Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Prolog: Vor den Tagen der Manta
29. Juni 1517 NGZ: Der erste Tag der Manta
30. Juni 1517 NGZ: Der zweite Tag der Manta
1. Juli 1517 NGZ: Der dritte Tag der Manta
Epilog: Nach den Tagen der Manta
Report
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Kommentar
Glossar
Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Nr. 2788
Die drei Tage der Manta
Das Geheimnis des Maghan –es kommt zur Konfrontation in der Provcon-Faust
Christian Montillon
Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt
Seit die Menschheit ins All aufgebrochen ist, hat sie eine wechselvolle Geschichte hinter sich: Längst sind die Terraner in ferne Sterneninseln vorgestoßen, wo sie auf raumfahrende Zivilisationen und auf die Spur kosmischer Mächte getroffen sind, die das Geschehen im Universum beeinflussen.
Mittlerweile schreiben wir das Jahr 1517 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ). Die Milchstraße steht weitgehend unter dem Einfluss des Atopischen Tribunals. Dessen Richter behaupten, nur sie könnten den Weltenbrand aufhalten, der sonst unweigerlich die Galaxis zerstören würde. Auf diese Weise zementiert das Tribunal in der Milchstraße seinen Machtanspruch, während der Widerstand dagegen massiv aufrüstet.
Perry Rhodan und die Besatzung des Fernraumschiffes RAS TSCHUBAI haben in der fernen Galaxis Larhatoon in Erfahrung gebracht, dass das eigentliche Reich der Richter die Jenzeitigen Lande seien. Um dorthin zu gelangen, braucht es aber Atlan als Piloten und ein Richterschiff als Transportmittel.
Da es in Larhatoon kein Richterschiff mehr gibt, sucht Rhodan in der Milchstraße. Dort bricht jedoch eine besondere Periode an. Es sind DIE DREI TAGE DER MANTA ...
Perry Rhodan – Der Unsterbliche besucht alte Bekannte.
Vetris-Molaud – Der Unsterbliche besucht erstaunliche Orte.
Monkey – Der Unsterbliche versucht sich in geistlichen Angelegenheiten.
Amyon Kial – Die Sterbliche unterstützt ihren Ehemann.
Volven Hagadasz – Der Ermittler hat ärgerlicherweise eine neue Partnerin.
Der Schmerz ist allgegenwärtig. Ich kämpfe dagegen an, gefangen auf meinem Krankenbett. Aufstehen ist ein Wunschdenken. Bald wird es mir unmöglich sein, auch nur zu liegen.
Ich weiß das.
Ich kenne es.
Ich habe es schon zu oft durchlitten.
Aber noch widerstehe ich. Ich bin der Herr der Lage, und nicht der Schmerz. Nicht die Krankheit. Sie wird bald die Oberhand gewinnen ... wie jedes Mal.
Aber den Triumph, so lange wie möglich zu widerstehen, lasse ich mir nicht nehmen. Ich habe diese Schlacht schon oft geschlagen, und ganz am Ende werde ich Sieger sein ... wie jedes Mal.
Die Hoffnung, gemeinsam mit dem Preis, den ich errungen habe, den endgültigen Sieg davonzutragen, hat getrogen. Denn die Hoffnung trügt immer. Das ist ihr eigentümliches Wesen. Darum habe ich gelernt, die Hoffnung zu hassen. Ich vertraue ihr nicht.
Ich vertraue niemandem. Nicht mehr.
Das ist die Lektion, die das Leben und die Qual mich gelehrt haben: Vertraue nicht! Nur dann kann der Sieg in greifbare Nähe rücken. Genau das tue ich und werde ich immer tun. Ich laufe den Lauf, und ich sehe den Siegeskranz vor mir. Ich strecke die Hand danach aus, aber ich vertraue keinem, der mit mir läuft.
Beinahe.
Bald muss ich die Einzigen rufen, denen ich noch vertraue – wirklich vertraue und es nicht nur vorspiele. Die Heilschneider werden mich auseinandernehmen, zerlegen, neu formen und nähen wie ein Kleidungsstück. Nur so kann ich bestehen.
