an sagt, daß es irgendwann einmal einen Fakir gab, der in eine Stadt kam und da ausrief: »O ihr Geschöpfe Gottes! O Gemeinde des Propheten! Gebt mir um Gottes willen eine Frau als Almosen!« Manche Leute fingen auf diese Bitte hin an zu lachen, andere fingen an mit ihm mehr oder weniger zu reden, und andere wieder mißhandelten ihn und stießen ihn zur Seite – aber er hörte nicht auf, diese Bitte immer zu wiederholen. Von einer Stadt zur anderen, von der zweiten in die dritte ging er auf diese Art durch viele Städte, aber niemand gab ihm eine Frau als Almosen. Die Leute gaben ihm zu verstehen: »Fakir, wenn du in Gottes Namen unser Leben wünschst – das ist bereit; aber wie sollen wir dir unsere Ehre (d.h. Frau) geben?« Der Fakir durchwanderte jenes Land Ort um Ort, aber er traf keinen großzügigen Menschen, der seine Bitte erfüllte. Als er in der letzten Stadt dieses Reiches mit jenem Ruf begann, ging dort gerade die Sonne unter. Aber es blieb noch eine Ecke der Stadt übrig, weshalb der Fakir sich dachte: ›Da könnte man auch noch mal reinstechen!‹ Er ging hin und rief auch dort aus: »O ihr Geschöpfe Gottes! O Gemeinde des Propheten! Um Gottes willen, gebt mir eine Frau als Almosen!‹
Ein Mann, der gerade vor drei Tagen geheiratet hatte, kam aus der Tür und sagte zu dem Fakir: »Junger Mann, was willst du haben?« Der Fakir antwortete ihm: »Um Gottes willen will ich eine Frau haben.« Dieser Mann trat in sein Haus und fragte seine Frau: »Ich möchte dich als Almosen um Gottes willen geben – was meinst du?« Die Frau antwortete: »Mich haben Vater und Mutter dir übergeben; tu, was immer dir gefällt – du kannst sogar noch alle Sachen dem Räuber nachwerfen!« Jener Mann sagte zu der Frau: »So soll es sein. Bade dich und zieh weiße Kleider an!« Dann gab er all das Geld, das er hatte, der Frau und übergab diese dem Fakir.
Der Fakir nahm die Frau mit und ging dorthin, wo er hergekommen war; aber als jener arme Ehemann nach Hause kam, erschienen Verwandte und Nachbarn und bedrängten ihn und beschimpften ihn. Nach und nach gelangte diese Angelegenheit bis zu den Ohren des Königs, der es ungehörig fand, daß solch ein Mann ganz ohne Eifersucht in seiner Stadt wohnte, und ihn deswegen aus der Stadt jagte.
Dieser Mann legte nun in tiefem Schweigen Fakir-Gewänder an, verließ die Stadt, und wen immer er zu Gesicht bekam, den fragte er: »Was ist der Lohn fürs Geben und die Strafe fürs Nicht-Geben?« Die Leute pflegten zu ihm zu sagen: »Wie sollen wir das wissen?« Deswegen durchwanderte er viele Städte, aber niemand konnte ihm Antwort auf seine Frage geben. Schließlich kam er in eine Residenzstadt, und dort fragte und fragte er und stellte auch diese Frage dem König. Der König war sehr klug; er ehrte den Fremden und sagte zu ihm: »Fakir, von hier sind Hunderttausende weggegangen, aber nicht zurückgekehrt – wie sollen wir wissen was dem großen Freunde genehm ist?« Der Fakir sagte: »Herr, ich werde jenen Freund befragen.« Der König sagte zu ihm: »Fakir, daß du aufrichtig bist, steht fest, deshalb wirst du bestimmt dein Ziel erreichen. Wenn du den großen Freund triffst, dann lege ihm doch um Himmelswillen in meinem Namen dar: Gib mir Armen Kinder, und wenn die Lampe leuchtet, will ich sterben!« Der Fakir sagte zu ihm: »Herr, wenn ich den Freund treffe, dann werde ich es sagen.«
Der Fakir verließ den Ort und wanderte und wanderte, bis er zu einer Stadt kam. Was sah er – über die Bewohner dieser Stadt fiel der Regen des Fluches, und die Leute hatten nackte Leiber und hungrige Bäuche. Er wunderte sich sehr und fragte die Leute: »Was ist der Lohn fürs Geben und was ist die Strafe fürs Nicht-Geben?« Die Leute sagten: »Du willst wohl, daß wir dich mit Gewalt zu Erde machen? Auch uns hat Gott erschaffen und aufgezogen, und du fragst uns, was wir von diesem tyrannischen Gott wissen?« Der sagte: »Ich werde jenen Tyrannen befragen.« Als er sich zum Weitergehen aufmachte, sagte ein Mann zu ihm: »Fakir, wenn du Gott begegnest, dann frage ihn doch bitte in unserem Namen, in was für eine Hölle wir gekommen sind!« Der Fakir sagte ihm das zu und ging weiter.
