K. BROMBERG
Driven
VERFÜHRT
Roman
Aus dem Amerikanischen
von Kerstin Winter
WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN
Für B, B&C –
Möget ihr immer euren Träumen folgen.
Der Weg wird nicht leicht,
und vielleicht seid ihr jahrelang unterwegs.
Ihr werdet euch Hindernissen stellen
und Kritik ignorieren müssen.
Ihr werdet Phasen des Zweifels und Momente
der Unsicherheit erleben.
Aber eines Tages seid ihr angekommen.
Und wie alt ihr auch inzwischen seid oder wohin das Schicksal euch verschlagen haben mag –
wenn ihr eure Träume endlich packen könnt,
haltet sie fest, genießt, dass ihr es geschafft habt,
und lasst nie wieder los.
Nie wieder.
Ich seufze, als die Tür zufällt. Die Stille ist wohltuend, und ich bin froh, dass ich – wenigstens vorübergehend – dem belanglosen Geplauder auf der anderen Seite der Tür entkommen konnte. Im Grunde genommen sind die Leute da draußen alle meine Gäste, aber deshalb muss ich sie ja noch lange nicht mögen. Zum Glück hat Dane offenbar gespürt, dass ich dringend eine Atempause brauche, und mich gebeten, für ihn etwas zu holen.
Nur das Klicken meiner High Heels untermalt meine notorisch versprengten Gedanken, während ich durch die menschenleeren Flure hinter der Bühne des Theaters gehe, das ich für den heutigen Anlass gemietet habe. Rasch erreiche ich die ehemalige Künstlergarderobe und sammele die Papiere ein, die Dane in der Hektik vor der Party vergessen hat. Während ich mich auf den Rückweg mache, gehe ich im Geiste meine Checkliste für die bevorstehende Date-Versteigerung durch. Sie ist der Höhepunkt des Abends und wird bereits mit Spannung erwartet, doch ich werde das Gefühl nicht los, dass ich etwas vergessen habe. Automatisch fasse ich mir an die Hüfte, wo sich normalerweise mein Handy mit allen wichtigen Notizen befindet, greife aber nur in den kupferfarbenen Organza meines Cocktailkleids.
»Mist«, murmle ich und bleibe stehen, um mich besser konzentrieren zu können. Was kann ich übersehen haben? Ich lasse mich gegen die Wand sinken und will tief Luft holen, um einen frustrierten Seufzer auszustoßen, als ich feststellen muss, dass die enge, gerüschte Korsage es mir unmöglich macht. So großartig das verdammte Kleid auch aussieht, eine Warnung wäre dringend nötig gewesen: Atmen nur nach vorheriger Absprache.
Denk nach, Rylee, denk nach! Ich stütze mich mit den Schultern an der Wand ab und wippe unelegant vor und zurück, um meine schmerzenden Zehen zu entlasten, die sich in die spitzen, zehn Zentimeter hohen Schuhe quetschen.
Bieterkarten! Ich brauche Bieterkarten! Zufrieden, dass es mir wieder eingefallen ist, grinse ich breit. Na, geht doch. Und das, obwohl ich als alleinige Koordinatorin des heutigen Ereignisses wahrlich genug zu tun hatte. Erleichtert drücke ich mich von der Wand ab und komme etwa zehn Schritte weit.
Dann höre ich sie.
Ein aufgedrehtes, weibliches Kichern gefolgt von einem tiefen männlichen Stöhnen dringt durch den Flur. Schockiert über die Kühnheit unserer Partygäste, bleibe ich wie angewurzelt stehen. Ich höre das unverkennbare Geräusch eines Reißverschlusses, dann ein atemloses, weibliches »Oh ja!«, und wenn mich nicht alles täuscht, dann kenne ich diese Stimme. Die Laute kommen aus dem verdunkelten Alkoven nur ein paar Schritte vor mir. Und als sich meine Augen an das diffuse Licht gewöhnen, sehe ich ein Dinnerjacket, das achtlos über einen umgekippten Stuhl geworfen wurde, und ein Paar Riemchensandalen darunter.
Unglaublich. So was würde ich nicht einmal für viel Geld in der Öffentlichkeit tun. Der männliche Part zieht scharf die Luft ein und stößt sie mit einem »Herr im Himmel« wieder aus.
Unentschlossen kneife ich die Augen zu. Ich brauche die verdammten Bieterkarten wirklich dringend. Sie befinden sich in der Abstellkammer am Ende des Korridors, der von diesem hier abgeht, aber leider muss ich dazu direkt an dem Alkoven der beiden Turteltäubchen vorbei. Also schicke ein stummes, wenn auch aberwitziges Gebet zum Himmel, es möge mir unbemerkt gelingen, und setze mich wieder in Bewegung.
Ich halte mein vor Verlegenheit gerötetes Gesicht abgewandt und schleiche auf Zehenspitzen, damit meine Absätze nicht auf dem Holzboden klackern. Ich habe nicht die geringste Lust, hier und jetzt jemanden, den ich kenne, in einer solchen Situation zu ertappen. Und dann bin ich auch schon vorbei und atme erleichtert aus. Geschafft.
Ich versuche noch immer, die Frauenstimme einzuordnen, als ich das Kämmerchen erreiche. Ungeschickt drehe ich den Türknauf und muss ein paarmal kräftig rucken, bis ich die schwere Tür endlich aufreißen und innen das Licht einschalten kann. Die Tasche mit den Bieterkarten steht ganz hinten im Regal, und ich betrete die Abstellkammer. Als ich die Tasche aus dem Fach nehme, fällt die Tür hinter mir mit solch einer Wucht zu, dass die billige Regalkonstruktion klappert. Erschrocken fahre ich herum, um die Tür aufzudrücken, aber es geht nicht. Ein Blick verrät mir, dass sich die Stange an dem selbstschließenden Scharnier gelöst hat.
Sofort lasse ich die Tasche fallen. Der Lärm der Bieterkarten, die auf den Betonboden plumpsen und klappernd aus der Tasche fallen, ist laut wie ein Gewehrschuss. Ich greife nach dem Türknauf. Er lässt sich drehen, doch die Tür regt sich nicht. Unbewusst gerate ich in Panik, aber ich unterdrücke sie und stemme mich mit aller Kraft gegen die Tür. Sie regt sich keinen Millimeter.
»Scheiße!«, fluche ich. »Scheiße, Scheiße, Scheiße.« Ich hole tief Luft und schüttle frustriert den Kopf. Ich habe noch so viel zu tun, bevor die Auktion beginnt. Und ausgerechnet jetzt habe ich kein Handy dabei, um Dane herzuholen, damit er mich befreit.
Und als ich die Augen schließe, macht mein Erzfeind plötzlich seinen Zug. Die langen, gierigen Finger der Klaustrophobie tasten sich aus meinem Inneren hervor, arbeiten sich langsam, aber stetig in meinem Körper aufwärts und packen meine Kehle.
Drücken zu. Schnüren mir die Luft ab.
