Es war das Jahr 2006, und ich befand mich im Norden von Kalifornien, wo ich mit Jugendlichen über ihre Nutzung sozialer Medien chattete. Dabei lernte ich Mike kennen, einen fünfzehnjährigen YouTube-Fanatiker.1 Mit Leidenschaft beschrieb er mir ein Video mit dem Titel »Extreme Diet Coke and Mentos Experiments«, das kurz zuvor große Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatten. Heerscharen von Internetnutzern klickten YouTube an, um sich die schäumenden Fontänen anzusehen, die entstehen, wenn man die Pfefferminzbonbons mit Cola light mischt. Mehrere Teenager hatten dieses Experiment durchgeführt, einfach weil sie sehen wollten, was passiert – Mike war einer von ihnen. Er war völlig aus dem Häuschen und wollte mir unbedingt das selbst gedrehte Video zeigen, das ihn und seine Freunde dabei zeigte, wie sie mit handelsüblichen Lebensmitteln experimentierten.
Während er mich durch seine zahlreichen weiteren YouTube-Videos geleitete, erklärte er mir, dass er sich in seiner Schule für Studienzwecke eine Videokamera ausleihen konnte. Die Schule spornte ihre Schüler dazu an, als Teil von Gruppenarbeiten Videos oder andere Medien herzustellen, um sie anschließend im Unterricht zu präsentieren. Mike und seine Freunde liehen die Kamera üblicherweise freitags aus. Zunächst machten sie die Aufnahmen für ihre Gruppenprojekte, und anschließend stand ihnen die Kamera für das restliche Wochenende zur Verfügung, um unterhaltsamere Videos zu erstellen.
Keines der Videos zeichnete sich durch eine besondere Qualität aus, und obwohl sie sie bei YouTube zur öffentlichen Ansicht hochluden, wurden diese Videos nur von ihren Freunden angesehen. Trotzdem gerieten sie stets in helle Aufregung, wenn ein weiterer Besucher das Video anklickte – selbst wenn es nur ein Freund war, den sie mehr oder weniger dazu genötigt hatten.
Während wir uns unterhielten, lachten und Mikes Videos ansahen, machte Mike plötzlich eine Pause und sah mich mit ernstem Gesicht an. »Können Sie mir einen Gefallen tun?«, fragte er. »Könnten Sie mit meiner Mutter reden und ihr sagen, dass ich nichts Unrechtes im Internet mache?« Ich antwortete nicht gleich, und so setzte er nach, um jeden Zweifel auszuräumen. »Ich meine, sie denkt, dass alles im Internet schlecht ist. Sie scheinen aber zu verstehen, worum es geht, und Sie sind eine Erwachsene. Können Sie nicht mit ihr sprechen?« Ich lächelte und versprach ihm, mein Bestes zu tun.
Dieses Buch ist nichts weiter als das: mein Versuch, das vernetzte Leben Jugendlicher denjenigen zu beschreiben und zu erklären, die sich um Jugendliche Sorgen machen – Eltern, Lehrern, politischen Entscheidungsträgern, Journalisten und gelegentlich auch Gleichaltrigen. Dieses Buch ist das Produkt achtjähriger Bemühungen zur Erforschung der verschiedenen Aspekte der Begeisterung von Jugendlichen für soziale Medien und andere Netzwerktechnologien.
Um mir einen Eindruck vom Internetverhalten Jugendlicher zu machen, reiste ich zwischen 2005 und 2012 kreuz und quer durch die USA und interviewte und beobachtete Jugendliche aus 18 Bundesstaaten und einem breiten Spektrum an sozioökonomischen und ethnischen Gemeinschaften. Ich verbrachte unzählige Stunden damit, Jugendliche mithilfe der Spuren, die sie über soziale Netzwerke, Blogs und andere soziale Medien hinterließen, zu beobachten. Ich verbrachte Zeit mit Jugendlichen in Schulen, öffentlichen Parks, Einkaufsmeilen, Kirchen und Fastfood-Restaurants.
Um noch tiefer in diesen besonderen Themenbereich einzudringen, führte ich zwischen 2007 und 2010 166 formale, semistrukturierte Interviews mit Jugendlichen in ihrem häuslichen Umfeld, in der Schule und an verschiedenen öffentlichen Plätzen.2