Nach einigen Tagen kam der Fakir in einen Wald. Nachdem er den ganzen Tag umhergeirrt war, kam ihm schließlich an einer Stelle ein offener Platz zu Gesicht, in dessen Mitte er auf einem winzigen Hochsitz zwei Personen sah. Als er näher kam, sagte er: »Der Friede sei mit euch!« Die eine Person schwieg, aber die andere antwortete: »Und mit dir der Friede!« Der Fakir sagte: »Junger Mann, laßt mich eine Nacht hierbleiben, seid bitte so gut!« Die Person, die da stumm gesessen hatte, gab ihm zur Antwort: »Du Unglücksmensch, schämst du dich nicht? Auch uns hat Gott erschaffen und aufgezogen. Seit wir denken können, sind wir nicht von diesem Hochsitz heruntergekommen. Am ganzen Tag kommt nur ein kleiner Topf mit Wasser und ein Brot, das essen wir auf – und die Plattform ist so winzig, daß kaum eine Person darauf schlafen kann; deswegen schlafen wir umschichtig. Und dann haben wir auch noch die Kälte im Winter zu ertragen. Wir haben nicht so viel Kraft, daß wir von hier heruntersteigen, uns in den Schutz eines Baumes setzen, um uns vor der Kälte zu schützen oder wiederum in der Sonnenhitze des Sommers im Schatten eines Baumes unseren Rücken kühlen zu können! Und jetzt kommst du noch als Gast zu uns, als ob du hier beim Vorbeigehen ein Stadthaus gesehen hättest!« Der arme Fakir verstummte und zog sich zurück, als die andere Person, die auf seinen Gruß geantwortet hatte, zu ihm sagte: »Fakir, komm und steig auf den Sitz.« Er sagte zu dem Bruder: »Bruder, gib du uns bitte nicht von deinem eigenen Brot und Wasser. Wir schlagen uns schon selber durch, und du behalte bitte den Schlafplatz.« Der Fakir kletterte auf den Hochsitz. Kaum war ein Augenblick vorüber, als durch göttliche Macht ein Brot und ein kleiner Topf mit Wasser kamen. Der Gast, der den Fakir zum Übernachten eingeladen hatte, pflegte sonst immer das Brot zu teilen, jetzt aber sagte er zu dem Bruder: »Bruder, teil du das Brot, damit du nicht später sagst: Wegen des Gastes hat er für sich einen viel größeren Anteil von dem Brot genommen, oder er hat mehr Schlucke Wasser getrunken!« Derjenige, der den Gast nicht eingeladen hatte, der sagte: »Wie könnte ich dir jetzt das Verteilen überlassen?« Sprach’s und teilte das Brot und Wasser und aß seinen Teil auf. Sein Bruder und der Fakir sagten »Im Namen Gottes« und aßen das restliche Brot und tranken das Wasser. Durch Gottes Macht – von einem Stückchen Brot so groß wie ein Fingernagel und von einer Handvoll Wasser wurden sie reichlich satt. So verbrachten diese beiden die Nacht. Zur Nacht hatte der, der den Gast nicht aufgenommen hatte, einen erquickenden Schlaf, aber der Fakir und sein Bruder unterhielten sich die ganze Nacht. Als die Sonne aufstieg, sprang der Fakir von dem Hochplatz herab und sagte: »Was ist der Lohn fürs Geben und die Strafe fürs Nicht-Geben?« Derjenige, der ihn nicht eingeladen hatte, sagte zu ihm: »Du bist doch ein richtig ungezogener Kerl! Wie sollen wir denn wissen, was dieser grausame Gott für ein Ziel hat, daß er uns in dieses Unglück gestürzt hat!« Der Fakir sagte: »Mein Lieber, ich werde diesen Grausamen fragen.« Derjenige, der ihn aufgenommen hatte, sagte zu ihm: »Fakir, mir scheint es, daß in deinem Gesicht Zeichen der Güte sind. Du wirst bestimmt zu dem großen Freund gelangen, und wenn du den Freund triffst, dann leg ihm doch bitte in unserem Namen dar: ›Herr, in was für eine Plage sind wir da gekommen?‹« Der Fakir antwortete: »Ja, mein Lieber, wenn ich zum Freunde gelange, werde ich ihm das bestimmt darlegen.«