Die Wände der Kammer scheinen zusammenzurücken. Sie kommen näher. Sie wollen mich erdrücken. Sie nehmen mir die Luft. Ich kann nicht mehr atmen!
Mein Herz schlägt heftig und unregelmäßig, während ich die aufsteigende Panik mit aller Macht zurückzudrängen versuche. Meine Atmung – flach und viel zu schnell – hallt in meinen Ohren wider und torpediert meinen Willen, die quälenden Erinnerungen zu unterdrücken.
Ich hämmere gegen die Tür, als die Angst mir auch den letzten Rest Kontrolle raubt. Schweiß rinnt mir das Rückgrat herab. Die Wände kommen immer näher. Mein Fluchtinstinkt verdrängt alles andere. Meine Fäuste trommeln gegen die Tür, und ich schreie aus vollem Hals in der Hoffnung, dass mich vielleicht jemand hört.
Nichts. Ich lege den Kopf zurück an die Wand und ringe um Luft, aber es reicht nicht, und mir wird schwummrig. Als Übelkeit in mir aufsteigt, rutsche ich an der Wand herab und stoße versehentlich an den Lichtschalter. Tiefschwarze Finsternis umgibt mich. Ich schreie auf und taste hektisch nach dem Schalter, finde ihn und schalte das Licht mit bebenden Fingern wieder an. Erleichtert sinke ich in mich zusammen; ich habe das Monster in sein Versteck zurückgetrieben.
Doch als ich auf meine Hände herabschaue, sehe ich Blut. Ich blinzele, um mich aus dem Tagtraum zu befreien, doch es ist zu spät. Ich bin an einem anderen Ort. In einer anderen Zeit.
Um mich herum der beißende Gestank der Zerstörung. Der Verzweiflung. Des Todes.
In meinen Ohren sein schwacher, angestrengter Atem. Er ringt um Luft. Stirbt.
Und dann kommt der Schmerz, intensiv und gleißend, ein Schmerz, der sich so tief in die Seele frisst, dass man fürchtet, ihm nie mehr entkommen zu können. Nicht einmal durch den Tod. Meine Schreie reißen mich aus der Erinnerung, und ich bin einen Moment lang so desorientiert, dass ich nicht weiß, ob sie aus der Vergangenheit dringen oder ich wirklich geschrien habe.
Reiß dich zusammen, Rylee! Ich wische mir die Tränen mit den Handrücken von den Wangen und bringe mich dazu, mich an all das zu erinnern, was ich im vergangenen Jahr in der Therapie gelernt habe, um meine Klaustrophobie in Schach zu halten. Ich konzentriere mich auf eine Kerbe in der Wand gegenüber, versuche, bewusst ruhig zu atmen, und beginne zu zählen. Ich visualisiere, wie ich die Wände nach außen drücke, wie ich die unerträglichen Erinnerungen von mir schiebe.
Ich zähle bis zehn, kann wieder leichter atmen, doch die Verzweiflung bleibt. Mir ist klar, dass Dane in Kürze nach mir suchen wird, und er weiß, wohin ich wollte, aber die Angst sitzt tief und lässt sich nicht dämpfen.
Und schließlich kann ich mich nicht mehr beherrschen: Mit beiden Handballen hämmere ich erneut gegen die Tür, brülle, rufe um Hilfe, fluche und bettle und flehe, man möge mich hören, mich finden, mich befreien. Mich retten! Wie damals.
In meiner Verfassung fühlen sich Sekunden wie Minuten und Minuten wie Stunden an. Mir ist, als sei ich schon eine Ewigkeit in dieser schrumpfenden Kammer eingesperrt. Ich kann nicht mehr. Besiegt, schreie ich noch ein letztes Mal so laut ich kann, stütze meine Unterarme gegen die Tür, lege meine Stirn darauf und lasse den Tränen freien Lauf. Heftige Schluchzer schütteln mich.
Und plötzlich stürze ich.
Ich falle nach vorne und pralle gegen den harten Körper eines Mannes. Instinktiv schlinge ich die Arme um seinen Oberkörper, während mir die Beine den Dienst verweigern. Reaktionsschnell reißt der Mann seine Arme hoch, packt mich und fängt meinen Sturz mit seinem Gewicht ab.
Ich schaue auf, registriere einen dunklen, zerzausten Haarschopf, gebräunte Haut, einen leichten Bartschatten und … begegne seinem Blick. Eine knisternde, fast spürbare Energie durchfährt mich wie ein elektrischer Schlag, als ich in die grünen Augen sehe. Flüchtig flackert Überraschung darin auf, doch die Intensität, mit der der Mann mich mustert, macht mich nervös, auch wenn mein Körper prompt auf ihn reagiert. Nur ein kurzer Blickkontakt, und lang vergessen geglaubte Bedürfnisse fluten meine Sinne.
Wie ist es möglich, dass dieser Mann, den ich noch nie gesehen habe, die Panik und die Verzweiflung vertreibt, die mich gerade noch vollkommen beherrscht haben?
Ich mache den Fehler, die Augen niederzuschlagen, und mein Blick fällt auf seinen Mund. Die vollen, schön geschwungenen Lippen sind geschürzt, während er mich eingehend mustert, aber dann verziehen sie sich ganz langsam zu einem schiefen, spitzbübischen Grinsen.
Gott, wie sehr ich diese Lippen spüren möchte – am liebsten überall auf einmal. Was zum Henker denke ich denn da? Dieser Bursche spielt in einer vollkommen anderen Liga. Und die ist Lichtjahre von meiner entfernt.
Ich blicke hastig wieder auf und glaube ein amüsiertes Funkeln in seinen Augen zu entdecken, als wüsste er genau, was ich denke, und prompt werde ich rot. Ich senke den Blick wieder, um seinen abschätzenden Augen zu entgehen, und versuche, meine Fassung zurückzuerlangen. Doch als ich seine Oberarme fester packe und meine Füße unter mich bringen will, plumpse ich dank meiner Unerfahrenheit mit hohen Absätzen erst recht gegen ihn. Entsetzt springe ich zurück, als meine Brüste über seinen harten Oberkörper streichen und meine Nervenenden in Flammen setzen.
»Ich … ähm … ich muss mich entschuldigen.« Verunsichert verschränke ich die Hände. Nun, da ich ihn in voller Größe betrachten kann, wirft mich der Mann sogar noch mehr aus der Bahn: er ist himmlisch unvollkommen und höllisch sexy, hat einen Hauch von spöttischer Arroganz an sich und eine Aura, die ganz klar Ärger verheißt.
Er zieht die Brauen hoch, als ich ihn eine Sekunde zu lange inspiziere. »Kein Grund, sich zu entschuldigen«, antwortet er. Seine leicht kratzige Stimme hat eine Spur von Schärfe und klingt nach Rebellion und Sex. »Ich bin daran gewöhnt, dass Frauen vor mir zu Boden sinken.«
Mein Kopf fährt hoch. Ich kann nur hoffen, dass das ein Witz sein sollte, doch seine Miene verrät nichts. Wortlos beobachtet er mich, während das anmaßende Lächeln noch eine Spur breiter wird und ein einzelnes Grübchen in seiner Wange erscheint.
