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Manfred Stöhr

Robert Pfister

Klinische Elektromyographie und Neurographie – Lehrbuch und Atlas

6., überarbeitete und erweiterte Auflage

Verlag W. Kohlhammer

 

 

Dieses Werk ist unter der Mitarbeit folgender Autoren entstanden:

M. Bluthardt (1–2. Auflage)

S. Gierer (4. Auflage)

R. Pfister (3.–5. Auflage)

K. Scheglmann (3.–5. Auflage)

W. Schulte-Mattler (5. Auflage)

H. Voelter (3. Auflage)

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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6., überarbeitete und erweiterte Auflage 2014

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-021473-6

E-Book-Formate:

pdf:       ISBN 978-3-17-028373-2

epub:    ISBN 978-3-17-028374-9

mobi:    ISBN 978-3-17-028375-6

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Vorwort zur sechsten Auflage

 

 

»Nerve conduction studies and electromyography are an extension of the clinical examination.«

(DC Preston, BE Shapiro)

Die verschiedenen elektromyographischen und neurographischen Techniken sind nicht nur unverzichtbar in der Diagnostik peripherer Nervenläsionen und neuromuskulärer Erkrankungen, sondern bieten darüber hinaus wertvolle Hinweise bei einigen zentralnervösen und vegetativen Funktionsstörungen. Absolute Voraussetzungen für deren sinnvolle Anwendungen sind detaillierte Kenntnisse von Anamnese und klinischem Befund, da nur dann ein gezielter Einsatz der jeweils geeigneten Methoden und eine auf den Einzelfall zugeschnittene Befundinterpretation gewährleistet sind. Daher besteht ein Hauptanliegen der vorliegenden Neuauflage in einer besseren Verzahnung von Elektrophysiologie und Klinik durch Textergänzungen, Querverweise und tabellarische Übersichten.

Die in den letzten Jahren erzielten Fortschritte im Verständnis neuromuskulärer Krankheiten boten einen willkommenen Anlass zur Neufassung der Kapitel Polyneuropathien, Motoneuronerkrankungen und Myopathien. Außerdem wurden die Abschnitte über die diversen Dystonien und Tremortypen nicht nur auf den neuesten Stand gebracht, sondern darüber hinaus auf die diagnostisch wichtigen Aspekte komprimiert.

Beim Vergleich mit anderen Standardwerken der Elektromyographie ist die deutlich breitere Palette der aufgenommenen Untersuchungsmethoden sowie deren Einsatzmöglichkeiten hervorzuheben. So werden die in der Diagnostik proximaler Abschnitte des peripheren Nervensystems unverzichtbaren Techniken der Magnet- und Hochvolt-Stimulation sowie spezieller SEP-Ableitungen einbezogen, was beispielsweise in der Frühdiagnostik des Guillain-Barré-Syndroms, der CIDP (Chronic Inflammatory Demyelinating Polyneuropathy) von entscheidender Bedeutung sein kann und vielfach erst die dringend gebotene frühzeitige Therapie ermöglicht. Außerdem bleibt die elektromyographische Ableitetechnik nicht auf die gängigen Muskeln beschränkt, sondern bezieht Zwerchfell, Beckenboden-, Bauch- und Kehlkopfmuskulatur mit ein. Desweiteren findet sich eine detaillierte Darstellung der durch Botox-Injektionen behandelbaren Leiden, wie z. B. Dystonien, Dyskinesien, Spasmen, Schreib- und Musikerkrämpfe, sowie eine Besprechung vegetativer Funktionstests, um den Nachweis einer Mitbeteiligung des autonomen Nervensystems bei Polyneuropathien und anderen Erkrankungen zu ermöglichen. Schließlich wird die in der Zusammenarbeit mit Chirurgen, Urologen und Gynäkologen wichtige Erfassung neurogener Blasen-, Mastdarm- und Potenzstörungen ausführlich erörtert und durch Abbildungsbeispiele veranschaulicht.

Wir hoffen, dass die seit 31 Jahren erfahrene Wertschätzung früherer Auflagen auch der 6. Auflage zuteil werden wird und dass sie vielen elektromyographisch tätigen Kolleginnen und Kollegen eine Hilfe bei der Diagnostik und Befundinterpretation zu bieten vermag.

Zu danken haben wir Frau Dr. Gotlind Blechschmid für Ihre Hilfe beim Schreiben und Lektorieren der zahlreichen Ergänzungen, sowie Herrn Dr. Poensgen, Herrn Rose und dem Kohlhammer Verlag für die optimale Zusammenarbeit und die vorzügliche Ausstattung dieser Neuauflage.

Augsburg, Sommer 2014

M. Stöhr, R. Pfister

Vorwort zur fünften Auflage

 

 

»Alles was sich aussprechen lässt, lässt sich klar aussprechen«

(Ludwig Wittgenstein)

Nachdem der Textteil des vorliegenden Werkes zwischenzeitlich einen erheblichen Umfang angenommen hat, wurde der Titel der fünften Auflage geändert in »Klinische Elektromyographie und Neurographie – Lehrbuch und Atlas«. Trotzdem bleibt die reichhaltige Illustration ein Schwerpunkt des Buches, und durch die Aufnahme von 35 neuen Zeichnungen und Kurvenbeispielen ist die Zahl der Abbildungen auf 335 angewachsen, wodurch eine optimale Anschaulichkeit garantiert ist. Der Textteil wurde unter Berücksichtigung der wichtigsten in den zurückliegenden sechs Jahren publizierten EMG-Arbeiten vollständig neu bearbeitet.

Im Unterschied zu den meisten EMG-Büchern wird einerseits größter Wert auf höchste Druck- und Abbildungsqualität gelegt und es erfolgt andererseits keine Beschränkung auf die Einsatzmöglichkeiten bei den diversen neuro-muskulären Erkrankungen. Vielmehr berücksichtigt die vorliegende Darstellung das gesamte diagnostische Spektrum, wie z. B. die im Rahmen der Botulinumtoxin-Therapie immer wichtiger werdenden Dystonien, die diversen Tremor-Formen und Myoklonie-Syndrome, das Stiff-Man-Syndrom, Facialis-, Masseter- und Blepharospasmus, die Frühdiagnose des lokalisierten und generalisierten Tetanus sowie den Einsatz der verschiedenen Hirnstammreflexe bei der Topodiagnostik von Hirnstamm-Syndromen. Auch die in der Zusammenarbeit mit Urologen, Gynäkologen und Proktologen immer häufiger geforderte Abklärung neurogener Blasen-, Mastdarm- und Potenzstörungen wird ausführlich erörtert und durch Abbildungsbeispiele veranschaulicht. Schließlich wird auf die Möglichkeiten der Funktionsdiagnostik des autonomen Nervensystems eingegangen, welches bei einer Reihe von Erkrankungen des peripheren und des zentralen Nervensystems involviert ist. Damit bietet das Buch nicht nur eine Hilfe bei der Klärung neuro-muskulärer Erkrankungen, sondern deckt das gesamte Spektrum sinnvoller Einsatzmöglichkeiten der Elektromyographie und Neurographie ab.