Wie jedes Mal.
Jeder Tag, jede Stunde, jede Sekunde, die ich es hinauszögere, ist ein Triumph. Ich genieße ihn, mitten in den Schmerzen – wie eine Insel in ewigen Fluten, wie das Licht einer Sonne in der großen Leere.
Niemand wird mich bezwingen. Vielleicht wird es für kurze Zeit den Anschein haben, aber ich werde wiedererstehen: zerschnitten, genäht, und mit neuer Stärke.
Vormittag
»Was steht heute an?«, fragte Volven Hagadasz. In Gedanken war er nicht bei seinem Job, sondern bei den Vorbereitungen seines hundertsten Geburtstags; es war nicht mehr viel Zeit bis dahin, und es gab noch so viel zu tun.
»Etwas Faszinierendes«, behauptete seine Mitarbeiterin Philomena, ein junges Ding, ganz neu in der Sozialgarde.
Aber einen Vorteil hatte sie immerhin: Sie war merklich schöner als seine alte Einsatzpartnerin. Obwohl dazu nicht viel gehörte, prangte es ganz oben auf der Positiv-Liste, die Volven gedanklich über Philomena führte. Dafür, dass sie genau wie ihre Vorgängerin eine Frau war, konnte sie ja nichts.
»So?«, murmelte Volven. Mit einer bloßen Behauptung weckte sie sein Interesse ganz sicher nicht. Was mochte ein Geschöpf wie Philomena wohl faszinierend finden? Er schaute auf sein Armband-Multipad und tippte sich durch die Liste der aktuellen Anbieter. Welchen Schnaps sollte er seinen Gästen bloß ...
Sie beugte sich zu ihm, und frech, wie sie war, packte sie sein Kinn und drückte es nach oben, bis er ihr direkt in die Augen schaute. »Eine Leiche!«
»Gut. Ungewöhnlich, zugegeben. Aber nicht faszinierend.« Ihre Finger waren warm, er spürte es durch seinen Sieben-Tage-Bart, und er wünschte sich, er hätte ihn am Vormittag abrasiert. Aber das tat er nie. Es kostete einige Mühe, ihn immer auf der Sieben-Tage-Länge zu halten.
»Eine Leiche in NOVA MESSINA«, ergänzte Philomena.
»Besser«, sagte er. »Und noch ungewöhnlicher, das gebe ich zu. Aber immer noch nicht faszinierend.«
Sie zog die Hand zurück. Er spürte ein leises Kitzeln am Kinn, durchaus prickelnd, dann nichts mehr. »Eine tefrodische Leiche in NOVA MESSINA«, sagte sie. »Ein hochrangiger Diplomat, und er wurde eindeutig ermordet.«
Volven grinste, schaltete das Multipad aus. Sie war schlagfertig. Ein weiterer Punkt auf der Positiv-Liste, die immer länger wurde. Wo sollte das noch hinführen? Am Ende würde er sie gar mögen. Eine seltsame Vorstellung.
»Einverstanden«, sagte er. »Schauen wir es uns an. Das könnte in der Tat faszinierend werden.«
»Und gefährlich«, ergänzte sie.
»Was die Faszination gewaltig steigert. Findest du nicht?«
Ihr linkes Auge blinzelte, und sie war ein wenig blasser als sonst. »Ich habe nie zuvor einen Mord bearbeitet.«
»Wir, Schätzchen«, sagte er. »Wir bearbeiten ihn.«
»Ich gebe zu, das hilft mir. Aber eins noch, ehe wir aufbrechen.«
»Ja?«
»Nenn mich nicht ›Schätzchen‹.«
*
Gäa war ein schöner Planet, eine gute Welt, sicher die beste in dieser lausigen Dunkelwolke, die den Namen Provcon-Faust trug.