Ich weiche einen Schritt zurück, bin ihm aber immer noch zu nah, als dass mein Verstand wieder einsetzen kann. Sein warmer Atem streicht über meine Wange, und ich kann den sauberen Duft von Seife und einem Hauch Aftershave wahrnehmen.
»Danke. Vielen Dank«, bringe ich atemlos hervor. Ein Muskel in seinem Kiefer pulsiert, als er mich wortlos mustert. Wieso macht dieser Mann mich nur so nervös? Wieso habe ich das Bedürfnis, mich zu rechtfertigen? »Die … die Tür ist zugefallen und war blockiert. Und dann bin ich in Panik geraten und –«
»Geht’s Ihnen gut, Miss …?«
Bevor ich antworten kann, legt er seine Hand in meinen Nacken und zieht mich wieder zu sich. Ohne mich loszulassen, streicht er mit der anderen Hand über meinen Arm, womit er sich vermutlich vergewissern will, dass ich keinen körperlichen Schaden davongetragen habe. Seine Fingerspitzen hinterlassen eine Spur aus Funken auf meiner nackten Haut, und mir wird plötzlich bewusst, dass sein sinnlicher Mund nur einen Hauch von meinem entfernt ist. Meine Lippen öffnen sich, und mir stockt der Atem, als seine Hand meinen Hals aufwärtswandert und mit den Knöcheln über meine Wange streicht.
Verwirrung mischt sich in das Verlangen, das in einem heftigen Schub durch meinen Körper strömt, doch mir bleibt keine Zeit, Gefühle zu analysieren. »Ach, verdammt«, murmelt er, dann liegt sein Mund auch schon auf meinem. Ich schnappe nach Luft, und seine Zunge nutzt die Chance und stiehlt sich in den Spalt meiner geöffneten Lippen.
In meinem Kopf schrillt ein Alarm los. Ich kenne den Mann doch gar nicht. Mit beiden Händen drücke ich gegen seine Brust, um mich dem dreisten Kuss zu widersetzen. Mich meinem Körper zu widersetzen, der sich an ihn schmiegen, alle Hemmungen fahren lassen und diesen Augenblick mit ihm einfach nur genießen will.
Doch mein gesunder Menschenverstand gewinnt den inneren Kampf zwischen Lust und Anstand, und ich schaffe es, ein Stück von ihm abzurücken. Sein Mund löst sich von meinem, und unser keuchender Atem streicht über das Gesicht des anderen. Sein Blick, wild vor Lust, hält meinen fest. Es fällt mir schwer, die Saat des Verlangens, die in mir keimt, zu ignorieren, und das Protestgeschrei meiner Vernunft erstirbt auf meinen Lippen, als ich mich der Erkenntnis ergebe, dass ich diesen Mann küssen will. Ich will fühlen, was mir so sehr fehlt – was ich mir bisher absichtlich versagt habe. Ich will etwas Gewagtes tun und »den einen Kuss« erfahren – den Kuss, von dem Bücher handeln, der Liebe begründet, der keine Tugend kennt.
»Entscheide dich, Süße«, verlangt er. »Ich kann mich nicht ewig zurückhalten.«
Seine Warnung und die damit einhergehende Andeutung, dass ein Mann wie er durch jemanden wie mich – eine Durchschnittsfrau! – die Beherrschung verlieren könnte, verwirrt mich so stark, dass mir kein Wort über die Lippen kommt. Ein laszives Lächeln zupft an seinen Mundwinkeln, bevor er mein Schweigen ausnutzt und den Druck seiner Hand in meinem Nacken verstärkt. Und von einem Moment auf den anderen presst sich sein Mund erneut auf meinen. Drängend. Verlangend. Fordernd.
Widerstand ist zwecklos, und so ergebe ich mich nach nur wenigen Sekunden. Instinktiv streiche ich ihm über die unrasierten Wangen und vergrabe meine Finger in den Haaren, die sich über dem Kragen locken. Sein tiefes Stöhnen macht mich wagemutiger, und ich öffne meine Lippen, um mir mehr von ihm zu holen. Meine Zunge umschlingt seine und tanzt mit ihr träge ein lustvolles Ballett, das durch keuchendes Stöhnen und atemloses Wimmern untermalt wird.
Er schmeckt nach Whisky. Er ist unverschämt selbstsicher. Er hat eine ungebremste Wirkung auf mein Lustzentrum – eine betörende Kombination, die mir verrät, dass er ein Bad Boy ist, von dem brave Mädchen die Finger lassen sollten. Seine Intensität und sein Verführungsgeschick sind ein Versprechen auf mehr, und plötzlich gehen mir Bilder von sich aufbäumenden Leibern, schwitziger Haut und Fingern, die sich in Laken krallen, durch den Kopf.
Doch obwohl ich mich ihm ergebe, weiß ich, dass das hier nicht richtig ist. Die Stimme meines Gewissens wird lauter und befiehlt mir aufzuhören. So was tut man nicht. Und ich schon gar nicht. Und jede Liebkosung, die ich genieße, ist ein Verrat an Max.
Aber, Gott, es fühlt sich so unglaublich gut an. Und so verscharre ich meine Vernunft unter der wachsenden Lust, die sich überall in meinem Körper ausbreitet.
Er streichelt meinen Nacken, während eine Hand zu meiner Hüfte wandert und sich auf meinen unteren Rücken legt. Besitzergreifend drückt er mich an sich. Seine Erektion an meinem Bauch wächst und schickt mir einen Stromschlag zwischen die Beine, wo ich vor Verlangen immer feuchter werde. Sein Bein schiebt sich zwischen meine, presst sich an mein Geschlecht und erzeugt ein intensives Ziehen. Ich halte dagegen, erhöhe den Druck und wimmere leise. Mehr.
Ich ertrinke in Empfindungen und bin doch nicht bereit, aufzutauchen und die so dringend benötigte Luft zu schnappen. Er knabbert an meiner Unterlippe und beginnt, mein Hinterteil zu kneten. Ich klammere mich an ihn und bohre meine Nägel in seinen Nacken.
»Herrgott, ich will dich jetzt sofort«, keucht er mit rauchiger Stimme zwischen zwei Küssen und steigert den sehnsüchtigen Schmerz zwischen meinen Beinen. Er nimmt die Hand aus meinem Nacken und legt sie mir auf eine Brust, und ich stöhne, als seine Finger die Spitze durch den weichen Stoff des Kleides reiben.
Mein Körper ist mehr als bereit, sich auf sein Angebot einzulassen, denn ich will diesen Mann auch. Ich will sein Gewicht auf mir spüren, seine Haut, die sich an meiner reibt, seine Erektion, die sich rhythmisch in mir bewegt.