Nachdem die Manifestationsformen von Immun-Neuropathien immer vielfältiger und die therapeutischen Möglichkeiten immer besser werden, wird deren ebenso frühzeitiger wie zuverlässiger Erfassung größte Aufmerksamkeit geschenkt. Wenn auf Grund der derzeit gültigen diagnostischen Kriterien eine große Zahl von Guillain-Barré-Syndromen durch das diagnostische Raster fallen und statt einer kompetenten EMG-Diagnostik anachronistische Methoden wie die Ermittlung der zyto-albuminären Dissoziation zum Einsatz kommen, kann nur mit Nachdruck auf die Notwendigkeit der neurographischen Überprüfung proximaler Nervenabschnitte mittels Hochvoltstimulation verwiesen werden. Analoges gilt für die chronischen Immun-Neuropathien wie die CIDP, die MMN und die Gammopathie-assoziierten Formen.

Die Diagnostik des Karpaltunnelsyndroms, häufigste Manifestation einer Nervenkompression, ist in den letzten Jahren durch die Bestimmung der transpalmaren sensiblen Latenz und durch die vergleichende Messung der distalen motorischen Latenz zu den Mm. lumbricalis II und interosseus dorsalis II weiter verbessert worden, sodass diese Methoden samt Beurteilungskriterien neu aufgenommen wurden.

Bei der Neubearbeitung der fünften Auflage waren wiederum meine Oberärzte Dr. Robert Pfister und Dr. Konrad Scheglmann beteiligt, wobei Herr Pfister zahlreiche instruktive Abbildungsbeispiele beisteuerte und die Kapitel über vegetative Funktionsdiagnostik, anogenitale Syndrome und die Palette der diversen extrapyramidal motorischen Syndrome überarbeitete. Herr Scheglmann brachte die Kapitel über neuro-muskuläre Überleitungsstörungen und deren Diagnostik auf den neuesten Stand und verfasste die Beiträge zum Thoracic-outlet-Syndrom und zur Critical Illness Polyneuropathie. Herr Privatdozent Dr. Schulte-Mattler aus der Neurologischen Universitätsklinik Regensburg erklärte sich dankenswerter Weise bereit, den Abschnitt über elektromyographische Analysetechniken neu zu bearbeiten und durch Abbildungsbeispiele zu veranschaulichen.

Meine Sekretärin, Frau Vollmann, schrieb in vorbildlicher Weise die zahlreichen Textergänzungen und -korrekturen. Zu danken habe ich auch den neurophysiologischen Assistentinnen und den im EMG-Labor tätigen ärztlichen Mitarbeitern, die mit Sachkenntnis und Geduld neue Messverfahren einsetzten und deren Zuverlässigkeit im Praxisalltag überprüften.

Nur noch wenige Verlage leisten sich den Luxus, perfekte Zeichnungen von Grafikern mit spezieller medizinischer Expertise erstellen zu lassen. Umso dankbarer bin ich, dass der Kohlhammer-Verlag wiederum Herrn Gattung mit der Anfertigung der neu anfallenden Zeichnungen beauftragte, sodass das von früheren Auflagen gewohnte hohe Niveau aufrechterhalten blieb. Herrn Dr. Poensgen danke ich für die Unterstützung bei der Vorbereitung der Neuauflage und dem Kohlhammer Verlag für die hervorragende Ausstattung.

Augsburg, Oktober 2004

M. Stöhr

Vorwort zur vierten Auflage

 

 

»EMG can be invaluable, valuable or valueless«

»The services of an inadequate electromyographer are more dangerous than none at all«

Payan, 1996

Die zunehmende Verbreitung der EMG-Diagnostik inner- und außerhalb des neurologischen Fachgebietes geht bedauerlicherweise nicht selten mit einer Qualitätsminderung einher, sodass die obigen Zitate eines erfahrenen EMGisten höchst aktuell sind. Die elektromyographischen und neurographischen Techniken liefern nur in der Hand des Könners aussagekräftige Befunde, die zudem stets kritisch mit den klinischen Befunden in Beziehung gesetzt werden müssen, um Fehlbeurteilungen – vor allem Überinterpretationen diskreter Normabweichungen – zu vermeiden. So ist z. B. nicht jede nachweisbare Leitungsverzögerung an einer physiologischen Engstelle klinisch relevant oder gar operationsbedürftig.

Grundvoraussetzung für eine optimale EMG-Diagnostik ist eine adäquate Untersuchungstechnik, sodass Kapitel 1 dieser Neuauflage einer Überarbeitung mit Einbeziehung neuerer Methoden und quantitativer Analyseverfahren unterzogen wurde. Die Techniken der EMG-gesteuerten Botulinumtoxin-lnjektion, der intrarektalen N. pudendus-Stimulation, der EMG-Ableitung aus Zwerchfell- und Kehlkopfmuskulatur, der Neurographie sensibler Unterarmnerven, der vegetativen Funktionsprüfungen, sowie Reflexhammergetriggerter Reflexuntersuchungen wurden neu aufgenommen.

Im Kapitel » Allgemeine Untersuchungsbefunde« erfolgte eine rationalere Einteilung der verschiedenen Formen pathologischer Spontanaktivität, die das Verständnis und damit die Interpretation erleichtern. Verbessert und erweitert wurden die Darstellungen der Innervationsanomalien sowie der Impulsleitung unter normalen und pathologischen Bedingungen unter besonderer Berücksichtigung der zunehmend wichtigeren Immun-Neuropathien.

Der umfangreiche Abschnitt über spezielle Krankheitsbilder erfuhr eine weitgehende Umarbeitung, besonders auch der praktisch wichtigen radikulären Syndrome und Polyneuropathien. Weiter sind zu nennen die elektrophysiologische Diagnostik der Blasen-Mastdarm- und Potenzstörungen, die Erweiterung der Fazialisdiagnostik sowie eine komplette Neubearbeitung der immer wichtiger werdenden EMG-Diagnostik bestimmter zentralnervöser Syndrome (Dystonien, Tremor, Myoklonien). Soweit verfügbar wurden internationale Diagnostik-Kriterien für wichtige Krankheitsbilder integriert, wobei diese als Richtlinien verstanden werden sollten und eine intelligente Verwendung der erhobenen Daten ohne stures Festhalten an bestimmten Schemata keineswegs ausschließen (»One danger is of missing patients who have the disease but not the criteria«, Payan, 1996).

Bei der Neubearbeitung des Atlas waren erneut meine Oberärzte Dr. Robert Pfister und Dr. Konrad Scheglmann, außerdem Herr Dr. Stefan Gierer beteiligt, wobei Herr Pfister die Kapitel über vegetative Funktionsdiagnostik, Dystonien, Tremor und Myoklonien vollständig neu verfasste und instruktives Abbildungsmaterial beisteuerte. Optimale Assistenz in den EMG-Labors erfuhren wir durch die elektrophysiologischen Assistentinnen Sieglinde Böck, Sabine Hartmann, Birgit Lang und Regine Scheuer. Die graphisch ansprechenden Neuzeichnungen erfolgten wiederum durch Herrn Gattung. Das Manuskript schrieb in bewährter Weise meine Sekretärin Frau Silke Friedsam. Ihnen allen sei für ihre Mühe herzlich gedankt. Dem Kohlhammer Verlag mit Herrn Dr. Beyer, Herrn Rigling und deren Mitarbeitern danke ich für die gute Zusammenarbeit und die hervorragende Ausstattung des Buches.

