängnis wegen Beihilfe und Begünstigung. Die übrigen Beteiligten – Bernhard Jurisch, Karl Zabel, Georg Pfeiffer, Emil Wiemeyer und Zenz – erhielten Gefängnisstrafen zwischen neuneinhalb und fünfeinhalb Jahren wegen schwerer Körperverletzung und vollendeten Totschlags.
Höß sagte später:
[<<28||29>>] Wir hatten den Verräter Schlageters an die Franzosen totgeschlagen. Und einer, der selbst dabei war, gab den Fall dem Vorwärts – der führenden sozialdemokratischen Zeitung – bekannt, angeblich aus Gewissensbissen, in Wirklichkeit, wie es sich später herausstellte, um sich Geld zu machen. Wie sich der ganze Fall in Wirklichkeit abgespielt hatte, konnte nicht geklärt werden. Der Anzeigende [gemeint ist Bernhard Jurisch] war bei dem Vorfall nicht nüchtern genug, um sich noch genau der Einzelheiten erinnern zu können. Die Wissenden schwiegen sich aus. Ich selbst war wohl dabei, aber weder Rädelsführer noch Hauptbeteiligter. Als ich während der Untersuchung merkte, dass der Kamerad, der der eigentliche Täter war, nur durch mich belastet werden konnte, nahm ich die Schuld auf mich, und er kam noch während der Untersuchung frei. Ich brauche nicht zu betonen, dass ich mit dem Tod des Verräters einverstanden war aus den oben geschilderten Beweggründen. Noch dazu, dass Schlageter mir ein alter, guter Kamerad war, mit dem ich schon im Baltikum und im Ruhrgebiet manch harten Strauß durchgekämpft hatte, mit dem ich in Oberschlesien hinter den feindlichen Linien gearbeitet hatte und mit dem ich manch dunklen Weg der Waffenbeschaffung gegangen war. Ich war damals – und bin es auch heute noch – fest davon überzeugt, dass dieser Verräter den Tod verdient hatte. Da aller Wahrscheinlichkeit nach kein deutsches Gericht ihn verurteilt haben würde, richteten wir ihn, nach einem ungeschriebenen Gesetz, das wir uns, aus der Not der Zeit geboren, selbst gegeben hatten.22
Erwiesen ist, dass es sich beim Mord an Kadow um einen besonders grausamen und brutalen Totschlag handelte. Zeugnisse dafür, dass Kadow ein Verräter war, gibt es nicht. Es verwundert kaum, dass Höß mit dieser Darstellung den »Fememord« beschönigt und – wie so oft – zum Mittel der Lüge griff. Dazu färbte er seine eigene Rolle schön und gerierte sich gar als Märtyrer, indem er behauptete, die Schuld auf sich genommen zu haben, um den eigentlichen Täter zu schützen. Die Ermordung Kadows rechtfertigte er und ging später sogar noch so weit, seine Tatbeteiligung zu leugnen. Am 25. März 1928 schrieb er aus der Brandenburger Haft an eine Frau Prof. Härtel in Nördlingen: Für die Schläge mit dem Baum habe er anderthalb Jahre Zuchthaus bekommen, für die eigentliche Tötung neun Jahre. Dabei sei er doch unschuldig. Während der Tötung Kadows sei er bei den Pferden gewesen und habe diese festgehalten.23 [<<29||30>>]
Im Brandenburger Zuchthaus
Nach der Untersuchungshaft in Leipzig verbüßte Höß einen Teil seiner Strafe im Zuchthaus Brandenburg. Über diese Zeit schrieb er:
Eine neue, mir bisher unbekannte Welt tat sich für mich auf. Es war zu der Zeit die Strafverbüßung in einem preußischen Zuchthaus wirklich kein Erholungsaufenthalt.24
(…) Schon in den ersten Tagen meiner Strafverbüßung wurde ich mir endlich über meine Lage eindeutig klar. Ich kam zur Besinnung. (…) Bisher hatte ich so in den Tag hineingelebt, hatte das Leben genommen, wie es sich mir bot, ohne mir Gedanken ernsthafter Art um meine Zukunft zu machen. Nun hatte ich Muße genug, über mein bisheriges Leben nachzudenken, meine Fehler und Schwächen zu erkennen und mich auf ein späteres, inhaltsreicheres Leben vorzubereiten.