Aneinandergeklammert, prallen wir gegen den kleinen Alkoven im Flur. Er drückt mich gegen die Wand, während wir uns gegenseitig hektisch betasten, befingern, begrapschen. Seine Hand greift nach dem Saum meines Cocktailkleids, schiebt sich darunter und wandert aufwärts bis zum Bund meiner halterlosen Strümpfe.
»Herr im Himmel«, murmelt er an meinen Lippen, während seine Hand quälend langsam meinen Oberschenkel aufwärts wandert und an das winzige Dreieck Stoff gelangt, das mehr Dekoration als Höschen ist.
Moment mal. Was hat er gesagt? Als ich die Bedeutung der Worte endlich erfasse, fahre ich zurück, als hätte man mir einen Peitschenhieb versetzt, und drücke mich mit beiden Händen an seiner Brust ab. Das waren dieselben Worte, die ich vorhin aus dem Alkoven gehört habe, und sie haben den gleichen Effekt wie ein Eimer Eiswasser. Was zum Henker ist hier los? Wie komme ich überhaupt dazu, mit einem x-beliebigen Kerl rumzuknutschen? Und was ist denn in mich gefahren, dass ich das ausgerechnet mitten im für mich wichtigsten Event des Jahres tue?
»Nein. Nein! Ich kann das nicht.« Ich taumele zurück und schlage die Hand über meine geschwollenen Lippen. Seine grünen Augen, gerade noch dunkel vor Leidenschaft, werden scharf. Er ist verärgert.
»Dazu ist es wohl ein bisschen spät, Süße. Sieht aus, als hättest du das schon längst.«
Sein sardonischer Kommentar macht mich wütend. Ich bin clever genug, um zu begreifen, dass ich nur eine von einer ganzen Reihe abendlicher Eroberungen bin, und sein selbstzufriedener Gesichtsausdruck weckt in mir den Wunsch, ihn zu beleidigen.
»Für wen halten Sie sich eigentlich? Mich einfach anzufassen? Sich einfach über mich herzumachen?« Mein Zorn vertreibt das Gefühl der Demütigung. Ich weiß nicht, ob ich wütender auf mich bin, weil ich mich einfach auf ihn eingelassen habe, oder auf ihn, der meinen panischen Zustand ausgenutzt hat. Oder schäme ich mich vielleicht einfach, weil ich seine Lippen und seine geschickten Finger so genossen habe, ohne auch nur seinen Namen zu kennen?
Seine Augen blitzen wütend. »Ach, so ist das?« Er grinst spöttisch und reibt sich die Hand über die Wange, und ich kann das schabende Geräusch seiner Bartstoppeln hören. »Interessante Deutung der Ereignisse. Du hast also gerade nicht mitgemacht? Und bist auch nicht regelrecht in meinen Armen geschmolzen?« Er lacht höhnisch. »Mach dir in deiner tugendhaften Selbstgerechtigkeit bloß nicht vor, dass du das gerade nicht genossen hast. Und nicht mehr von mir willst.«
Er tritt einen Schritt auf mich zu, und in seinen Augen funkeln Spott und etwas Finsteres. Er hebt die Hand und zeichnet mit den Fingern die Konturen meines Kiefers nach. Obwohl ich zusammenzucke, entfacht die Berührung erneut das Verlangen, das in meinem Unterbauch glimmt. Stumm schimpfe ich mit meinem Körper, dass er mich derart verrät. »Lass uns eins klarstellen«, knurrt er. »Ich nehme nur, was man mir freiwillig anbietet. Und wir wissen beide, Süße, dass du das getan hast.« Er grinst. »Und wie.«
Ich reiße den Kopf weg und verfluche die Tatsache, dass ich nicht zu den Menschen gehöre, die immer im richtigen Moment die passende Bemerkung parat haben. Doch ich bin nun einmal nicht schlagfertig. Daher fällt mir auch jetzt nichts, aber auch rein gar nichts ein, was ich diesem ärgerlich selbstbewussten Mann, der leider absolut im Recht ist, entgegenschleudern kann. In wenigen Minuten hat er aus mir ein hochgradig sensibilisiertes Nervenbündel gemacht, das sich nur noch danach sehnte, von ihm genommen zu werden.
»Die Masche mit dem armen, hilflosen Ding mag bei deinem Freund ziehen, der dich wahrscheinlich wie ein Porzellanpüppchen behandelt. Ein hübsches, zerbrechliches Ding, das man in die Vitrine stellt und gerne ansieht, aber selten zum Spielen rausnimmt.« Er zuckt die Achseln. »Gib’s zu, Schätzchen, das ist verdammt langweilig.«
»Mein Freund? Aber –«, stammle ich. »Ich bin nicht zerbrechlich.«
»Ach, nicht?«, höhnt er, packt mein Kinn und sieht mir direkt in die Augen. »So benimmst du dich aber.«
»Sie können mich mal!« Mit einem Ruck befreie ich mein Kinn.
»Oh, du bist ja ein ganz freches kleines Ding.« Sein arrogantes Grinsen macht mich wirklich sauer. »Ich mag’s frech, Süße. Das macht dich nur noch begehrenswerter.«
Arschloch! Ich will ihm gerade verraten, dass ich weiß, was für ein Mistkerl er ist, weil er vor mir noch ein Techtelmechtel mit einer anderen hatte, als ich mir zum ersten Mal bewusst mache, dass er mir vage bekannt vorkommt. Doch ich verdränge den Gedanken wieder. Unsinn. Ich bin durcheinander, das ist alles.
Ich mache gerade den Mund auf, um etwas zu sagen, als ich Dane meinen Namen rufen höre. Erleichtert drehe ich mich um und sehe ihn am Ende des Flurs stehen und mich neugierig mustern. Vermutlich wundert er sich über meinen zerzausten Zustand.
»Rylee? Ich brauche diese Listen wirklich dringend. Hast du sie geholt?«
»Ich wurde abgelenkt«, brummele ich und werfe Mr. Arroganz noch einen Blick zu. »Ich komme. Ich muss nur … Warte kurz auf mich. Okay?«
Dane nickt, als ich mich der offenen Tür des Abstellschranks zuwende. So würdevoll wie möglich gehe ich in die Hocke, sammele die Bieterkarten ein und stopfe sie in die Tasche zurück. Während ich die Kammer verlasse, halte ich die Lider gesenkt, um seinen Blick zu meiden, und marschiere los. Ich will gerade erleichtert ausatmen, als ich seine Stimme hinter mir höre. »Dieses Gespräch ist noch nicht vorbei, Rylee.«
»Und ob es das ist, Ace«, schleudere ich ihm entgegen und haste erhobenen Hauptes und mit kerzengeradem Rücken weiter. Mein Stolz muss nicht noch mehr Schaden davontragen.
Dann endlich bin ich bei Dane, meinem Kollegen, Freund und engen Vertrauten. Besorgt sieht er mich an, als ich mich bei ihm einhake und ihn in Richtung Party ziehe. Doch erst als wir durch die Tür hindurch sind, stoße ich den Atem aus, den ich unwillkürlich angehalten hatte, und lehne mich an die Wand.
