Misery Yoga
Heilversprechen oder Vernichtungswaffe?
Ein Erfahrungsbericht
von
Elsa Gantenbein
© bei der Autorin
Meditating woman © Sergey Nivens - Fotolia
Coverbild bearbeitet © Wortfeger Media GmbH
Coverdesign © Wortfeger Media GmbH
Lektorat & Herausgeber: Tanja Alexa Holzer,
Wortfeger Media GmbH, wortfeger.ch
Feiyr-Edition
November 2014
ISBN 978-3-906095-61-5
Das Printbuch ist erhältlich unter der ISBN 978-3-906095-59-2
Alle Urheberrechte ausdrücklich vorbehalten.
Insbesondere die Vervielfältigung und Verbreitung, auch auf elektronischem Weg und auszugsweise, sind nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin und des Herausgebers gestattet.
Prolog
Yamas: fünf Enthaltungen oder der Versuch, ein besserer Mensch zu werden
Ahimsa: nicht verletzen, Gewaltlosigkeit
Satya: Wahrhaftigkeit
Asteya: Ehrlichkeit oder nicht stehlen
Brahmacharya: Kontrolle über die Sexualkraft
Aparigraha: kein Anhaften an Besitz, kein unnötiges Anhäufen von Materiellem (inklusive Wissen und Bildung)
Niyamas: fünf Verhaltensregeln oder der Versuch, ein noch besserer Mensch zu werden
Shoucha: innere und äussere Reinheit
Santosha: Zufriedenheit
Tapas: Strenge, Disziplin, um den eigenen Willen zu stärken
Swadhyaya: Selbststudium
Ishvara pranidhana: Selbsthingabe
Asanas: gehaltene Körperstellungen oder: mein Körper, mein Tempel; ein neues Zuhause, der Ashram
Pranayama: Kontrolle der Lebensenergie oder Beginn der Bewusstseinskontrolle
Pratyahara: zurückziehen der Sinne oder der Welt entsagen
Dharana: Konzentration oder Eintauchen in die Maya (Illusion)
Dhyana: Meditation oder Bewusstwerdung
Samadhi: Selbsterkenntnis oder das Erwachen aus dem Albtraum
Epilog
Anhang
Sprüche
Rudolf Steiners Ergebenheitsgebet
Mein Leitfaden
Schlusswort
Prolog
Dieses Buch basiert auf meinen subjektiven Erfahrungen, die ich unter dem Pseudonym Elsa Gantenbein publiziere. Bewusst erwähne ich keine Namen und Ortschaften, um die Privatsphäre der Beteiligten zu schützen. In keiner Weise soll kategorisiert, beleidigt oder verurteilt werden – weder Personen noch Systeme, Traditionen oder Institutionen. Eine absolute Wahrheit ist auszuschliessen, da subjektive Erfahrungen geschildert werden. Je nachdem, ob man sich mit dem niederen oder höheren Selbst identifiziert, erhält die Wahrheit eine andere Färbung. Es geht also nicht darum, ein Schwarz-Weiss-Denken zu proklamieren, sondern eher eine Sowohl-als-auch-Haltung zu etablieren.
Es versteht sich von selbst, dass Passagen aus dem Ashramaufenthalt mit einer anderen Färbung erlebt wurden als Lebensausschnitte aus dem weltlichen Setting.
Zu vermerken ist ebenfalls, dass es in Indien unzählig viele Ashrams, Orte der Anstrengung oder des harten Arbeitens, klosterähnliche Meditationszentren, sowie auch Gurus, Meditationslehrer und Yogameister gibt. Jede Institution ist individuell gestaltet, wobei die Basisstrukturen bei den meisten gleich aussehen.
Ich berichte in meiner Geschichte von einem Ashram, von dem ich den Namen und Standort nicht bekannt gebe. Falls du, liebe Leserin, lieber Leser, das Gefühl hast, dass ich von dem Ashram spreche, in dem du auch mal warst, ist dies entweder Zufall oder Tatsache. Wie erwähnt, alle Ashrams sind ziemlich gleich organisiert. In diesem Fall möchte ich deine Meinung nicht verändern, oder dir meine eigene aufzwängen. Lese einfach unvoreingenommen von meinen Erlebnissen und lasse sie nicht die deinen beeinflussen. Ich bin überzeugt, dass jede Person eine für sich angepasste Lebenserfahrung durchleben und diese dabei so wenig wie möglich von aussen beeinflusst werden soll. Nur so können wir unsere eigenen spirituellen Erfahrungen machen und auf diesem Pilgerweg zu uns selbst finden.