Augsburg, März 1998

M. Stöhr

Vorwort zur dritten Auflage

 

 

Die dritte Auflage des EMG-Atlas war ein willkommener Anlass, eine vollständige Neubearbeitung sowohl des Textes als auch des Abbildungsteils vorzunehmen, wobei die reichhaltige Literatur der vergangenen fünf Jahre und inzwischen gewonnene eigene Erfahrungen Berücksichtigung fanden. So sind mehr als 50 neue Abbildungen hinzugekommen, und auch der Textumfang hat im Vergleich zu den beiden ersten Auflagen deutlich zugenommen, wobei durch platzsparende Anordnung der Abbildungen und des Textes eine Zunahme des äußeren Umfangs weitgehend vermieden werden konnte. Dies ist – außer durch fällige Ergänzungen in allen Abschnitten – bedingt durch neu aufgenommene Untersuchungstechniken, wobei der diagnostische Einsatz der Magnetstimulation bei Läsionen des peripheren Nervensystems sowie der bei Sphinkter- und Potenzstörungen wichtige Bulbocavernosus-Reflex hervorzuheben sind. Andererseits wurde – einer Besprechung der zweiten Auflage von B. Emeryk folgend – eine wesentlich ausführlichere Darstellung der zunehmend wichtigeren Polyneuropathien, Myopathien und Vorderhorn-Erkrankungen vorgenommen, wobei der Erkennung immunologisch bedingter und damit behandelbarer Formen besondere Beachtung geschenkt wurde. Zur Erleichterung des diagnostischen Vorgehens wurden außerdem Richtlinien für die sinnvolle Aufeinanderfolge der einzelnen Untersuchungsschritte erarbeitet und tabellarisch zusammengefasst.

Im Hinblick auf die zunehmende Verbreitung elektrophysiologischer Untersuchungstechniken muss mit aller Entschiedenheit darauf hingewiesen werden, dass Elektromyographie nicht losgelöst vom klinischen Untersuchungsbefund durchgeführt werden darf, sondern eine detaillierte Kenntnis von Vorgeschichte und aktuellem klinischen Befund voraussetzt. Die Elektromyographie ist eine Hilfsmethode, deren zahlreiche Einzeltechniken maßgeschneidert bei jedem Patienten zur Anwendung kommen müssen, und zwar in enger Anlehnung an die jeweilige klinische Fragestellung. Ein zweiter in diesem Zusammenhang wichtiger Gesichtspunkt betrifft die Qualifikation des Untersuchers. Voraussetzung für eine sinnvolle Durchführung elektromyographischer Techniken sind nicht nur deren Beherrschung samt Kenntnis der Fehlermöglichkeiten, sondern darüber hinaus eingehende Kenntnisse in der »peripheren Neurologie«, die eine adäquate Einordnung und Bewertung der erhobenen Befunde erst ermöglicht.

Bei den Vorbereitungen zur dritten Auflage waren erstmals drei Mitarbeiter aus der eigenen Klinik beteiligt, wobei Dr. Pfister die Abschnitte über Magnetstimulation und Analreflexe, Dr. Scheglmann Teile der sensiblen Neurographie und der Vorderhorn-Erkrankungen und Dr. Voelter einzelne neurographische Techniken sowie die neu erstellten Normwerttabellen bearbeiteten. Frau Bahl trug durch mehrere instruktive Originalaufzeichnungen zur Ausgestaltung des Bildteiles bei. Die neu angefertigten und die modifizierten Zeichnungen wurden von Herrn Gattung in ansprechender und aussagekräftiger Form erstellt. Perfekte technische Assistenz in den EMG-Labors erfuhren wir durch die neurophysiologischen Assistentinnen R. Bahl, C. Haunz und C. Hartmuth. Das Manuskript schrieb in bewährter Weise Frau Ulrich. Ihnen allen sei herzlich für die Mühe gedankt. Nicht zuletzt danken wir Herrn Dr. Beyer, Herrn Rigling und Frau Stotz für die stets angenehme Zusammenarbeit.

 

Augsburg, Sommer 1992

M. Stöhr

Vorwort zur zweiten Auflage

 

 

Vier Jahre nach dem Erscheinen der ersten Auflage wird die völlig neu bearbeitete und erweiterte zweite Auflage des Atlas der klinischen Elektromyographie und Neurographie vorgelegt. Nachdem sich sowohl viele klinische Neurophysiologen als auch niedergelassene Nervenärzte und Orthopäden überwiegend positiv über die erste Auflage geäußert hatten, hielten wir an dem Grundkonzept instruktives Abbildungsmaterial mit knappem Begleittext – fest. In dem Abschnitt über Untersuchungstechnik versuchten wir durch Einfügen mehrerer Abbildungen mit Muskel-Querschnitten das Auffinden tiefliegender Muskeln im Unterarm- und Unterschenkel-Bereich zu erleichtern. Außerdem wurden die Untersuchungsmethoden der sensiblen Neurographie der Nn. cutaneus femoris lateralis, saphenus (Oberflächenableitung) und – ulnaris (R. dorsalis) aufgenommen und die zunehmend wichtiger werdende Untersuchung der frühen und späten Analreflexe neu bearbeitet und illustriert. Ergänzt wird der Methodikteil durch eine tabellarische Übersicht mit den bei den verschiedenen Untersuchungsverfahren empfohlenen Geräteeinstellungen.

Das Kapitel über allgemeine Untersuchungsbefunde wurde nicht nur auf den neuesten Stand gebracht, sondern auch durch teils neue, teils verbesserte Abbildungen erweitert. Darüber hinaus erfolgte eine Neubearbeitung sämtlicher Normwerttabellen mit übersichtlicher Darstellung der diagnostisch besonders wichtigen Normgrenzwerte. Außerdem wurden alle Tabellen am Schluss des Buches nochmals zusammengefasst, um diese bei der Auswertung von elektromyographischen und neurographischen Messungen an einer Stelle verfügbar zu haben.

Bei der Darstellung der elektrophysiologischen Befunde bei speziellen neuro-muskulären Erkrankungen wurden die Abschnitte über Spasmus hemifacialis und Neuromyotonie neu geschrieben bzw. erstmals aufgenommen. Weiterhin erfolgte eine Bearbeitung der übrigen Abschnitte und deren Ergänzung durch zahlreiche neue bzw. verbesserte Abbildungen. Schließlich wurde das Literaturverzeichnis durch wichtige Arbeiten aus den letzten Jahren auf den neuesten Stand gebracht.

Bei den Arbeiten zur zweiten Auflage erfuhren wir wiederum wertvolle Hilfe von Kollegen und Mitarbeitern, von denen besonders die Herren Privatdozent Dr. Wiethölter (Universität Tübingen) und Dr. Riffel sowie Frl. Bahl und Frl. Haunz zu nennen sind. Das Manuskript schrieb in bewährter Weise Frl. Pfiffner. Sämtliche neu hinzugekommenen Zeichnungen wurden von Herrn Kentner in graphisch geglückter Weise angefertigt, der unseren zahlreichen Korrekturwünschen geduldig nachkam. Schließlich gilt unser Dank dem Kohlhammer-Verlag und seinen Mitarbeitern, besonders den Herren Dr. Beyer und Rigling für manchen Rat und für die sorgfältige Ausstattung, die auch dieser Neuauflage zuteil wurde.

Wir hoffen, dass die zweite Auflage des EMG-Atlas den Bedürfnissen der auf diesem Gebiet tätigen Kollegen in noch besserer Weise nachkommt, als uns dies für die erste Auflage von vielen Seiten bestätigt wurde. Für Hinweise auf Unklarheiten, fehler- oder lückenhafte Darstellungen sowie für Verbesserungsvorschläge sind wir jederzeit dankbar.