»Was zum Geier ist denn los mit dir, Rylee?« Er mustert mich von Kopf bis Fuß. »Hat es irgendwas mit dem Adonis da eben zu tun?«
Und ob es was mit dem Adonis da eben zu tun hat, denke ich, sage es allerdings aus irgendeinem Grund nicht. »Wehe, du lachst«, erwidere ich stattdessen warnend. »Aber die Tür der Abstellkammer ist zugefallen, und ich war eingesperrt.«
Er blickt zur Decke, um nicht loszuprusten. »So was kann auch nur dir passieren.«
Ich versetze ihm einen kleinen Schubs. »Hör auf, das ist nicht witzig. Ich hatte wirklich Angst. Das Licht ging aus, und plötzlich fühlte ich mich wie bei dem Unfall.« Besorgt sieht er mich an, und ich fahre schnell fort. »Ich bin ausgerastet, und der Kerl hat mich rufen hören und mich rausgelassen. Das war alles.«
»Aha. Das war alles?«, hakt er mit hochgezogenen Augenbrauen nach.
Ich nicke. »Genau. Ich bin einfach einen Moment lang völlig außer mir gewesen.« Ich lüge ihn wirklich nicht gerne an, aber im Moment ist es so am besten. Je beharrlicher ich bei meiner Geschichte bleibe, umso schneller lässt er das Thema fallen.
»Tja, verdammt schade, weil der Typ da wirklich lecker ist.« Ich lache, als er mich an sich zieht und drückt. »Geh und mach dich frisch. Schnauf kurz durch. Und dann sieh zu, dass du dich wieder unters Volk mischst und Small Talk machst. Wir haben nur noch eine knappe halbe Stunde, bevor die Versteigerung beginnt.«
In der Toilette blicke ich in den Spiegel. Dane hat recht. Ich sehe furchtbar aus. Meine Frisur und mein Make-up, bei dem mir meine Mitbewohnerin Haddie geholfen hat, sind ruiniert. Ich nehme ein Papiertuch und versuche, den Schaden in meinem Gesicht zu beheben. Meine Augen sind durch die Tränen rot gerändert, mein Lippenstift vollkommen verschmiert. Dicke Strähnen meines kastanienbraunen Haars haben sich aus den Spangen gelöst, und der Saum meines Kleides hängt gruselig schief.
Kein Wunder, dass Dane Zweifel an meiner Version des Geschehens hatte. Ich sehe regelrecht derangiert aus. Ich hole tief Luft und lehne mich einen Moment lang gegen das Waschbecken.
Das dumpfe Wummern der basslastigen Musik aus dem Theater dringt durch die Wand. Sie untermalt die zahllosen Stimmen der Gäste, die alle potenzielle Geldgeber sind.
Ich zupfe mein Kleid zurecht, sodass der Ausschnitt wieder anständig über meinen mehr als üppigen Brüsten sitzt, und streiche mir mit den Händen den Stoff über den Hüften glatt. Aber als ich dazu ansetze, die Haare wieder zurück in die Spange zu schieben, halte ich inne. Die glatt gezogenen Strähnen locken sich wieder, wie es ihrer Natur entspricht, und verleihen meiner Erscheinung einen sanfteren Touch, der mir plötzlich besser gefällt.
Ich greife in meine Tasche, die Dane mir gebracht hat, und bessere mein Make-up aus. Ich tusche meine dichten Wimpern erneut und zeichne den verschmierten Eyeliner nach, mache einen Schmollmund, trage Lippenstift auf, reibe die Lippen zusammen und tupfe die Reste ab.
Schließlich betrachte ich das Gesamtbild. Nicht so gut, wie Haddie es gemacht hat, aber es reicht. Ich bin bereit, zu den Feierlichkeiten zurückzukehren.
Die Berühmtheiten, Reichen und Wohltäter, die sich in dem alten Theater amüsieren, schmücken sich mehrheitlich mit teurem Schmuck, Designerkleidern und illustren Namen. Der heutige Abend markiert den Höhepunkt meiner Arbeit eines Jahres, denn bei diesem Ereignis soll der Löwenanteil der Gelder locker gemacht werden, die zur Grundsteinlegung der neuen Einrichtung benötigt werden.
Und ich habe mich weit, weit aus meiner Komfortzone bewegt.
Dane auf der anderen Seite des Saals verdreht diskret die Augen. Er weiß, dass ich jetzt viel lieber in Jeans und T-Shirt mit den Jungs im Haus wäre und auf der Couch herumlungern würde. Ich ringe mir ein winziges Lächeln ab und neige hoheitsvoll meinen Kopf, bevor ich an meinem Champagnerglas nippe.
Ich versuche immer noch zu verarbeiten, wie es zu dem Vorfall hinter der Bühne kommen konnte und wieso es mich überhaupt kränkt, dass ich nicht die Erste war, bei der Mr. Arroganz heute Abend zu landen versucht hat. Ich kann ja schließlich kaum erwarten, dass ein Mann, der auf der Suche nach einem Quickie ist, irgendein anderes Ziel verfolgt, als seinem ohnehin schon aufgeblasenen Ego einen weiteren Schub zu verpassen.
»Rylee, da sind Sie ja«, unterbricht eine Stimme meine Gedanken.
Ich wende mich zu meinem Chef um, einem fast zwei Meter großen Bären von einem Mann mit dem größten Herzen, das ich kenne. Passenderweise sieht er auch noch aus wie ein riesiges Kuscheltier.
Und heißt auch so. »Teddy«, sage ich herzlich und lehne mich gegen ihn, als er mir einen Arm um die Schultern legt und mich drückt. »Sieht so aus, als würde alles ganz gut laufen, denken Sie nicht?«
»Dank der harten Arbeit, die Sie geleistet haben. Die Schecks kommen kontinuierlich, wie ich gehört habe.« Er lächelt und wackelt dabei mit seinen Augenbrauen. »Und das, obwohl die Auktion noch nicht einmal angefangen hat.«
»Auch wenn ich einsehe, dass man damit erfolgreich Spenden sammeln kann, muss ich die Methode noch lange nicht gutheißen«, murre ich und hoffe, dass ich mich nicht übermäßig prüde anhöre. Wir hatten diese Diskussion in den vergangenen zwei Monaten schon oft. Mir will einfach nicht in den Sinn, wie Frauen sich freiwillig an den höchsten Bieter verkaufen können – nicht einmal für einen wohltätigen Zweck. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der eine oder andere Kerl als Gegenleistung für die fünfzehntausend Dollar Startsumme von seinem ersteigerten Date nicht mehr als nur ein harmloses Abendessen erwartet.
»Es ist ja nicht so, als würden wir hier ein Bordell betreiben, Rylee«, sagt Teddy mahnend. Plötzlich blickt er an mir vorbei, und sein Gesicht leuchtet auf. »Oh, da ist jemand, den Sie kennenlernen müssen. Der Zweck unserer Party hier liegt ihm sehr am Herzen. Er ist der Sohn eines unserer Vorstandsmitglieder, der –« Er bricht ab, als der Gast offensichtlich näher kommt. »Donovan! Wie schön, Sie zu sehen«, ruft er warmherzig, als er auch schon der Person hinter mir die Hand schüttelt.