Der Fakir wanderte und wanderte weiter und kam zu der Wüste der zwölf Berge. Was sah er – eine schwarze Schlange hatte sich dort mächtig aufgerichtet! Der Fakir bekam Angst, aber er faßte sich ein Herz und sagte: »Friede sei mit dir!« Die Schlange sagte: »Und mit dir der Friede!« Der Fakir fragte sie: »Freund, was ist der Lohn fürs Geben und die Strafe fürs Nicht-Geben?« Die Schlange antwortete: »Fakir, seit ich denken kann, habe ich auf diesem Hügel gelebt; mit meinem Fauchen habe ich die zwölf Berge verbrannt, aber bis jetzt habe ich nichts zu essen und zu trinken bekommen. Ich kann nicht von hier weggehen – was soll ich dir antworten? Das weiß nur jener Herrscher!« Der Fakir sagte: »Freund, ich werde jenen Herrscher fragen.« Die Schlange sagte zu ihm: »Wenn du den Herrscher triffst, dann lege ihm doch in meinem Namen dar: ›Herr, ist mir in dieser Welt auch ein guter Tag zugeteilt, oder bin ich ganz vergessen?‹« Der Fakir sagte: »Meine Liebe, wenn ich den Herrscher treffe, dann werde ich ihm das irgendwie sagen.«
Der Fakir blieb über Nacht dort und ging am Morgen wieder weiter. Er gelangte in eine Steppe und sah dort eine Stute stehen. Ihr Schwanz reichte bis in die Erde, und Krähen tanzten scharenweise über ihr. Ganz in Blut getaucht stand sie da und war nahe am Sterben. Als der Fakir ihr näherkam, sagte er: »Frau Engelin, Friede sei mit Euch!« Die Stute sagte: »Und mit dir der Friede!« Der Fakir fragte: »Was ist der Lohn fürs Geben und die Strafe fürs Nicht-Geben?« Die Stute sagte: »Fakir, seit ich geboren bin, bin ich hier so festgehalten. Ich habe nicht so viel Kraft, daß ich von hier weggehen könnte, oder daß ich ein ganz klein wenig Gras mit meinem Maul von dieser Weide nehmen könnte, oder daß ich den Schweif heben und die Krähen wegfliegen lassen könnte! Was soll ich dir denn für eine Antwort geben? Das weiß nur der Herrscher!« Der Fakir sagte: »Ich werde diesen Herrscher fragen.« Die Stute sagte zu ihm: »Wenn du den Herrscher triffst, dann frage ihn doch bitte in meinem Namen, für welche Tat ich die Strafe erdulde?«
Der Fakir sagte: »Gnädige Frau Engelin, wenn ich den Herrscher treffe, dann werde ich ihm das bestimmt unterbreiten.«
Der Fakir zog weiter und weiter und kam zu einem Fluß. Was sah er – eine Person mit lichtvollem Antlitz, einen Stock in der Hand, saß dem Fluß zugewandt. Der Fakir sah nur den Rücken, als sich ihm alle Schleier öffneten und er ihm zu Füßen fiel. Er unterbreitete ihm: »Herr, was ist der Lohn fürs Geben und die Strafe fürs Nicht-Geben?« Der mit dem lichtvollen Gesicht sprach: »Fakir! Zuerst muß man den anderen Gutes wünschen!« Der Fakir verstand und erwiderte: »Ja, Herr! – Ein König sehnt sich nach Kindern.« Jene Gestalt sagte zu ihm: »Und wer ist der zweite?« Er sagte: »Herr, die Bitten der Nackten, Hungrigen.« Da kam ihm die Antwort: »Diese haben Gottes Haus entehrt und es mit Schmutz gefüllt und über ihm ein Weinhaus gebaut – solange sie nicht bereuen und die Moschee reinigen, so lange wird dieser Regen des Fluches weiter auf sie fallen!« Der Fakir sagte: »Herr, und die Leute auf dem Hochsitz?« Er sprach: »Die laß jetzt!« Dann sagte der Fakir wieder: »Herr, welche Antwort soll ich der Schlange geben?