Sie durchmaß etwa fünf Lichtjahre und beherbergte 22 Sonnen. Eine Faust, wie der Name anzudeuten schien, hatte Volven Hagadasz nie in ihrer Form erkennen können. Vielleicht hatte er ja zu wenig Phantasie oder historisches Namenswissen. Oder die anderen zu viel davon, was ihm wahrscheinlicher erschien.
Jedenfalls gefiel ihm seine Heimat, die um eine dieser 22 Sonnen kreiste. Einst war Gäa von großer Bedeutung im galaktischen Geschehen gewesen, was man seit ein paar Hundert Jahren nicht mehr behaupten konnte.
Ihm war es gleichgültig. Er lebte gern auf Gäa, und er mochte seinen Dienst in der Sozialgarde. Zumal sein Leben einige Aufregungen mehr zu bieten hatte, von denen niemand aus seinem alltäglichen Umfeld wusste, am wenigsten Philomena, das Nicht-Schätzchen.
Die beste Errungenschaft dieser guten Welt waren für Volven schon immer die Orbitalstädte gewesen. Großartige architektonische Meisterwerke, die den Planeten umkreisten.
Teils waren sie zur Erholung gedacht, teils dienten sie als Sanatorien oder noble Residenzen der betuchten Gäaner. Volven hatte sogar schon überlegt, in eine davon überzusiedeln, wenngleich die Wohnungen teuer waren. Zu teuer eigentlich.
Allerdings sah er die glitzernden Orbitalstädte ohnehin lieber von außen ... von unten, vom Planeten her: schillernde, manchmal gleißende Kunstmonde, die dem Universum, der Natur oder auch wahlweise der Evolution entgegenschrien, dass die Gäaner große Taten vollbrachten.
Nur, dass sich das Universum Volvens Einschätzung nach nicht darum scherte.
Nun flogen sie zu zweit in einem Dienstgleiter der Sozialgarde auf eine dieser Orbitalstädte zu. Mit NOVA MESSINA hatte die Sozialgarde bisher nie Ärger gehabt, und nun war ausgerechnet dort nicht nur ein Mord geschehen, sondern der Mord an einem hochrangigen tefrodischen Diplomaten.
Heikler ging es wohl kaum.
Die Tefroder unter ihrem Tamaron Vetris-Molaud waren in den letzten Jahren nicht gerade dafür bekannt, stille und dezente Verhandlungspartner zu sein.
Spätestens, seit sich Vetris mit dem Atopischen Tribunal verbündet und einen Zellaktivator erhalten hatte, seit er sich zu allem Überfluss mit dem Ehrentitel der alten Meister der Insel als »Maghan« anreden ließ ... spätestens seitdem musste jedem Beobachter klar sein, dass dieser Mann längst nicht am Ziel seiner Träume angekommen war. Zumindest, wenn man die galaktische Bühne mit einigermaßen klarem Verstand betrachtete.
Wer könnte gefährlicher sein als ein Mann, der Macht mit Ehrgeiz vereinte und zu allem Überfluss charmant und charismatisch auftrat?
»Was denkst du?«, fragte Philomena.
»Worüber?«
»Einfach nur so – was denkst du? Jetzt gerade?«
Eine schwachsinnige Frage, wie sie nur eine Frau stellen konnte. »Warum willst du das wissen?«
»Weil wir Einsatzpartner sind und versuchen, einen Mord aufzuklären.«
»Falsch«, sagte Volven.
»Ach ja? Was ist daran falsch?«
»Deine Einstellung. Wir versuchen es nicht nur. Wir klären diesen Mord auf. Punkt.«
»Ist das nicht ein wenig hochmütig?«
»Es ist die Motivation des Siegers. Oder glaubst du, ich bin so erfolgreich geworden, weil ich mir gerne zögerliche Gedanken mache?«
In der Sichtscheibe des Gleiters tauchte die Arena der Orbitalstadt auf; so bezeichnete es Volven jedenfalls für sich, wenngleich ihm jeder Astro-Architekt sicher klargemacht hätte, dass NOVA MESSINA keine Arena bildete. Doch für Volven sah sie genauso aus: ein gewaltiger Ring im Himmel, in dessen hohlem Inneren die Projektion einer Sonne waberte, ein wenig so, als wäre NOVA MESSINA selbst die zur festen Materie geronnene Korona des Sterns.