Ich wende mich um, um Höflichkeiten auszutauschen, und blicke in die Augen von Mr. Arroganz.
Oh, shit. Und wie kann es sein, dass ich mich mit meinen sechsundzwanzig Jahren plötzlich wieder wie ein pubertierender, linkischer Teenie fühle? Der zeitliche Abstand von einer halben Stunde hat leider nichts an seinem unverschämt guten Aussehen oder seiner dreisten Sogwirkung auf meine Libido geändert. Seine gut eins fünfundachtzig große Gestalt steckt in einem maßgeschneiderten Smoking, der von Reichtum zeugt, und mein Wissen, dass darunter ein sehr gut gebauter Oberkörper steckt, löst ein derart heftiges Verlangen in mir aus, dass ich mir auf die Unterlippe beißen muss. Doch trotz seiner Anziehungskraft bin ich noch immer sauer.
Wieder nagt in meinem Hinterkopf der Gedanke, dass er mir irgendwie bekannt vorkommt, doch der Schock, ihn erneut so dicht vor mir zu sehen, verdrängt alles andere.
Er grinst mich unverschämt fröhlich an, aber ich kann nur daran denken, wie sich seine Lippen angefühlt haben. Wie die Finger, die nun einen Cognac-Schwenker halten, über meine nackte Haut gestrichen sind und sein harter Körper sich gegen meinen presste …
Und dass er ein Techtelmechtel mit einer anderen hatte, kurz bevor er sich an die nächste – mich! – ranmachte.
Ich setze ein falsches Lächeln auf, als der nichtsahnende Teddy weiterspricht. »Ich möchte Ihnen jemanden vorstellen. Sie ist die treibende Kraft hinter allem, was Sie heute Abend hier sehen.« Teddy wendet sich mir zu und legt mir eine Hand auf den Rücken. »Rylee Thomas, dies ist –«
»Wir sind uns schon begegnet«, unterbreche ich ihn mit zuckersüßer Stimme und lächle weiter. Teddy wirft mir einen verwirrten Blick zu; ich bin selten unaufrichtig. »Aber danke, dass Sie uns einander vorgestellt haben«, fahre ich fort und strecke Donovan die Hand entgegen, als sei er bloß ein potenzieller Wohltäter.
Noch immer verwirrt durch mein für mich untypisches Verhalten konzentriert sich Teddy wieder auf Mr. Arroganz. »Amüsieren Sie sich denn auch?«
»Und wie«, antwortet er und lässt meine Hand los, die er viel zu lange festgehalten hat. Ich kann mich nur mit Mühe davon abhalten, verächtlich zu schnauben. Ist ja klar, dass er seinen Spaß hat. Arroganter Mistkerl! Vielleicht sollte ich auf die Bühne gehen und unter den Frauen hier eine Umfrage starten. Mal sehen, welche er noch nicht zu verführen versucht hat.
»Haben Sie etwas vom Büffet abbekommen? Rylee hat es geschafft, einen der begehrtesten Küchenchefs Hollywoods zu überreden, das Essen als Spende beizusteuern«, erklärt Teddy, wie immer der vollendete Gastgeber.
Donovan wirft mir einen kurzen Blick zu, und in seinen Augenwinkeln erscheinen Lachfalten. »Ich habe mir ein Häppchen genehmigt, während ich mich hinter der Bühne umgesehen habe«, sagt er. Ich schnappe nach Luft über seine dreiste Anspielung, doch er tut, als sei nichts, und wendet sich wieder an Teddy. »Es war … unerwartet, aber ganz köstlich, danke.«
In diesem Moment ruft jemand Teddys Namen. Er bedenkt mich erneut mit einem neugierigen Blick, dann zuckt er mit den Schultern. »Wenn Sie mich bitte einen Moment entschuldigen wollen. Man verlangt nach mir. Und Donovan, schön, Sie wiederzusehen. Ich freue mich, dass Sie es heute Abend einrichten konnten.«
Wir nicken beide brav, als Teddy davongeht. Dann wirbele ich mit finsterer Miene herum und lasse Donovan stehen. Ich möchte ihn und meine Erinnerung an vorhin aus diesem Abend löschen.
Seine Hand schnellt vor, umfasst meinen bloßen Arm und zieht mich zurück, sodass ich mit dem Hinterteil gegen ihn pralle. Hastig sehe ich mich um und stelle erleichtert fest, dass alle in Gespräche vertieft sind und niemand uns zusieht.
Donovans Kinn streift meine Schulter, als er sich vorbeugt und seinen Mund an mein Ohr bringt. »Warum bist du denn so angefressen?« In seiner Stimme liegt beißender Frost, der mich warnt, dass man sich besser nicht mit ihm anlegt. »Kann dein kleiner prüder Verstand nicht zugeben, dass dein Körper unbedingt mehr von diesem bösen Jungen will, mit dem man sich natürlich auf keinen Fall einlassen darf?« Er knurrt mir anzüglich ins Ohr. »Oder bist du so frigide, dass du dir nie gönnst, was du dir wünschst? Was du brauchst? Was du fühlst?«
Wutschnaubend versuche ich, mich aus seinem Griff zu befreien, aber ich habe keine Chance. Wie war das noch mit dem Wolf im Schafspelz? Ich höre auf, mich zu winden, als ein Pärchen an uns vorbeizieht und uns eingehend mustert, als ob es herauszufinden versucht, was genau sich zwischen uns abspielt. Donovan lässt mich rasch los und reibt stattdessen über meinen Arm, wie es ein Liebender machen würde, und obwohl ich vor Wut koche, verschafft mir seine Berührung eine Gänsehaut.
Und wieder spüre ich seinen Atem an meiner Wange. »Es ist ausgesprochen erregend, wenn jemand so prompt auf eine Berührung reagiert«, flüstert er, als seine Finger über meine Schulter streichen. »Und du weißt sehr gut, dass du herausfinden willst, warum du so heftig auf mich reagiert hast. Glaubst du, ich wüsste nicht, wie du mich mit Blicken ausgezogen und dir vorgestellt hast, mich mit dem Mund zu vögeln?«
Ich keuche auf, als er seine Hand auf meinen Bauch legt und mich mit meiner Kehrseite an sich zieht, sodass ich den Beweis seiner Erregung spüre.
Trotz meiner Verärgerung finde ich es aufregend, dass ich für seine Reaktion verantwortlich bin. Andererseits reagiert er vermutlich so auf alle Frauen, die ihm ja anscheinend gewohnheitsmäßig zu Füßen liegen.