Augsburg und Ludwigsburg, Sommer 1987

Vorwort zur ersten Auflage

 

 

Sowohl im deutschen als auch im englischen Sprachraum existieren gute Einführungen in die klinische Elektromyographie und Neurographie. Im Unterschied zu anderen Gebieten der klinischen Neurophysiologie fehlt dagegen bislang ein EMG-Atlas mit umfangreichem Abbildungsteil als Anschauungsmaterial für den Unterricht und als Nachschlagewerk für den Erfahrenen. Der vorliegende Atlas soll diesem Mangel abhelfen, wobei mit dessen drei Abschnitten die folgenden Ziele verfolgt werden: Das Kapitel »Untersuchungstechnik« soll dem Anfänger und dem weniger Erfahrenen eine Aneignung bzw. Vertiefung der verschiedenen elektromyographischen und neurographischen Methoden ermöglichen. Bei den Zeichnungen zu diesem Kapitel wurde größter Wert auf Anschaulichkeit und Beschränkung auf das Wesentliche gelegt. Hierzu wurden die für myographische und neurographische Untersuchungen wichtigsten Muskeln und Nerven in der Position gezeichnet, in der sich diese dem untersuchenden Arzt präsentieren, also bei geläufigen Gliedmaßenstellungen und gewissermaßen »durch die Haut hindurch«, um das Auffinden der zu untersuchenden Strukturen zu erleichtern. Im Begleittext zu diesem Kapitel werden nicht nur das methodische Vorgehen skizziert, sondern außerdem Richtlinien für die Indikationen zu den einzelnen Untersuchungen dargelegt.

Im Kapitel »Allgemeine Untersuchungsbefunde« wird eine umfassende Darstellung normaler und krankhafter myographischer und neurographischer Befunde gegeben, wobei die Abbildungen anhand eines kurzen, aber alle praktisch wichtigen Aspekte berücksichtigenden Begleittextes interpretiert werden. Durch Einfügung schematischer Darstellungen soll das Verständnis für die Pathophysiologie wichtiger elektromyographischer Phänomene erleichtert werden.

Das umfangreichste Kapitel dient der Darstellung der elektromyographischen Befunde bei bestimmten Krankheitsbildern mit Konzentration auf häufigere neuromuskuläre Störungen. Daneben wurden auch einzelne seltenere Erkrankungen des peripheren und zentralen Nervensystems aufgenommen, um hierbei erforderliche speziellere Untersuchungsverfahren und -befunde beispielhaft darzustellen.

Das Buch stützt sich auf unsere langjährige gemeinsame Tätigkeit im EMG-Labor der Neurologischen Universitätsklinik Tübingen, wobei wir Hilfe von vielen Kollegen erhalten haben.

Zu besonderem Dank verpflichtet sind wir den Herren Privatdozent Dr. Schumm, Dr. Koenig, Dr. Riffel und Dr. Scholz sowie unserer EMG-Assistentin Frau Geißler. Herr Prof. Dichgans hat unser Vorhaben durch Ratschläge und großzügige Unterstützung gefördert und uns den letzten Anstoß zur Abfassung des Buches gegeben. Wertvolle Anregungen bei speziellen neurographischen Messungen erhielt einer von uns (M.S.) durch Prof. Gilliatt und Dr. Willison anläßlich eines von der DFG unterstützten Forschungsaufenthaltes am National Institute of Neurology, London.

Die Zeichnungen wurden von Herrn Czerpes angefertigt, der unsere Vorlagen in instruktive und ästhetisch ansprechende Bilder übertrug und unseren zahlreichen Korrekturwünschen geduldig nachkam. Das Schreiben des Manuskripts besorgte Frl. Pfiffner, die Zusammenstellung der Literatur Frau Tina Stöhr. Herr Dr. Kübler vom Verlag W. Kohlhammer ermunterte uns nicht nur zur Abfassung des Buches, sondern war auch in allen Phasen der Fertigstellung beratend und vermittelnd tätig und gab uns, gemeinsam mit Herrn Rigling vom Verlag W. Kohlhammer und Herrn Hämmerle von der Firma Art Fabrikation, wichtige Ratschläge bei dessen Gestaltung. Dem Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart, sind wir für die Großzügigkeit bei der Anfertigung der zahlreichen Zeichnungen und für die gute Ausstattung des Buches zu Dank verpflichtet.

Augsburg und Ludwigsburg, Sommer 1983

M. Stöhr, M. Bluthardt

1 Als Vorlagen für die Muskel- und Nerven-Abbildungen dienten die anatomischen Werke von Sobotta/Becher, Toldt/Hochstetter, Sieglbauer, Goodgold und v. Lanz/Wachsmuth.

Inhaltsverzeichnis

 

 