« Die lichtvolle Gestalt sagte zu ihm: »Diese Schlange hat die Schätze von sieben Königen an ihre Brust gedrückt – so lange sie die nicht um Gottes willen hergibt, so lange wird die Schlange nicht von jenem Ort wegkommen!« Dann sprach der Fakir im Namen der Stute. Die Antwort wurde ihm zuteil: »Diese hat sich geweigert, dem Menschenkind zu gehorchen. So lange sie dem Menschensohn nicht gehorcht, so lange wird sie in diesem Zustand bleiben!« Der Fakir legte ihm dar: »Herr, was ist der Lohn fürs Geben und die Strafe fürs Nicht-Geben?« Jene Gestalt sagte zu ihm: »Kehre von hier zurück. Wenn du zu dem König kommst, dann wird am nächsten Morgen dem König ein Sohn geboren werden. Laß du ihn in die Hofversammlung holen, laß ihn auf dem Thron schlafen und frage ihn nach der Antwort.«
Sprach’s, und dann verschwand die Gestalt, und der Fakir kehrte um und zurück. Als er zu der Stute kam, fragte sie ihn: »Fakir, hast du den Freund getroffen?« Er sagte: »Ja, gnädige Frau Engelin.« Die Stute sagte zu ihm: »Hast du in der Freude über den Freund meine, der Armen, Sache vergessen oder nicht?« Der Fakir sagte: »Nein, gnädige Frau Engelin! Über dich ist folgender Spruch ergangen: solange du das Menschengeschlecht nicht auf dir reiten läßt, so lange wirst du in diesem Zustand bleiben. Diese Strafe ist dir hier zugeteilt und in der künftigen Auferstehung wird dir noch eine andere Strafe auferlegt werden!« Die Stute sagte: »Fakir! Ob nun andere Leute kommen oder – lieber Himmel! – nicht kommen ... sei du so gut und reite auf meinem Rücken!« Der Fakir rief Gott an und strich ihr über den Rücken, da bekam sie im Nu einen richtigen Schwanz. Dann sagte er »Im Namen Gottes« und saß auf, und im Nu kam er bei der Schlange an. Als die Schlange ihn so zufrieden sah, sagte sie: »Fakir, du hast bestimmt den Freund getroffen – du hast doch wohl nicht in der Freude darüber mich Arme vergessen?« Der Fakir sagte: »Nein, meine Liebe: über dich ist der Spruch ergangen, daß unter dir die Schätze von sieben Königen vergraben sind, und so lange du die nicht für Gottes Sache in Almosen ausgibst, so lange wirst du hier sein.« Die Schlange sagte zu ihm: »Bruder, nimm du sie doch mit dir und nimm sie an, damit ich befreit werde!« Der Fakir sagte: »Meine Liebe, ich habe die Welt aufgegeben; jetzt interessieren mich diese Schätze überhaupt nicht. Aber ich werde dir solche Leute schicken, die Reichtum nötig haben!« Das versprach der Fakir der Schlange und ging geradewegs auf den Wald zu, wo die beiden Leute auf ihrem Hochsitz gesessen hatten. Da sah er, daß nur noch der leere Sitz dastand. Von dort ging er wieder in jene Stadt, auf die der Regen des Fluches fiel. Die Person, die ihm das gesagt hatte, die fragte ihn: »Fakir, hast du den Freund getroffen?« Der Fakir sagte: »Jawohl, mein Lieber!« Der andere fragte ihn: »Du hast uns doch hoffentlich nicht vergessen?« Der Fakir sagte: »Nein, aber ihr habt Gottes Haus entweiht, und so lange ihr das nicht reinigt und bereut, so lange wird dieses Unheil nicht aufhören.« Als der Mann das Wort des Fakirs hörte, fing er an zu lachen und sagte: »Wo hast du denn diese Lüge her ... ? Der hat den Freund getroffen! In unserer Stadt gibt es gar keine Moschee, wie könnten wir es denn da entehren?« Der Fakir sagte: »An dem Platz, wo ihr ein Weinhaus gebaut habt, darunter liegt die Moschee. Grabt mal und seht nach!