»Du hast Glück, dass ich dich nicht zurück in diese Kammer zerre, aus der ich dich befreit habe, und mir nehme, was du mir angeboten hast. Ich wüsste schon, wie ich dich zum Schreien bringe.« Er knabbert an meinem Ohr, und ich muss ein Stöhnen unterdrücken. »Ich sollte dich vögeln, um dich aus meinen Gedanken zu kriegen, und dann meiner Wege gehen.«
So hat noch niemand mit mir geredet, und ich habe auch starke Zweifel, dass ich es jemandem gestattet hätte, aber seine Worte und der Nachdruck, mit dem er sie ausspricht, machen mich unerwartet an.
Ich bin enorm sauer auf mich, dass ich so unmöglich auf diesen unerträglich selbstherrlichen Kerl reagiere. Ganz offensichtlich weiß er, welche Wirkung er auf Frauenkörper hat, und unglücklicherweise geht es hier und jetzt um meinen.
Langsam drehe ich mich zu ihm um und verenge meine Augen zu Schlitzen. »Wir sind aber ganz schön anmaßend, nicht wahr, Ace? Ist das deine übliche Vorgehensweise? Frei nach dem Motto ›Schnell gefickt, dann weggeschickt‹?«
Überrascht von meinem Schlenker ins Vulgäre, reißt er die Augen auf. Oder vielleicht staunt er auch nur, dass ich ihn schon durchschaut habe. Vor Zorn bebend starre ich ihm in die Augen. »Wie viele Frauen hast du heute Abend schon zu verführen versucht?« Angewidert ziehe ich die Brauen hoch, als sich ein Anflug von schlechtem Gewissen in seiner Miene abzeichnet. »Was denn? Wusstest du etwa nicht, dass ich versehentlich über dich und deine erste Eroberung des Abends gestolpert bin, als ihr euch hinter der Bühne amüsiert habt?« Donovan reißt die Augen auf. Das gefällt mir, und ich fahre fort. »Hat sie dich in deinem eigenen Spiel geschlagen und sitzen lassen, bevor du zum Zug kommen konntest? Sodass du dir unbedingt noch beweisen musstest, was für ein toller Kerl du bist? Scheint ja wirklich furchtbar dringend gewesen zu sein, wenn du dich schon über eine Frau hermachen musst, die kaum bei sich ist, weil sie eingesperrt war und in Panik geraten ist. Ich meine, mal ehrlich – an wie vielen Frauen hast du heute Abend schon deine Verführungsfloskeln ausprobiert, hm? An wie vielen hast du dich zu vergreifen versucht?«
»Bist du etwa eifersüchtig, Süße?« Er zieht die Augenbrauen hoch und grinst. »Wir können jederzeit zu Ende bringen, was wir begonnen haben, und du darfst dich an mir vergreifen, so viel du magst.«
Ich lege ihm die flache Hand auf die Brust und schiebe ihn von mir. Am liebsten würde ich ihm mit einer Ohrfeige das selbstzufriedene Grinsen aus dem Gesicht wischen. »Tut mir leid, aber ich vergeude meine Zeit nicht mit Frauenhassern und Mistkerlen wie dir. Such dir doch eine –«
»Vorsicht, Rylee«, sagt er und packt mein Handgelenk. Seine Stimme ist täuschend sanft, seine Augen blitzen gefährlich. »Ich mag es nicht, wenn man mich beleidigt.«
Ich versuche, mich aus seinem Griff zu winden, doch er hält eisern fest. Für die Leute um uns herum muss es aussehen, als hätte ich meine Hand voller Zuneigung auf sein Herz gelegt. Aber die Leute um uns herum können auch nicht den stahlharten Griff seiner Finger spüren.
»Okay, dann hör mir jetzt genau zu«, fauche ich ihn an. Ich habe seine Spielchen satt – und meine sich widersprechenden Gefühle auch. »Du willst mich ja nur, weil ich wahrscheinlich die erste Frau bin, die deinem tollen Gesicht und deinem Nimm-mich-Körper widerstehen kann. Du bist so daran gewöhnt, dass dir die Frauen zu Füßen liegen – ja, die Doppeldeutigkeit ist mir bewusst! –, dass du keine Ahnung hast, wie du reagieren sollst, wenn jemand gegen deinen Charme immun ist.«
Obwohl er nonchalant die Achseln zuckt, kann ich seine Verärgerung spüren, als er mein Handgelenk loslässt. »Wenn ich etwas sehe, das mir gefällt, nehme ich es mir«, sagt er ungerührt.
Ich schüttle den Kopf und verdrehe die Augen. »Nein, du musst dir nur ständig selbst beweisen, dass du jede Frau kriegst, die dir über den Weg läuft. Dein Stolz ist angeknackst, das verstehe ich.« Gönnerhaft tätschele ich seinen Arm. »Aber mach dir nichts draus, Ace, ich sag’s auch niemandem.«
Wieder zieht er die Brauen hoch und lächelt leicht. Ein Muskel in seinem Kiefer zuckt, als er mich einen Moment lang nachdenklich mustert. »Lass uns mal eben etwas richtigstellen.« Er beugt sich vor, bis sein Gesicht sehr nah vor meinem ist, und das Glitzern in seinen Augen macht mir klar, dass ich zu weit gegangen bin. »Wenn ich dich will, Süße, dann kann und dann werde ich dich kriegen, wann und wo ich es will, ist das klar?«
Ich schnaube undamenhaft über seine Unverfrorenheit, während ich gleichzeitig zu ignorieren versuche, dass sich mein Puls bei dem Gedanken beschleunigt. »Verlass dich nicht drauf«, sage ich höhnisch und versuche, an ihm vorbeizuhuschen.
Seine Hand schießt vor und packt erneut meinen Arm, und schwungvoll holt er mich zurück, bis ich wieder sehr, sehr dicht bei ihm stehe. Der Stoff seines Jacketts streift meinen Arm, als er ein- und ausatmet, und ich sehe das Pochen des Pulses an seinem Hals. Betont schaue ich auf seine Hand an meinem Arm, dann wieder warnend zu ihm auf, doch er reagiert nicht. Stattdessen kommt er mir wieder so nah, dass sein Atem über meine Wange streicht. Ich neige ihm mein Gesicht zu, bin mir allerdings nicht sicher, ob ich trotzig das Kinn heben will oder insgeheim einen Kuss erwarte.
»Du hast Glück, dass ich ein Spieler bin, Rylee.« Seine tiefe vibrierende Stimme ist nur ein Flüstern, und ein spitzbübisches Lächeln zupft an seinen Mundwinkeln. »Hin und wieder bin ich für eine Herausforderung durchaus zu haben.« Er lässt meinen Arm los, streicht aber mit den Fingerspitzen träge über meine Haut, und ich schaudere.
»Lass uns eine Wette abschließen.« Er hält inne und nickt einem Bekannten zu. Die Geste holt mich wieder in die Realität zurück, und erst jetzt wird mir bewusst, dass ich vorübergehend vergessen hatte, wo und vor allem unter wie vielen Menschen wir uns befinden.
»Hat dir deine Mutter nicht beigebracht, dass Nein auch Nein bedeutet?« Ich ziehe herablassend die Brauen hoch.