Yamas:
fünf Enthaltungen oder der Versuch, ein besserer Mensch zu werden
Ahimsa: nicht verletzen, Gewaltlosigkeit
Gewaltlosigkeit in Handlung, Sprache und Gedanken. Wie unsagbar schwer das ist. Vegetarier zu werden, ist dabei noch das Einfachste. Auch Pazifist zu sein, wenn man harmoniesüchtig ist – kein Problem. Wenn mir jemand eine reinhauen würde, könnte ich nicht zurückschlagen, dies konnte ich als Primarschulkind schon nie. Ich erduldete einfach die Linealschläge von den Lausbengeln. «Mobbing» kannte man früher noch nicht, man wurde einfach von anderen geplagt, wenn man kein Mitläufer war. In meinen Gedanken aber habe ich die natürlich auch verdroschen, erwürgt, wenn es sein musste, habe ich sie gedanklich auch getötet. In meinen Träumen tauchen bis heute immer wieder mal Gewaltthemen auf. Da werden kleine Mädchen mit Kopfschüssen ermordet, doch nicht wirklich, denn sie stehen immer wieder auf und sind nie tot. Katzen werden brutal zertreten, was auch nichts nützt, denn sie stehen auch immer wieder auf und greifen mich aufs Neue an.
Sigmund Freud würde sich die Zähne an meinen Psychoträumen ausbeissen. Zum Glück praktiziert er nicht mehr in der heutigen Zeit, er würde hysterisch werden, bei all dem Mist, den die Frauen heutzutage träumen. War der gute Sigi eigentlich Vegetarier? Ich schätze nicht, aber das Googeln würde sich lohnen. Ja, er war’s, wie meine Recherchen zeigten. Übrigens, die meisten intelligenten Wesen, die als Spezies Mensch bezeichnet werden, kamen darauf, dass Vegetarismus viel gesünder, ökologischer und friedlicher ist. Grosse Denker und Wissenschaftler entdeckten, dass gewaltfreies Handeln und Denken einerseits das eigene Gemüt besänftigen und andererseits den Kontakt zur Aussenwelt erleichtern, da man sich viel einfacher und bewusster mit den Lebewesen verbinden kann.
Yoga hat viel mit Verbindung zu tun. Es geht primär darum, eine Vereinheitlichung vom irdischen Wesen mit dem universellen oder göttlichen Wesen zu erlangen, denn wir sind beides zugleich.
In äusseren Handlungen sind wir schnell mal gewaltlos. Auf tierische Produkte zu verzichten und vegan zu werden, ist da schon viel schwieriger, aber auch machbar. Aber wie steht es denn mit dem Umgang mit uns selbst? Wie oft sagten wir Ja, wenn wir Nein meinten? Und die Konsequenzen daraus zermürbten uns. Wie oft üben wir an uns selbst Gewalt aus? Vergewaltigen uns zu Taten, die wir nicht vollen Herzens machen? Wir schleppen uns tagein tagaus zu einer Arbeitsstelle, an der wir achteinhalb Stunden versauern, uns vom Vorgesetzten das Leben schwer machen lassen, uns mit toten Nahrungsmitteln, Junk-, Fast-, Functional- und Convenience-Food vollstopfen, bis wir aus den Nähten platzen, um uns dann am Abend auf einem Laufband fast einen Herzinfarkt zu holen? Und fühlen uns mies, weil alle anderen viel schöner, schlanker, straffer und fitter sind? Wie oft rufen wir unsere Mutter an, nur damit sie uns das nächste Mal nicht auf die Nerven geht mit ihrem Satz: «Warum hast du dich so lange nicht gemeldet?» Wenn mir nicht danach ist, ich einfach keine Lust habe, mit jemandem zu telefonieren, dann sollte dies die entsprechende Person nicht persönlich nehmen. Telefonieren ist sowieso anstrengend für mich. Ich mag lieber entspannt von Angesicht zu Angesicht reden. Heutzutage gibt es Skype, das vereinfacht das Ganze. Wobei das sekundenlange, visuelle Anschweigen auch unangenehm werden kann.