Ich hatte zwar – zwischen den Freikorps-Einsätzen – einen Beruf erlernt, zu dem ich Lust und Liebe hatte und in dem ich vorwärtskommen konnte. Ich hatte Passion zur Landwirtschaft und auch schon Gutes geleistet, dafür sprachen meine Zeugnisse. Doch der wahre Lebensinhalt, das, was das Leben wirklich ausfüllt, das fehlte mir, war mir auch zu der Zeit noch nicht erkennbar.25
(…) Ich gewöhnte mich an den rauen Umgangston der unteren Beamten, die, je primitiver sie waren, desto mehr ihren willkürlichen Machtgelüsten frönten. Ich gewöhnte mich auch daran, die von solchen in jeder Hinsicht beschränkten Beamten gegebenen, oft unsinnigsten Anordnungen willig und ohne innere Auflehnung, ja mit einem inneren Schmunzeln, auszuführen. Ich gewöhnte mich an den rohen, gemeinen Umgangston, mit dem sich die meisten Gefangenen dort begegneten. Doch nie konnte ich mich daran gewöhnen, obwohl dies täglich geschah, wenn von den Gefangenen über alles, was schön und gut am Leben war und was vielen Menschen heilig galt, gemein, frivol und gehässig hergezogen wurde; besonders verletzend, wenn sie merkten, dass sie damit einem Mitgefangenen wehtun konnten. So Gehörtes hat mich immer aufgeregt.
Ein gutes Buch ist mir allzeit ein guter Freund gewesen.26
(…) Ich bekam fortgesetzt von Kameraden und bekannten Familien gute und wertvolle Bücher aus allen Gebieten. Für Geschichte, Rassenkunde und [<<30||31>>] Vererbungslehre jedoch interessierte ich mich besonders und beschäftigte mich damit am liebsten.27
Neun Monate verbrachte Höß in Untersuchungshaft in Leipzig und trat am 10. April 1924 nach seiner Verurteilung wegen schwerer Körperverletzung und vollendeten Totschlags im Zuchthaus Brandenburg eine zehnjährige Freiheitsstrafe an, die jedoch aufgrund einer Reichsamnestie auf fünf Jahre verkürzt wurde. Die Personalakten für diese Zeit befinden sich im Landeshauptarchiv Brandenburg in Potsdam und geben Auskunft über seinen Zuchthausalltag, seine Besuche und Anträge an die Zuchthausleitung, sein Denken und sein Verhältnis zum Nationalsozialismus. Obwohl Höß eine prägende – und seinen Charakter entlarvende – Zeit im Brandenburger Zuchthaus zubrachte, ist diese wichtige Fundstelle von Höß-Biographen bisher weitgehend außer Acht gelassen worden.
Mit Schreiben des Oberreichsanwalts an die Strafanstalt Brandenburg wurde der »landwirtschaftliche Arbeiter Rudolf Höß zur Einlieferung gebracht «,28 wobei »die Strafe ab 15. März 1924 nachmittags, 6 Uhr zu berechnen und nach Maßgabe des Herrn Oberreichsanwalts in Einzelhaft zu vollstrecken« war. Höß erhielt die Gefangenennummer 2934/28 und bekam am 10. April 1924 unter anderem folgende Ausstattung:
– 1 Hose braun Manchester
– 1 Jackett grau und graues Leinen, Reithose, – 1 Hemd Leinen, Kurzhemd
– 1 Paar Strümpfe grau, Wolle
– 1 Paar Stiefel, Schaft
– 1 Schlips, Selbstbinder
– 1 Taschentuch weiß
Ferner wurden ihm eine Haarbürste, ein weißer Leibriemen, eine Schachtel Schuhcreme, eine Schuhbürste und eine Zahnbürste ausgehändigt.
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[<<32||33>>] In seiner Selbstauskunft für die Leitung der Strafanstalt vom 22. 1924 schrieb Höß, zur Tatzeit bei seinem letzten Arbeitgeber, der Ziegelei Neuhof bei Parchim, ein Einkommen von drei Zentner Roggen monatlich erhalten zu haben.29