Es war eine rein optische Spielerei, ein imposantes Holo. Von der angeblichen Miniatursonne gingen weder Hitze noch Energie aus, ganz im Gegenteil. Aber es sah, das musste Volven neidlos zugeben, einfach beeindruckend aus. Für ihn war NOVA MESSINA die schönste aller Orbitalstädte, und er hatte sie bislang nie besucht, um sich den Zauber zu bewahren. Oft glänzten Edelsteine aus der Nähe nicht halb so schön wie aus der Ferne.
Nun war es also so weit. Zum ersten Mal würde er hinter die Kulissen von NOVA MESSINA blicken.
Die Weltraumstadt wurde stetig größer. Das künstliche Licht des Sonnenholos brach sich an der Sichtscheibe des Gleiters zu einem glänzenden Regenbogen.
Sie dockten am Ring an.
*
So also sah die Arena von NOVA MESSINA von innen aus.
Seltsam, Volven hatte sich nie Gedanken darüber gemacht.
Sie verließen die Andockschleuse und erreichten die Innenseite des gewaltigen Rings. Die Schwerkraft wies nach außen. Weit vor ihnen, quasi am Horizont, wölbte sich die Welt nach oben. NOVA MESSINA war nur etwa 500 Meter breit, und in der Mitte rauschte und plätscherte ein kleiner Fluss. Kinder spielten am Ufer mit glatt geschliffenen, tiefblauen Steinen.
Zu beiden Seiten standen Wohnhäuser, meist nur zweistöckig und ohne Dächer – ein Luxus, den man sich nur an einem Ort leisten konnte, an dem es niemals regnete. So bot sich den Bewohnern die freie Sicht auf den eigenartigen Himmel der Orbitalstadt: ein Muster aus roten und blauen verwobenen Metallrohren, in dem große Rundfenster einen Blick auf die Holosonne im freien Raum inmitten des Rings erlaubten.
In der zweiten oder weiter abgelegenen Reihe ragten die Häuser immer höher auf, aber es gab keine echten Wohntürme, wie sie in Sol-Town auf Gäa üblich waren. Dazu war das Innere von NOVA MESSINA schlicht nicht geräumig genug.
Ein Roboter schwirrte herbei, kaum dass sie die Schleuse verließen. Obwohl er etwa einen halben Meter über dem Boden schwebte, reichte er Volven kaum bis zu den Schultern. »Wünscht ihr eine Führung oder Erklärung zum Leben in NOVA MESSINA?«
Die kugelförmige Einheit sprach mit eigenartig piepsender Stimme. Volven fragte sich, ob das womöglich auf eine Beschädigung oder einen Fehler in der Positronik zurückging.
Drei Tentakelarme pendelten vor dem Roboter, der unablässig weiterplapperte und den Besuchern gar keine Zeit zum Antworten ließ. »Viele Besucher interessieren sich für den Fluss, der rundum verläuft und für eine natürliche Erhöhung der Luftfeuchtigkeit sorgt. Er wurde schon bei der grundlegenden Planung dieser Orbitalstadt ...«
»Danke«, unterbrach Philomena. »Wir sind keine Touristen.«
»Wie du wissen müsstest, wenn du nicht völlig ...«, setzte Volven an.
»Selbstverständlich weiß ich das!« Das Piepsen klang nun merklich energischer. »Meine Programmierung funktioniert hervorragend. Ich kenne eure Namen und weiß, warum ihr hier seid. Aber ich dachte mir, dass einige Informationen über die hiesige Kultur und den Alltag auf NOVA MESSINA bei den Ermittlungen helfen könnten.«
»So?«, fragte Philomena verblüfft. »Dachtest du das?«
Sämtliche Tentakelarme des Roboters reckten sich in die Höhe. »Meine interne Bezeichnung lautet Kontakterinteraktionsgesprächsinformationseinheit Sieben. Meine Aufgabe besteht darin, Besuchern bestmöglich in ihren jeweils individuellen Situationen zur Seite zu stehen und sie in die komplexen Eigenarten von NOVA MESSINA einzuführen. Also ja – das dachte ich.«
Volven schwieg verblüfft, und seiner jungen Einsatzpartnerin schien es nicht anders zu gehen. Allerdings lachte Philomena. Volven fragte sich, was daran so amüsant sein sollte.