Und da ist wieder sein schmieriges Lächeln, als er als Antwort auf meine Frage nickt. »Und sie hat mir außerdem beigebracht, dass man alles kriegen kann, wenn man es nur hartnäckig genug versucht.«
Na toll, so hängt man sich also einen Stalker ans Bein. Einen attraktiven, sexy und extrem ärgerlichen Stalker.
Er streckt die Hand aus und spielt mit einer Locke, die auf meine Schulter herabbaumelt. Ich versuche, nicht zu reagieren, obwohl ich gegen das Bedürfnis ankämpfen muss, die Augen zu schließen und mich in seine warme Hand zu schmiegen. Und sein spöttisches Lächeln verrät mir, dass er ganz genau weiß, welche Wirkung er auf mich hat. »Also, Ryles – wie wär’s? Wetten wir?«
Sein Vorschlag – vielleicht auch seine Wirkung auf mich – macht mich fuchsteufelswild. »Das ist doch ein total schwachsinniges –«
»Ich wette«, unterbricht er mich und hält eine Hand hoch, »dass du dich bis zum Ende dieses Abends mit mir verabredet hast.«
Lachend weiche ich zurück. »Keine Chance, du Spaßvogel.«
Er nimmt einen tiefen Schluck aus seinem Glas und betrachtet mich prüfend. »Wovor hast du dann Angst? Dass du mir doch nicht widerstehen kannst?« Er grinst, als ich die Augen verdrehe. »Na komm, schlag ein. Du hast nichts zu verlieren, oder?«
»Du kriegst also im günstigsten Fall ein Date und kannst dein angeschlagenes Ego wieder aufpäppeln.« Ich zucke die Achseln. »Und was würde für mich rausspringen?«
»Falls du gewinnst –«
»Du meinst, falls ich deinem umwerfenden Charme widerstehen kann«, verbessere ich ihn sarkastisch.
»Gut, formulieren wir es um. Falls du bis zum Ende dieses Abends meinem umwerfenden Charme widerstehen kannst, bekommt ihr eine großzügige Spende.« Er wedelt mit der Hand in der Luft, um zu unterstreichen, wie unbedeutend das für ihn ist. »Sagen wir, zwanzigtausend Dollar.«
Ich schnappe nach Luft und starre ihn einen Moment lang verdattert an. Natürlich schlage ich jetzt ein. Ich weiß ganz genau, dass ich nie und nimmer auf diesen arroganten Mistkerl und seine Verführungstricks reinfallen werde. Ja, okay, ich habe mich vorhin einen kurzen Augenblick von ihm betören lassen, doch das lag nur daran, dass ich schon seit einer Ewigkeit nicht mehr so berührt worden bin. Nicht mehr so geküsst worden bin. Kein solches Verlangen mehr gespürt habe.
Genau genommen glaube ich nicht, dass ich schon jemals ein solches Verlangen empfunden habe. Aber soweit ich weiß, hat mich auch noch nie ein Mann geküsst, dessen Lippen noch warm von einer anderen waren.
Ich mustere ihn ungerührt, während ich versuche, den Haken an der Sache zu finden. Vielleicht gibt es ja keinen. Vielleicht ist er einfach derart eingebildet, dass er sich tatsächlich für unwiderstehlich hält. Andererseits – wen kümmert’s? Ich werde jedenfalls die Spendensumme des heutigen Abends um zwanzigtausend erhöhen.
»Verpasst diese Wette deinen Chancen, heute noch eine andere ins Bett zu kriegen, nicht einen empfindlichen Dämpfer?«, sage ich und sehe mich im Saal um. »Es sieht nicht allzu gut aus, wenn man bedenkt, dass es bisher 0:2 steht.«
»Ach, das wird schon. Mach dir keine Sorgen um mich, ich bin gut in Multitasking.« Er grinst und zwinkert mir zu. »Im Übrigen ist der Abend noch jung, und laut meiner Zählung steht es bisher 0:1.« Dann wird er wieder ernst. »Manchmal muss man nicht alles genau durchdenken, Rylee. Es ist bloß eine Wette. Nichts weiter.«
Ich verschränke die Arme vor der Brust. Die Entscheidung fällt leicht. Für meine Jungs tue ich alles. »Dann zück schon mal dein Scheckbuch, Ace. Es gibt wenig, was mir mehr Spaß macht, als arroganten Mistkerlen wie dir zu zeigen, dass sie sich irren.«
Ohne mich aus den Augen zu lassen, nimmt er wieder einen Schluck aus dem Glas. »Du bist dir deiner Sache ja sehr sicher.«
»Sagen wir einfach, dass ich mich rühmen kann, mich außerordentlich gut im Griff zu haben.«
Donovan tritt wieder einen Schritt näher. »Hast du das, ja?«, murmelt er, und seine Augen funkeln herausfordernd. »Das kam mir vorhin aber ganz anders vor. Tja, wie auch immer. Selbstverständlich können wir es gerne noch einmal ausprobieren …«
Die Muskeln in meinem Inneren ziehen sich zusammen, und der sehnsüchtige Schmerz zwischen meinen Beinen bettelt um Erlösung. Wieso reagiere ich wie ein Mädchen, das noch nie angefasst worden ist? Vielleicht, weil mich bisher dieser Mann nicht angefasst hat.
Hastig strecke ich ihm die Hand entgegen. »Okay. Die Wette gilt. Aber ich warne dich – ich verliere nie.«
Er nimmt meine Hand, und ein strahlendes Lächeln erhellt seine Züge. »Ich auch nicht, Rylee«, sagt er. »Ich auch nicht.«
»Rylee, entschuldige die Unterbrechung, aber wir brauchen dich jetzt unbedingt«, erklingt eine weibliche Stimme hinter mir. Es ist Stella, und ich nicke ihr zu.
»Wenn du mich bitte entschuldigen würdest«, sage ich an Donovan gewandt, »ich habe zu tun.«
Er nickt. »Wir unterhalten uns später weiter.«
Während ich davongehe, überlege ich, ob seine Antwort ein Versprechen war. Oder eine Drohung.
Ich sitze hinter der Bühne in den chaotischen Nachwehen der Versteigerung, und mir schwirrt noch immer der Kopf. Die vergangenen eineinhalb Stunden habe ich wie durch einen zähen Dunst erlebt. Einen erfolgreichen Dunst zwar, aber einen, der mit einem hohen Preis erkauft worden ist – nämlich mit meiner Würde!
Im allerletzten Augenblick ist eine Teilnehmerin unserer Date-Versteigerung krank geworden. Da wir so schnell keinen Ersatz finden konnten, im Programm allerdings eine bestimmte Anzahl ausgewiesen war, flehte ich nacheinander jede meiner Mitarbeiterinnen an, gegen ein Bestechungsgeld einzuspringen. Doch unter all den Personen, die nicht konkret für den Ablauf der Versteigerung gebraucht wurden, gab es keine, die nicht entweder verheiratet oder fest mit einem Partner verbandelt war.
Niemanden außer mir, versteht sich.