« Einer sagte: »Der will nur unsere Vergnügungsstätte kaputt machen, deshalb soll man ihm nicht gehorchen!« Ein anderer sagte: »Hört auf ihn und stellt das einmal fest, grabt mal und sucht es zu bestätigen; wenn es sich als Lüge herausstellt, dann schlagt ihn tot!« Schließlich nahm man das Wort des letzteren an, und sie fingen an, auf den Fakir hörend, den Platz des Weinhauses aufzugraben. Da sahen sie, daß da eine richtige Moschee lag, und sie begriffen es alle, und sie ehrten den Fakir. Als die Leute der Stadt bereut hatten, da begann durch Gottes Macht der Regen der Gnade auf sie zu regnen. Der Fakir sagte zu den Leuten der Stadt: »Geht alle mit mir zusammen, und ein jeder bringe sein Tragtier mit sich!« Die Männer gehorchten ihm sogleich. Als sie sich der Schlange näherten, da schrieen die Männer auf: »Fakir, du hast uns von einem Unglück befreit und nun willst du uns in ein zweites stürzen!« Aber der Fakir sagte zu ihnen: »Ich gehe euch voran; das Leben ist allen lieb. Macht euch keine Sorgen, die Schlange wird euch überhaupt nicht belästigen!« Als sie bei der Schlange ankamen, da übergab die Schlange das gesamte Vermögen dem Fakir und bat ihn um Erlaubnis, fortzugehen. Der Fakir sagte zu ihr: »Geh nur, aber geh nicht dorthin, wo alle diese Leute sind, sonst geben die noch vor Angst den Geist auf.« Die Schlange ging zur anderen Seite fort und der Fakir verteilte die Schätze an jene Männer und gab die Stute jener Person, die ihm beim ersten Mal gesagt hatte, er solle beim Freunde vorstellig werden.
Dann ging der Fakir geradewegs zum König. Als der König auf seinem Gesicht ein Strahlen sah, begriff er, daß sein Wunsch erfüllt war. Er ließ den Fakir neben sich auf dem Thron sitzen und fragte ihn über seine Begegnung mit dem Freunde. Der Fakir sagte zu dem König: »Dein Wunsch wird sich morgen erfüllen.« Der König hatte diese Nacht den Fakir bei sich aufgenommen. Als es Morgen wurde, traf sich die Hofversammlung, und der Fakir und der König hatten sich auf den Thron gesetzt, als eine Amme angerannt kam und den König zur Geburt eines Sohnes beglückwünschte. Im ganzen Hofstaat verbreitete sich große Freude, und der Fakir und der König waren sehr glücklich. Der Fakir sagte zu dem König: »Laßt das Kind sofort hierher kommen!« Der König befahl der Amme, das Kind nach dem ersten Trinken an der Mutterbrust zuerst zu dem Fakir zu bringen. Die Amme badete das Kind in Wohlgerüchen und Ambra, wickelte es in seidene Windeln, legte es auf ein goldenes Tablett und brachte es herbei. Als der Fakir und der König das Kind sahen, kamen sie vom Thron herunter. Der Fakir nahm der Amme das Tablett ab, setzte es auf den Thron und sagte zu dem König: »Nun ist dieser Thron das Eigentum dieses Kindes.« Der König sagte: »Ehrwürdiger Fakir, ich brauche ihn auch.« Dann nahm der Fakir den Jungen am kleinen Finger und sagte zu ihm: »Sohn – was ist der Lohn fürs Geben und die Strafe fürs Nicht-Geben?« Das Kind gab keinerlei Antwort. All die Leute, die in der Hofversammlung saßen, ärgerten sich innerlich: ›Wie blöd ist doch der König, daß er einen so verrückten Fakir mit sich auf dem Thron sitzen läßt, der noch nicht mal so viel Verstand hat, daß er weiß, daß neugeborene Kinder nicht sprechen können!