Die alljährlichen Weihnachtsfeiern im angespannten, besinnlichen Familienrahmen. Jeder spielt seine Rolle perfekt. Alle leiden innerlich, doch niemand will es zugeben. Wenn doch nur jemand den ersten mutigen Schritt wagen und sagen würde: «Hey, Leute, ich habe auf diesen ganzen Mist einfach keinen Bock mehr. Mir ist nicht nach Weihnachten feiern zumute. Ich will tanzen gehen, kommt jemand mit?» Und dann gehen jene, die wollen, und die anderen können ihr Fondue Chinoise oder die Weihnachtsgans geniessen.
Ja, es stimmt, als Vegetarierin trägt man an solchen Anlässen schon die Zwei auf dem Rücken. Im schlimmsten Fall müsste man nach einer solch klaren Aussage wirklich auch alleine tanzen gehen, so viel Mumm sollte sein. Oder man findet einen Freundeskreis, in dem sich alle vegetarisch ernähren und das ganze Rechtfertigen schliesst sich aus.
Gewaltlosigkeit mit uns selbst ist also eine Herausforderung. Nach ihr folgt die nächste Stufe: nicht verletzen in Worten. Wie oft sagen wir einander Fluchworte und meinen es auch so? Vor allem, wenn wir hinter dem Rücken über die neue Angestellte des Chefs reden, oder über den Chef selbst, oder über unsere Kinder, Eltern, Freunde, Verwandte, Bekannte. Ich habe es manchmal versucht, einen Tag lang niemanden zu beleidigen oder verbal zu verletzen. Frauen sind schon tratschgeil. Wobei die Männer auch nicht besser sind, sie tratschen auf eine andere Weise, am Stammtisch. Oder beim Businesslunch, nach einem Meeting oder während des Sports. Viel subtiler, man erkennt das Tratschen erst nicht, sie wollen ja vehement verhindern, dass sie den Frauen etwas nachmachen.
«Macht ihr Männer dies bewusst oder ist es ein Sissy-Verhinderungs-Gen?» Man könnte ja als schwul, bisexuell oder gar metrosexuell entlarvt werden. Oh, wie schlimm.
«Liebe Männer, wir emanzipierten Frauen stehen auf originell sexuell eingestellte Männer.» Es ist okay, sich als Mann die Wimpern zu tuschen, sofern er sich dafür nicht schämt. Die Scham ist das Einzige, was den Mann unattraktiv macht. Die sexy Männer sind die, welche zu ihrem Mannsein stehen, in welcher Art oder Abart auch immer, das ist zweitrangig. Lieber habe ich Fun mit einer Tunte als einen öden Kinobesuch mit einem Kerl, der sich dafür schämt, mit über zwanzig Jahren noch eine Jungfrau zu sein. Ist doch kein Problem, wenn es nicht geklappt hat bis jetzt, dann war eben die Zeit noch nicht reif dafür.
Die dritte gewaltlose Ebene: in Gedanken. Als Grundschullehrerin war das besonders schwierig. Da habe ich Störenfriede imaginär an die Wand geklatscht. Diesen Gedanken haben sie subtil natürlich mitgekriegt und benahmen sich dann umso blöder. Heute würde ich es anders machen, mit viel mehr Mitgefühl und Geduld. Oder auch nicht, ich weiss es nicht. Ein Wiedereinstieg in diese Indoktrinations-Gehirnwäsche-Fabrik ist nicht auszuschliessen, einfach um die Erfahrung zu machen, wie das Unterrichten ist nach einem absolvierten spirituellen Training. Ob ich tatsächlich ein besserer Mensch geworden bin, oder bin ich eben doch wieder in der Egotrip-Sackgasse gelandet? Wenn ich es nicht ausprobiere, werde ich es nie erfahren. Gewaltlosigkeit in Gedanken ist irre schwierig. Auch wenn man sich all die Fluchworte mit Selbstkontrolle erspart, in Gedanken hallen sie noch lange nach. Vor allem, wenn man im Ashram mit all diesen Idioten zu tun hat. Ups. Schon wieder passiert. Es ist wirklich, jedenfalls für mich, ein Ding der Unmöglichkeit.