Der Roboter nutzte die Gelegenheit, geradezu trotzig hinzuzufügen: »Außerdem ist die Kriminologie mein Hobby.«
Hobby?, dachte Volven, sprach es aber nicht aus, weil er ahnte, dass er sonst einen ebenso langen wie ausschweifenden Wortschwall als Erklärung über sich würde ergehen lassen müssen. Er vermerkte auf Philomenas Positiv-Liste, dass sie ebenfalls keine Frage dazu stellte. Obwohl sie eine Frau war, wusste sie offenbar, wann es angebracht war, zu schweigen. Prima.
Ein Zwotter kam auf sie zu – dieses Volk gehörte neben den Gäanern und Vincranern zu den Hauptbewohnern der Provcon-Faust. Sie ähnelten Gäanern durchaus, obwohl es viele Unterschiede gab, einer der augenfälligsten dabei war ihre geringere Größe.
Dieser Zwotter befand sich offenbar gerade in der männlichen Phase seiner Entwicklung und reichte Volven gerade einmal bis zum Bauch. Seine Haut war rau und bronzefarben; er trug wie alle Zwotter eine prächtige Glatze zur Schau. Kopfbehaarung kannten Zwotter nicht oder nur als Ausdruck einer extravaganten Mode. Mit der Geschlechtswechsel-Sache der Zwotter war Volven noch nie richtig zurechtgekommen. Ja, es mochte sexistisch sein, aber er fand es seltsam!
»Seid gegrüßt«, sagte der Zwotter freundlich, kümmerte sich aber nicht weiter um Volven und seine Begleiterin, von dem Roboter ganz abgesehen.
Als sie wieder allein waren, bat Volven den Roboter, sie zum Ort des Verbrechens zu bringen.
»Aber selbstverständlich«, quäkte Kontakterinteraktionsgesprächsinformationseinheit Sieben fröhlich. Und irgendwie unangemessen.
*
Der Roboter schwebte voran, erst auf das Flussufer zu, dann daran entlang.
Ein Siganese stand am Ufer – nein, es war eine Siganesin. Sie wirkte noch winziger, als Volven dieses Volk ohnehin in Erinnerung hatte. Er musste zweimal hinschauen, um zu begreifen: Das war ein Siganesenkind, kaum fünf oder sechs Zentimeter groß. Die kleine Kräuselung des Wassers musste für es wie eine riesige Welle erscheinen.
»Oh, du hast unseren seltenen Besuch entdeckt«, plaudere der Roboter munter weiter. »Dieses Mädchen gehört zu einer siganesischen Familie auf der Durchreise.«
Volven ignorierte den Hinweis. Nichts lag ihm ferner, als über irgendwelche Besucherfamilien – mochten sie nun siganesisch sein oder nicht – zu sprechen.
Sie gingen weiter, erreichten einen abgesperrten Bereich mitten am Ufer. Ein Feld aus Dunkelheit waberte in der Luft. Der auf diese Weise vor neugierigen Blicken verborgene Teil bildete ein Rechteck von etwa fünf auf zehn Meter; er endete direkt an der Wasserlinie des Flusses.
»Leider kann ich euch nicht bis in den gesperrten Abschnitt führen«, erklärte ihr robotischer Begleiter. »Mir ist der Zutritt verwehrt, da ich nur über Sicherheitsstufe Vier verfüge, jedoch die höchste Genehmigung nötig wäre.«
»Hm«, brummte Volven.
»Danke für deine Hilfe bis zu diesem Punkt«, sagte Philomena.