‹ Aber aus Furcht vor dem König waren alle still. Der Fakir fragte zum zweiten Mal, aber es kam ihm keine Antwort. Schließlich beim dritten Mal drückte er den kleinen Finger des Kindes kräftig und sagte: »Sohn, auf Gottes Befehl sag uns und laß uns hören, was der Lohn fürs Geben und die Strafe fürs Nicht-Geben ist!« Das Kind sprach das Glaubensbekenntnis und sagte: »Fakir, hinter dem Palast des Königs ist die Hütte eines Schikaris, in dessen Haus ist eine Sau aufgezogen worden, die jetzt ein Ferkel geboren hat – frage das!« Der König und die Hofleute waren höchst erstaunt. Der Fakir bat den König, das Ferkel holen zu lassen. Auf Befehl des Königs rannten die Laufburschen sofort los und brachten das Ferkel des Schikaris direkt her. Der arme Schikaṛi, zitternd und bebend, legte das Ferkel auf den Teppich und setzte sich weit weg. Der Fakir fragte das Ferkel dieselbe Frage. Das Ferkel gab zur Antwort: »Fakir, wir sind zwei Brüder, von einem Vater und einer Mutter geboren. Gott hat uns ein übles Geschick gegeben und uns auf einem Hochsitz sitzen lassen. Du bist gekommen und hast bei uns die Nacht verbracht; ich habe dich nicht übernachten lassen wollen und habe viel geredet, aber mein Bruder hat dich bei sich übernachten lassen und hat dir Brot zu essen und Wasser zu trinken gegeben und hat selbst gewacht, um dir Platz zum Sitzen auf dem Hochsitz zu geben. Die Macht Gottes hat uns von dort fortgenommen und uns hier gelassen. Mein Bruder lebt glücklich im Hause des Königs, als Same des Besitzers des Thrones im Leibe der Prinzessin, und der sitzt nun hier auf dem königlichen Thron, und ich im Hause eines Schikaris, Samen des Schweines aus dem Leibe einer Sau, und so werde ich denn Schweinesohn genannt. Dieser mein Bruder hat den Lohn für das Geben, und ich habe die Strafe für das Nicht-Geben, wie du mit eigenen Augen sehen kannst.«
Als die anderen all dies sahen, verfielen sie in tiefes Nachdenken, aber der Fakir geriet in Ekstase und schrie auf Khair qabūl, madad rasūl! (Das Gute wird angenommen – Hilfe, Prophet!) und rannte von dort weg.
Als er nach einiger Zeit zu sich kam, da sah er, daß er am Ufer eines Flusses stand. Als er das reine Wasser sah, war er zufrieden: ›Jetzt hat der Herr auch meine gute Tat angenommen! Ich habe keinen anderen Wunsch mehr; deswegen will ich in dem Wasser baden und Allah Allah rufen!‹ Mit diesem Gedanken legte er Rosenkranz und Bettlerschale ab, legte die kreuzförmige Sitzstütze hin, sagte »Im Namen Gottes« und sprang in den Fluß. Als ihm das Wasser über den Kopf kam, da war das nicht Fluß und nicht Wasser! Er war in einem Garten angelangt. Als er den Garten sah, wunderte er sich sehr und sagte: »Dies ist doch nicht ein Garten dieser Welt!« Ströme von Milch und Teiche voll Honig sah er, und da wurde es ihm gewiß, daß dies das Paradies war. Und als er noch ein bißchen weiter voranging, da war da jener Fakir, dem er um Gotteslohn seine Frau gegeben hatte; der zog an einem Seil und bewegte eine Schaukel. Er ging noch etwas weiter, als seine eigene Frau von der Schaukel sprang und ihrem Mann zu Füßen fiel. Beide waren sehr glücklich, sich wiederzutreffen.
Danach sagte die Frau zu demjenigen, der die Schaukel bewegte: »Guter Mann, geh du jetzt aber fort, denn der Besitzer dieser Schaukel ist gekommen!« Dann setzte sie ihren Ehemann auf die Schaukel und begann selbst die Seile zu ziehen. Und ein solches Wiedersehen wie sie hatten, so eines möge hoffentlich der ganzen Welt beschert sein!