Aber durchaus möglich, davon bin ich überzeugt. Ich bin noch lange nicht so weit. Ich kann schon mal froh sein, dass ich mich nicht selbst mit irgendwelchen minderwertigen Worten beschimpfe. Hättest du diese Mahlzeit nicht besser zubereiten können? Warum bist du schon wieder so schnell fett geworden? Reiss dich zusammen, tu jetzt nicht so zickig, ich blöde Kuh, ich arme Sau, dumme Ziege, Huhn. Jedes Mal sich beim Blick in den Spiegel gewaltfrei zu begegnen.
«Ja, ich liebe meinen Körper, ich geniesse lustvoll den einzig existierenden Tempel auf der Erde, alle anderen sind Fälschungen oder Halluzinationen. Ich finde mich schön, ich schaue gut zu mir, ich gehe sorgsam mit mir um. Ich tue mein Bestes, dass es mir gut geht. Ich bin für mich selbst verantwortlich und ich bin dieser Aufgabe gewachsen. Ich übertrage diese Verantwortung an keinen anderen, nur ich kann diese Aufgabe erfüllen, niemand anderes ist für mich, mein Leben und meine Gesundheit verantwortlich. Weder meine Eltern, mein Gatte, mein Arbeitgeber, meine Versicherung, der Staat, mein Hausarzt, mein Therapeut und zu guter Letzt auch nicht mein Guru.»
Im Ashram hatte ich eine Phase, in der ich dem Selbsthass begegnete. Anfangs fühlte ich mich schlecht, dass ich es zuliess, mich selbst zu hassen. Wie unwürdig. Ich sollte mich doch selbst lieben. Das sagen immer alle, und mein Therapeut auch von Zeit zu Zeit. Ja, ich weiss, dass ich das sollte, aber leider geht es nicht. Kein Wunder, dass es nicht geht. Ist doch die ganze Selbstliebe verstopft durch einen riesigen Hasspopel. Zuerst sollte dieser Rotz mal raus geschnäuzt werden und anschliessend, wenn die Liebeskanäle von den Hasselementen und Selbsthassanteilen frei sind, kann die Liebesenergie wieder ungehindert fliessen.
Gibt es eigentlich einen Akupunkturpunkt, der dies sozusagen auf Knopfdruck fast schmerzfrei vollziehen könnte? Im Ashram ist alles immer so unglaublich schmerzhaft. Aber ehrlich gesagt, ich fühle, es muss so sein. Je mehr Schmerzen, desto tiefer die Reinigung respektive die Läuterung. Und das sage ich jetzt nicht als Masochistin, eine Veranlagung dazu ist schon da, aber ernsthaft: Je mehr Schmerzen ich erfahre, desto befreiter fühle ich mich anschliessend. Blockierte Energie kann daraufhin wieder fliessen. Letztendlich sind Schmerzen verdichtete Energie. Liebesenergie, die falsch programmiert wurde. Ein Softwarefehler sozusagen. Deshalb geht das so im Ashram: Hardware formatieren, so dass alle fehlerhaften Softwares gelöscht werden, und dann können neue, frische, korrekte, schnellere – oder was auch immer für welche – Softwares draufgeladen werden. Oder wie man es im Ashramjargon oftmals hört: Du wirst in die Waschmaschine gesteckt, gewaschen und geschleudert, und wenn du es rein und duftend haben willst, dann erlaubst du, dass der Guru an dir operiert. Denn nur mit deiner Erlaubnis kann das Waschpulver und der Weichspüler hinzugetan werden.
«Meister Guru wäscht so sauber, dass man sich drin spiegeln kann.» Zurückblickend kann ich sagen, dass ich zu viel Weichspüler abgekriegt habe. Waschpulver wäre meiner Meinung gar nicht so viel nötig gewesen, hat es doch manchmal arg geschäumt. Ich war schon relativ sauber (okay, das könnte wieder ignorant von mir sein). Meine Wäsche ist grundsätzlich nie so schmutzig. Ich schaue, dass ich sauber bleibe. Aber der Schleudergang war nötig, der hat gut getan. Wobei beim Weichspüler, da hat er es gut gemeint, der Meister.