  1. Vorwort zur sechsten Auflage
  2. 1 Untersuchungstechnik
  3. 1.1 Voraussetzungen
  4. 1.1.1 Indikationen
  5. 1.1.2 Qualifikation des Untersuchers
  6. 1.1.3 Apparative Voraussetzungen und Elektroden
  7. 1.2 EMG-Ableitung
  8. 1.2.1 Einleitung
  9. 1.2.2 Allgemeine Hinweise zur Durchführung einer EMG-Ableitung
  10. 1.2.3 Spezielle Analysetechniken
  11. 1.2.3.1 Technik der Einzelfaser-Elektromyographie
  12. 1.2.3.2 Makro-EMG
  13. 1.2.3.3 Automatische Analyse der Potenziale motorischer Einheiten
  14. 1.2.4 EMG-Ableitungen aus der Arm- und Schultergürtelmuskulatur
  15. 1.2.5 EMG-Ableitungen aus der Bein- und Beckengürtelmuskulatur
  16. 1.2.6 EMG-Ableitungen aus Kopf-, Hals- und Rumpf-Muskeln
  17. 1.3 Motorische und sensible Neurographie
  18. 1.3.1 Technik der motorischen Neurographie
  19. 1.3.2 Technik der sensiblen Neurographie
  20. 1.3.3 NLG-Messungen an der oberen Extremität und dem Schultergürtel
  21. 1.3.3.1 Motorische Neurographie
  22. 1.3.3.2 Sensible Neurographie
  23. 1.3.4 NLG-Messungen an der unteren Extremität und dem Beckengürtel
  24. 1.3.4.1 Motorische Neurographie
  25. 1.3.4.2 Sensible Neurographie
  26. 1.3.5 NLG-Messungen an Hirnnerven
  27. 1.3.6 Magnet- und Hochvoltstimulation
  28. 1.3.6.1 Magnetstimulation
  29. 1.3.6.2 Hochvoltstimulation
  30. 1.3.6.3 Probleme bei der Interpretation der Befunde
  31. 1.4 Reflex- und F-Wellen-Untersuchungen
  32. 1.4.1 Orbicularis oculi-Reflex
  33. 1.4.2 Masseterreflex
  34. 1.4.3 Kieferöffnungsreflex (Masseter-Hemmreflex)
  35. 1.4.4 H-Reflex
  36. 1.4.5 Sakralreflexe
  37. 1.4.5.1 Bulbocavernosus-Reflex
  38. 1.4.5.2 Analreflex
  39. 1.4.6 Reflexhammer-getriggerte Reflexuntersuchungen an den Extremitäten
  40. 1.4.7 F-Wellen
  41. 1.4.8 A-Wellen
  42. 1.5 Neuromuskuläre Überleitung
  43. 1.5.1 Einleitung
  44. 1.5.2 Untersuchungstechnik
  45. 1.6 Diagnostik des vegetativen Nervensystems
  46. 1.6.1 Sympathische Hautantwort (sympathischer Hautreflex)
  47. 1.6.2 Herzfrequenzanalysen
  48. 2 Allgemeine Untersuchungsbefunde
  49. 2.1 EMG-Befunde
  50. 2.1.1 Spontanaktivität
  51. 2.1.1.1 Physiologische Spontanaktivität
  52. 2.1.1.2 Pathologische Spontanaktivität
  53. 2.1.1.3 Ursprungsorte von physiologischer und pathologischer Spontanaktivität
  54. 2.1.2 Muskelaktionspotenziale und Aktivitätsmuster
  55. 2.1.2.1 Normalbefunde
  56. 2.1.2.2 Myopathie
  57. 2.1.2.3 Neuropathie
  58. 2.1.2.4 Reinnervation
  59. 2.1.2.5 Doppel- und Mehrfachentladungen von MAP
  60. 2.2 Neurographie
  61. 2.2.1 Impulsleitung unter physiologischen und pathologischen Bedingungen
  62. 2.2.1.1 Normalbefunde
  63. 2.2.1.2 Motorische Neurographie
  64. 2.2.1.3 Sensible und gemischte Neurographie
  65. 2.2.2 Neurographische Befunde bei umschriebenen Nervenläsionen
  66. 2.2.2.1 Impulsleitung bei Engpass- und anderen chronischen Kompressionssyndromen
  67. 2.2.2.2 Impulsleitung nach akuter exogener Nervenkompression mit Leitungsblock
  68. 2.2.2.3 Neurographische Befunde bei Wallerscher Degeneration
  69. 2.2.2.4 Impulsleitung in frühen und späten Reinnervationsstadien
  70. 2.2.2.5 Die sensible Neurographie bei der Unterscheidung supra- und infraganglionär lokalisierter Nervenläsionen
  71. 2.2.3 Neurographische Befunde bei generalisierten Neuropathien
  72. 2.2.3.1 Nachweis von Leitungsblock und temporaler Dispersion
  73. 2.2.3.2 Ausgebreitete Neuropathien mit segmentaler Demyelinisierung
  74. 2.2.3.3 Ausgebreitete Neuropathien mit Axondegeneration
  75. 2.2.4 Magnet- und Hochvoltstimulation
  76. 2.2.5 Fehlermöglichkeiten bei neurographischen Messungen
  77. 2.2.6 Innervationsanomalien
  78. 2.3 Reflex- und F-Wellen-Befunde
  79. 2.3.1 Orbicularis oculi-Reflex
  80. 2.3.2 Masseterreflex
  81. 2.3.3 Kieferöffnungsreflex
  82. 2.3.4 H-Reflex
  83. 2.3.5 Sakralreflexe
  84. 2.3.5.1 Bulbocavernosus-Reflex
  85. 2.3.5.2 Analreflex
  86. 2.3.6 Muskeleigenreflexe
  87. 2.3.7 F-Wellen
  88. 2.3.8 A-Wellen
  89. 2.4 Befunde bei Prüfung der neuromuskulären Überleitung
  90. 2.4.1 Physiologie und Pathophysiologie der neuromuskulären Impulsübertragung
  91. 2.4.2 Befunde bei prä- und postsynaptischen Überleitungsstörungen
  92. 2.5 Befunde der vegetativen Funktionsdiagnostik
  93. 2.5.1 Sympathische Hautantwort (sympathischer Hautreflex)
  94. 2.5.2 Herzfrequenzvarianzanalysen
  95. 2.6 Besonderheiten der EMG-Diagnostik bei Kindern
  96. 3 Spezielle Krankheitsbilder
  97. 3.1 Umschriebene Nervenläsionen an Arm und Schultergürtel
  98. 3.1.1 Engpasssyndrome
  99. 3.1.1.1 Karpaltunnelsyndrom
  100. 3.1.1.2Ulnarisneuropathie am Ellenbogen (UNE)
  101. 3.1.1.3 Distales Ulnaris-Kompressionssyndrom (»Syndrome de la loge de Guyon«)
  102. 3.1.1.4 Chronische Kompressionssyndrome des N. radialis
  103. 3.1.1.5 Chronische Kompression des N. suprascapularis
  104. 3.1.2 Armnervenläsionen durch äußere Einwirkungen
  105. 3.1.2.1 Traumatische und operative Armnervenläsionen
  106. 3.1.2.2 Lagerungsbedingte Paresen
  107. 3.1.2.3 Sonstige Nervenläsionen an Arm- und Schultergürtel
  108. 3.1.3 Armplexusläsionen
  109. 3.1.3.1 Typen von Armplexusparesen
  110. 3.1.3.2 Ursachen von Armplexusparesen
  111. 3.1.3.3 Elektrophysiologische Differenzial-Diagnose zwischen Armplexus- und Zervikalwurzelläsionen
  112. 3.1.4 Zervikalwurzelläsionen
  113. 3.2 Umschriebene Nervenläsionen an Bein und Beckengürtel
  114. 3.2.1 Engpass-Syndrome
  115. 3.2.2 Beinnervenläsionen durch äußere Einwirkungen
  116. 3.2.2.1 Beinnervenverletzungen durch Traumen und Operationen
  117. 3.2.2.2 Kompartment-Syndrome
  118. 3.2.2.3 Injektionsschäden von Beinnerven
  119. 3.2.2.4 Lagerungsbedingte Beinnervenläsionen
  120. 3.2.3 Beinplexusparesen
  121. 3.2.3.1 Plexus lumbalis
  122. 3.2.3.2 Plexus sacralis
  123. 3.2.3.3 Globale Beinplexusparese
  124. 3.2.3.4 Ursachen von Beinplexusparesen
  125. 3.2.4 Läsionen lumbosakraler Nervenwurzeln und Conus-Cauda-Syndrom
  126. 3.2.4.1 L 4–Syndrom
  127. 3.2.4.2 L 5-Syndrom
  128. 3.2.4.3 S 1–Syndrom
  129. 3.2.4.4 Conus-Cauda-Syndrom
  130. 3.3 Hirnnervenläsionen
  131. 3.3.1 Augenmuskelparesen und Duane-Syndrome
  132. 3.3.2 Facialisparese und Facialisspasmus
  133. 3.3.3 Sonstige Hirnnervenläsionen
  134. 3.4 Ausgebreitete Neuropathien
  135. 3.4.1 Polyneuropathien
  136. 3.4.1.1 Akute Polyneuroradikulitis (Guillain-Barré-Syndrom)
  137. 3.4.1.2 Chronische Polyneuroradikulitis (Chronic Inflammatory Demyelinating Polyneuropathy, CIDP)
  138. 3.4.1.3 Dysproteinämische Polyneuropathien
  139. 3.4.1.4 Multifokale motorische Neuropathie (MMN)
  140. 3.4.1.5 Neuropathien bei HIV-Infektion
  141. 3.4.1.6 Diabetische Neuropathien
  142. 3.4.1.7 Alkoholische Polyneuropathie
  143. 3.4.1.8 Critical illness Polyneuropathie (CIP)
  144. 3.4.1.9 Neuroborreliose
  145. 3.4.2 Neuromyotonie
  146. 3.4.3 Hereditäre Neuropathien
  147. 3.4.3.1 HMSN (Neurale Muskelatrophie)
  148. 3.4.3.2 Hereditäre sensorische Neuropathie (Thévenard-Syndrom)
  149. 3.4.3.3 Tomakulöse Neuropathie (hereditary neuropathy with liability to pressure palsies, HNPP)
  150. 3.4.3.4 Friedreich-Ataxie
  151. 3.4.4 Motoneuron-Erkrankungen
  152. 3.4.4.1 Progressive spinale Muskelatrophien (SMA)
  153. 3.4.4.2 EMG-Diagnostik der SMA
  154. 3.4.4.3 Sonderformen von Vorderhornerkrankungen
  155. 3.4.4.4 Spastische Spinalparalyse
  156. 3.4.4.5 Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)
  157. 3.5 Myopathien
  158. 3.5.1 Muskeldystrophien
  159. 3.5.2 Polymyositis
  160. 3.5.3 Myotone Syndrome und Ionenkanal-Erkrankungen
  161. 3.5.4 Metabolische Myopathien
  162. 3.5.5 Endokrine Myopathien
  163. 3.5.6 Myasthenia gravis (MG)
  164. 3.5.7 Lambert-Eaton-Syndrom und Botulismus
  165. 3.6 Blasen-, Mastdarm- und Sexualfunktionsstörungen
  166. 3.6.1 Blasenentleerungsstörungen
  167. 3.6.2 Erektile Dysfunktion und Ejakulationsstörungen
  168. 3.6.2.1 Befunde bei erektiler Dysfunktion
  169. 3.6.2.2 Befunde bei Ejakulationsstörungen
  170. 3.6.3 Defäkationsstörungen
  171. 3.6.3.1 Befunde bei idiopathischer (neurogener) Stuhlinkontinenz
  172. 3.6.3.2 Befunde bei Stuhlinkontinenz mit strukturellen Läsionen des M. sphincter ani
  173. 3.6.3.3 Befunde bei Stuhlinkontinenz infolge Conus-/Cauda- und Plexus sacralis-Läsionen
  174. 3.6.3.4 Befunde bei obstruierter Defäkation
  175. 3.6.3.5 Untersuchungsablauf bei Stuhlentleerungsstörungen und Normwerte
  176. 3.6.3.6 Differenzialdiagnose und Therapie von Stuhlentleerungsstörungen
  177. 3.7 Zentralnervöse Erkrankungen
  178. 3.7.1 Dystonien
  179. 3.7.1.1 Elektromyographie bei Dystonien
  180. 3.7.1.2 Blepharospasmus
  181. 3.7.1.3 Zervikale Dystonie
  182. 3.7.1.4 Schreibkrampf (Graphospasmus)
  183. 3.7.1.5 Andere Dystonien und Dyskinesien
  184. 3.7.2 Tremor
  185. 3.7.2.1 Physiologischer Tremor
  186. 3.7.2.2 Essentieller Tremor
  187. 3.7.2.3 Primärer orthostatischer Tremor
  188. 3.7.2.4 Parkinson-Tremor
  189. 3.7.2.5 Andere symptomatische Tremorformen
  190. 3.7.2.6 Gaumensegeltremor
  191. 3.7.3 Myoklonien und Myorhythmien
  192. 3.7.3.1 Asterixis (»Flapping Tremor«)
  193. 3.7.3.2 Myoklonien
  194. 3.7.4 Stiff man-Syndrom
  195. 3.7.5 Tetanus
  196. Abkürzungsverzeichnis
  197. Literaturverzeichnis
  198. Register
  199. Tabellarischer Anhang