Das war einer Maschine gegenüber unnötig, aber höflich, das musste Volven zugeben.
Er nannte seinen Kode als Hochrangermittler der gäanischen Sozialgarde.
Einige Sekunden lang tat sich nichts, und Volven dachte schon, dass er die Genehmigung des Sicherheitsdienstes der Orbitalstadt einholen musste. Doch plötzlich erklang eine Stimme, mit dem künstlichen Timbre einer schlechten Programmierung: »Willkommen, Volven Hagadasz. Du und deine Begleiter dürfen passieren. Ich schalte euch eine Strukturlücke.«
Direkt vor ihm flackerte das undurchsichtige Energiefeld und erlosch auf einem Bereich, der groß genug war, um ein bequemes Passieren zu ermöglichen. Leider nicht nur für Volven und Philomena, sondern auch für »Sieben«, der die Gelegenheit beim Schopf ergriff und ebenfalls hindurchschlüpfte.
Volven akzeptierte es nur aus dem Grund, weil es ihm zu mühsam war, den Roboter zurückzuschicken, der dank seiner Penetranz sicher herumdiskutiert hätte. Vielleicht konnte die kleine Maschine ja sogar einen Beitrag leisten, indem sie einige Fragen über das Alltagsleben auf NOVA MESSINA erläuterte. Wenn sie die Leiche erst einmal untersucht hatten, konnten sie einen ortskundigen Helfer womöglich gebrauchen.
Der Tefroder lag auf einer Wiese, auf der sich sonst wohl Erholung suchende Bewohner der Orbitalstadt räkelten und womöglich Steinchen in den vorbeiplätschernden Fluss warfen. Mit dem Gesicht nach oben hatte er Arme und Beine zu den Seiten gestreckt, als wolle er eine Engelsfigur in nicht vorhandenen Schnee drücken.
Ohne die kleine verbrannte Stelle mitten in seiner Stirn hätte er quicklebendig ausgesehen. Ein Niedrigenergie-Strahlerschuss hatte ihn getötet, stark genug, um die Wunde sofort zu kauterisieren. Es war kein Tropfen Blut ausgetreten.
»Traurig«, kommentierte Philomena den Anblick.
»Wenigstens hat er nichts gespürt«, sagte Volven, der unwillkürlich den Drang verspürte, seine Assistentin zu trösten. Was war nur los mit ihm? Er wurde doch nicht etwa sentimental? Vielleicht lag es an seinem bevorstehenden Geburtstag. Man wurde schließlich nur einmal im Leben zum ersten Mal dreistellig.
»Ich freue mich, dass ihr gekommen seid«, ertönte unvermittelt eine Stimme.
Volven zuckte zusammen. Sie waren allein im abgesperrten Bereich! Sofort entwickelte er die verrückte Theorie, dass der Tefroder seinen Tod nur vorgetäuscht hatte, um ihn an diesen Ort zu locken ... doch da schälte sich eine Gestalt aus dem Nichts.
Genauer gesagt, hatte sie ihren Deflektorschirm abgeschaltet, unter dem sie sich bislang verborgen gehalten hatte.
Und noch genauer gesagt, handelte es sich tatsächlich um eine sie, aber nicht um irgendeine, sondern um die Vincranerin Veygoleid – eines der drei Mitglieder der Provconischen Triarchie und damit ein Drittel der obersten Regierung der Provcon-Faust.
»Veygoleid«, sagte Volven, als er die erste Überraschung verdaut hatte. »Was verschafft uns die Ehre deiner Gegenwart?«
Sie trug ein schlichtes, blaues Shirt und saloppe Hosen, als wäre sie nicht die mächtigste Frau der gesamten Dunkelwolke. Zumindest solange sich der Zwotter Peyzzar, ein weiteres Mitglied der Triarchie, nicht in seiner weiblichen Phase befand. Ihre prächtige Glatze brachte die Augenbrauen perfekt zur Geltung.