Zum Glück kennen die den Tumbler (noch) nicht. Wird wahrscheinlich einige Jahre dauern, bis sie diesen auch noch integrieren in ihrem «Ashram-Spiritual-Training». Ist mir viel lieber, nun in der Sonne zu trocknen, als in einem Tumbler geschleudert zu werden.
Zurück zum Selbsthass. Es tat unglaublich gut, mir zu erlauben, mich selbst zu hassen. So mit voller Wucht in den Selbsthass rein, das hat richtig befreit. Natürlich ist dies mit vielen Tränen, Trauerzuständen und Seelenschmerz verbunden, aber es lohnt sich. Denn anschliessend, wenn man diesen Rotz erst einmal loshat, kann man richtig tief die frische Luft durchatmen. Erst dann wird Selbstliebe möglich. Vorher ist es eine aufgesetzte Pseudo-Selbstliebe. Man sieht es den Menschen an, wenn sie nicht authentisch sind und einem eine Möchtegern-Friede-Freude-Eierkuchen-Laune vorspielen.
Eigentlich müssten wir gar nicht mehr ins Kino gehen, die besten Hollywood-Streifen kannst du dir tagtäglich überall für umsonst reinziehen. Und die sind mindestens so lustig, dramatisch und spannend, wie die meisten auf den Leinwänden. Jeder ist ja in seinem eigenen Film gefangen. Jeder versucht eine andere, noch originellere Rolle zu spielen. Aber niemand ist sich selbst, keiner spielt seine eigene Hauptrolle. Warum kriegen das die wenigsten mit? Etwa wegen dem fehlenden spirituellen Training? Möglich. Also einfach nur sich selbst sein, nicht mehr und nicht weniger. Wir werden als Original geboren, doch sterben die meisten als Kopien. Warum? Die Logik wäre doch: «Du wirst als Original geboren, lebst als Original und stirbst als Original.» So sieht der Masterplan aus. Aber eben, zu viele fuchteln rein in die Biografie. Ich wurde auch nicht verschont. Hätte ich doch Pianistin werden sollen, einen Traum meiner Eltern erfüllen. War aber nicht in meinem Lebensplan vorgesehen, ergo – keine Konzerttourneen durch die Welt und keine Versicherung für meine Hände abschliessen. Stattdessen ziehe ich es vor, von einem Yogameister weichgespült zu werden. Weil genau das in meinem Plan drin ist. Die armen Eltern, was sie nicht alles mit ihren Kindern aushalten müssen. Aber das Gute ist, meine Mutter erwähnt immer wieder mal, sie brauche keinen Guru, ich sei ihr Guru. Das erfüllt mich jeweils mit Freude.
Ja, sie ist auch auf den Yogazug aufgesprungen, inspiriert von mir sozusagen. Und auch sie hat es in die Selbstliebe geschafft. Schliesslich wurde mir der Selbsthass subtil vorgelebt. Als Kind kriegt man das ja bewusst nicht so mit, aber eben unterschwellig nimmt ein Kind alles auf, weil es derart sensitiv ist. Ich war ein hochsensitives Kind und habe deshalb die doppelte Ladung von unbewusstem Selbsthass und Selbstablehnung transferiert bekommen.
Satya: Wahrhaftigkeit
Wie befreiend, aus der katholischen Kirche auszutreten. Wenn ich gewusst hätte, wie leicht es ist, hätte ich diesen Schritt viel früher getan. Ich hätte nicht mal katholisch heiraten müssen. Eine spirituelle Zeremonie im Freien ist sowieso viel schöner. In der Kirche ist alles immer so todernst. Ist ja auch kein Wunder, wenn überall Kruzifixe hängen und Jesus vor sich hin leidet, weil der Gutmütige alle Sünden der Welt auf sich nimmt. Jerusalem hat damals echt den Superstar gefunden. Nur haben sie ihn etwas unpässlich gefeiert.