1         Untersuchungstechnik

 

 

1.1        Voraussetzungen

1.1.1      Indikationen

Unter dem Begriff »EMG« fasst man eine Reihe elektrophysiologischer Untersuchungen zusammen, zu denen außer der Elektromyographie im engeren Sinn (»Nadel-EMG«) die motorische und sensible Neurographie zählen, weiterhin die repetitive Nervenstimulation zur Überprüfung der neuromuskulären Überleitung, die Messung der F-Antworten und diverser Reflexe sowie vegetative Funktionstests. Darüber hinaus gehören die Techniken der Magnet- und Hochvoltstimulation sowie die SEP-Methode zum methodischen Arsenal eines qualifizierten EMG-Labors, um auch proximale Abschnitte des peripheren Nervensystems einer Funktionsprüfung unterziehen zu können.

Die Aufgabe des EMG-isten besteht nun zunächst darin, bei jedem Patienten mit dem Verdacht auf eine neuromuskuläre Erkrankung die jeweils diagnostisch aussichtsreichsten Verfahren auszuwählen, um mit dem geringsten Aufwand zu einer diagnostischen Klärung zu kommen, was eine genaue Kenntnis der klinischen Symptomatik voraussetzt, sodass jeder EMG-Untersuchung eine umfassende Anamnese und gezielte neurologische Untersuchung vorausgehen muss. Dasselbe gilt für die diagnostische Abklärung autonomer Funktionsstörungen, einschließlich der häufigen ano-genitalen Syndrome, bei denen ein versierter EMG-ist wichtige Beiträge zu leisten vermag. Schließlich kann die EMG-Diagnostik nicht nur bei Erkrankungen des peripheren Nervensystems und der Skelettmuskulatur, sondern auch bei bestimmten zentralnervösen Syndromen wertvolle Hinweise liefern, wie z. B. bei den verschiedenen Tremor-Formen, bei der Analyse von Dystonien und Myoklonien, der Topodiagnostik von Hirnstamm-Läsionen sowie in der Frühdiagnose des Stiff-Man-Syndroms und des Tetanus, sodass auch diese Erkrankungen zum diagnostischen Spektrum eines leistungsfähigen EMG-Labors zählen.

Erkrankungen des peripheren Nervensystems, welche die Hauptindikation für eine EMG-Diagnostik ausmachen, sind in einer neurologischen Praxis in einer Häufigkeit von ca. 30 % vertreten, und auch in neurologischen Kliniken zählen radikuläre Syndrome, Polyneuropathien sowie diverse Neuralgien zu den häufigen Diagnosen, die zusammen etwa ein Viertel des Krankengutes ausmachen. Hieraus wird die enorme Bedeutung der bei diesen Krankheitsbildern unverzichtbaren EMG-Diagnostik ersichtlich. Immerhin zählen EMG-Untersuchungen zu den aussagekräftigsten Methoden, die beispielsweise bei Patienten mit dem häufigen Leitsymptom Muskelschwäche in 91 % einen diagnostisch wegweisenden Befund erbringen (Nardin et al., 2002).

1.1.2      Qualifikation des Untersuchers

Elektromyographische und neurographische Untersuchungen können sinnvollerweise nur von einem Arzt durchgeführt und beurteilt werden, der sowohl eingehende Kenntnisse der Nerven- und Muskelkrankheiten als auch aller einschlägigen elektro-diagnostischen Methoden besitzt. Ein Einsatz dieser Methoden durch nicht ausreichend qualifizierte Ärzte führt häufig nur zu Fehlbeurteilungen und darüber hinaus zu einer Diskriminierung der gesamten Elektrodiagnostik, der in der Hand des Erfahrenen ein hoher diagnostischer Stellenwert zukommt. Vor Beginn der elektrophysiologischen Diagnostik sollte sich der Elektromyographist durch schwerpunktmäßige Exploration und klinische Untersuchung einen persönlichen Eindruck von dem jeweiligen Krankheitsbild verschaffen. Der dafür nötige Zeitaufwand wird meist durch den daraufhin möglichen gezielteren Einsatz der anzuwendenden Methoden mehr als wettgemacht.

Im Unterschied zu vielen anderen apparativen Untersuchungen erfolgt die Elektromyographie nicht in einer stereotypen, sondern in einer an die jeweilige Fragestellung angepassten Weise. Der Untersuchungsgang muss daher vom Arzt bei jedem einzelnen Patienten individuell festgelegt werden, wobei er sich bei der Durchführung der Untersuchungen durch einen entsprechend ausgebildeten nicht-ärztlichen EMG-Assistenten unterstützen oder vertreten lassen kann. Die Auswertung und Beurteilung der erhobenen Befunde ist wiederum ausschließlich Sache des Arztes, der dabei auch entscheidet, ob unerwartete Messergebnisse kontrolliert und zusätzliche, das diagnostische Bild ergänzende Untersuchungen angeschlossen werden müssen.