»Ich bin seinetwegen hier«, sagte die Triarchonin und deutete auf die Leiche. »Haron Tanantor, hochrangiger tefrodischer Diplomat. Sein Tod schreit geradezu nach einem Konflikt mit den Tefrodern.«
»Weshalb wir den Mord aufklären werden«, sagte Volven.
»Das Ganze ist weitaus komplizierter, als ihr bislang wisst«, sagte Veygoleid. »Ich bin überzeugt, dass er nicht zufällig gerade heute gestorben ist.«
»Und wieso?«, fragte Philomena. Sie kniete neben der Leiche, schnupperte über dem Einschussloch und hielt einen Scanner vor das bleiche Gesicht. Mit der Anwesenheit der Triarchonin ging sie erstaunlich gelassen um. Auch erweckte sie absolut nicht den Eindruck einer zögerlichen Assistentin, die zum ersten Mal einen Mord untersuchen musste.
»Für diesen Abend hat sich Besuch angekündigt«, sagte die Triarchonin. »Höchster Besuch, um genau zu sein. Und dazu passt, dass diese Leiche ausgerechnet jetzt gefunden wurde. Wenn ich auch noch nicht weiß, wie es dazu passt.«
»Wer wird in die Provcon-Faust kommen?«
Veygoleid blinzelte. Ihre Augen waren groß und braun, die Gesichtshaut makellos. »Tamaron Vetris-Molaud«, sagte sie düster.
Mittagszeit
An Bord der RAS TSCHUBAI ging eine Funknachricht höchster Priorität ein. Da so gut wie niemand wusste, dass das Schiff nach seiner Odyssee in der Larengalaxis in die heimische Milchstraße zurückgekehrt war, hätte es dieser hohen Prioritätskennung gar nicht bedurfte. Wer die RAS TSCHUBAI gezielt anfunkte, musste wichtig sein.
Die Solare Premier Cai Cheung wusste Bescheid und hatte versprochen, Resident Joschannan zu informieren; außerdem hatten Rhodan und seine Begleiter sich dem Kaiserpaar von Olymp zu erkennen gegeben. Vielleicht hatten es inzwischen andere Entscheidungsträger erfahren ... aber ganz gewiss niemand, den Kommandantin Jawna Togoya ignorieren konnte.
Rhodan hielt sich als gegenwärtiger Expeditionsleiter in der Zentrale auf, als Jawna Togoya die Nachricht annahm und ihn zu sich rief. Er stellte sich so, dass er das Gespräch mitverfolgen, aber nicht selbst gesehen werden konnte.
Als sich das Holobild aufbaute, rechnete der Terraner damit, Cai Cheung zu sehen.
Stattdessen blickte er in das gehörnte Antlitz eines Cheborparners.
Einer Cheborparnerin, wie er erkannte, als er genauer hinsah. Die runderen Gesichtszüge und die mit den Spitzen eher nach hinten als nach oben weisenden Hörner sprachen dafür.
Angehörige dieses Volkes kannte Perry Rhodan schon sehr lange. Sogar vor seiner Zeit hatten Menschen Cheborparner getroffen – und so waren diese Wesen, die aufrecht gehenden, gehörnten Ziegenböcken ähnelten, in die irdische Mythologie als Teufelsgestalten eingegangen. In der Realität waren sie alles andere als das.
»Mein Name ist Linoiyl Lithychiszeroth«, stellte sich die Cheborparnerin vor, Ihre Stimme klang etwas rau, hatte aber nichts Meckerndes an sich, wie es den Cheborparnern nachgesagt wurde. Wobei manche dieses Klischee durchaus erfüllten, wie etwa UfO, der derzeitige Vorsitzende des Galaktikums, der eigentlich Gaumarol da Bostichs Stellvertreter in dieser Position war. »Aber da unsere edlen Namen von Angehörigen anderer Sternenvölker üblicherweise nicht korrekt ausgesprochen werden können, kannst du mich gern LiLith nennen.«
»Sehr angenehm, LiLith«, versicherte Jawna Togoya. »Ich nehme an, ich muss mich dir nicht vorstellen.«