Die katholische Kirche ist ein Graus. Ich verstehe heute noch nicht, wie ich um Himmelswillen in der katholischen Kirche heiraten konnte. Also dies ist wirklich etwas, das ich bereue. Ich zähle es zu den unzählig vielen Erfahrungen, die man unter «Man macht es halt so» abbuchen kann. Und solche Dinge kann ich an einer Hand abzählen. Heute würde ich erstens nicht heiraten und zweitens schon gar nicht in der Kirche. Ist viel zu stier. Moderne Hochzeiten finden heutzutage im Freien statt. Ich war mal auf einer, da zog es mir glatt die Erde unter den Füssen weg, so romantisch, naturnah, bodenständig und authentisch war sie.
Der Austritt aus der katholischen Kirche fühlte sich richtig und befreiend an. Streng Gläubige würden das als Todsünde bezeichnen, aber für mich war es eine logische Schlussfolgerung. Ganz ohne Emotionen, eine sachliche Angelegenheit. Und vor allem freute es mich, die Kirchensteuern nicht mehr bezahlen zu müssen. Wofür auch? Obwohl die Kirchen sich Mühe geben und auch finanzielle Mittel dafür brauchen – wozu genau, weiss ich auch nicht. Sicherlich werden die Hostien (gesegneten Oblaten für die Kommunion) auch damit finanziert. Spätestens wenn man Vegetarier geworden ist, sollte man aus der Kirche austreten, denn es wird ein Ding der Unmöglichkeit, an der heiligen Kommunion teilzunehmen. «Der Leib Christi.» Einfach stehen zu bleiben, wenn sich andere für die Austeilung einreihen, ist auch unangenehm. Alle sehen, dass ich anders bin. Die moderne Kirche sollte sich eine vegetarische Variante einfallen lassen, sodass auch Vegis sich nicht ausgeschlossen fühlen müssen. Oder das Skript müsste geändert werden. Auf jeden Fall ist im Buch «Jesus lived in India» erwiesen – gibt’s nur in Indien zu kaufen, wie seltsam, obwohl es ein deutscher Autor verfasst hat – dass Jesus in Indien gelebt hatte und sich in den yogischen und/oder buddhistischen Lehren schulen liess. Er wird im Land der Gurus alljährlich als grosser Yogi gefeiert. Jesus war auch ein Guru und hat viele östliche Lehren mitgebracht. Das Theologiestudium hat sehr wahrscheinlich kein Yoga oder Buddhistischen Lehren integriert, deshalb scheint es mir manchmal, dass die Pfarrer selbst nicht verstehen, was sie predigen.
Nichts gegen Jesus, der damals auch ein Guru war und seine Jünger in seiner Geheimlehre unterwies. Ich wäre sicherlich auch ein Jünger gewesen, keine Frage. Auch ist nicht auszuschliessen, dass ich seine Partnerin Maria Magdalena war – wäre doch zu schön gewesen. Jesus war eine höchst entwickelte Seele, die als Avatar inkarnierte, um das Bewusstsein der Menschen in der damaligen Zeit anzuheben.
Erst als ich begann, mich mit der Yogaphilosophie zu beschäftigen, konnte ich in irgendeine Kirche oder Gemeinschaft gehen. Ich habe mit einem Mal verstanden, um was es wirklich geht. Als hätte ich einen Code gelernt, mit dem ich eine beliebige Predigt anhören und sie decodieren konnte, so dass ich deren Inhalt verstand. Der Code ist eine universelle Lehre und allgemeingültig. Somit kann er auf eine beliebige Religion angewendet werden, denn schlussendlich sind die Religionen aus diesem alten Wissen heraus entstanden. Je nach Kultur werden an ihr Anpassungen vorgenommen. Aber das Gebot «Du sollst nicht töten» kommt in jeder Religion vor. Es ist ein universelles Gesetz, niemandem sein Leben zu nehmen. Weder ein menschliches, noch ein tierisches. Nur jeder nimmt sich halt das raus, was für ihn passt, und was gerade am bequemsten ist. Fleisch essen schmeckt halt einfach, da kann man nichts machen. Wenn wir die Spaghetti Bolognese im Restaurant mit Sojagehacktem servieren würden und den Gast darüber im Ungewissen liessen, würde er den Schwindel geschmacklich und von der Konsistenz her nicht merken. Würden wir ihn anschliessend aufklären, dass es eben kein Rindfleisch war, so wäre er beleidigt oder gar verärgert. Er will ja das Fleisch, wegen des Eiweisses und dem Eisen.