Zur fachlichen Qualifikation des Elektromyographisten gehören auch Kenntnisse über eine mögliche Gefährdung des Patienten. Obwohl es sich bei der Elektromyographie um eine sehr risikoarme Methode handelt, müssen auch dabei bestimmte Vorsichtsmaßnahmen beachtet werden. Zur Vermeidung einer Übertragung ansteckender Krankheiten (Hepatitis, AIDS, Jacob-Creutzfeldsche Erkrankung) wird eine sorgfältige Beachtung der Sterilität und eine Sterilisation der Nadelelektroden im Autoklaven bei etwa 120°C gefordert (Guidelines in Electrodiagnostic Medicine, 1984). Eine Alternative hierzu ist die Verwendung von Einmalelektroden. Bei Patienten mit erhöhter Blutungsneigung (Hämophilie, Antikoagulanzien-Therapie usw.) sollte auf eine Nadelelektromyographie verzichtet und sowohl bei der Myographie als auch bei der Neurographie lediglich eine Ableitung mit Oberflächenelektroden durchgeführt werden. Bei nur leicht erhöhter Gerinnungsneigung ist bei strenger Indikationsstellung eine Nadelableitung vertretbar, jedoch ist im Anschluss daran eine verlängerte Kompression der Einstichstelle erforderlich. Schließlich muss bei Patienten mit implantierten Herzschrittmachern in besonderer Weise auf eine gute Erdung geachtet und außerdem eine Stimulation des Armplexus auf der Seite der Implantation vermieden werden; bei Patienten mit externem Schrittmacher sind elektrische Reizungen ganz zu vermeiden (Guidelines in Electrodiagnostic Medicine, 1984) ebenso wie Magnetstimulationen.

Bei der nur noch selten durchgeführten sensiblen Neurographie mittels Nadelelektroden sind Läsionen einzelner Nervenfaszikel möglich, sofern die Nadelelektrode versehentlich intraneural platziert wird. EMG-Ableitungen von Brustmuskeln und Zwerchfell können einen Pneumothorax hervorrufen (Al-Sheklee et al., 2003). Hierbei handelt es sich jedoch um eine absolute Rarität.

1.1.3      Apparative Voraussetzungen und Elektroden

Zur Durchführung elektromyographischer und neurographischer Untersuchungen sind eine größere Zahl handelsüblicher EMG-Geräte auf dem Markt, wobei für die meisten Untersuchungen ein 1-Kanal-Gerät ausreicht. Die Bedingungen, die zur korrekten Aufzeichnung von Muskel- und Nervenpotenzialen an die Apparatur zu stellen sind, wurden von Guld et al. (1970) sowie von Ludin (1981; 1995) zusammengestellt. Für die sensible Neurographie sind eine Artefakt-Unterdrückung in der Stimulatoreinheit, besonders rauscharme Verstärker und ein Mittelwertbildner (Averager) wünschenswert. Zur korrekten Aufzeichnung und Analyse der Muskelaktionspotenziale benötigt man entweder einen Direkt-Schreiber oder eine Trigger-Einrichtung in Kombination mit einer Verzögerungsleitung und Stufenschaltung. Letzteres ermöglicht die stufenweise Darstellung von 4 Potenzialen auf dem Sichtschirm, was besonders für die Erkennung von späten Potenzialanteilen von Nutzen ist.

Zur Aufzeichnung dieser Muskel- und Nerven-Aktionspotenziale stehen verschiedenartige Elektroden zur Verfügung. Eine Auswahl der im eigenen Labor benutzten Typen findet sich in Abbildung 1 a-d. Die Stimulation gemischter, motorischer oder sensibler Nervenstämme erfolgt in der Regel mit bipolaren Oberflächenelektroden (Images Abb. 1e und f), diejenige sensibler Nervenäste

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Abb. 1: Elektroden
a) Ableitelektroden für motorische Nervenleitgeschwindigkeits- und Reflex-Messungen. Die Elektroden werden mit Kleberingen auf der Haut befestigt, nachdem die schalenförmige Vertiefung an der Unterseite mit Kontaktpaste gefüllt wurde. Das linke Elektrodenpaar zeigt die Ansicht von unten, das rechte die von oben, wobei die Anode hell, die Kathode dunkel dargestellt ist.
b) Bipolare Ableitelektrode für sensible Nervenleitgeschwindigkeits-Messungen. Die beiden Filze werden mit physiologischer Kochsalzlösung angefeuchtet; danach wird die Elektrode mit einem Velkroband straff über dem zu untersuchenden sensiblen Nerven fixiert. Die dunkel dargestellte Filzelektrode entspricht der Kathode.

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Abb. 1: Elektroden
c) Nadelelektroden für die sensible Neurographie. Die Nadeln sind bis auf die Spitze teflon- oder glas-isoliert; die differente Elektrode ist dunkel dargestellt.
d) Konzentrische Nadelelektrode für die EMG-Ableitung.
e) und f) 2 Typen von bipolaren Reizelektroden zur Stimulation von Nervenstämmen (Kathode dunkel).
g) Ringelektroden zur Stimulation sensibler Nervenäste an Fingern und Zehen. Bei der antidromen sensiblen Neurographie werden dieselben Ringelektroden zur Ableitung der sensiblen Nervenaktionspotenziale verwendet (Kathode dunkel).

an Fingern und Zehen mittels Ringelektroden (Images Abb. 1g). Als Erdelektrode kann eine auf der Haut befestigte Metallscheibe oder eine gut durchfeuchtete Bandelektrode (Images Abb. 1h) verwendet werden. Zur gezielten Injektion von Botulinumtoxin ist eine Elektrode entwickelt worden, mit der eine Ableitung der Muskelströme möglich ist, und durch die gleichzeitig gezielte Injektionen in ausgewählte Zielmuskeln vorgenommen werden können (Images Abb. 1i). Eine weitere Spezialelektrode dient der intrarektalen Stimulation des N. pudendus (Images Abb. 1j).

Werden zur Ableitung motorischer Reizantworten Elektroden mit großem Abgriffareal (7–10 cm2) verwendet, verbessert sich die Reproduzierbarkeit der Messungen (Tjon-A-Tsien et al., 1996).

Für die Aufzeichnung sensibler Nervenaktionspotenziale ist ein Elektrodenabstand von 4 cm optimal (Gitter und Stolov, 1995a).

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Abb. 1: Elektroden
h) Erdelektrode
i) Monopolare Lumenelektrode zur Ableitung von EMG-Aktivität mit der Möglichkeit einer gezielten Botulinumtoxin-Injektion.
j) Pudenduselektrode zur intrarektalen N. pudendus-Simulation (Technik c Abb. 55, S. 65).

Für die Magnetstimulation von Nervenwurzeln und tiefer gelegenen proximalen Nervenabschnitten werden kommerziell verschiedene Magnetstimulatoren angeboten. Diese Geräte sind an einen Eingang für externe Trigger am EMG-Gerät anzuschließen. Die Stimulatoren bauen ein sehr kurzdauerndes, sich rasch änderndes Magnetfeld auf, indem ein Kondensator über eine elektrische Spule – die Stimulationsspule – entladen wird. Empfehlenswert sind Geräte, die ein Magnetfeld von mehr als 2,0 Tesla aufbauen können. Als Ergänzung zur meistgebrauchten ringförmigen Reizspule mit etwa 10–14 cm Außendurchmesser ist eine schmetterlingsförmige Reizspule sinnvoll, welche eine bessere Reizlokalisation erlaubt (Olney et al., 1990).