Hier muss auf die unzähligen, unabhängig durchgeführten Studien hingewiesen werden, die den Unwissenden ins Licht führen und ihn eines Besseren belehren. Es ist einfach wahnsinnig, wie viele ignorante Menschen immer noch behaupten, Fleisch zu essen sei gesund. Nichts gegen Fleischesser, soll jeder essen, was ihm gut tut. Aber täglich drei Mal Fleisch oder Wurst auf dem Teller – kann das gesund sein? Für mich definitiv nicht. Ich war auch mal Fleischesser, von Kind auf darauf konditioniert, Fleisch sei überlebenswichtig wegen seines Eiweisses, Vitamin B12 und Eisens. Nach dem ich zu Hause auszog, minimierte sich mein Fleischkonsum kontinuierlich, bis ich nur noch ein Mal pro Woche Fleisch ass. Am Sonntagmittag brutzelte ich unser Lammrückenfilet. Ich brauchte den restlichen freien Tag, um die einverleibte proteinreiche Tierleiche wieder zu verdauen. Nicht zu vergessen, wie übel die damit verbundenen Abgase und Winde waren. Aus Rücksichtnahme auf meine Umwelt musste ich ausschliesslich entweder am Samstag oder Sonntag Fleisch essen. Unter der Woche wäre es zu riskant gewesen. Den armen Schülerinnen und Schülern hätte ich die konstante Vergasung im Klassenzimmer nicht antun können. Obwohl keiner der Kids mich je als Ursache verdächtigt hätte.
Bei jeder Fleischmahlzeit fühlte es sich an, als würde es Tage brauchen, diese toten Proteine zu verstoffwechseln. Aber wenn man sich nicht spürt, und wenn man denkt, Winde zu haben sei normal, dann irrt derjenige sich. Wir brauchen keine Winde zu haben, wenn wir uns die für uns individuell richtige Ernährung zuführen.
Mit Yoga steigert sich die Wahrnehmung. Das Körperbewusstsein verschärft sich in einem Ausmass, sodass man quasi Kontakt zu seinen Organen aufnehmen kann und ständig in Kommunikation ist. Es ist, wie wenn man sich innerlich röntgen könnte. Nicht dass ich hellsichtig wäre und mich und andere durchschauen könnte – schön wär‘s, davon werde ich noch lange träumen. Es ist ein Spüren, in sich Hineingehen und Einfühlen, wo gerade was abgeht.
Ich habe gehört, dass langjährige Vipassana Meditierende ihre Organe visuell wahrnehmen können und genau wissen, welche Krankheiten sie haben. Merkwürdig: Wenn man seinen Geist in diesem Ausmass (täglich zwei Stunden meditieren) reinigt, sollte man eigentlich nicht mehr krank werden. Der Körper ist die Verlängerung des Geistes. Vipassana setzt direkt am Geist an. Für viele ist es aber schwierig, zehn Tage lang zehn Stunden täglich zu meditieren. Deshalb setzt Yoga am Körper an und dies wirkt sich auch positiv auf den Geist aus. Man kann auch sagen, dass Yoga ein Meditieren mit dem Körper ist. Viele fangen zuerst mit Yoga an und bauen sich ihre eigene Übungspraxis, auf Sanskrit Sadhana genannt, mit täglichen zehn und mehr Minuten auf. Nach einiger Zeit, dies kann auch Jahre dauern, kommt die Lust auf Meditation. Am Anfang ist Meditation meist zu langweilig, weil der Geist sich einfach nicht zur Ruhe bringen lässt.
In der heutigen Zeit der Multioptionsgesellschaft, in der alle ständig erreichbar sein sollen, erstaunt das ja auch nicht. Die heutigen Jugendlichen haben es unglaublich schwer, sie rauben sich gegenseitig den Schlaf, weil sie ihre Handys nicht abschalten können, wenn sie schlafen gehen. Und so werden fleissig die News fortwährend untereinander ausgetauscht, wenn es sein muss auch nachts.