Bei der konventionellen Elektromyographie sollte die Bandbreite des Verstärkers 5 Hz-10 kHz betragen. Treten dabei störende Grundlinienschwankungen auf, so kann die untere Grenzfrequenz auf 10–20 Hz erhöht werden. Die Einflüsse unterschiedlicher Filterungen auf die Potenzialform sind in Abbildung 2 dargestellt. Zur Registrierung der Spontanaktivität sowie einzelner Muskelaktionspotenziale empfiehlt sich eine Verstärkung von 0,1 mV/cm und eine Zeitablenkung von 10 ms/cm, während die Aktivität bei Maximalinnervation bei Einstellungen von 1 mV/cm und 100 ms/cm aufgezeichnet wird. In Abhängigkeit von der Dauer und Amplitude der registrierten Potenziale können Abweichungen von diesen Standard-Einstellungen notwendig werden, wobei mit geringerer Verstärkung eine kürzere Potenzialdauer gemessen wird. Bei automatischer Analyse sind die Einflüsse der Verstärkereinstellungen geringer, jedoch ist in jedem Fall eine visuelle Kontrolle der automatischen Messungen erforderlich (Gitter und Stolov, 1995b) (Images Tab. 1).

Außer den gewünschten biologischen Signalen werden im Rahmen elektromyographischer Untersuchungen immer wieder verschiedenartige Artefakte registriert, deren Erkennung und Ausschaltung für eine sorgfältige Potenzialanalyse unerlässlich sind (Images Abb. 3).

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Abb. 2: Filtereinflüsse
a) Auswirkungen verschiedener Filtereinstellungen auf die Form eines Eichsignals
b) Muskelaktionspotenzial bei unterschiedlichen Filtereinstellungen. Verlust der initialen Spikekomponente bei einer oberen Grenzfrequenz von 1 kHz (Zeile 2), Erniedrigung und »Zuspitzung« des Potenzials bei einer unteren Grenzfrequenz von 500 Hz (Zeile 4).

EMG NLG Reflexe F-Welle Neuromusk. Überleitung SEP (proximale Neurographie)

Tab. 1: Empfohlene Geräteeinstellungen bei elektromyographischen und neurographischen Untersuchungsmethoden

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Abb. 3: EMG- Artefakte
a) und b) Herzschrittmacher
c) Einschalten der Deckenbeleuchtung
d) Lockerung der Ableitelektrode (Oberflächenelektrode)
e) Wechselstromeinstreuung (50Hz) bei ungenügend angefeuchteter Erdelektrode
f) EKG-Artefakt (M. pectoralis)

1.2        EMG-Ableitung

1.2.1      Einleitung

Aus der Fülle von ca. 400 menschlichen Muskeln wurden die in Abbildungen 5–29 dargestellten Muskeln, welche in der elektromyographischen Diagnostik von neuromuskulären Krankheiten sowie bei einigen Erkrankungen des zentralen Nervensystems von besonderer Bedeutung sind, ausgewählt. Hierbei wurde keine Vollständigkeit, sondern eine Beschränkung auf diagnostisch wichtige Muskeln angestrebt. So wurden z. B. aus sämtlichen Streckmuskeln am Ober- und Unterarm 3 Muskeln – die Mm. triceps brachii, extensor carpi radialis und abductor pollicis longus – herausgegriffen, durch deren Untersuchung alle praktisch wichtigen Typen von Radialislähmung festgestellt werden können. Eine Läsion des N. radialis in der Axilla führt zu elektromyographisch faßbaren Veränderungen in allen 3 genannten Muskeln, eine Läsion im mittleren Oberarmdrittel spart die Nervenäste zum M. triceps brachii aus, eine Läsion im proximalen Unterarmabschnitt auch die zum Extensor carpi radialis, sodass in diesem Fall ein normaler EMG-Befund in den Mm. triceps brachii und extensor carpi radialis, ein pathologischer Befund im Abductor pollicis longus erhoben wird. Dieses Darstellungs- und Untersuchungs-Prinzip setzt voraus, dass die Elektromyographie nicht anstelle der neurologischen Untersuchung, sondern als deren Hilfsmittel eingesetzt wird, um ergänzende Informationen zu erlangen.

Aus Rücksicht auf den Patienten sollte versucht werden, die gewünschte Information mit einem Minimum an Nadelableitungen zu erlangen. So kann es z. B. bei einem Patienten mit dem Typ der distalen Ulnarisparese (Lähmung und Atrophie der ulnarisinnervierten Handmuskeln) ausreichend sein, eine Nadelableitung aus dem ulnaren Anteil des M. flexor digitorum profundus am Unterarm vorzunehmen, da das Betroffensein der Handmuskeln schon klinisch eindeutig ist. Ergibt diese Ableitung einen Normalbefund, ist in Übereinstimmung mit dem klinischen Bild eine Ulnarisläsion in Höhe des Handgelenks wahrscheinlich; ergibt sich dagegen ein pathologischer Befund, ist eine bevorzugte Läsion der den Handmuskeln zugehörigen Ulnarisfaszikel z. B. im Sulcus ulnaris anzunehmen und eine Nervenleitgeschwindigkeits-Messung in diesem Abschnitt anzuschließen.

1.2.2      Allgemeine Hinweise zur Durchführung einer EMG-Ableitung

Nach Auswahl der für den jeweiligen Muskel geeigneten Nadelelektrode und Desinfektion der Haut erfolgt der Einstich der Nadel, welcher bei voluminösen Muskeln senkrecht zur Oberfläche, bei flachen Muskeln im spitzen Winkel und etwas quer zu deren Verlauf vorgenommen wird. Nach dem Einstich wird der Verstärker geöffnet. Solange sich die Nadelspitze noch im Unterhautgewebe befindet, ist im Lautsprecher ein helles Rauschen zu hören. Das Eindringen der Nadelelektrode in das Muskelparenchym zeigt sich durch Einstich-Aktivität (2.1.1.) an.

Die von Buchthal (1958) eingeführte simultane EMG-Ableitung mit bis zu 4 Nadelelektroden, die mit einem Mindestabstand von 5–10 mm in den Muskel eingestochen werden, ist nur im Zusammenhang mit einer Filmregistrierung als Alternative anzusehen und im allgemeinen wegen der Vielzahl simultan auftretender Signale eher verwirrend.

Nach erfolgtem Eindringen der Nadelspitze in das Muskelparenchym wird die Elektrode in Schritten von 1–2mm immer tiefer eingeführt und dabei auf Spontanaktivität geachtet. Die meisten Formen von Spontanaktivität sind sofort nach dem Nadeleinstich vorhanden und zu diesem Zeitpunkt sogar am deutlichsten. Dies gilt nicht für Faszikulationen, die bei spärlicher Ausprägung in langen Intervallen auftreten können. Um auch diese Form von Spontanaktivität nicht zu übersehen, muss die Nadelelektrode mindestens 1 min bei hoher Verstärkerempfindlichkeit liegen bleiben.

Sobald die Nadelelektrode vollständig in den Muskel eingeführt ist, beginnt der zweite Untersuchungsabschnitt – die Analyse der Muskelaktionspotenziale